BT-Drucksache 16/9713

zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/7864- Freiheit und Demokratie im Südkaukasus - Für freie und faire Wahlen 2008

Vom 23. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9713
16. Wahlperiode 23. 06. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn),
Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/7864 –

Freiheit und Demokratie im Südkaukasus – Für freie und faire Wahlen 2008

A. Problem

Armenien, Aserbaidschan und Georgien sind junge Staaten, denen es trotz der
enormen wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen in der Folge des Zusam-
menbruchs der Sowjetunion sowie der blutigen Konflikte um Bergkarabach,
Abchasien und Südossetien gelungen ist, ihre Unabhängigkeit zu bewahren und
ein gewisses Maß an politischer Stabilität zu erreichen. Neben der wirtschaft-
lichen Bedeutung für Europa als Energielieferant wie auch als Korridor für
potenzielle Energielieferungen aus Zentralasien hat der Südkaukasus auch eine
wichtige geopolitische und kulturelle Funktion.

Nach Auffassung der Antragsteller liegt daher die demokratische Entwicklung
und wirtschaftliche Prosperität des Südkaukasus im ureigensten Interesse der
Europäischen Union sowie ihrer Mitgliedstaaten. Sie sind die zentralen Voraus-
setzungen für die friedliche Lösung der schwelenden Konflikte. Diese sind nicht
nur eine Bedrohung für die Staaten selbst, sondern auch für die Sicherheit und
Stabilität in der östlichen Nachbarregion der EU insgesamt.

Alle Länder der Region sind Mitglieder im Europarat. Die Aufnahme des Süd-
kaukasus in die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) im Jahr 2004 war ein
wichtiger Schritt der Region auf dem Wege nach Europa. Mit der Unterzeich-
nung der ENP-Aktionspläne im Jahr 2006 haben sich alle drei Staaten im Ge-
genzug zu wirtschaftlicher Hilfe zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und zur
Einhaltung der Menschenrechte sowie zu nachhaltigen politischen und wirt-
schaftlichen Reformen verpflichtet.

Die Wahlen und Abstimmungen im Jahr 2008 sind ein wichtiger Prüfstein für
eben diese Zusagen, das betrifft in Armenien, Aserbaidschan und Georgien so-

wohl Präsidentschafts- und Parlamentswahlen als auch diverse Referenden.

Aserbaidschan gehört zu den wichtigsten Partnern der Europäischen Union im
Südkaukasus. Das Wirtschaftswachstum von 35 Prozent im Jahr 2006 basiert
aber fast ausschließlich auf Erdgas- und Erdölverkäufen. Auch Deutschland un-
terhält wichtige wirtschaftliche Beziehungen zu Aserbaidschan. Im Jahr 2006
überstieg das Handelsvolumen erstmals die Grenze von 1 Mrd. Euro. Gleichzei-
tig kommen die gestiegenen Einnahmen der letzten Jahre nur in geringem Maße

Drucksache 16/9713 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der Bevölkerung in Aserbaidschan zugute. Zugleich stehen diese Probleme einer
weiteren Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen mit der EU im Weg.
Nutznießer der gegenwärtigen Situation sind hauptsächlich die autokratischen
Eliten im Lande.

Die Verwendung entwicklungspolitischer Unterstützungen durch die Bundes-
regierung und die EU sind durch einen intransparenten Staatshaushalt nicht kon-
trollierbar.

In Armenien wird der Mangel an Reformen und Fortschritt vor allem in Bezug
auf die Unabhängigkeit der Gerichte sowie das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit
deutlich. Ein weiteres Problem bildet der Monopolisierungsgrad der Wirtschaft,
der freien und fairen Wettbewerb behindert. Auch ist weiterhin zu befürchten,
dass die armenische Regierung unter Präsident Robert Kotscharian ihre staat-
liche Gewalt zur Beeinflussung oder Einschüchterung unabhängiger Medien
missbraucht. Bei den Parlamentswahlen in Armenien im Mai 2007 gab es erneut
erhebliche Mängel in Bezug auf die Implementierung von Verordnungen zur
Transparenz der Finanzierung von Kampagnen sowie hinsichtlich der Unterbin-
dung von Stimmenkäufen.

Die Bevölkerung Georgiens hat 2003 mit ihrem mutigen Schritt zu mehr Demo-
kratie, Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit ganz Europa fasziniert. Die Rosen-
revolution gilt als ein Symbol für die Mündigkeit der Bürger und ihrem Willen,
ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.

