BT-Drucksache 16/9096

Die Schaffung einer Individualbeschwerde im Rahmen des Übereinkommens über die Rechte des Kindes

Vom 7. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9096
16. Wahlperiode 07. 05. 2008

Antrag
der Abgeordneten Miriam Gruß, Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen,
Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Max Stadler,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Die Schaffung einer Individualbeschwerde im Rahmen des Übereinkommens
über die Rechte des Kindes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 5. April 1992 trat in der Bundesrepublik Deutschland das Übereinkommen
über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) vom 20. November
1989 in Kraft. Mit diesem Übereinkommen über die Rechte des Kindes wurden
erstmals völkerrechtlich verbindlich persönliche, politische, wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte formuliert, die ihren Ausdruck in der Festschrei-
bung von Mindestanforderungen an die Versorgung, den Schutz und die Betei-
ligung von Kindern am gesellschaftlichen Leben finden. 193 Staaten haben das
Übereinkommen über die Rechte des Kindes mittlerweile ratifiziert. Die beiden
Zusatzprotokolle Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen über die Rechte
des Kindes, betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten
(Stand 9. April 2008: 120 Staaten) und Fakultativprotokoll zu dem Über-
einkommen über die Rechte des Kindes, betreffend Kinderhandel, Kinderpros-
titution und Kinderpornografie (Stand 25. Februar 2008: 120 Staaten) weisen je-
weils eine hohe Zahl an Ratifikationen auf. Aufgrund des Übereinkommens
über die Rechte des Kindes wurde ein Ausschuss (Committee on the Rights of

the Child) eingesetzt (Artikel 43). Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem
Ausschuss Berichte über Maßnahmen, die sie zur Verwirklichung der in diesem
Übereinkommen anerkannten Rechte getroffen haben, und über die dabei er-
zielten Fortschritte vorzulegen (Artikel 44 Abs. 1), und sie sorgen für eine weite
Verbreitung ihrer Berichte im eigenen Land (Artikel 44 Abs. 6).

Ein Individualbeschwerdeverfahren, wie es etwa im Rahmen des Internatio-
nalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, des Übereinkommens ge-

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gen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Strafe, des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form
von Rassendiskriminierung, der Internationalen Konvention zum Schutz der
Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, des Überein-
kommens zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau sowie der
Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zum Teil über
ein Fakultativprotokoll vorgesehen ist, gibt es beim Übereinkommen über die
Rechte des Kindes bislang nicht. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes
brachte 1999 seine Absicht zum Ausdruck, „eine Diskussion über ein Fakulta-
tivprotokoll zum Übereinkommen anzustoßen mit einem Mechanismus für Indi-
vidualbeschwerden, um auf internationaler Ebene Rechtsmittel im Hinblick auf
das Übereinkommen über die Rechte des Kindes zur Verfügung zu stellen“
(Bericht der 22. Sitzung des Ausschusses für die Rechte des Kindes, CRC/C/90
v. 1. Dezember 1999). Für den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale
und kulturelle Rechte ist ein Individualbeschwerdeverfahren seit vielen Jahren
in der Diskussion. Im Jahr 2003 setzte die damalige UN-Menschenrechtskom-
mission (jetzt Menschenrechtsrat) eine Arbeitsgruppe ein, die einen Entwurf für
ein Fakultativprotokoll erarbeitete. Im April 2008 haben die in der Arbeits-
gruppe vertretenen Staaten einstimmig diesen Entwurf verabschiedet, der einen
sogenannten comprehensive approach vorsieht. Demnach sollen alle Rechte des
Paktes in den Beschwerdemechanismus einbezogen werden. Es wird derzeit da-
von ausgegangen, dass der Menschenrechtsrat den Entwurf in seiner Juni-
Sitzung verabschiedet und dass das Fakultativprotokoll am 10. Dezember 2008
zur Ratifikation freigegeben wird.

Um die Durchsetzbarkeit der persönlichen, politischen, wirtschaftlichen und so-
zialen Rechte Minderjähriger zu stärken, fordern nationale und internationale
Menschenrechts- und Kinderrechtsorganisationen, Kindern und Jugendlichen
eine Möglichkeit zu geben, sich direkt bei dem UN-Ausschuss zu beschweren.
Die Einrichtung eines Individualbeschwerdeverfahrens würde dazu beitragen,
die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention zu verbessern und wäre eine
Ergänzung zur regelmäßigen Berichtspflicht. Die UN-Kinderrechtskonvention
ist der einzige Menschenrechtsvertrag mit einer Berichtspflicht, zu der es kein
ergänzendes Beschwerdeverfahren gibt. Die Individualbeschwerde würde dazu
beitragen, dass die Stellung der Kinder als vollberechtigte Inhaber von Rechten
anerkannt und gestärkt würde. Das Recht auf Anhörung – wie es in der UN-Kin-
derrechtskonvention in Artikel 12 verankert ist – würde eingelöst. Mit einer In-
dividualbeschwerde hätten Kinder wie Erwachsene das Recht, sich gegen eine
Verletzung ihrer Rechte zu wehren. Die Vertragsstaaten würden stärker als bis-
her in die Rechenschaftspflicht genommen.

Die Kindernothilfe hat eine Initiative zur Schaffung einer Individualbeschwerde
im Rahmen des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes im Jahr 2000
begonnen. Mitte Januar 2008 startete eine internationale Kampagne mit der
Möglichkeit, sich einer Petition für eine Individualbeschwerde im Internet an-
zuschließen (Stand 28. April 2008: weltweit 414 Organisationen). In Deutsch-
land wird die Kampagne von den Organisationen FORUM MENSCHEN-
RECHTE, der National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskon-
vention in Deutschland sowie ECPAT Deutschland e. V. unterstützt.

Im Nationalen Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005–2010“
der Bundesregierung wird ausgeführt, dass ein Individualbeschwerderecht
grundsätzlich geeignet sei, Rechtsstellung und Rechtsbewusstsein der Betrof-
fenen zu stärken und die Bereitschaft der Vertragsstaaten zur Implementierung
ihrer Verpflichtungen zu fördern. Die Bundesregierung werde die mögliche
Einführung eingehend prüfen.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich auf internationaler und europäischer Ebene, u. a. im Rahmen der EU-
Kinderrechtsstrategie, für die Schaffung einer Individualbeschwerde durch
ein Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes und
für die Einrichtung einer Arbeitsgruppe beim UN-Menschenrechtsrat zur
Ausarbeitung eines Fakultativprotokolls zum UN-Übereinkommen über die
Rechte des Kindes einzusetzen;

2. bei Erarbeitung des Fakultativprotokolls und der entsprechenden Verfahrens-
ordnung u. a. darauf zu achten, dass

a) im Rahmen der Zulässigkeit einer Individualbeschwerde die Interessen
von Kindern angemessen berücksichtigt werden,

b) Arbeitsmethoden und Verfahrensweisen berücksichtigt werden, die
sicherstellen, dass die Individualbeschwerde von Kindern in der Praxis
genutzt werden kann;

3. darauf hinzuwirken, dass das Übereinkommen über die Rechte des Kindes
und seine Fakultativprotokolle insbesondere bei den Kindern durch eine
Kampagne und gezielte Informationen im Internet besser bekannt gemacht
wird.

Berlin, den 7. Mai 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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