BT-Drucksache 16/9075

Bundeswaldgesetz ändern - Agroforstsysteme unterstützen, forstwirtschaftliche Vereinigungen stärken und Gentechnik im Wald verbieten.

Vom 7. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9075
16. Wahlperiode 07. 05. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Eva Bulling-
Schröter, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill und der Fraktion DIE LINKE.

Bundeswaldgesetz ändern – Agroforstsysteme unterstützen, forstwirtschaftliche
Vereinigungen stärken und Gentechnik im Wald verbieten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland verfügt über ca. 11,1 Mio. Hektar Wald- und Forstfläche. Das ent-
spricht ca. 31 Prozent der Landfläche. Die forstwirtschaftliche Bewirtschaftung
des Waldes dient – neben den Holzimporten – der Rohstoffversorgung der
nachgelagerten einheimischen Holzwirtschaft. Diese beinhaltet die stoffliche
und energetische Verwertung des nachwachsenden Rohstoffes Holz. Beide
Nutzungen gewinnen weiter an Bedeutung, stehen jedoch auch zunehmend in
Konkurrenz zueinander. Dieses Spannungsverhältnis führt zu Interessenkon-
flikten und gefährdet nachhaltige Nutzungskonzepte.

Der Bereich „Forst und Holz“ hat gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Die nach-
haltige Nutzung des Waldes umfasst weitere Produkte und Dienstleistungen im
Freizeit- und Tourismusbereich und bildet eine wichtige Grundlage für die
ländliche Entwicklung. Darüber hinaus erfüllt der Wald Funktionen für das
Gemeinwohl wie Klima-, Wasser-, Boden-, Arten- und Naturschutz. Wälder
sind die größten zusammenhängenden Ökosysteme mit einer vergleichsweise
hohen Naturnähe und daher auch für den Naturschutz von großer Bedeutung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

das Bundeswaldgesetz (BWaldG) mit den folgenden Zielen zu ändern:

1. Unter Berücksichtigung der Bestimmungen im Sinne der naturnahen Wald-
bewirtschaftung im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) eine Neudefinition
des Begriffs „ordnungsgemäße Forstwirtschaft“ vorzunehmen. Dabei müssen
der Schutz der natürlichen Ressourcen, die Sicherung der Waldfunktionen
und die Bewahrung der Biodiversität im Fokus stehen. Die Nutzung von gen-
technisch veränderten Bäumen und Sträuchern ist dabei auszuschließen.

2. Erleichterung der Anlage von Agroforstsystemen durch klare Abgrenzung
der Begriffe „Agroforstsystem“ und „Wald“, so dass angelegte Agroforst-

systeme nicht als Wald im Sinne des BWaldG gelten.

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3. Gezielte Unterstützung von Kleinprivatwaldbesitzerinnen und Kleinprivat-
waldbesitzern. Zur Verbesserung der wirtschaftlichen und strukturellen Ent-
wicklung des Kleinprivatwaldes müssen die Vermarktungsstrukturen an die
Entwicklungen des Sektors angepasst werden.

Berlin, den 6. Mai 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Das seit dem 2. Mai 1975 in Kraft getretene Gesetz zur Erhaltung des Waldes
und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) hat sich weitgehend
bewährt. Deutschland ist zu fast einem Drittel mit Wald bestockt, der Umbau
hin zu stabileren und naturnahen Mischwäldern seit vielen Jahren im Gange.
Dabei spielen Baumartenwahl, Struktur der Bestände und Holzerntetechnologie
eine wichtige umweltpolitische Rolle. Kahlschläge sollen vermieden, Boden-
verdichtung und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden.

Trotz der bereits erreichten Erfolge der einheimischen Forstwirtschaft ergibt
sich Änderungsbedarf am BWaldG. Das trifft auf Probleme beim Begriff „ord-
nungsgemäße Forstwirtschaft“, bei der Anlage von Agroforstsystemen und bei
der Arbeit der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse zu.

Von allen Landnutzungsformen ist die Wald- bzw. Forstwirtschaft die am
stärksten auf Langfristigkeit orientierte Bewirtschaftungsform. Der Wald soll
laut BWaldG ordnungsgemäß und nachhaltig bewirtschaftet werden. Der
Begriff „ordnungsgemäße Forstwirtschaft“ in § 11 BWaldG soll dahingehend
ausgestaltet werden, dass eine größere Naturnähe durch die Wahl standortge-
rechter einheimischer Baumarten, kahlschlagsfreies Wirtschaften, Waldrandge-
staltung, Reduzierung der Bodenbearbeitung und Bodenverdichtung, Vermei-
dung des Einsatzes von Herbiziden, Pestiziden und Düngemitteln, waldverträg-
liche Wilddichten und Verzicht auf gentechnisch veränderte Pflanzen erreicht
wird. Darüber hinaus sind soziale und Qualifizierungsstandards zu entwickeln.

Die Nutzung gentechnisch veränderter Bäume und Sträucher ist bei der Be-
griffsdefinition auszuschließen. Viele Eigenschaften von Bäumen und Sträu-
chern werfen bei der Risikoabschätzung besondere Probleme auf. Sie haben
beispielsweise eine lange Lebensdauer, welche die notwendige präventive
Sicherheitsforschung erschwert. Transgene Bäume und Sträucher würden die
genetische Vielfalt der Wälder und Forsten massiv gefährden und damit die
Anpassungsfähigkeit der Waldökosysteme einschränken.