Die Entwicklungen in Georgien am Jahresende 2007 geben jedoch Anlass zur
Sorge. Die gewaltsame Auflösung der Demonstration vom 7. November 2007
unter Einsatz staatlicher Gewalt und die anschließende Ausrufung des Aus-
nahmezustandes sind nicht akzeptabel. Das massive Vorgehen der Sicherheits-
kräfte gegen friedliche sowie die physische Misshandlung führender Oppositio-
neller und deren Verhaftung sind nicht hinnehmbar.

Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, sich aktiv auf der Ebene der
Europäischen Union, im Europarat und in der OSZE dafür einzusetzen, dass

● internationale Organisationen ihr Engagement auch im Jahr 2008 weiter
intensivieren und eine aktivere Rolle im Südkaukasus übernehmen,

● die Regierungen im Südkaukasus aufgefordert werden, ihren internationalen
Verpflichtungen nachzukommen und freie und faire Wahlen durchzuführen,

● internationalen Wahlbeobachtern (insbesondere ODIHR) rechtzeitig Einrei-
sevisa ausgestellt werden und sie volle Unterstützung bei ihrer Beobach-
tungstätigkeit erhalten,

● die Regierungen im Südkaukasus aufgefordert werden, sich von jeglicher
Form repressiver Gewaltanwendung zu distanzieren und vorbehaltlos die
Ausübung der Meinungs-, Medien- und Pressefreiheit zu garantieren;

● die Monopolisierung des Zugangs zu Medien – insbesondere zu den elektro-
nischen Medien – in Armenien und Aserbaidschan umgehend aufgehoben
wird;

● die zunehmend aggressive Sprache und Kriegsrhetorik in den politischen Er-
klärungen der drei Regierungen verurteilt wird,

● die Unabhängigkeit der Justiz als ein elementarer Bestandteil der Gewalten-
teilung etabliert wird,

● politische Verurteilungen und Prozesse gegen Journalisten, Menschenrechts-
aktivisten und Oppositionspolitiker umgehend eingestellt werden,
● die Reisefreiheit von Oppositionellen und deren Familienangehörigen umge-
hend wiederhergestellt wird,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9713

● politische Willkür international bekannt gemacht und geächtet wird,

● eine verantwortungsvolle Regierungsführung zur Voraussetzung für vertiefte
politische Beziehungen erklärt wird,

● auf alle Konfliktparteien eingewirkt wird, sich für die ausschließlich fried-
liche Lösung der regionalen Konflikte einzusetzen,

● die Höhe deutscher und europäischer Entwicklungshilfe ständig an die ver-
änderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeiten der Länder angepasst werden
und das Instrumentarium der Budgethilfe ausgeschlossen wird und

● dem Aufbau eines effizienten Zivilrechtsschutzes zur Förderung der Ent-
wicklung von Privateigentum in den Händen einfacher Bürger und zum
Schutz ausländischer Investitionen ein höherer Stellenwert beigemessen
wird.

B. Lösung

Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE
LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Drucksache 16/9713 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/7864 abzulehnen.

Berlin, den 18. Juni 2008

Der Auswärtige Ausschuss

Ruprecht Polenz
Vorsitzender

Manfred Grund
Berichterstatter

Markus Meckel
Berichterstatter

Harald Leibrecht
Berichterstatter

Wolfgang Gehrcke
Berichterstatter

Marieluise Beck (Bremen)
Berichterstatterin

Manfred Grund
Berichterstatter

Markus Meckel
Berichterstatter

Harald Leibrecht
Berichterstatter

Wolfgang Gehrcke
Berichterstatter

Marieluise Beck (Bremen)
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/9713

Bericht der Abgeordneten Manfred Grund, Markus Meckel, Harald Leibrecht,
Wolfgang Gehrcke und Marieluise Beck (Bremen)

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/7864 in seiner 145. Sitzung am 21. Februar 2008 in erster
Lesung beraten und zur federführenden Beratung dem Aus-
wärtigen Ausschuss, zur Mitberatung dem Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe, dem Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat den Antrag in seiner 62. Sitzung am 4. Juni 2008
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion der
FDP bei Abwesenheit der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in seiner 66. Sitzung am

18. Juni 2008 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die
Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Antrag in seiner 65. Sitzung am 18. Juni 2008
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Ablehnung.

III. Beratung im Auswärtigen Ausschuss

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 66. Sit-
zung am 18. Juni 2008 beraten und empfiehlt mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE.
gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthal-
tung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ableh-
nung.

Berlin, den 18. Juni 2008

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