BT-Drucksache 16/8142

Nominierungsantrag für UNESCO-Welterbestätte Wattenmeer

Vom 15. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8142
16. Wahlperiode 15. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainder Steenblock, Undine Kurth (Quedlinburg), Anja Hajduk,
Cornelia Behm, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, Ulrike Höfken,
Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nominierungsantrag für UNESCO-Welterbestätte Wattenmeer

Kurz vor Ablauf der Bewerbungsfrist am 1. Februar 2008 rückte die Freie und
Hansestadt Hamburg durch Beschluss des Senats von der gemeinsam mit den
Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen sowie dem Königreich der Nieder-
lande betriebenen Nominierung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe bei der
UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization)
ab. Der Hamburger Senat begründete seinen Rückzug mit einer möglichen Ge-
fährdung bzw. Verzögerung der geplanten Elbvertiefung sowie mit einem Zu-
wachs an bürokratischen Anforderungen durch den Welterbestatus. Während
auch die Hamburger SPD und ihr Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl am
24. Februar, Michael Naumann, inzwischen eine Kehrtwende hin zur Ableh-
nung des Nominierungsantrages vollzogen haben, kritisierte Bundesminister für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Sigmar Gabriel (SPD) den Ham-
burger CDU-Senat wegen seiner ablehnenden Haltung scharf und kündigte an,
den Antrag auch ohne Zustimmung Hamburgs bei der UNESCO zu stellen. Er
wurde am 30. Januar 2008 fristgerecht beim UNESCO-Welterbezentrum in Paris
eingereicht. Einen gemeinsamen Antrag der Koalition der Fraktionen der CDU,
CSU und SPD zur Unterstützung der Bewerbung zogen diese kurzfristig zurück.

Die Küstenbereiche des deutschen Wattenmeeres sind in Schleswig-Holstein,
Niedersachsen und Hamburg als Nationalpark ausgewiesen und genießen damit
bereits heute einen hohen Schutzstatus. Gegenstand der aktuellen Streitigkeiten
um die Anmeldung des Wattenmeeres sind unterschiedliche Einschätzungen, ob
mit der Anerkennung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe weitergehende Ein-
schränkungen für die Nutzung des Gebietes zu erwarten sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Waren der Bundesregierung vor der Ablehnung der Antragstellung durch den
Hamburger Senat die Bedenken Hamburgs in Bezug auf den Welterbetitel
bekannt?

2. Hat der Hamburger Senat seine Einwände gegen den Nominierungsantrag
frühzeitig in den gemeinsamen Diskussionsprozess eingebracht und nach
Auffassung der Bundesregierung bereits während der Erarbeitung der An-
tragsdokumente alles dafür getan, seine Bedenken zu klären bzw. auszuräu-
men?

3. Hat Hamburg zu einem früheren Zeitpunkt gegenüber der Bundesregierung
als Antragstellerin seine Zustimmung zum Welterbeantrag erklärt?

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4. Ist eine Nachmeldung des Hamburger Anteils am Wattenmeer bei der
UNESCO möglich, und wenn ja, sind hier Fristen zu beachten?

5. Gefährdet Hamburg mit seinem Rückzug nach Einschätzung der Bundes-
regierung den Welterbetitel für das gesamte Wattenmeer-Gebiet?

6. Ist die geplante neue Elbvertiefung mit ihren prognostizierten Auswirkun-
gen auf das Wattenmeer im ursprünglichen Entwurf des Welterbeantrags an
die UNESCO enthalten?

7. Ist die Fahrrinne der Elbe im Nominierungsantrag von dem zur Anmeldung
bestimmten Gebiet ausgenommen worden, und wenn ja, ist dann nach Auf-
fassung der Bundesregierung die Schlussfolgerung richtig, dass es keinen
Zusammenhang zwischen Elbvertiefung und dem UNESCO-Titel gibt?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesministeriums für Um-
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, das den Ausstieg Hamburgs aus
dem gemeinsamen Projekt für nicht nachvollziehbar und sachlich unbe-
gründet hält?

9. Schließt sich die Bundesregierung der Kritik des Bundesministers für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit an, der dem Hamburger Bür-
germeister Ole von Beust (CDU) vorgeworfen hatte, er brüskiere mit seiner
Weigerung die Bundeskanzlerin, nachdem diese sich für eine Beteiligung
Hamburgs eingesetzt hatte?

10. Welche nationalen und internationalen Schutzregime gelten für das deut-
sche Wattenmeer?

11. Welche Behörden sind für die Überwachung und Umsetzung der jeweiligen
Schutzregime zuständig?

12. Gelten für das Wattenmeer rechtlich bindende Schutzvorschriften, die über
die UNESCO-Vorgaben für das Weltnaturerbe hinausgehen, und wenn ja,
welche Vorschriften sind das?

13. Entstehen durch den Welterbestatus zusätzliche Schutzanforderungen, die
über die bestehenden Schutzregime hinausgehen, und wenn ja, welche neuen
Regulierungen bzw. Genehmigungsanforderungen ergeben sich?

