BT-Drucksache 16/9404

Auswirkungen der Änderung des Fünften Vermögensbildungsgesetzes auf die Beteiligung an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung

Vom 30. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9404
16. Wahlperiode 30. 05. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Petra Sitte,
Cornelia Hirsch, Kornelia Möller und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen der Änderung des Fünften Vermögensbildungsgesetzes
auf die Beteiligung an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung

Die Bundesregierung beschreibt im vorliegenden Gesetzesentwurf das Pro-
blem: „Besonders hoch ist der Bedarf zur Verbesserung der Beschäftigungs-
fähigkeit bei Geringqualifizierten.“ (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Fünften Vermögensbildungsgesetzes). Damit erkennt die Bundesregierung die
desolate Situation der Weiterbildung in Deutschland an, auch wenn sie Weiter-
bildung allein auf die Frage der Beschäftigungsfähigkeit der Menschen redu-
ziert. Die negativen Rückwirkungen von Qualifikation und Einkommen auf die
tatsächlichen Möglichkeiten zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen wer-
den von der Bundesregierung ebenfalls wahrgenommen, wenn sie betont: Die
Geringqualifizierten „verfügen außerdem in der Regel über kein ausreichendes
Einkommen, um neben den Lebenshaltungskosten in Weiterbildung investieren
zu können.“ (ebd.) Dass dieselbe Personengruppe „aufgrund der Steuerprogres-
sion wenig von den bestehenden steuerlichen Regelungen bei der persönlichen
Finanzierung von beruflicher Weiterbildung“ (ebd.) profitieren kann, ist der
Bundesregierung ebenfalls bekannt. Dennoch greift die Bundesregierung nun
lediglich ein Element des in dem Bericht der unabhängigen Expertenkommis-
sion „Finanzierung Lebenslangen Lernens – der Weg in die Zukunft“, Bundes-
tagsdrucksache 15/3636 (die so genannte Timmermann-Kommission) vorge-
schlagenen Maßnahmenkatalogs zur Verbesserung der Weiterbildung heraus:
Das „Weiterbildungssparen“. Und dies, obwohl im Abschlussbericht explizit
davor gewarnt wurde, lediglich einzelne Elemente herauszugreifen: „Die Emp-
fehlungen der Kommission sind als Gesamtpaket konzipiert worden. […] Ein-
zelne Instrumente selektiv herauszugreifen, würde den Gesamtcharakter der
Empfehlungen grundlegend ändern bzw. ihre Wirkungen erheblich beeinflus-
sen. Vor allem die sorgfältig entwickelte Balance von steigender individueller,
betrieblicher und öffentlicher Verantwortung könnte gefährdet und in Richtung
einer einseitigen Zuweisung der Verantwortung an den Staat oder die Indivi-
duen verschoben werden. Die Kommission hat sich ausdrücklich gegen eine Fi-
xierung auf den Staat, aber auch gegen eine Zuweisung der Verantwortung aus-
schließlich an den Einzelnen oder den Markt entschieden“ (Bericht der
Timmermann-Kommission). Die Bundesregierung verschiebt durch den vorlie-

genden Gesetzesentwurf die finanzielle Belastung fast ausschließlich auf die
Individuen, ergänzt durch lediglich sehr geringe staatliche Zuschüsse von ma-
ximal 154 Euro (die maximale Höhe der „Weiterbildungsprämie“). Die Förde-
rung durch das Weiterbildungssparen ist dabei auf marktverwertbare berufliche
Weiterbildung beschränkt und die Unternehmen werden in die Finanzierung der
beruflichen Weiterbildung nicht einbezogen. Dabei zeigt die dritte europäische
Erhebung zur betrieblichen Weiterbildung in 2005 (CVTS3), dass der Anteil

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weiterbildender Unternehmen und der Anteil der Unternehmen, die Weiterbil-
dung in Form von Kursen und Seminaren anbieten, abnimmt. Gleichfalls ist der
Anteil der Beschäftigten, die an betrieblichen Weiterbildungskursen teilnah-
men, leicht gesunken und die finanziellen Aufwendungen der Unternehmen für
diese waren deutlich rückläufig.

