BT-Drucksache 16/8904

Potential von eLearning nutzen - Schulen bei der Umsetzung unterstützen

Vom 23. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8904
16. Wahlperiode 23. 04. 2008

Antrag
der Abgeordneten Patrick Meinhardt, Uwe Barth, Cornelia Pieper, Christian
Ahrendt, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz
Lanfermann, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian
Toncar, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin
Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Potential von eLearning nutzen – Schulen bei der Umsetzung unterstützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Begriff „eLearning“ wird im Wesentlichen dazu herangezogen, um Lernen
mithilfe digitaler und elektronischer Medien, basierend auf der Nutzung von
Computern und des Internets zu umschreiben. Die Bedeutung des eLearnings,
insbesondere im Kontext der zu erwartenden Entwicklung des Bildungs- und
Forschungsbereichs in der globalisierten Wissensgesellschaft, ist mittlerweile
unstrittig. Doch während IT-Technik bereits zum festen Bestandteil der Kommu-
nikations- und Organisationskultur vieler Unternehmen geworden ist, sind
immer noch viele Unternehmen und Organisationen sowie Bildungsanbieter,
Lernende und Lehrende häufig immer noch zu zurückhaltend, wenn es um die
Implementierung von eLearning geht.

Die Schule muss die Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen aufneh-
men und in den Unterricht integrieren, so der Bericht des Büros für Technik-
folgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) zum Thema „Medien-
nutzung und eLearning in Schulen (Ausschussdrucksache 16(18)330)“.
Tatsächlich kann und darf nicht ignoriert werden, dass die Nutzung digitaler
(Lern-)Medien im Alltag mittlerweile beträchtliche Bedeutung gewonnen hat.
Angesichts dieser Tatsache ist es besorgniserregend, wenn im TAB-Bericht fest-
gestellt wird, dass im Unterschied zur „sehr guten Medienausstattung von fami-
liären Haushalten“ die technische Ausstattung der Schulen zu wünschen übrig

lässt.

Deutschland hinkt vor allem bei der unterrichtsbezogenen Nutzung von Compu-
tern deutlich hinterher. Die PISA-2003-Studie hat sich mit diesem Gegenstand
auseinandergesetzt und die hiesigen Defizite dokumentiert. Ergebnis war, dass
Deutschland unter allen Industriestaaten das Land ist, „in dem Computer am
seltensten als regelmäßiges Lerninstrument eingesetzt [werden] (PISA-Konsor-

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tium Deutschland – Hrsg. – PISA 2003, Waxmann Verlag 2004)“. Es hat sich
seit dem ersten Messzeitpunkt einiges getan, doch die Studien der OECD der
Jahre 2005 und 2006 besagen, dass die Bemühungen bislang nicht ausreichend
waren oder die getätigten Bildungsinvestitionen teilweise fehlgeleitet wurden.

Dabei könnten gerade Schulen mittels der Neuen Medien und der ihnen eigenen
Merkmale, wie Interaktivität, Vernetzung und Multimedialität, eine Verbesse-
rung der didaktischen und methodischen Qualität erzielen. Sie verschaffen den
Bildungseinrichtungen die Gelegenheit, neue Lehr- und Lernformen zu erpro-
ben. Insbesondere die häufig formulierte Forderung der individuellen Förderung
der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers Vorschub zu leisten, ließe
sich dadurch befriedigen.

Gleichzeitig kann die Beschäftigung mit den neuen Medien eine Grundlage für
individualisiertes und somit lernerorientiertes Lernen bilden – eine Notwendig-
keit mit Blick auf die Voraussetzungen lebenslangen Lernens. Schließlich ist der
Erwerb von Medienkompetenz eine Notwendigkeit, um in der Informations-
und Kommunikationsgesellschaft bestehen zu können. Dabei geht es nicht allein
darum, dass Schülerinnen und Schüler mit der Technik und den Programmen
umgehen können. Genauso wichtig ist es, dass sie lernen, Informationsinhalte
aus dem Internet auf ihren Gehalt und ihre Verwendbarkeit einzuschätzen. Das
Basiswissen hierfür kann durch den frühzeitigen Einsatz und die Auseinander-
setzung mit neuen Medien in der Schule erworben werden.

Neben der Ausstattung der Schulen mit adäquater Hardware und Software ist
insbesondere die Skepsis oder Ablehnung unter den Lehrkräften in Bezug auf
den IKT-Einsatz ein ernsthaftes Problem. Der Anteil des Lehrpersonals mit ten-
denziell ablehnender Haltung gegenüber einem IKT-Einsatz im Klassenzimmer
ist dreimal so groß wie im europäischen Durchschnitt. Während britische
Pädagogen der IKT-Nutzung positiv gegenüberstehen, über gute Kenntnisse und
Fertigkeiten im Umgang mit Computern verfügen, schätzen deutsche Pädago-
gen ihre IKT-Kenntnisse „insgesamt eher kritisch ein (TAB-Bericht – Medien-
nutzung und eLearning in Schulen –, Ausschussdrucksache 16(18)330)“. Ein
nicht unwesentlicher Teil der deutschen Lehrerschaft ist davon überzeugt, dass
die Nutzung des Computers zu Unterrichtszwecken keine oder nur unklare
Vorteile bietet. Gerade aufgrund dieser negativen Einstellung ist es dringend
notwendig, das Potential des eLearnings hervorzuheben und zu verdeutlichen.

