BT-Drucksache 16/8077

Naturschutz praxisorientiert voranbringen - Entwicklung der Wildtiere in Deutschland

Vom 13. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8077
16. Wahlperiode 13. 02. 2008

Antrag
der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, Horst Meierhofer,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Burkhardt Müller-Sönksen, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Dr. Konrad Schily, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Naturschutz praxisorientiert voranbringen – Entwicklung der Wildtiere
in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Alle Bemühungen zum Schutz der Wildtiere in Deutschland sind dem Einfluss
widerstreitender politischer Ziele ausgesetzt. Nachhaltige Fortschritte sind nur
dann zu erringen, wenn ein sachgerechtes Abwägen von Natur- und Wildtier-
schutz auf der einen Seite und insbesondere den verkehrspolitischen Anforde-
rungen und Notwendigkeiten auf der anderen Seite gewährleistet ist.

● Einerseits muss der Ausbau der Infrastruktur in Deutschland nachhaltig vor-
angetrieben werden, denn der Verkehr in Deutschland wird in den kommen-
den zwanzig Jahren weiter deutlich zunehmen. Investitionspläne müssen im
Hinblick auf die wirtschaftliche internationale Konkurrenz beschleunigt
werden. Dies gilt für alle Verkehrsträger, besonders aber für die Straße. Im
motorisierten Personenverkehr wird die Verkehrsleistung auf der Straße um
bis zu 20 Prozent ansteigen. Im Güterverkehr wird die Tonnage um rund
50 Prozent ansteigen. Die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen werden be-
rufs- und freizeitbedingt weiter wachsen. Die Entwicklung der Wirtschaft
setzt einen leistungsfähigen Güterverkehr voraus. Die Bundesverkehrswege-
planung muss auf diese Entwicklungen reagieren. Der aktuelle Verkehrs-
wegeplan geht von Verkehrsleistungen bis zum Jahr 2015 aus, die bereits
jetzt weitgehend erreicht sind. Erneut wurde bei den Planungen die Ver-
kehrsnachfrage deutlich unterschätzt. Eine grundlegende Überarbeitung des
Bundesverkehrswegeplans ab dem Jahr 2009 ist bereits jetzt in der Vorberei-
tung.

● Andererseits steht die notwendige Weiterentwicklung unserer Verkehrsinfra-
struktur durch Neu- und Ausbaumaßnahmen bei Straße und Schiene in
einem unvermeidlichen Konflikt mit Anforderungen des Natur- und Wild-
tierschutzes, den nicht zuletzt die europäischen Vorgaben im Zusammen-

Drucksache 16/8077 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

hang mit der FFH-Richtlinie begründen. Diese verlangen zusammenhän-
gende, geschützte Gebiete, welche die meist voneinander abgeschnittenen
Lebensräume von Tieren und Pflanzen verbinden, um deren Ausbreitung zu
fördern und ein Fortschreiten der genetischen Verarmung der Populationen
zu verhindern. Wird der mit Verkehrsprojekten in der Regel verbundene
Effekt einer „Landschaftszerschneidung“ vor diesem Hintergrund nicht be-
rücksichtigt, werden Erfolge bei der Wiederansiedlung bzw. Populations-
stärkung von Wildkatze, Luchs und Wolf, Elch und Rotwild, Biber und
Fischotter von vornherein konterkariert.

Dieser Problematik nicht hinreichend Beachtung zu schenken ist ein Versäum-
nis, das einen erfolgreichen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur durch zeitrau-
bende und kostspielige Auseinandersetzungen in gleicher Weise behindert wie
es einem ökologisch effektiven und perspektivisch ganzheitlichen Natur- und
Wildtierschutz im Wege steht.

