BT-Drucksache 16/9850

Struktur und Effizienz des deutschen Bankensystems

Vom 25. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9850
16. Wahlperiode 25. 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Schäffler, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter
Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning,
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Struktur und Effizienz des deutschen Bankensystems

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-
wicklung hat am 17. Juni 2008 seine Expertise „Das deutsche Finanzsystem:
Effizienz steigern – Stabilität erhöhen“ vorgelegt.

Darin empfiehlt er, den öffentlich-rechtlichen Bankensektor neu zu ordnen, die
Landesbanken zu privatisieren und bei den Sparkassen den öffentlichen Auftrag
vom operativen Bankgeschäft zu trennen.

Auch die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, hält das deutsche Bankensystem
für „verbesserungsfähig“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Juni 2008). Der
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos, sieht „Reform-
bedürfnisse im öffentlich-rechtlichen Bankensektor“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung das Gutachten des Sachverständigenrats?

2. Teilt die Bundesregierung die Forderung des Sachverständigenrats bezüglich
der Privatisierung von Landesbanken und Sparkassen?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Erfahrungen, die in Italien, Frank-
reich, Österreich und Spanien bezüglich der Öffnung des Sparkassensektors
gemacht wurden, und sieht sie darin ein Vorbild für Deutschland?
4. Inwieweit hält die Bundesregierung das deutsche Finanzsystem für verbesse-
rungsfähig, und inwieweit sieht sie Reformbedürfnisse?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigenrats,
das Finanzsystem leiste in Deutschland einen geringeren Beitrag zur gesamt-
wirtschaftlichen Wertschöpfung als in anderen europäischen Ländern und die
Zuwachsraten seien im Mittel der letzten zehn Jahre zudem negativ gewesen?

Drucksache 16/9850 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, die These, dass die niedrigen Erträge in Deutschland auf einen deutlich
höheren Wettbewerb als in anderen Ländern zurückzuführen seien, lasse
sich nicht bestätigen, insbesondere schlügen sich die geringen Gewinne
nicht zugunsten der Bankkunden in einer überdurchschnittlichen Verzin-
sung von Spareinlagen oder unterdurchschnittlichen Zinsen für Unterneh-
menskredite nieder?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, eine andauernde Ertragsschwäche könne irgendwann zu einem Stabili-
tätsproblem werden?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, es gebe Hinweise, dass sich der hohe Anteil von Banken im öffent-
lichen Besitz nachteilig auf die Leistungsfähigkeit des Finanzsystems bei
der Lenkung von Kapital in die jeweils produktivsten Verwendungen aus-
wirken könnte?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, dass Unternehmen, die Kredite von Landesbanken erhalten, eine nied-
rigere totale Faktorproduktivität aufwiesen als Unternehmen mit einer Kre-
ditbank als Hausbank; in abgeschwächter Form finde sich dieser Befund
auch bei Unternehmen, die eine Sparkasse als Hausbank haben?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, die Fragmentierung im deutschen Bankensystem sei im internationalen
Vergleich immer noch hoch?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, als Ursachen der aktuellen Finanzmarktkrise seien insbesondere eine
zu lange expansive Geldpolitik in den Vereinigten Staaten, die Devisen-
marktpolitik einer Reihe von Schwellenländern, die Vernachlässigung der
Überwachung individueller Kreditbeziehungen im Rahmen der Verbriefung
und Strukturierung von Forderungen sowie die nur scheinbare Disinter-
mediation des Kreditgeschäfts durch die Nutzung von auf Kreditlinien
angewiesene Zweckgesellschaften eben dieser Banken zu nennen?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung des Sachverständigenrats,
bezüglich der Sparkassen den politischen Einfluss der öffentlichen Eigen-
tümer möglichst zurückzudrängen und auf dem Wege der Umwandlung in
Aktiengesellschaften die Veräußerbarkeit von Anteilen an Sparkassen
grundsätzlich zu ermöglichen sowie analog zum Vorgehen in Italien das
Eigentum an Stiftungen zu übertragen, denen künftig die Wahrnehmung des
öffentlichen Auftrags obliege?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung des Sachverständigenrats,
im Anschluss an die Umwandlung der Institute in Aktiengesellschaften
sollten alle Landesbanken privatisiert werden, indem die noch von den Län-
dern gehaltenen Aktienanteile auf weniger als 25 Prozent zurückgeführt
werden?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, ein Grund für die vergleichsweise geringe internationale Übernahme-
aktivität von deutschen Banken sei die hohe Zersplitterung des Banken-
marktes?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, das Motiv für Bankenfusionen in Deutschland scheine mehrheitlich ein
defensives zu sei?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9850

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, das deutsche Bankensystem weise im internationalen Vergleich seit
etwa zehn Jahren einen deutlichen Rückgang der Rentabilität auf?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, die Zinsen für Einlagen in Deutschland lägen etwa im Durchschnitt des
Euro-Raums, die Kreditzinsen hingegen seien höher als der Durchschnitt
des Euro-Raums?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, die Landesbanken wiesen eine, verglichen mit dem gesamten Banken-
system, besonders ausgeprägte Ertragsschwäche auf?

19. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, dass das deutsche Bankensystem im internationalen Vergleich eine
sehr geringe Rentabilität aufweise und die Probleme primär auf der Ertrags-
seite lägen?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, das traditionelle Geschäftsmodell der Landesbanken sei schon seit lan-
gem obsolet geworden?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des Sachverständigen-
rats, die Arbeitsteilung zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank sei wenig zweckmäßig?

22. Hat die Bundesregierung das Gutachten bereits an die Länder weitergelei-
tet?

23. Welches weitere Vorgehen erwartet die Bundesregierung von den Ländern?

24. Inwieweit sieht die Bundesregierung in ihrem Zuständigkeitsbereich Hand-
lungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten?

25. Wie will sie diese nutzen?

26. Plant die Bundesregierung Änderungen im Kreditwesengesetz oder anderen
Gesetzen, und wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 25. Juni 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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