BT-Drucksache 16/8124

Auswirkungen der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf für die Stadtplanung und -entwicklung

Vom 13. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8124
16. Wahlperiode 13. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Patrick Döring, Gisela Piltz, Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim
Günther (Plauen), Jan Mücke, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Mechthild Dyckmans,
Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Michael
Kauch, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt
Müller-Sönksen, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg
Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer
Stinner, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker
Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Auswirkungen der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf für die
Stadtplanung und -entwicklung

Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat am 13. Juni 2007 und
am 12. Dezember 2007 unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäi-
schen Gerichtshofs (EuGH) entschieden, dass die Regeln über die Vergabe von
Bauaufträgen auch dann einzuhalten sind, wenn der öffentliche Eigentümer des
Geländes und die betreffende Gemeinde bei der Vermarktung zusammenarbei-
ten und dabei im Zusammenhang mit dem Verkauf ein städtebaulicher Vertrag
nach § 11 des Baugesetzbuchs (BauGB) bzw. ein Durchführungsvertrag nach
§ 12 Abs. 1 BauGB abgeschlossen wird. Der „abzuschließende Kauf- und der
mit der Gemeinde abzuschließende städtebauliche Vertrag“ seien, so das OLG
Düsseldorf, „vergaberechtlich als Einheit anzusehen“ und wie eine Baukonzes-
sion zu behandeln. Auch Bauvorhaben, für die die Gemeinde selbst kein Entgelt
zahlt und für die allein der Investor das wirtschaftliche Risiko trägt und sich
durch den Verkauf oder die Vermietung der bebauten Grundstücke an Dritte zu
refinanzieren versucht, würden danach einer EU-weiten Ausschreibungspflicht
unterliegen. Für die kommenden Wochen wird eine weitere Entscheidung zu
einem vergleichbaren Fall erwartet.

Rechtsprechung anderer Vergabesenate zu der Problematik liegt – abgesehen
von einer Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG)
aus 2004 – noch nicht vor. Das OLG Düsseldorf ist der Ansicht, eine Vorlage an
den Bundesgerichtshof (BGH) (§ 124 Abs. 2 GWB) sei wegen der klaren Recht-
sprechung des EuGH nicht geboten.

Von den kommunalen Spitzenverbänden (DStGB (VIS), 19. Oktober 2007) so-
wie von namhaften Experten (Reidt, BauR 2007, S. 1664 ff.; Krohn, ZfBR
2008, S. 27 ff.; Ziekow, DVBl. 2008, S. 137 ff., Wilke, Vortrag am 24. Januar

Drucksache 16/8124 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2008, DIfU Berlin; Schmidt-Eichstaedt, Vortrag ebd.) wird die Rechtsprechung
des OLG Düsseldorf stark kritisiert. In der Praxis herrscht (schon) in planungs-
rechtlicher Hinsicht bei der Vorbereitung von Verträgen gemäß §§ 11, 12
BauGB wegen der damit in Zusammenhang gebrachten vergaberechtlichen Pro-
blematik starke Verunsicherung. Verbreitet ist die Meinung zu hören, die Ver-
gaberechtsprechung bedeute das Aus für den kooperativen Städtebau, insbeson-
dere für Verträge mit Durchführungspflichten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Auswirkungen sind unter Zugrundelegung der vergaberechtlichen
Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschlüsse vom 13. Juni und 12. De-
zember 2007) auf die städtebauliche Planung (insbesondere das Abwägungs-
gebot, § 1 Abs. 7 BauGB) und die Vorbereitung und den Abschluss von Ver-
trägen nach §§ 11, 12 BauGB, von Erschließungsverträgen (§ 124 BauGB)
bzw. ähnlichen Vertragsformen im Besonderen Städtebaurecht zu erwarten?

2. Welche Auswirkungen sind unter Zugrundlegung der in Frage 1 genannten
Rechtsprechung des OLG Düsseldorf auf bereits abgeschlossene Verträge
nach §§ 11, 12 BauGB von Erschließungsverträgen (§ 124 BauGB) bzw.
ähnlichen Vertragsformen im Besonderen Städtebaurecht zu erwarten?

3. Hält die Bundesregierung eine Ausschreibung in den oben beschriebenen
Fällen für notwendig, und wie begründet sie ihre Auffassung?

4. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass der Verkauf von Baugrundstü-
cken keinen Beschaffungscharakter hat, und wie begründet sie ihre Auffas-
sung?

5. Werden vergleichbare Veräußerungen von Grundstücken aus öffentlichem
Eigentum auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union EU-weit
ausgeschrieben, und wenn ja, in welchen?

6. Hält die Bundesregierung Maßnahmen für erforderlich, um durch nationale
oder europäische Regelungen eine Ausschreibungspflicht in den einführend
beschriebenen Fällen zu vermeiden?

7. Wenn ja, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen?

8. Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

9. Hält die Bundesregierung bei grundsatzbedeutsamen Fällen der hier vorlie-
genden Art eine Änderung des § 124 Abs. 2 GWB für geboten (z. B. durch
Einführung einer Grundsatz-Rechtsbeschwerde-Möglichkeit zum BGH)?

Berlin, den 13. Februar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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