Sachgerechte Lösungen können demnach nur verwirklicht werden, wenn das
vorhandene Instrumentarium sinnvoll und mit verantwortungsvollem Blick auf
das Ganze angewandt wird. Die Bewertung neuer Verkehrsprojekte in isolierter
Einzelbetrachtung droht diesen Blick zu verstellen: Einerseits können ökologi-
sche Gefahren für den Wildtierschutz vernachlässigt werden, die sich aus der
Vielzahl einzelner Projekte in der Summe ergeben. Andererseits werden mit
Hilfe aufwendiger gerichtlicher Auseinandersetzungen mitunter naturschutzbe-
zogene Kompensationsleistungen eingefordert, die für den Projektträger zwar
kostspielig sind, deren ökologische Vorteilhaftigkeit jedoch nicht immer über
jeden Zweifel erhaben ist – zumal dann nicht, wenn Wildtierpopulationen da-
von profitieren sollen, erfordern diese doch in einem dicht besiedelten Land
wie Deutschland eine integrierte Entwicklung der Tierbestände. Viele der gro-
ßen Wildtierarten haben ein ausgeprägtes Wanderverhalten und benötigen des-
halb einen weitläufigen Lebensraum und eine Mindestpopulation, um gesund
zu überleben. Räumlich nur isoliert wirkende Ersatzmaßnahmen ignorieren die-
ses Erfordernis und gehen damit über den Zielkontext von FFH-Richtlinie und
Natura 2000 hinweg. In diesem Zusammenhang ist auch die Forderung des
Sachverständigenrats für Umweltfragen aus dem Jahr 2002 nach einem „Bun-
deslandschaftskonzept“ zu sehen, um national bedeutsame Naturschutzbelange
in andere Politikfelder auf Bundesebene zu integrieren, beispielsweise bei der
Ausgestaltung der Bundesverkehrswegeplanung.

Es gilt demnach, von vornherein flexible und ganzheitliche Lösungskonzepte in
den Mittelpunkt eines Interessenausgleichs zu stellen. Ein in diesem Sinne stra-
tegisches Vorgehen ist auch mit Blick auf die Entwicklung der Wildtierpopula-
tionen in Deutschland hilfreich. Im Erfolgsfall ließe sich ein Ausbau der Ver-
kehrsinfrastruktur mit ökologischen Verbesserungen des Biotopverbundes
verbinden und beide Zielsetzungen sich in ihrem Fortgang beschleunigen. Der
Autobahnausbau bei gleichzeitigem Bau von Wildbrücken an der A7 im Harz-
vorland ist dafür ein Beispiel. Es geht darum, die Artenvielfalt in Deutschland
zu erhöhen und die natürlichen Gleichgewichte zu stützen und zugleich kon-
zeptionell und beim Einsatz der Steuerungsinstrumente zu berücksichtigen,
dass eine leistungsfähige Infrastruktur, insbesondere gut ausgebaute Verkehrs-
wege, für die positive Entwicklung unserer Volkswirtschaft und für Wohlstand
und Lebensqualität in Deutschland unverzichtbar sind. Diese Notwendigkeiten
müssen in Einklang gebracht werden mit dem Schutz der Lebensräume wild-
lebender Tiere und Pflanzen.

Eine starke Zunahme der Wildtierpopulation mit steigendem Wanderungsdruck
ohne entsprechende Managementmaßnahmen würde zwangsläufig zu weiteren
Konfrontationen mit den Menschen, zu sinkender Akzeptanz sowie zu Konflik-
ten mit anderen Nutzungen und zu Verkehrsgefährdungen führen. Es müssen
Entwicklungspotenziale sowohl für den Infrastrukturausbau als auch für den

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8077

Artenschutz gleichermaßen aufgezeigt werden. Gerade hier geht es konkret um
Naturschutz mit den Menschen. Insbesondere bei den naturschutzbezogenen
Ausgleichsmaßnahmen gilt es, die starre Fixierung auf die quantitative Auswei-
tung von Naturschutzflächen zu überwinden, indem verstärkt Ersatzgelder als
Kompensation akzeptiert und dafür verwendet werden, qualitative ökologische
Verbesserungen zu erreichen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einvernehmlich mit den Ländern darauf hinzuwirken, dass

