BT-Drucksache 16/8557

Abgrenzung der zivil-militärischen Aufgaben, Finanzierung sowie hoheitliche Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes

Vom 12. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8557
16. Wahlperiode 12. 03. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Alexander Ulrich, Monika Knoche, Dr. Lothar Bisky, Dr. Diether
Dehm und der Fraktion DIE LINKE.

Abgrenzung der zivil-militärischen Aufgaben, Finanzierung sowie
hoheitliche Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes

Der Vertrag von Lissabon (im Folgenden: VvL) zur Änderung des Vertrags über
die Europäische Union (im Folgenden: EUV neu) und des Vertrags zur Grün-
dung der Europäischen Gemeinschaft sieht die Schaffung des Amtes eines
Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (im Folgenden:
Hoher Vertreter) vor (ABl. EG 2007/C 306/01). Der Hohe Vertreter soll zukünf-
tig alle Aspekte des auswärtigen Handelns der Europäischen Union (EU) koor-
dinieren. Er bekleidet sowohl den Vorsitz im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“
als auch das Amt eines Vizepräsidenten bzw. des Außenkommissars der Euro-
päischen Kommission (Artikel 9e EUV neu). Der Vertrag verleiht zudem dem
Präsidenten des Europäischen Rates die Befugnis zur Außenvertretung der EU
im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) (Artikel
9b Abs. (6) EUV neu).

Den Hohen Vertreter soll im Rahmen seiner Zuständigkeiten ein Europäischer
Auswärtiger Dienst (EAD) unterstützen, der sich aus Beamten der Europäischen
Kommission, des Ratssekretariats und der diplomatischen Dienste der Mitglied-
staaten zusammensetzt (Artikel 13a Abs. (3) EUV neu). Die derzeit bestehenden
Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Formulierung und Durchführung
ihrer Außenpolitik sowie ihre nationale Vertretung in Drittländern und interna-
tionalen Organisationen bleiben von der Ernennung des Hohen Vertreters sowie
der Schaffung eines EAD unberührt (Schlussbestimmung Nr. 13 VvL).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Auswirkungen haben nach Auffassung der Bundesregierung mögli-
che institutionelle Konflikte zwischen Europäischem Rat, Rat der Europäi-
schen Union sowie der EU-Kommission über die europäische Außenpolitik
auf den EAD?

2. Welche Auswirkung hat nach Auffassung der Bundesregierung der Anspruch
einer Integration aller wesentlichen Politikbereiche innerhalb der GASP bzw.
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) (vgl. Europäi-

sche Sicherheitsstrategie des Europäischen Rates vom 12. Dezember 2003)
auf die Abgrenzung der handels-, entwicklungs-, menschenrechtspolitischen
sowie militärischen Aufgaben des EAD?

3. Befürwortet die Bundesregierung die Einbeziehung des Militärstabes der
GSVP in den EAD?

Drucksache 16/8557 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wenn ja, welche Auswirkungen hätte dies nach Auffassung der Bundes-
regierung auf die Transparenz und haushaltspolitische Kontrolle der militä-
rischen Ausgaben der GSVP?

4. Befürwortet die Bundesregierung die Integration des EU-Lagezentrums
(SITCEN) in den EAD?

5. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit die in Frage 2 zitierte Euro-
päische Sicherheitsstrategie angesichts der neueren Entwicklungen im Rah-
men des Lissabonvertrages sowie des abgeleiteten EU-Rechts in den EAD-
relevanten Bereichen zu überarbeiten?

Wenn ja, in welchen EAD-relevanten Bereichen sieht die Bundesregierung
die Notwendigkeit zur Überarbeitung der Europäischen Sicherheitsstrate-
gie?

6. Bevorzugt die Bundesregierung eine finanzielle und organisatorische An-
siedlung des EAD beim Rat, bei der EU-Kommission oder als eigenständige
Agentur?

7. Wäre nach Auffassung der Bundesregierung die Ansiedlung des EAD beim
Rat mit der Notwendigkeit der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mit-
tel verbunden?

Wenn ja,

a) in welcher voraussichtlichen Höhe;

b) handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung bei den zusätzli-
chen finanziellen Mitteln um reine Verwaltungskosten;

c) sollte das „Gentleman Agreement“ zwischen Rat und Europäischem Par-
lament (EP) aus dem Jahre 1970 zur Anwendung gelangen, wonach ge-
genseitige Haushaltsentwürfe im Bereich der Verwaltungskosten nicht
verändert werden (vgl. Verbindungsbüro des Deutschen Bundestages/
Bericht aus Brüssel 03/2008, S. 6)?

8. Welche Auswirkungen hätten nach Auffassung der Bundesregierung die
drei in Frage 6 genannten Varianten der institutionellen Ansiedlung des
EAD auf die Gewichtung der haushaltspolitischen Kontrolle des Dienstes
durch den Rat bzw. das Europäische Parlament?

9. Sollte die Abordnung von Diplomaten zum EAD nach Auffassung der Bun-
desregierung den Bevölkerungsanteil der Mitgliedsländer berücksichtigen?

Wenn ja,

a) erwartet die Bundesregierung, dass alle EU-Staaten die für ihre Länder
zu vereinbarende Anzahl von Diplomaten im EAD ausschöpfen werden;

b) strebt die Bundesregierung die Vereinbarung von Nachrückoptionen für
den Fall nicht ausgeschöpfter EAD-Positionen an;

c) strebt die Bundesregierung die Zuweisung von Nachrückoptionen an die
Europäische Kommission bzw. bevölkerungsärmere EU-Mitgliedsländer
an?

10. Strebt die Bundesregierung eine Besetzung von Positionen im EAD mit ex-
ternen Vertretern der Privat- und Verbandswirtschaft an?

Wenn ja,

a) in welchen Aufgabenbereichen des EAD und unter Einbeziehung wel-
cher Art von Verbänden;

b) wie soll die Weisungsbefugnis des EAD sichergestellt werden;

c) welche Auswirkungen hat dies nach Auffassung der Bundesregierung

auf die hoheitliche Kontrolle des EAD durch die entsprechenden euro-
päischen Institutionen (EU-Kommission, Rat, Europäisches Parlament)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8557

11. Existieren aus Sicht der Bundesregierung beamtenrechtliche Probleme bei
der Besetzung von EAD-Posten mit externen Vertretern der Verbands- und
Privatwirtschaft?

Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Einschätzung vor dem
Hintergrund der Entscheidung des Deutschen Bundestages vom 16. Februar
1995 (Plenarprotokoll 13/21, Tagesordnungspunkt 14d), die Vereinbarung
zwischen der Bundesregierung und dem Deutschen Gewerkschaftsbund
über die Besetzung bestimmter Dienstposten bei Auslandsvertretungen auf
Empfehlung des Petitionsausschusses (Pet 1-12-05-202-51124 bzw.
Bundestagsdrucksache 13/334) aufzulösen?

12. Welche Rolle sollte nach Auffassung der Bundesregierung den einzurich-
tenden Unionsdelegationen in Drittländern bei der Gewährleistung des
diplomatischen und konsularischen Schutzes sowie der Visaerteilung zu-
kommen?

Berlin, den 11. März 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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