Dass die Bundesregierung vor diesem Hintergrund davon ausgeht, dass durch
diesen Gesetzesentwurf „vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen
finanzielle Anreize zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen“ geschaffen
werden, weckt erhebliche Zweifel. Daher ergeben sich einige Fragen zum vor-
liegenden Gesetzesentwurf sowie zu der in einer Förderrichtlinie näher be-
stimmten „Weiterbildungsprämie“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Vermögensbil-
dungsgesetzes in Artikel 1 Nr. 1 erwähnten Maßnahmen, durch die „Kennt-
nisse und Fertigkeiten vermittelt werden, die dem beruflichen Fortkommen
dienen und über arbeitsplatzbezogene Anpassungsfortbildungen hinaus-
gehen“ kosten üblicherweise bis 308 Euro, bis 750 Euro, bis 1 500 Euro,
bis 2 500 Euro, bis 5 000 Euro und über 5 000 Euro (bitte soweit möglich
wenigstens fünf konkrete Maßnahmen beruflicher Fortbildung für jede
„Preisklasse“ benennen)?

2. Wie groß ist das im Rahmen des Fünften Vermögensbildungsgesetzes ge-
sparte Vermögen im Durchschnitt und im Median (insgesamt sowie auf-
geschlüsselt nach fünf, zehn, fünfzehn und mehr Jahren der Einzahlung)?

Wenn der Bundesregierung hierzu keine Zahlen vorliegen, wie will sie dann
die Wirkungen der geplanten Gesetzesänderung, insbesondere die propa-
gierten positiven Effekte, auf die Teilnahmequoten an beruflicher Weiterbil-
dung abschätzen?

3. Darf davon ausgegangen werden, dass die Formulierung in der Begründung
des Gesetzesentwurfs „es besteht nur ein geringes Risiko, dass durch diese
Änderung die Gebühren von finanzierungsfähigen Kursen unangemessen
steigen“ darauf hindeutet, dass die Bundesregierung grundsätzlich von einer
Anhebung der Preise für die finanzierungsfähigen Kurse ausgeht, und wel-
che Preissteigerung wäre nach Auffassung der Bundesregierung noch ange-
messen?

Was bedeutet dies für die in Frage 1 angeführten Fortbildungen in den ver-
schiedenen Preisklassen?

4. Deutet die Erklärung in der Begründung des Gesetzesentwurfs, weshalb die
Bundesregierung keine unangemessenen Preissteigerungen bei den finanzie-
rungsfähigen Kursen erwartet: „Zum einen ist im Modell immer ein erheb-
licher Eigenanteil von über 50 Prozent an der Finanzierung vorgesehen, zum
anderen ist der Umfang der geförderten Mittel im Vergleich zum gesamten
Marktvolumen vergleichsweise gering“ darauf hin, dass die Bundesregie-
rung selbst nicht von einem relevanten Anstieg der Beteiligung an berufli-
cher Weiterbildung ausgeht?

5. Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch in den im Gesetzesentwurf
getroffenen Aussagen, zum einen in der Problembeschreibung: „Sie verfü-
gen außerdem in der Regel über kein ausreichendes Einkommen, um neben
den Lebenshaltungskosten in Weiterbildung investieren zu können“ und
zum zweiten in der Begründung getroffenen Aussage, dass „im Modell im-
mer ein erheblicher Eigenanteil von über 50 Prozent an der Finanzierung
vorgesehen“ ist und zum dritten in dem erklärten Ziel dieser Gesetzesände-

rung, „mehr Menschen für die berufliche Weiterbildung“ mobilisieren zu
wollen (Antwort bitte erläutern)?

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6. Wie stellt sich die Bundesregierung vor, dass diejenigen, die „in der Regel
über kein ausreichendes Einkommen“ verfügen, „um neben den Lebensun-
terhaltskosten in Weiterbildung investieren zu können“ durch Maßnahmen
erreicht werden sollen, die eine Eigenbeteiligung voraussetzen und auf
Sparvermögen oder Kredite als zusätzliche Instrumente setzen?

7. Würde die Bundesregierung zustimmen, dass durch solche Programme
bestenfalls eine kleine Randgruppe, die ohnehin schon fast in der Lage ist
eine Weiterbildung zu finanzieren, erreicht werden kann, hierdurch aber
keinesfalls eine signifikante Änderung der Beteiligung der einkommens-
schwachen Haushalte und Personen insgesamt erreicht werden kann (Ant-
wort bitte erläutern)?

