BT-Drucksache 16/9345

Forschung für den ökologischen Landbau ausbauen

Vom 28. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9345
16. Wahlperiode 28. 05. 2008

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Behm, Ulrike Höfken, Nicole Maisch, Hans-Josef Fell,
Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter,
Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Alexander Bonde, Kai Gehring,
Priska Hinz (Herborn) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Forschung für den ökologischen Landbau ausbauen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Markt für ökologische Lebensmittel boomt. Auch im Jahr 2007 verzeich-
nete der Handel in Deutschland bei Bio-Lebensmitteln einen zweistelligen Um-
satzzuwachs von geschätzten 15 Prozent. Damit bleibt Deutschland der wich-
tigste Absatzmarkt für Bio-Produkte in Europa. Aber auch in den anderen euro-
päischen Ländern und weltweit ist ein stetiger Anstieg der Nachfrage nach Bio-
Produkten zu verzeichnen.

Die deutsche Landwirtschaft hingegen partizipiert immer noch viel zu wenig an
diesem Wachstumsmarkt. Im Jahr 2007 hat die Zahl der ökologisch wirtschaf-
tenden Betriebe nur um 2,8 Prozent zugenommen und stagniert damit auf nied-
rigstem Niveau. Verantwortlich hierfür ist die fehlende politische Unterstützung
und Förderung für den ökologischen Landbau in Deutschland. Schwarz-rot hat
in Bund und Ländern die Beihilfen für den ökologischen Landbau massiv abge-
senkt. Auch die erhöhte Förderung während der Umstellungszeit wurde in vie-
len Ländern eingestellt. Die Umstellung eines landwirtschaftlichen Betriebes
auf ökologische Landwirtschaft ist deshalb und auch angesichts hoher Preise im
konventionellen Lebensmittelbereich und der Förderung bei den Bio-Energien
wirtschaftlich nicht attraktiv. Die gesellschaftlichen Leistungen, die die ökolo-
gische Landwirtschaft erbringt, werden absolut unzureichend entlohnt.

Ein weiteres großes Hemmnis für die Weiterentwicklung des ökologischen
Landbaus ist die geringe Ökolandbau-Forschung. Die staatliche Forschungsför-
derung spiegelt in keiner Weise den gesellschaftlichen und ökonomischen Stel-
lenwert der Landnutzung durch Land- und Forstwirtschaft und schon gar der
ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft wider. Zu hinterfragen ist zu-
dem, in welche Forschungsfelder die Mittel fließen. Gesellschaftliche Relevanz
und Zukunftsorientierung müssten der Maßstab sein. Sie spielen jedoch nur eine
untergeordnete Rolle.
Die Tatsache, dass die Bundesregierung doch noch auf eine weitere Kürzung des
Bundesprogramms Ökolandbau verzichtet hat, kann da nur wenig trösten. Zum
Vergleich: 2006 flossen aus dem Bundesprogramm Ökolandbau 6,2 Mio. Euro
in die Ökolandbau-Forschung. Gleichzeitig will das Bundesministerium für Bil-
dung und Forschung in den nächsten fünf Jahren 60 Mio. Euro allein für die
Forschung an gentechnisch veränderten Pflanzen ausgeben, obwohl nach wie

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vor 80 Prozent der Bevölkerung die Agrogentechnik ablehnen. Dabei erkennt
die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage „Forschung im Be-
reich des Ökolandbaus“ (Bundestagsdrucksache 16/5180) den Forschungsbe-
darf in der ökologischen Lebensmittelerzeugung an. Sie schreibt: „Im Bereich
der Forschung zur ökologischen Lebensmittelerzeugung besteht nach wie vor
Bedarf. Die nachhaltige Stärkung und die weitere Entwicklung der ökologischen
Lebensmittelerzeugung wird u. a. davon abhängen, wie gut es gelingt, ihre Wett-
bewerbsfähigkeit durch Innovation und den Abbau von Wissens- und Erfah-
rungslücken von der Erzeugung bis zum Absatz zu verbessern.“ Nun muss die
Bundesregierung dieser Einsicht mit einem stärkeren Engagement bei der For-
schungsförderung auch Taten folgen lassen. Die Forschungsmittel für den
ökologischen Landbau dürfen nicht allein auf das Bundesprogramm Ökoland-
bau konzentriert werden. Ökologische Landwirtschaft braucht über das anwen-
dungsorientierte Bundesprogramm Ökolandbau hinaus grundlagenorientierte
Forschungsprojekte und Projekte in den Bereichen Verarbeitung, Handel,
Klimarelevanz und Entwicklung ländlicher Räume. Die Forschung in den
Feldern ökologische Pflanzen- und Tierzucht, ökologische Tier- und Pflanzen-
ernährung, ökologischer Weinbau und biologischer Pflanzenschutz muss eben-
falls ausgebaut werden. Auch das Bundesministerium für Bildung und For-
schung muss seine Verantwortung wahrnehmen. In seinem Projekt zur Etablie-
rung von Kompetenznetzen in der Agrar- und Ernährungsforschung muss das
Ministerium ein solches Cluster dem Ökolandbau widmen.

