BT-Drucksache 16/8176

Potenziale der Tourismusbranche in der Entwicklungszusammenarbeit durch Aufgabenbündelung im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausschöpfen

Vom 20. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8176
16. Wahlperiode 20. 02. 2008

Antrag
der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Dr. Karl Addicks, Jens Ackermann, Hellmut
Königshaus, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Angelika Brunkhorst, Mechthild
Dyckmans, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-
Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Potenziale der Tourismusbranche in der Entwicklungszusammenarbeit durch
Aufgabenbündelung im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
ausschöpfen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ihre bisherige Förderpolitik im Bereich Tourismus und wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit grundlegend zu korrigieren und ein schlüssiges Gesamtkon-
zept zu entwickeln, mit dem gezielt Schwerpunkte gesetzt und nur die effi-
zientesten Projekte gefördert werden;

2. die bisher durchgeführten Maßnahmen der Tourismusförderung in Entwick-
lungsländern nach ihrer ökologischen, ökonomischen und sozialen Effizienz
neu zu bewerten. Die Bundesregierung berichtet dem Ausschuss für Touris-
mus und dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung im Deutschen Bundestag und der interessierten Öffentlichkeit nach der
Auswertung dieser Evaluierung über besonders erfolgreiche Projekte im
Sinne einer nachhaltigen Entwicklung in Entwicklungs- und durch die ent-
sprechende Tourismusförderung und die daraus resultierenden Maßnahmen;

3. die Umgestaltung der Tourismusförderung und die Festlegung auf Förder-
schwerpunkte in Entwicklungsländern in Kooperation mit der Tourismus-
wirtschaft durchführen. Ziel der Reformen ist eine Konzentration auf zu-
kunftsweisende Projekte;

4. durch die Konzentration der touristischen Aufgaben im Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie (BMWi) die Potenziale der Tourismusbran-
che in der Entwicklungszusammenarbeit auszuschöpfen und damit die Effi-
zienz der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern und der
dort lebenden Menschen nachhaltig zu verbessern;

Drucksache 16/8176 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5. in Kooperation mit der Tourismuswirtschaft bestehende Maßnahmen fortzu-
entwickeln, um ein entschiedenes Vorgehen gegen „Sextourismus“ zu ge-
währleisten.

Berlin, den 19. Februar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Begründung

Der Ferntourismus war und ist eine bedeutende Quelle von Wirtschaftswachs-
tum in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die heutigen Schwellenländer
haben vom Ferntourismus als einem der ersten Devisenbringer profitiert, ebenso
wie es die heutigen Entwicklungsländer tun. Daher gilt es, den Ferntourismus
mehr als bisher als Wachstumsmotor für die heutigen Entwicklungsländer zu
stärken. Der Marktanteil des Ferntourismus hat vor allem in den Entwicklungs-
ländern in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen und ist damit für
einige Länder die Haupteinnahmequellen für Devisen.

In ihrer Zukunftsstudie „TourismVision 2020“ erwartet die Welttourismusorga-
nisation (UNWTO) weltweit 1,6 Milliarden Touristenankünfte und Ausgaben
der Reisenden in Höhe von 2 Bio. US-Dollar im Jahr 2020. Insbesondere die
Entwicklungs- und Schwellenländer werden als Begünstigte dieser Entwicklung
gesehen. Nach Schätzungen des Worldtravel und TourismCouncil (WTTC) hän-
gen derzeit weltweit 234,3 Millionen Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom
Tourismus ab. Das sind rund 8,7 Prozent aller Arbeitsplätze.

Der Tourismus leistet bereits heute einen zentralen Beitrag für die wirtschaft-
liche Entwicklung in Entwicklungsländern zur Sicherung sowie Schaffung von
Arbeitsplätzen. Insbesondere periphere, strukturschwache Regionen in den Ent-
wicklungsländern sind auf den Tourismus angewiesen, da dieser oftmals die ein-
zige realistische Option für wirtschaftlichen Aufschwung und wirkungsvolle
Armutsbekämpfung darstellt. Zudem ist der Tourismus auf Grund seiner Dienst-
leistungsorientierung eine der arbeitsplatzintensivsten Wirtschaftsbranchen
überhaupt, da die Subventionierung von Arbeitskraft durch Technik im Touris-
mus nur in sehr begrenztem Umfang möglich ist. Schließlich bietet der Touris-
mus eine Vielzahl von Arbeitsplätzen mit niedrigen und mittleren Qualifika-
tionsansprüchen. Hier ergibt sich insbesondere für Menschen mit niedrigem
Ausbildungs- und Bildungsstand die Chance auf neue bzw. alternative Einkom-
mensquellen sowie die Möglichkeit der Weiterqualifizierung. Damit bietet der
Tourismus in Entwicklungsländern die Chance, das Wertschöpfungspotenzial
gerade auch in ländlichen Räumen deutlich zu steigern. Menschen in Entwick-
lungsländern, die in der Tourismusbranche ein Auskommen und eine berufliche
Perspektive finden, haben ein persönliches und gesellschaftliches Interesse, eine
intakte Umwelt für eine weiterhin prosperierende wirtschaftliche Entwicklung
ihres Landes zu erhalten. Fehlen solche Einkommensalternativen, geht dies oft-
mals mit der Zerstörung ökologisch wertvoller Regenwälder oder Feuchtgebiete
einher, die dann z. B. für landwirtschaftliche Nutzung beansprucht werden.