8. Sieht die Bundesregierung nicht die Gefahr, dass durch die vorgeschlage-
nen Einkommensgrenzen für die Weiterbildungsprämie sowie die Ein-
kommensgrenzen im Vermögensbildungsgesetz insbesondere Alleinerzie-
hende sowie Lebensgemeinschaften mit mehreren Kindern regelmäßig die
vorgesehenen Einkommensgrenzen übersteigen und damit nicht besonders
gefördert werden, obwohl diese Lebensgemeinschaften finanziell kein aus-
reichendes Einkommen haben, um „neben den Lebenshaltungskosten in
Weiterbildung investieren zu können“?

9. Wie plant die Bundesregierung die im Konzept des „Weiterbildungsspa-
rens“ erwähnten, und durch die vorgesehene Förderrichtlinie konkretisier-
ten Mittel für die Weiterbildungsprämie über die Regionen sowie das Jahr
zu verteilen?

10. Auf welche Summen belaufen sich die aus dem Bundeshaushalt zur Verfü-
gung stehenden Mittel im Rahmen der Weiterbildungsprämie in den Jahren
2008 bis 2012 (bitte für die Jahre getrennt angeben)?

11. Wie ist die Förderrichtlinie zur Weiterbildungsprämie (nach bisherigem
Beratungstand) ausgestaltet?

Wie ist die weitere Umsetzung der Richtlinie geplant, insbesondere welche
Behörden, Ministerien und sonstigen Organisationen sind an der Ausge-
staltung und Umsetzung beteiligt?

12. Plant die Bundesregierung aufgrund einer Einheitlichkeit die Einkom-
mensgrenzen für die Weiterbildungsprämie (derzeit sind 17 900/35 800
Euro vorgesehen) an die durch das Mitarbeiterbeteiligungsgesetz vorgese-
hene Erhöhung dieser Grenzen (auf 20 000/40 000) anzugleichen?

Wenn ja, welche Mehrausgaben ergeben sich durch die Ausweitung der
Anspruchsberechtigten für die Weiterbildungsprämie (getrennt nach Bun-
des- und ESF-Mitteln (Europäischer Sozialfonds) angeben)?

13. Von welcher Verzinsung derzeit und von welcher Verzinsung geht die Bun-
desregierung mittelfristig bei den vorgesehenen Weiterbildungsdarlehen
aus?

Welche Sicherung ist insbesondere bei Personen mit niedrigem Einkom-
men vorgesehen, die auch nach erfolgreicher Teilnahme nicht oder kaum in
der Lage sind, den aufgenommen Kredit vollständig zurückzuzahlen?

14. Zieht die Bundesregierung in Erwägung, beispielsweise den Kredit nach-
träglich auf Antrag teilweise in einen Zuschuss umzuwandeln, die Zins-
zahlungen zu übernehmen oder Stundungsmodelle zu erarbeiten?

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15. Geht die Bundesregierung davon aus, dass Maßnahmen zur Begrenzung
des finanziellen Risikos (wie in Frage 13 angesprochen) die Bereitschaft
gerade bei Geringqualifizierten und bei Personen mit geringem Einkom-
men erhöhen könnte, das Risiko einzugehen, eine längere und größere
Weiterbildungsmaßnahme durch einen Kredit zu finanzieren?

Könnte dies nach Auffassung der Bundesregierung ein relevanter Beitrag
sein, die Weiterbildungsbeteiligung von Geringqualifizierten und Personen
mit geringem Einkommen deutlich zu erhöhen?

16. Würde nach Auffassung der Bundesregierung ein Erwachsenenbildungs-
gesetz, wie z. B. von der Timmermann-Kommission vorgeschlagen, durch
gezielte Förderung (höherer Zuschussanteil bei niedrigerem Kreditanteil)
sehr viel konsequenter ermöglichen, gerade die Weiterbildungsbeteiligung
von Geringqualifizierten und von Personen mit geringem Einkommen
deutlich zu verbessern?

Berlin, den 30. Mai 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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