BT-Drucksache 16/8911

zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/08

Vom 23. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8911
16. Wahlperiode 23. 04. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/08

A. Problem

47 Abgeordnete der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN des Deutschen Bun-
destages haben vor dem Bundesverfassungsgericht im Wege eines Organstreits
gegen den Deutschen Bundestag beantragt festzustellen, dass der Deutsche Bun-
destag durch seinen Beschluss vom 9. November 2007 über die Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung ihre Rechte aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 des
Grundgesetzes – das freie Mandat des Abgeordneten – verletzt habe. Die be-
schlossenen Regelungen in den §§ 113a und 113b des Telekommunikations-
gesetzes (TKG) sowie § 100g Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) zur Vor-
ratsdatenspeicherung beschädigten das mandatsbezogene Vertrauensverhältnis
in der Kommunikation der Abgeordneten untereinander und mit Dritten, insbe-
sondere Bürgern, und behindere sie bei der autonomen Informationsbeschaf-
fung. Der repräsentative Status der Abgeordneten und die Unabhängigkeit des
Mandats begründeten ein kommunikationsbezogenes Funktionsrecht, das durch
die Vorratsdatenspeicherung verletzt werde.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Deutschen Bundestag als Antragsgegner
gebeten, bis zum 30. Mai 2008 zur Streitsache 2 BvE 1/08 Stellung zu nehmen.

B. Lösung

Der Rechtsausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, eine Stellungnahme zur Streitsache vor
dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/08 abzugeben und Prof. Dr. Martin
Morlok als Prozessbevollmächtigten zu bestellen

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Kosten der Prozessvertretung.

Drucksache 16/8911 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/08 eine Stellung-
nahme abzugeben und den Präsidenten zu bitten, Prof. Dr. Martin Morlok als
Prozessbevollmächtigten zu bestellen.

Berlin, den 23. April 2008

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender und Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8911

Bericht des Abgeordneten Andreas Schmidt (Mülheim)

Am 9. November 2007 beschloss der Deutsche Bundestag
das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüber-
wachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen
sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG. Das Ge-
setz war nicht zustimmungspflichtig. Nach Unterzeichung
durch den Bundespräsidenten und Verkündung im Bundes-
gesetzblatt trat es bis auf Artikel 2 Nr. 3d und Artikel 13
Nr. 1c, 10 am 1. Januar 2008 in Kraft.

§ 113a TKG verpflichtet die Telekommunikationsunterneh-
men, Verkehrsdaten von Telekommunikationsteilnehmern
für sechs Monate zu speichern, § 113b TKG bestimmt, zu
welchen Zwecken die verpflichteten Unternehmen die Daten
verwenden dürfen. Darüber hinaus regelt § 100g StPO die
Verwendung der Daten durch Strafverfolgungsbehörden.

47 Abgeordnete der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
des Deutschen Bundestages haben vor dem Bundesverfas-
sungsgericht beantragt festzustellen, dass der Deutsche
Bundestag durch die Annahme der genannten Regelungen
gegen ihr Recht auf die freie Ausübung des Mandats und
des damit einhergehenden kommunikationsbezogenen Funk-

tionsrechts der Abgeordneten verstoßen hat. Sie sehen ihr
mandatsbezogenes Vertrauensverhältnis zu anderen Abge-
ordneten und zu Dritten durch die regelmäßige verdachtlose
Speicherung von Verbindungsdaten auf Vorrat durch die Te-
lekommunikationsanbieter gefährdet und sehen sich in ihrer
autonomen Informationsbeschaffung beschränkt. Hilfsweise
beantragen sie festzustellen, dass der Deutsche Bundestag
ihre Rechte aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes
dadurch verletzt habe, dass er die Vorratsdatenspeicherung
über die zwingenden Vorgaben der Richtlinie 2006/24/EG
hinaus eingeführt habe.

Der Rechtsausschuss hat die Verfassungsstreitsache in sei-
ner 96. Sitzung am 23. April 2008 beraten und mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP bei Stimm-
enthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN beschlossen, dem Deutschen Bundestag
zu empfehlen, in dem verfassungsgerichtlichen Verfahren
2 BvE 1/08 Stellung zu nehmen und den Präsidenten zu bit-
ten, Prof. Dr. Martin Morlok als Prozessbevollmächtigten zu
bestellen.

Berlin, den 23. April 2008

Andreas Schmidt (Mülheim)
Berichterstatter

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