Mit der Förderung des Tourismus kann die Schaffung und Verbesserung der
öffentlichen Infrastruktur (z. B. Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallent-
sorgung, Verkehrsanbindung) verbunden sein. Von einer verbesserten Infra-
struktur profitieren dabei nicht nur die Touristen, sondern auch die heimische
Bevölkerung. Oftmals trägt der Tourismus zu einer Wiederbelebung bzw. -ent-
deckung kultureller Werte und Gebräuche und damit zur Stärkung der kulturel-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8176

len Identität in den touristischen Gebieten bei. Der Tourismus ermöglicht eine
gesteuerte Inwertsetzung in Schutzgebieten und fördert indirekt auch die Um-
welterziehung und Bildung der lokalen Bevölkerung.

Deshalb muss die Förderung nachhaltiger Effekte im Tourismus stärker in den
Mittelpunkt rücken. Davon profitieren nicht nur der Tourismus, sondern auch
Bereiche, die nicht direkt mit dem Tourismus zu tun haben, z. B. Taxifahrer,
Straßenhändler. Diese positiven Effekte lassen sich nicht nur durch z. B. den
Ökotourismus, sondern auch durch den Tourismus insgesamt erzielen. Dabei
sind PPP-Projekte (Public Private Partnership) verstärkt zu nutzen, um staatliche
Transferzahlungen zu begrenzen und die Effizienz durch privatwirtschaftliche
Beteiligung zu erhöhen. Anzustreben ist der Aufbau und die Intensivierung ver-
bindlicher Kooperationen mit bilateralen, multilateralen Entwicklungsorganisa-
tionen und strategischen Partnerschaften mit dem touristischen Privatsektor.
Schließlich ist für einen Erfolg im Interesse der Entwicklungs- und Schwellen-
länder eine „ideologiefreie“ Bewertung möglicher Projekte vorzunehmen.

Die Bundesregierung muss gemeinsam mit der Tourismuswirtschaft und insbe-
sondere den Reiseveranstaltern im Bereich der Angebots-, Produkt- und Preis-
gestaltung Förderschwerpunkte für die touristischen Märkte in Entwicklungs-
ländern entwickeln. Vor allem der Aufrechterhaltung bestimmter Qualitätsstan-
dards vor dem Hintergrund des steigenden Preisdrucks sowie dem Thema
Sicherheit wird hier eine besondere Bedeutung beigemessen. Wichtig sind wei-
terhin die verstärkte Förderung nachhaltiger Tourismusformen sowie ein verbes-
serter Informationsservice für Touristen.

Innerhalb der Bundesregierung und vor allem im Bundesministerium für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) muss ein Umdenken statt-
finden. Das Handlungsfeld Tourismus darf in der deutschen Entwicklungs-
zusammenarbeit nicht länger als nachrangige Angelegenheit empfunden und
eingestuft werden. Tourismus muss perspektivisch als eigenständiges bzw.
querschnittsorientiertes Handlungsfeld innerhalb der deutschen Entwicklungs-
zusammenarbeit etabliert werden.

Die heute immer noch übliche Förderung des BMZ nach dem „Gießkannenprin-
zip“ ohne schlüssiges Gesamtkonzept oder Strategie ist ineffizient und sollte
überarbeitet werden. Dazu sind die Evaluierung und das Monitoring der Touris-
musvorhaben und die Entwicklung eines übergeordneten Leitbildes und die
Festlegung von Zielgruppen erforderlich. Weiterhin sollte die Schaffung von ge-
eigneten Rahmenbedingungen für die Durchführung von Tourismusprojekten
erfolgen. Dazu sollten Länder und Regionen festgelegt werden, die Schwer-
punkte für eine gebündelte und stärker koordinierte Zusammenarbeit bilden. Zu-
dem ist die Intensivierung der Forschungstätigkeit im Handlungsfeld Tourismus
sinnvoll. Schließlich ist die strategische und inhaltliche Weiterentwicklung der
entwicklungspolitischen Bildungsarbeit erforderlich.

Durch die Konzentration der touristischen Aufgaben im BMWi sind die genann-
ten Ziele effektiver als heute zu verwirklichen, da neben entwicklungspoliti-
schen Aspekten auch weitere fachpolitische Bereiche berührt werden.

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