Die Ökolandbau-Forschung muss auch im Hinblick auf die globalen Herausfor-
derungen Klimawandel, Ernährungssicherung und Erhalt der Biodiversität aus-
gebaut werden. Eine Vielzahl von Studien belegt, dass der Ökolandbau für die
Lösung dieser Probleme die richtigen Antworten bereithält. Auch der am
17. April 2008 verabschiedete Weltagrarbericht vertritt die Ansicht, dass nur
eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft hin zu einer nachhaltigen,
standortangepassten und regional orientierten bäuerlichen Landwirtschaft eine
dauerhafte Lösung der Hungerproblematik ermöglicht. Um das Potenzial der
ökologischen Landwirtschaft weltweit bestmöglich nutzen zu können, müssen
die Forschungsanstrengungen sowohl bei der anwendungsorientierten als auch
bei der Grundlagenforschung in Deutschland und Europa deutlich erhöht wer-
den.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die temporäre Forschungsförderung im Rahmen des Bundesprogramms Öko-
landbau in ein permanentes Forschungsbudget für ökologischen Landbau des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
umzuwandeln;

● das Institut für Ökolandbau des Johann Heinrich von Thünen-Instituts auszu-
bauen und interdisziplinäre, querschnittsorientierte Forschung zum ökologi-
schen Landbau verstärkt auch an den anderen Forschungsanstalten durchzu-
führen;

● das Forschungsbudget für ökologischen Landbau deutlich zu erhöhen und auf
bisher nahezu unbearbeitete Forschungsfelder wie die ökologische Pflanzen-
und Tierzucht, die ökologische Tier- und Pflanzenernährung, den ökologi-
schen Weinbau und den biologischen Pflanzenschutz auszuweiten; hierfür
sollten alle für die Forschung zur Entwicklung gentechnisch veränderter
Pflanzen und Tiere vorgesehenen Mittel eingesetzt werden;

● im Rahmen des beim Bundesministerium für Bildung und Forschung ange-
siedelten Projektes zur Etablierung von Kompetenznetzen in der Agrar- und
Ernährungsforschung ein Cluster dem Ökolandbau zu widmen;

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● die Forschungsmittel für eine ökologische Landwirtschaft zu verstärken, die
den Anbau von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen für Ener-
gie und Chemie integriert und den Konflikt um die Flächen entschärft, wie
beispielsweise Agroforstsysteme oder Mischfruchtanbau;

● sich dafür einzusetzen, dass wichtige andere deutsche Forschungsträger wie
die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, das Forschungszentrum Jülich oder
die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe sich des zukunftsträchtigen For-
schungsthemas Ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft verstärkt an-
nehmen und

● sich auf europäischer Ebene für die Etablierung einer Technologieplattform
für ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft und deren finanzieller
Unterstützung durch die Europäische Kommission stark zu machen sowie
darauf hinzuwirken, dass in den Forschungsrahmenprogrammen ein stärke-
res Gewicht auf ökologische Landwirtschaft gelegt wird.

Berlin, den 28. Mai 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Das Bundesprogramm Ökolandbau (BÖL) ist als anwendungsorientiertes Pro-
gramm ein wichtiger Baustein für eine ökologische Forschungsstrategie. Seine
zeitliche Begrenzung und die unzureichende Finanzausstattung schränken seine
Wirkung aber unnötig ein. Grundlagenforschung und interdisziplinäre For-
schungsansätze werden im Rahmen des BÖL nicht bearbeitet. Nichtsdestotrotz
ziehen sich andere deutsche Forschungsträger mit dem Verweis auf das BÖL aus
der Förderung der Forschung im Bereich Öko-Landbau zurück. Die Bundes-
regierung muss hier gegensteuern, wenn sie die Entwicklung der ökologischen
Land- und Lebensmittelwirtschaft nicht gefährden will.

Seit 2003 fördert die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Forschungs-
politik das Konzept der Technologieplattformen. Diese Technologieplattformen
haben sich seitdem auf europäischer Ebene als wichtige Interessenvertretungen
der Branchen bei der Entwicklung neuer Forschungsschwerpunkte und der Aus-
gestaltung der Forschungsrahmenprogramme etabliert. Obwohl der 2004 verab-
schiedete Europäische Aktionsplan für biologische Lebensmittel und Landwirt-
schaft eine klare Empfehlung enthält, auch die Forschung zu verstärken, hat die
Europäische Kommission dem ökologischen Landbau im 7. Forschungsrahmen-
programm, das von 2007 bis 2013 läuft, nur eine untergeordnete Rolle zugewie-
sen. Die Einrichtung einer eigenständigen Technologieplattform für ökologische
Land- und Lebensmittelwirtschaft ist daher ein wichtiges Instrument, um die
ökologische Forschung auf europäischer Ebene auszubauen und zu sichern. Zur
Zeit unterstützt die Europäische Kommission die auf Biotechnologie ausgerich-
tete Plattform „Plants for the future“ und die auf die Verarbeitungsindustrie
fokussierte Plattform „Food for life“ finanziell. Keine der beiden Plattformen
berücksichtigt die Forschungsinteressen der ökologischen Lebensmittelwirt-
schaft.

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