Der Erfolg von eLearning an Schulen hängt maßgeblich von dreierlei Faktoren
ab: Zunächst bedarf es einer adäquaten Ausstattung der Schulen mit Hard- und
Software. Die Computer und der Internetzugang müssen gewisse Mindestanfor-
derungen erfüllen; ansonsten haben ernsthafte eLearning-Aktivitäten keine
Chance auf Akzeptanz und Erfolg. Des Weiteren ist die Ausstattung der allge-
meinbildenden Schulen mit multimedialen Nachschlagewerken und Software
mit Werkzeugcharakter (Programme, die es Lehrkräften ermöglichen, selbst
Software oder Unterrichtsmaterialien zu erstellen) sicherzustellen. Und schließ-
lich müssen die Qualifizierung und Motivation der Lehrkräfte verbessert
werden.

Die öffentliche Hand hat seit dem Jahr 2000 über 1,1 Mrd. Euro für diverse
eLearning-Projekte ausgegeben. Doch die von Bund und Ländern bereitgestell-
ten Mittel sind in Ermangelung eines übergreifenden Konzepts oder einer über-
regionalen Koordination häufig verpufft und haben keinen nachhaltigen Effekt
spüren lassen (vgl. TAB-Bericht „Mediennutzung und eLearning in Schulen“,
Ausschussdrucksache 16(18)330). Gerade deswegen bedarf es einer konzertier-
ten Aktion, um das Potential von eLearning zu erschließen.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Förderung von Neuen Medien bzw. den Einsatz und die nachhaltige Im-
plementierung von eLearning in Schulen zu unterstützen. Dabei sollen
vorhandenes Handlungswissen, übergreifende Forschungsergebnisse und
internationale Erfahrungen berücksichtigt werden;

2. Blended-Learning als selbstverständliche Unterrichtsmethode zu kommu-
nizieren;

3. die Nutzung der häufig a priori vorhandenen Medienkompetenz zahlreicher
Schülerinnen und Schüler durch die Bereitstellung digitaler Lernmedien zu
fördern;

4. gemeinsam mit den Ländern mittels zielgerichteter Informations- und Bera-
tungsangebote zur Entwicklung einer einheitlichen Systematik, Informa-
tionsstruktur und -aufbereitung beitragen;

5. die Entwicklung von Richtlinien und Empfehlungen für die Modalitäten
schulischen eLearnings zu unterstützen;

6. gemeinsam mit den Ländern Lehrpersonen und Entscheidungsträger im
Schulwesen nicht nur über Projektideen und geeignete Hard- und Soft-
wareausstattung zu informieren, sondern auch über Möglichkeiten zu deren
Finanzierung aufzuklären. Insbesondere auf den sinnvollen Einsatz von
Public Private Partnerships ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen;

7. sich gemeinsam mit den Ländern und Hochschulen für die Integration me-
dienbezogener Inhalte in die Lehrerbildung aller Schulstufen einzusetzen.
IKT-bezogene Inhalte sollen künftig nicht länger beschränkt auf einzelne
Veranstaltungen oder Seminare angeboten, sondern im Kontext der jeweili-
gen Unterrichtsfächer als mediendidaktische Kompetenz vermittelt werden.
Wesentliches Element entsprechender Konzepte sollte u. a. das praktische
„Erfahren“ von eLearning sein (eLearning als methodisches Element);

8. die Länder bei der Strukturierung, Koordination und Aufbereitung des Fort-
bildungsangebots sowie dessen Ergänzung und Erweiterung zu unterstüt-
zen. Die Einführung von regelmäßigen Fortbildungen für alle Lehrkräfte im
IKT-Bereich sowie die Zertifizierung der Qualifikationen ist ein zu fördern-
des Ziel;

9. angesichts der auffallend skeptischen Haltung vieler deutscher Lehrerinnen
und Lehrer mit Blick auf den Medieneinsatz im Unterricht das Informa-
tionsangebot hinsichtlich der Vorteile eines sinnvollen eLearning-Einsatzes
zu erweitern;

10. sich gemeinsam mit den Ländern an der Erarbeitung eines Fortbildungsan-
gebots speziell für Schulleitungen zu beteiligen, um die Leitungspersonen
mit den eLearning-Potentialen vertraut zu machen;

11. systematische Erweiterung des Lehrerfortbildungskatalogs durch eLearning;

12. die aktive Förderung von Best-Practice-Lösungen, z. B. durch die Initiierung
eines Wettbewerbs, im Bereich des eLearning zu unterstützen;

13. gemeinsam mit den Ländern Methoden zu entwickeln und Maßnahmen zu
treffen, um die Barrierefreiheit für Schülerinnen und Schüler mit gesund-
heitlicher Beeinträchtigung zu unterstützen;

14. die Länder bei der Entwicklung gemeinsamer Standards für schulische IT-
Ausstattung und Wartungsmaßnahmen zu unterstützen;

15. dafür Sorge zu tragen, dass in den Schulen bereits vorhandene IT-Ausstat-

tung den Lernenden tatsächlich auch verfügbar gemacht wird;

Drucksache 16/8904 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
16. den eLearning-Einsatz und die Nutzung von Computern im Unterricht im
Rahmen der Bildungsforschung stärker als bislang zu berücksichtigen und
in der Bildungsberichterstattung zu dokumentieren.

Berlin, den 23. April 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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