BT-Drucksache 16/9382

Produktion nachwachsender Rohstoffe zur rohstofflichen und energetischen Nutzung von Algen in Aquakultur als Beitrag zum Klimaschutz und zur Energieversorgung

Vom 28. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9382
16. Wahlperiode 28. 05. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Cornelia Pieper, Hans-Michael
Goldmann, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst
Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst
Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Birgit Homburger, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Michael Link (Heilbronn), Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig
Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Produktion nachwachsender Rohstoffe zur rohstofflichen und energetischen
Nutzung von Algen in Aquakultur als Beitrag zum Klimaschutz und zur
Energieversorgung

Das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats des Ministeriums für Ernährung
Landwirtschaft und Verbraucherschutz „Energetische Nutzung von Biomasse“
hat die energetische Nutzung von biomasse-basierten Energieträgern hinsicht-
lich der CO2-Vermeidungskosten und der Flächeneffizienz der produzierten
Biomasse verglichen.

Die sehr hohen CO2-Vermeidungskosten wie auch die geringe Flächeneffizienz
einiger durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Biokraftstoff-
quotengesetz geförderter Nutzungswege für Biomasse machen deutlich, dass
noch ein erheblicher Forschungsbedarf besteht. Das Ziel der Europäischen
Union, den Anteil Erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2020 auf 20 Prozent zu
erhöhen, kann nur durch die Erschließung weiterer Nutzungswege für Biomasse
zu volkswirtschaftlich vertretbaren Kosten erreicht werden. Diese Anstrengun-
gen sind gerechtfertigt, denn die Nutzung von biomasse-basierten Energieträ-
gern bietet, bedingt durch ihre Verfügbarkeit, gegenüber anderen erneuerbaren
Energien erhebliche Vorteile.

Einzellige, planktontische Algen (Mikroalgen) werden seit Jahrzehnten im
Labormaßstab in Kultur gehalten. Die Algen fixieren unter Nutzung von Licht-
energie wie Landpflanzen CO2 und produzieren Sauerstoff und Glukose. In ge-

ringem Umfang gibt es bereits eine rohstoffliche Nutzung von Algen. Sie pro-
duzieren je nach Art, verschiedenste hochwertige Substanzen wie z. B. Farb-
pigmente und Vitamine oder essentielle Fettsäuren und Aminosäuren. Diese
Substanzen sind hochwertige Futter und Nahrungsmittelzusatzstoffe oder kön-
nen als Substitut für synthetische Produkte in der Chemie- und Kosmetikindus-
trie dienen.

Drucksache 16/9382 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zur energetischen Nutzung von Algen sind Verfahren erforderlich, die eine
hohe Produktivität von Biomasse bei vergleichbar geringen Kosten ermög-
lichen, um mit geringen CO2-Vermeidungskosten gegenüber der landgebunde-
nen Produktion von Biomasse langfristig konkurrieren zu können. Auch wenn
auf Grund klimatischer Faktoren am Standort Deutschland wie z. B. die gegen-
über den Tropen und Subtropen geringe Sonnenscheindauer, solche Verfahren
nicht in jedem Fall unmittelbar konkurrenzfähig sein werden, ist deren Ent-
wicklung als Beitrag zum globalen Klimaschutz und als Möglichkeit der Profi-
lierung des Wissensstandorts Deutschland von Bedeutung.

Derzeit werden von verschiedenen Unternehmen in Deutschland (wie z. B. die
Hezinger Algaetec GmbH in Kornwestheim oder das Institut für Getreidever-
arbeitung (IGV) in Potsdam) Photobioreaktoren zur großtechnischen Zucht von
Mikroalgen entwickelt. Es wird angestrebt mit optimierter Nutzung des natür-
lichen Sonnenlichts ohne Fremdenergie und bei CO2-Düngung z. B. aus Bio-
gasanlagen eine hohe Effizienz der Biomasseproduktion mit Algen zu erzielen.
Aktuell ist ein Stamm der Grünalge Chlorella in Erprobung. Die Entwicklungs-
arbeiten konzentrieren sich auf großvolumige, tankähnliche Anlagen mit ver-
gleichsweise geringem Flächenbedarf. In den Tanks wird über eine innovative
Lichteinspeisetechnik Sonnenlicht effizient in die Algensuspension eingebracht
und ermöglicht den Organismen damit die photosynthetische Verstoffwechse-
lung des Treibhausgases CO2.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Chancen sieht die Bundesregierung in der Entwicklung von Techno-
logien zur Produktion sowie rohstofflichen und energetischen Verwertung
von einzelligen Algen in Aquakultur, welche Forschungsansätze werden in
Deutschland verfolgt und wie können die vorhandenen Potentiale in
Deutschland ausgeschöpft werden?

