BT-Drucksache 16/8273

Mögliche Lücken in der Elektrizitätsversorgung

Vom 20. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8273
16. Wahlperiode 20. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gudrun Kopp, Martin Zeil, Christian Ahrendt, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Horst
Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam
Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Detlef Parr, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Mögliche Lücken in der Elektrizitätsversorgung

Laut einer Handelsblatt-Studie (Handelsblatt vom 31. Januar 2008) kann bei
einem Festhalten am Ausstieg aus der Kernenergie die Unterversorgung
Deutschlands mit Strom ab dem Jahr 2015 nur noch vermieden werden, wenn
die geplanten Neubauten mit einer Leistung von zusammen 36 000 Megawatt
und einem Investitionsvolumen von 46 Mrd. Euro weitgehend umgesetzt wer-
den. Wegen mangelnder Kapazitäten im Kraftwerksbau, der Verdoppelung des
Preises für schlüsselfertige Kohlekraftwerke und Unsicherheiten hinsichtlich
der Versteigerungspreise für Emissionsrechte ab 2012 wurden bereits im ver-
gangenen Jahr Kraftwerksprojekte im Volumen von 6 500 Megawatt (MW) ge-
strichen. Die Errichtung neuer Kohlekraftwerke droht am Widerstand in der
Bevölkerung zu scheitern.

Gleichzeitig zeichnet sich die Entstehung eines neuen Stromerzeugungsschwer-
punktes im Nordosten (lt. Handelsblatt vom 31. Januar 2008: 40 Prozent aller
Projekte) ab, der damit weit entfernt von den Verbrauchsschwerpunkten im
Westen Deutschlands liegt. Die Windenergie, die ebenfalls einen Schwerpunkt
im Norden hat, bringt bereits heute die Netze in Spitzen an die Grenzen ihrer
Belastbarkeit. Auch der erforderliche Ausbau des Stromnetzes als Freileitungs-
bau stößt auf Widerstände in der Bevölkerung und zieht die Gefahr erheblicher
Verzögerungen notwendiger Ausbauprojekte nach sich.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist der Bundesregierung die Studie der HypoVereinsbank „Power für
Deutschland – Energieversorgung im 21. Jahrhundert“ vom November 2007

bekannt, in welcher die Verfasser zu dem Ergebnis gelangen, dass unter
Beibehaltung des Ausstiegs aus der Kernenergie bis zum Jahre 2020 eine
Versorgungslücke in der inländischen deutschen Stromerzeugung von bis zu
16 Prozent droht?

2. Wenn ja, teilt die Bundesregierung diese Einschätzung, und wie begründet
sie diese Auffassung?

Drucksache 16/8273 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Ist der Bundesregierung die Studie des Marktforschungsunternehmens
Trendresearch bekannt, über die das Handelsblatt am 21. Januar 2008 be-
richtete und in der prognostiziert wird, dass Deutschland bereits ab dem
Jahre 2015 auf Stromimporte angewiesen sein wird, um die bis dahin ent-
standene Lücke bei der inländischen Stromproduktion zu schließen?

4. Wenn ja, teilt die Bundesregierung diese Einschätzung, und wie begründet
sie diese Auffassung?

5. Teilt die Bundesregierung die auch von den großen Energieversorgungs-
unternehmen dargestellte Gefahr einer Versorgungslücke in sieben bis zehn
Jahren?

6. Wie bewertet die Bundesregierung, unabhängig von der Frage einer in den
Studien dargestellten Versorgungslücke, eine Zunahme von Stromimporten
unter den Gesichtspunkten Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit
und Preisniveau für Strom?

7. Sind die bestehenden Grenzkuppelstellen auf mögliche steigende Strom-
importe ausgelegt?

8. Wie will die Bundesregierung – falls die Bundesregierung eine problema-
tische Versorgungslücke sieht – eine solche abwenden, wenn Planung und
Genehmigung von Kraftwerken inzwischen etwa acht Jahre dauern?

9. Hat die Bundesregierung Kenntnis von der Absicht des Schweizer Energie-
versorgungsunternehmens Atel, zwei neue Kernkraftwerke mit je 1 600
MW installierter Leistung in der Nordschweiz nahe der deutschen Grenze
zu errichten (FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND vom 14. Dezember
2007)?

10. Falls ja, wie beurteilt die Bundesregierung dieses Vorhaben, und erkennt
sie hier einen möglichen Zusammenhang mit einer möglichen Versorgungs-
lücke in Deutschland?

11. Was tut die Bundesregierung, um die Bevölkerung über neue techno-
logische Entwicklungen bei Kohlekraftwerken (hocheffiziente Kraftwerke,
CO2-Abscheidung und -Einlagerung) und ihre Rolle für die sichere Ver-
sorgung mit Strom innerhalb eines Energiemixes aufzuklären?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tendenz des zunehmenden Aus-
einanderfallens von Standorten der Erzeugung und des Verbrauchs von
elektrischem Strom?

13. Ist diese Entwicklung in den bisherigen Netzausbauprojekten der Über-
tragungsnetzbetreiber bereits berücksichtigt, und wer trägt letztlich die
Kosten für eine Beseitigung von Engpässen, die durch die verbrauchsferne
Errichtung von neuen Kraftwerken hervorgerufen werden?

14. Hält die Bundesregierung die mit der Kraftwerk-Netzanschlussverordnung
beabsichtigte räumliche Lenkungswirkung auf die Errichtung neuer Kraft-
werke für ausreichend?

15. Wie viele geplante Kraftwerke erfüllen die Voraussetzungen dieser Verord-
nung für eine vorrangige Einspeisung im Engpassfall, und an welchen
Standorten entstehen diese Kraftwerke?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die bisherigen Fortschritte im Hinblick
auf die Umsetzung des in der Dena-Netzstudie prognostizierten zusätz-
lichen Ausbaubedarfs von 850 km im deutschen Höchstspannungsüber-
tragungsnetz?

17. Plant die Bundesregierung weitere gesetzliche Initiativen, mit denen Pla-

nung, Genehmigung und Bau großer Energieinfrastrukturvorhaben künftig
beschleunigt werden sollen, und falls ja, welche?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8273

18. Ist beabsichtigt, die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten für Erdkabel
gegenüber dem Freileitungsbau im Rahmen der Netzregulierung auszu-
dehnen?

19. Im Falle der Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten für Erdverkabelung, in
welcher Höhe erwartet die Bundesregierung den zu erwartenden Anstieg
der Netzkosten?

20. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Aussagen, nach
denen Bürger und Unternehmen in Deutschland immer häufiger schwan-
kenden Stromstärken ausgesetzt sind und dadurch erhebliche Kosten für
die Installation von zusätzlichen Spannungsschutzsystemen entstehen?

21. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass die deutschen Stromverbraucher
langfristig in ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zu anderen strom-
exportierenden Nachbarländern geraten?

22. Welche Preisentwicklungsmodelle benutzt die Bundesregierung zur Prog-
nose der Strompreisentwicklung in Deutschland als einen wichtigen Wett-
bewerbs- und Standortfaktor, vor allem in energieintensiven Branchen?

23. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um einer eventuell dro-
henden Versorgungslücke entgegenzuwirken?

24. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Meinung, wonach preiswerter
Strom ein wichtiger Wettbewerbs- und Standortfaktor ist?

25. Hält die Bundesregierung die aktuellen Strompreise in Deutschland für
wettbewerbsfähig?

Berlin, den 20. Februar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.