1. zum Schutz einzelner bedrohter Arten, zur Sicherung der Wildtierlebens-
räume und zur Erhaltung und Stärkung der biologische Vielfalt insgesamt

a) die Wirkung der vorhandenen Verkehrs- und Siedlungsinfrastruktur auf
die Ziele einer Erhaltung und Stärkung von Wildtierpopulationen obliga-
torisch berücksichtigt wird,

b) Maßnahmen zur qualitativen Verbesserung der Lebensräume eingeleitet
sowie Schutzgebiete und Verbundflächen zur Stabilisierung der bestehen-
den Wildtierpopulationen geschaffen werden,

c) die Sicherung und Entwicklung von Verbundräumen bzw. Funktionsräu-
men zwischen diesen noch vorhandenen Gebieten gewährleistet und die
Wiederherstellung der Durchlässigkeit der Landschaft als Grundlage für
die Ausbreitung der Arten angestrebt wird,

d) zukünftig im Rahmen der „Strategischen Umweltprüfung“ im Raumord-
nungsplan eine Biotopverbundplanung als Standard integriert werden,

e) die erforderlichen Maßnahmen zur Wiedervernetzung und Mortalitäts-
minderung in ein effizientes Konzept zur Erhaltung der gesamten biolo-
gischen Vielfalt integriert werden,

f) eine flexible Handhabung der in Deutschland vorherrschenden Rotwild-
gebiete und der entsprechenden Abschusspraxis außerhalb dieser Gebiete
vereinbart wird, um ökologisch sachgerechte Weiterentwicklungen zu
erreichen, und

g) Aktivitäten zur Förderung der gesellschaftlichen Unterstützung und ein
handlungsorientiertes Lernen sowohl im Bildungsbereich als auch in
allen anderen Lebensbereichen initiiert werden;

2. die Unternehmen der Land- und Fortwirtschaft im Sinne einer nachhaltigen
Naturschutzpolitik aktiviert und die Erfahrungen, Kenntnisse und Möglich-
keiten dieser Wirtschaftsbereiche für eine integrierte Entwicklung der Wild-
tiere genutzt werden, damit eine konkurrenzfähige Landwirtschaft und Natur-
schutz in der Fläche parallel stattfinden können. Dies soll erreicht werden,
indem

a) die Reduzierung der Flächenstilllegung bei gleichzeitig wachsender Flä-
chenkonkurrenz durch ein integriertes Flächenmanagement ausgeglichen
wird,

b) der Anteil der naturschutzfachlich optimierten Ackerbrachen und Still-
legungsflächen durch entsprechende Agrarumweltmaßnahmen wieder
erhöht wird und für einen tragfähigen Ausgleich der Mittelkürzung für
die ländliche Entwicklungspolitik gesorgt wird,

c) die Bereitstellung von großen, unzerschnittenen und reich strukturierten
Waldlandschaften aktiv unterstützt wird und ein auf die Schaffung
möglichst kleinflächiger Habitatstrukturen ausgerichteter Waldbau aktiv
angeregt wird, indem insbesondere auch Ersatzgelder dafür verwendet

Drucksache 16/8077 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

werden, in diesem Sinne qualitative ökologische Verbesserungen zu er-
reichen,

d) eine gezielte und flexible Lenkung der Wildtiere ermöglicht wird, um
land- und forstwirtschaftliche Schäden zu minimieren, und

e) die teilweise erheblichen Wildschäden im Wald und in der Agrarland-
schaft angemessen entschädigt werden;

