BT-Drucksache 16/8116

Gleichberechtigte Entschädigung von Strahlenopfern in Ost und West schaffen - umfassendes Radaropfer-Entschädigungsgesetz einführen

Vom 15. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8116
16. Wahlperiode 15. 02. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Dr. Gesine Lötzsch, Kersten Naumann,
Petra Pau, Volker Schneider (Saarbrücken) und der Fraktion DIE LINKE.

Gleichberechtigte Entschädigung von Strahlenopfern in Ost und West schaffen –
umfassendes Radaropfer-Entschädigungsgesetz einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zum Ziel hat, strahlengeschädigte Angehö-
rige der Nationalen Volksarmee (NVA), deren Familienmitglieder und Hinterblie-
bene aus der DDR in gleichem Maße zu entschädigen wie strahlengeschädigte
Angehörige der Bundeswehr, deren Familienmitglieder und Hinterbliebene aus
den alten Bundesländern.

Berlin, den 13. Februar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Die Bundesregierung muss sich ihrer Verantwortung stellen: Nachdem sie das
Aktivvermögen der NVA übernommen hat, muss sie auch die Passiva überneh-
men und damit die Verantwortung für die strahlengeschädigten ehemaligen
NVA-Angehörigen, deren Familienmitglieder und Hinterbliebenen.

Tausende Radartechniker sowohl der NVA der DDR als auch der Bundeswehr
haben in den Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkriegs durch die Strah-
lung beim Betrieb von Radarsystemen schwere gesundheitliche Schäden da-
vongetragen. Für Angehörige der Bundeswehr, deren Familienmitglieder und
Hinterbliebenen wird eine Entschädigung geleistet. Diese Entschädigungsleis-
tungen sind zwar unzureichend, aber zunächst geht es darum, die grobe
Benachteiligung Strahlengeschädigter aus der DDR, ihrer Familienmitglieder
und Hinterbliebenen zu beseitigen. Auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. vom 23. Juli 2006 (Bundestagsdrucksache 16/2320, S. 7) rechtfertigt die
Bundesregierung, dass die unterschiedliche Behandlung und die Versorgung im
Falle einer Dienstbeschädigung vom Gesetzgeber so gewollt sei. Dies gilt auch
für die Familienmitglieder und Hinterbliebenen der Betroffenen.

Die unterschiedliche Behandlung der Geschädigten untereinander führt etwa
dazu, dass Grundwehrdienstleistende, Reservisten, Zivilbeschäftigte und Frei-
willige der NVA eine Unfallrente erhalten, die nach den gesetzlichen Vorschrif-

Drucksache 16/8116 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
ten auf die Altersrente angerechnet wird (vgl. § 93 Abs.1 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch – SGB VI), während die Wehrdienstleistenden der Bundes-
wehr Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz erhalten, die nicht auf
eine Altersrente angerechnet werden.

Die Diskriminierung und die unterschiedliche Behandlung ehemaliger NVA
Angehöriger und deren Hinterbliebenen ergab sich auch auf Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 16/2320): So wurden ca. 25 Prozent
der Anträge vom Angehörigen und Angestellten der Bundweswehr, deren
Familienmitglieder und Hinterbliebenen positiv beschieden: Anträge von An-
gehörige und Beschäftigte der NVA, deren Familienmitglieder und deren Hin-
terbliebenen wurden aber nur zu ca. 8,5 Prozent positiv beschieden.

Erschreckend kommt hinzu, dass allein fast 20 Prozent der Anträge ehemaliger
Angehöriger und Beschäftigte der NVA und deren Hinterbliebene aufgrund
fehlender Rechtsgrundlage abgelehnt wurden. Die Betroffenen stoßen immer
wieder auf das Problem, den erforderlichen Kausalitätsnachweis nicht erbrin-
gen zu können. Grundsätzlich muss bei Gewährung von Schadensersatzansprü-
chen (egal welche Art und welcher Schädiger) nachgewiesen werden, dass eine
hinreichende Wahrscheinlichkeit der Ursächlichkeit zwischen verursachender
Handlung und Schaden bestehen. Die meisten Opfer können diesen Ursachen-
zusammenhang allerdings nicht führen. Von diesem Problem betroffen sind
auch die Geschädigten der Bundeswehr. Durch die Möglichkeit der Glaubhaft-
machung bzw. durch die Beweispflicht der Bundeswehr könnten die Betroffe-
nen so ihre Ansprüche leichter durchsetzen. Dieser Weg wurde bereits in ande-
ren Entschädigungsgesetzen beschritten.

Auch der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat im Januar 2007 fest-
gestellt, dass es Fälle gebe, die von den derzeitigen Gesetzen nicht erfasst wer-
den, und hat hierfür Regelungsbedarf gesehen (Bundestagsdrucksache 16/4072).

Im Verteidigungsausschuss des Bundestages wurde 2003 der Radarbericht vor-
gelegt. Die Radarkommission vertritt im Radarbericht die Position, dass die be-
troffenen Strahlengeschädigten der NVA gegenüber den Strahlengeschädigten
der Bundeswehr benachteiligt werden. Der Bericht kommt zur Schlussfolge-
rung, dass die Ansprüche der Radargeschädigten berechtigt sind und dass eine
unkomplizierte Anerkennung und damit Entschädigung der Betroffenen erfol-
gen sollen. Der Verteidigungsausschuss empfiehlt, die Schlussfolgerungen des
Radarberichts „… im Prinzip eins zu eins umzusetzen …“.

Im Bericht des Wehrbeauftragten 2006 (Bundestagsdrucksache 16/850) wird
gleichfalls eine Lösung im Sinne der NVA-Betroffenen gefordert. Das Bundes-
verwaltungsgericht hat eine Klage eines Betroffenen mit der Begründung abge-
wiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht generell für in der DDR
entstandene Schäden hafte. Erforderlich sei ein spezielles Gesetz. Dieses soll
nun in Form eines Radaropfer-Entschädigungsgesetzes erarbeitet und dem
Deutschen Bundestag vorgelegt werden.

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