2. Welche Algenarten werden bei Forschungen im Bereich der Zucht von
Algen in Aquakultur bislang eingesetzt, welche Arten werden für die ener-
getische Nutzung untersucht, welche für die stoffliche Nutzung?

3. Welche Algenarten werden in Deutschland bereits kommerziell genutzt?

4. Welche Substanzen lassen sich mit den verschiedenen Algenarten und durch
die unterschiedlichen Verfahren der Aufbereitung gewinnen?

5. Welche züchterischen Ansätze werden neben der Selektion von Stämmen
mit herausragenden Eigenschaften verfolgt, an welchen Institutionen wird
die Selektion solcher Stämme betrieben und nach welchen Kriterien wird
selektiert?

6. Wie ist der Stand der Genomanalyse von verwendeten Algenarten, für
welche Arten gibt es Vorarbeiten zur Genomanalyse?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten, durch den Einsatz
gentechnischer Züchtungsverfahren bei Algen eine Erhöhung der Produkt-
ausbeute zu erzielen sowie die Produktion von Rohstoffen zu ermöglichen,
die an den Zweck der industriellen rohstofflichen Verwertung angepasst
sind?

8. Welche außeruniversitäre Forschungseinrichtungen aus MPG, HGF, WGL,
FhG und welche Ressortforschungseinrichtungen waren bzw. sind an diesen
biologischen Forschungen beteiligt, an welchen Universitäten gibt es ent-
sprechende Forschungsinitiativen?

9. Welche Institutionen sind an der technischen Entwicklung von Photobio-

reaktoren beteiligt und wie ist der Stand der Entwicklung von Kreislaufver-
fahren für die Produktion von Algenbiomasse?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9382

10. Inwieweit sind Verfahren der Aquakultur, die in der Fischzucht verwendet
werden, für die Produktion von Algenbiomasse verwertbar?

11. Welche Forschungscluster von Wirtschaft, Hochschulen und außeruniver-
sitären Forschungseinrichtungen arbeiten auf dem Gebiet der Zucht von
Algen in Photobioreaktoren und der Entwicklung von Photobioreaktoren
im Rahmen der Exzellenzinitiative?

12. Welche Organisationen und Unternehmen aus Deutschland beschäftigen
sich mit der Algentechnologie und wie sind diese im internationalen Ver-
gleich aufgestellt?

13. Welche Kenntnisse bestehen über die energetische Nutzung von Algen-
biomasse bei der Produktion von Biogas, bei der Herstellung von Kraft-
stoffen, bei der Herstellung von Pellets für die thermische Verwertung?

14. Gibt es besondere Probleme, die bestimmte Nutzungspfade der energe-
tischen Nutzung bei der Verwendung von Algenbiomasse bereiten und
wenn ja welche und welche Lösungsansätze werden verfolgt?

15. Welche Förderinitiativen sind bisher von der Bundesregierung ergriffen
worden, um innovative auf der Produktion von Algen in Aquakultur basie-
rende Technologien zu fördern, welche finanziellen Mittel sind dafür auf-
gewendet worden und welche zukünftigen Maßnahmen sind geplant?

16. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die Produktion von Algen in
Photobioreaktoren zur Abscheidung von CO2 bei der Reinigung von Bio-
gas aus Biogasanlagen zu nutzen und wenn ja, welche Forschungs- und
Förderinitiativen wurden von der Bundesregierung initiiert und wenn nein,
warum nicht?

17. Wie viele Patente wurden im Bereich der Produktion von Algenbiomasse
und ihrer stofflichen und energetischen Nutzung angemeldet und erteilt?

Berlin, den 28. Mai 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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