3. im Rahmen der Raumordnung und Landschaftsplanung verbesserte Voraus-
setzungen für die integrierte Entwicklung der Wildtiere geschaffen werden.
Dabei soll

a) das derzeit bestehende Planungsinstrumentarium im Raumordnungsver-
fahren zur Vermeidung weiterer Zerschneidungseffekte eingesetzt wer-
den,

b) geprüft werden, wie die Funktion noch vorhandener und wieder herzu-
stellender Verbindungsflächen raumordnerisch gesichert werden kann,

c) im Rahmen der Raumordnungspläne eine Festlegung zur Raumstruktur
vorgenommen werden, wie etwa Freiräume zur Sicherung des Biotop-
verbundes, insbesondere im Zusammenhang mit Querungshilfen an Ver-
kehrswegen. Wildtierkorridore und für Wildtiere wichtige Naturräume
sollten in die Raumordnungspläne aufgenommen werden.

d) ein Raumordnungsplan zukünftig einer „Strategischen Umweltprüfung“
unterzogen werden und Biotopverbundplanungen als Standard integriert
werden,

e) im Zuge der Erarbeitung einer Richtlinie zur landschaftspflegerischen
Begleitplanung im Bundesfernstraßenbau die Bedeutung eines überge-
ordneten Wildtierschutzes berücksichtigt werden,

f) zur Stärkung des Biotopverbundes die Eingriffsregelung großzügiger ge-
staltet werden, um naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen durch
flexible Mechanismen (Flächen- und Maßnahmenpool) in den besonders
wertvollen Tierwanderkorridoren zu konzentrieren, und

g) haushaltsrechtlich und genehmigungstechnisch die Voraussetzung für
Bauwerke zur Unterstützung der Wildtierwanderung geschaffen werden;

4. im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und -technik Maßnahmen zur Vermei-
dung von Wildunfällen berücksichtigt werden, und zum Schutz der biologi-
schen Vielfalt

a) die Überwindbarkeit von technischen Barrieren im Einzelfall gewährleis-
tet wird,

b) Möglichkeiten der Wiedervernetzung im bestehenden Verkehrsnetz unter-
sucht werden,

c) bewährte Querungshilfen für Wildtiere als Bestandteil von Verkehrswege-
planungen berücksichtigt werden,

d) bestehende Brücken- und Durchlassbauwerke auf die Möglichkeit der
Verbesserung der Passierbarkeit durch Wildtiere geprüft und im Rahmen
von notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen diese umgesetzt werden,

e) bei der ökonomischen Beurteilung von Maßnahmen zum Wildtierschutz
auch die volkswirtschaftlichen Kosten berücksichtigt werden, welche im
Zuge einer Behebung der Schäden an der Straßeninfrastruktur und durch
wildunfallbedingte Straßensperrungen entstehen (Reisezeitverluste),

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/8077

f) bei der Aufstellung des kommenden Bundesverkehrswegeplans zur Vor-
bereitung einer strategischen Umweltprüfung die naturschutzfachlichen
Erkenntnisse der Bundesländer berücksichtigt werden,

g) zur Vermeidung von Wildunfällen deutliche Verbesserungen erreicht wer-
den bei der Förderung der Entwicklung und Anwendung technischer und
verkehrstechnischer Maßnahmen (z. B. Nachtsichteinrichtungen, elektro-
nische Wildwarnanlagen, Wildwechselinformationen über Navigations-
systeme, temporäre Geschwindigkeitsbegrenzungen),

h) weitere Untersuchungen zum Einsatz passiver Schutzmaßnahmen durch-
geführt werden (u. a. Duftzäune, Wildwarnreflektoren und Wildäcker);

5. eine verlässliche Datengrundlage zur Bewertung der Wildunfallzahlen und
zur sachlichen Fundierung von Entscheidungen zur integrierten Entwick-
lung der Wildtiere geschaffen wird. Dazu

a) muss ein Abgleich der Wildunfallstatistik mit den Verkehrsbehörden der
Länder, der Polizei, den Jagdbehörden und dem Gesamtverband der
Deutschen Versicher (GDV) erfolgen.

b) müssen bei der Bewertung von Wildunfallzahlen und der Erarbeitung von
Maßnahmen und Plänen zur Entwicklung und Steuerung der Wildtierbe-
stände auch die betroffenen Strecken in der Zuständigkeit der Deutschen
Bahn vollständig einbezogen werden.