14. Wer überwacht die Einhaltung der Bestimmungen der Welterbekonvention?

15. Würden nach Kenntnis der Bundesregierung durch den Welterbetitel Ver-
änderungen bestehender Vorschriften und Gesetze (z. B. der Nationalpark-
gesetze) erforderlich?

16. Ist für Veränderungen bestehender rechtlicher Regelungen für das Watten-
meer nach der Zuerkennung des Welterbetitels eine Abstimmung mit der
UNESCO erforderlich?

17. Müsste die UNESCO über Veränderungen der bestehenden rechtlichen Re-
gelungen informiert werden, und wenn ja, in welchen Fällen und durch
wen?

18. Wären für Nutzungsgenehmigungen und für damit möglicherweise verbun-
dene Eingriffe in das Wattenmeer nach Zuerkennung des Welterbetitels wei-
terhin die jeweiligen nationalen bzw. EU-Behörden zuständig?

19. Würde die UNESCO in künftigen Planfeststellungsverfahren als zusätzliche
Genehmigungsbehörde auftreten?

20. Sind Änderungen bisheriger Genehmigungsabläufe zu erwarten, und wenn
ja, welche?

21. Welche rechtlichen Wirkungen entfaltet die Zuerkennung des UNESCO-
Welterbestatus?

22. Wer entscheidet in strittigen Fragen über die Auslegung der Welterbekon-
vention?

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23. Über welche Sanktions- und Rechtsmittel verfügt die UNESCO, um die
Umsetzung der Welterbekonvention sicherzustellen?

24. Entspricht das vor dem Rückzug Hamburgs für die Anmeldung zum Welt-
erbe vorgesehene Gebiet auf deutscher Seite der Fläche der drei deutschen
Wattenmeer-Nationalparke, und wenn nein, warum nicht?

25. Unterliegt das Fahrwasser der Elbe der Nationalparkgesetzgebung?

26. Sind die in der Nähe des Wattenmeeres gelegenen Häfen und deren Zufahr-
ten Teil des geplanten Welterbegebietes?

27. Würde der Welterbestatus für das Wattenmeer die rechtlichen Rahmenbe-
dingungen für die geplante Elbvertiefung ändern, und wenn ja, in welcher
Form?

28. Ist für die geplanten Ausbaumaßnahmen an Unter- und Außenelbe nach der
Zuerkennung des Welterbetitels mit zusätzlichen Schutzauflagen zu rech-
nen, die über bestehendes deutsches und europäisches Naturschutzrecht
hinausgehen, und wenn ja, würden die zusätzlichen Anforderungen noch im
laufenden Planfeststellungsverfahren zur Anwendung kommen?

29. Wird die Verleihung des Welterbetitels nach Kenntnis der Bundesregierung
Folgen für die Verklappung von Baggergut aus der Elbe im schleswig-
holsteinischen Nationalpark Wattenmeer haben, und wenn ja, welche?

30. Würde sich der Welterbestatus für das Wattenmeer auf zukünftige Deich-
bau- und Landschutzmaßnahmen im betroffenen Gebiet auswirken, und
wenn ja, mit welchen Beeinträchtigungen ist für welche Maßnahmen genau
zu rechnen?

31. Entsprechen die im „Konzept für eine nachhaltige Entwicklung der Tideelbe
als Lebensader der Metropolregion Hamburg“ (HPA, WSD Nord 2006) vor-
gesehenen Baumaßnahmen an der Tideelbe nach Kenntnis der Bundesregie-
rung den Bestimmungen für das Weltnaturerbe, und wenn nicht, welche
Maßnahmen wären mit den Vorgaben der UNESCO unvereinbar?

32. Sind die vom Energiekonzern RWE betriebene Ölförderung sowie die bean-
tragten Erkundungsbohrungen nach Öllagerstätten im Nationalpark Watten-
meer nach Auffassung der Bundesregierung mit den Nationalparkgesetzen
Niedersachsens, Schleswig-Holsteins und Hamburgs vereinbar?

33. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Förderung von Öl, Gas und
weiteren Rohstoffen in Weltnaturerbegebieten zulässig, und wenn ja, unter
welchen Voraussetzungen?

34. Sind nach Auffassung der Bundesregierung die geplanten Erkundungs-
bohrungen im Wattenmeer mit dem laufenden Bewerbungsverfahren als
UNESCO-Welterbegebiet vereinbar?

35. Gefährden nach Auffassung der Bundesregierung die Ölförderung bzw. die
Anträge auf Exploration die Anerkennung des betroffenen Gebietes als
Welterbe?

36. Zu welchem Schluss kommt das vom Bund in Auftrag gegebene Gutachten
über die rechtlich bindenden Verpflichtungen, die sich aus der Welterbekon-
vention der UNESCO ergeben (Die Welt vom 22. Januar 2008)?

37. Führt das genannte Gutachten konkrete Einschränkungen für die geplante
Elbvertiefung im Falle einer Anerkennung des Wattenmeeres als UNESCO-
Weltkulturerbe auf, und wenn ja, welche?

Berlin, den 15. Februar 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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