BT-Drucksache 16/967

Stärkung der Selbstbestimmung der Arbeitnehmer

Vom 15. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/967
16. Wahlperiode 15. 03. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Heinrich L. Kolb, Jens Ackermann, Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Miriam
Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann
Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Stärkung der Selbstbestimmung der Arbeitnehmer

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Unternehmen SAP hat in Deutschland jährlich hunderte von Arbeitsplätzen
geschaffen. Die Aufgaben einer Arbeitnehmervertretung übernehmen die Ar-
beitnehmer des 16-köpfigen Aufsichtsrates. Diese haben bislang die Interessen
der Arbeitnehmer erfolgreich wahrgenommen. Ihren Einfluss sichert ein Vertrag
mit dem Vorstand.

Die Versuche der Gewerkschaft, bei einer Betriebsversammlung für die Kon-
zernzentrale in Walldorf und den benachbarten Standort St. Leon-Rot die Zu-
stimmung der Belegschaft zur Einrichtung eines Betriebsrats zu erreichen, sind
gescheitert. Nur 500 von mehr als 5 600 Beschäftigten hatten sich dafür ausge-
sprochen. Bereits drei Jahre zuvor war ein Vorstoß, einen Betriebsrat zu grün-
den, am mangelnden Interesse der Belegschaft gescheitert.

Jetzt haben drei Mitarbeiter beim Arbeitsgericht Mannheim einen Antrag auf
Einsetzung eines Wahlvorstandes eingereicht. Er soll anschließend die Wahl
eines Betriebsrats für die Konzernzentrale in Walldorf und den Standort im be-

nachbarten St. Leon-Rot organisieren.

Konsequenz der Einsetzung eines Betriebsrats an diesen Standorten wäre, dass
bei insgesamt rd. 9 000 Beschäftigten der Betriebsrat 37 Mitglieder haben
müsste, von denen mindestens zwölf von der Arbeit freizustellen wären.

Fremdbestimmung der Gewerkschaft bedeutet ein Mehr an Bürokratie und
weniger Flexibilität im internationalen Wettbewerb. Der Erfolg, den SAP mit

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seiner Unternehmenspolitik erreicht hat, wird gefährdet. SAP ist nur ein Beispiel
dafür, wie gegen den Willen der Beschäftigten Betriebsräte in Unternehmen
erzwungen werden.

Das Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten wird dadurch begrenzt, dass
nach der geltenden Fassung des § 16 Abs. 2 Satz 1 und § 17 Abs. 4 Satz 1
Betriebsverfassungsgesetz eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft bzw. drei
Arbeitnehmer einen Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstandes zur Vorberei-
tung von Betriebsratswahlen einreichen können, auch wenn dies von der Mehr-
heit der Beschäftigten gar nicht gewünscht wird. Dies stellt eine unverhältnis-
mäßige Möglichkeit der Einflussnahme der Gewerkschaften und einer Minder-
heit von Arbeitnehmern dar, insbesondere, da der gewerkschaftliche Organisa-
tionsgrad in den Betrieben in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist.
Die Einsetzung eines Wahlvorstandes gegen den Willen der Beschäftigten kann
erhebliche Unruhe und Unfrieden in der Belegschaft hervorrufen und so den
Interessen der Arbeitnehmer schaden.

Die Antragstellung darf daher nicht länger unabhängig von dem Votum der
Beschäftigten sein. Die Arbeitsgerichte sollten künftig erst auf Antrag von
25 Prozent der wahlberechtigten Arbeitnehmer einen Wahlvorstand einsetzen
können. So wird ein Ausgleich zwischen dem Schutz einer Minderheit von
Arbeitnehmern, die einen Wahlvorstand einsetzen möchte, und dem Interesse
der Mehrheit an der Wahrung gleicher Stimmgewichtung bei betrieblichen
Abstimmungen gewahrt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf, einen
Gesetzentwurf vorzulegen, der folgende Änderung des Betriebsverfas-
sungsgesetzes enthält:

Ein Antrag von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb
vertretenen Gewerkschaft auf Bestellung eines Wahlvorstandes für die Betriebs-
ratswahl durch das Arbeitsgericht nach § 16 Abs. 2 und § 17 Abs. 4 Betriebsver-
fassungsgesetz setzt die Unterstützung von mindestens 25 Prozent der wahl-
berechtigten Arbeitnehmer voraus.

Berlin, den 14. März 2006

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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