Agroforstwirtschaft ist eine Form der Landnutzung, bei der Holzpflanzen
(Bäume, Sträucher etc.) auf landwirtschaftlicher Nutzfläche angebaut werden.
Räumliche Anordnung und zeitliche Abfolge können kombiniert werden. Bei-
spielhafte Agroforstsysteme sind Streuobstwiesen zur Obstproduktion, Hude-
wälder zur Weidehaltung oder Kurzumtriebsplantagen zur Energiegewinnung.
Agroforstsysteme bieten durch die Kombination forst- und landwirtschaftlicher
Pflanzen die Möglichkeit, energetische, stoffliche und landwirtschaftliche Nut-
zungen synergetisch zu verbinden. Bei gut konzipierten Agroforstsystemen ste-
hen die land- und forstwirtschaftlichen Pflanzen nicht in Konkurrenz zueinan-
der, sondern unterstützen sich gegenseitig. Agroforstsysteme sind im Hinblick
auf ihre ökologischen Leistungen so anzulegen, dass keine großflächigen

Monokulturen entstehen. Werden verschiedene Agroforstsysteme miteinander

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kombiniert und verschiedene Baumarten genutzt, können Agroforstsysteme
einen wichtigen Beitrag zu mehr Naturschutz in der Agrarlandschaft leisten.

Typische Merkmale des Waldökosystems wie Waldinnenklima, Waldvegetation
und Bodenentwicklung fehlen bei Agroforstsystemen. Im Sinne des BWaldG
ist jedoch „jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche“ als Wald zu verste-
hen. Dies trifft im engeren Sinne auch auf Agroforstsysteme zu. Damit würden
sie unter die Bestimmungen des BWaldG fallen, ließen sich jedoch nicht im
Sinne einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft bewirtschaften. Zum Beispiel
könnten Kurzumtriebsplantagen nicht vollständig nach wenigen Jahren geern-
tet werden, da dies im Sinne des BWaldG einem Kahlschlag gleichkäme. Daher
soll in § 2 Abs. 1 BWaldG der Begriff „Agroforstsystem“ so vom Begriff
„Wald“ abgegrenzt werden, dass Agroforstsysteme nicht Wald im Sinne des
BWaldG sind. Es soll erreicht werden, dass landwirtschaftliche Nutzflächen,
die zur Anlage von Agroforstsystemen dienen, zukünftig nicht den Vorgaben
des BWaldG unterliegen.

Das wirtschaftliche Potential des Kleinprivatwaldes wird bisher auf Grund
geringer Organisation und Kooperation nur ungenügend ausgeschöpft. Zusätz-
liche Wertschöpfungs- und Bewirtschaftungsmöglichkeiten gehen den länd-
lichen Räumen dadurch verloren. Die wirtschaftliche und strukturelle Entwick-
lung des Kleinprivatwaldes muss jedoch effektiver unterstützt werden. Die
Kleinteiligkeit der Besitzverhältnisse verlangt einen kooperativen Ansatz. Die an-
erkannten forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse nach § 15 BWaldG – Forst-
betriebsgemeinschaften und forstwirtschaftliche Vereinigungen – haben sich
bewährt. Bei den Vermarktungszusammenschlüssen besteht allerdings Anpas-
sungsbedarf bezüglich der gesetzlichen Möglichkeiten zur Mitgliedschaft von
Einzelwaldbesitzerinnen und -besitzern. Die Aufgaben der forstwirtschaftlichen
Vereinigungen sollten folgende Teilaufgaben umfassen:

1. Unterrichtung und Beratung der Mitglieder sowie Beteiligung an der forst-
lichen Rahmenplanung,

2. Abstimmung der für die forstwirtschaftliche Erzeugung wesentlichen Vor-
haben und Absatz des Holzes oder sonstiger Forstprodukte,

3. Waldbau, Waldschutz und Waldwegebau,

4. Holzernte, marktgerechte Aufarbeitung und Lagerung einschließlich ein-
facher Be- und Verarbeitung von Rohholz und des Holztransportes,

5. Absatz von Rohholz und Forstprodukten,

6. Beschaffung und Einsatz von Maschinen und Geräten für die Maßnahmen
nach den Nummern 3 bis 5.

§ 40 BWaldG umfasst „die Befreiung von Vorschriften des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen“. Diese sind für die gebündelte Vermarktung von
Rohholz durch anerkannte forstwirtschaftliche Vereinigungen nicht mehr zeit-
gemäß und führen im Gesetzesvollzug zu Kollisionen mit der Steuergesetz-
gebung. Daher sind der vorhandenen Aufzählung in Absatz 1 die anerkannten
forstwirtschaftlichen Vereinigungen hinzuzufügen. Diese Ausnahme bezieht
sich auf Beschlüsse der aufgezählten Vereinigungen, Vereine und Gemein-
schaften, die die forstwirtschaftliche Erzeugung oder den Absatz von Forst-
erzeugnissen betreffen.

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