Berlin, den 12. Februar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Begründung

Das Ziel in der Infrastrukturpolitik muss sein, die Mobilität von Menschen und
Gütern in Deutschland zu sichern. Mobilität stärkt Freiheit und Eigenverant-
wortlichkeit der Bürger, gerade in Zeiten notwendiger Flexibilität auf dem
Arbeitsmarkt. Gleichzeitig ist Mobilität Grundlage für wirtschaftliche Entwick-
lung und Wohlstand. Deutschlands Verkehrsinfrastruktur muss darum ausge-
baut werden. Die Bürgerinnen und Bürger sind es Leid im Stau zu stehen. Sie
ärgern sich über unzureichende Angebote im Schienenpersonenverkehr und es
herrscht ein gesellschaftlicher Konsens darüber, den Güterverkehr soweit wie
möglich auf den umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene zu verlagern. Da-
für bedarf es jedoch einer Ertüchtigung des Schienennetzes, denn auch der
umweltfreundliche Verkehrsträger Schiene ist in den letzten Jahren deutlich
gewachsen und wird auch zukünftig weiter zu legen. Das gilt insbesondere für
den Schienengüterverkehr. Der Schienenverkehr hat im Jahr 2007 erstmals die
100 Mrd.-Tonnenkilometer-Marke überschritten. Die Transportnachfrage ent-
wickelt sich weiterhin positiv. Bis zum Jahr 2015 ist ein starker Anstieg der
Verkehre insbesondere auf den Hauptkorridoren zu erwarten. Im Güterbereich
betrifft dies den stark zunehmenden Seehafenhinterlandverkehr und die Zulauf-
strecken für den Alpentransit. Deutschland ist heute Verkehrsdrehscheibe in
Europa. Schon jetzt stößt die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur an
ihre Grenzen; weitere Neu- und Ausbaumaßnahmen sind unverzichtbar.

Auf der anderen Seite haben wachsende Populationszahlen mit dem dazu not-
wendigen steigenden Flächenbedarf in Verbindung mit einem ungebrochenen
Trend zum Flächenverbrauch bzw. der Flächenzerschneidung für Verkehrs- und
Siedlungsprojekte negative ökologische Konsequenzen, unter anderem auch für

Drucksache 16/8077 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die Wildtiere. Nimmt man Projekte der Wiederansiedlung ernst, darf die Zer-
schneidung und Beanspruchung der Landschaft in Deutschland nicht fort-
schreiten, ohne dass die Durchlässigkeit großzügiger Wanderkorridore gewähr-
leistet ist. So hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) bereits im Mai 2004
gemeinsam mit dem Deutschen Jagdschutz-Verband (DJV) mit dem Abschluss-
bericht „Lebensraumkorridore für Mensch und Natur“ festgestellt: „Flächen-
inanspruchnahme und damit einhergehende Zerstückelung von Biotopen und
Landschaften durch verschiedenste menschliche Tätigkeiten führen zu einer
immer stärkeren Trennung und Verkleinerung der Lebensräume wildlebender
Tiere und Pflanzen. Infolgedessen verschlechtern sich die Lebensbedingungen
so sehr, das zahlreiche Arten auf wenige Restflächen zurückgedrängt werden
oder ganz aussterben.“ Die Zahl der bedrohten Arten auf der Roten Liste ist
auch in Deutschland weiter angewachsen, und die Mehrheit der nach FFH-
Richtlinie zu schützenden Lebensraumtypen und Arten befinden sich in einem
schlechten oder unzureichenden Zustand.

Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der
FDP mit dem Titel „Situation und Entwicklung der Wildtiere in Deutschland“
(Bundestagsdrucksache 16/6674) geht hervor, dass es erhebliche Probleme mit
dem Bestand und der Entwicklung der Wildtierarten gibt. So ist etwa die Wild-
katze in Deutschland nur noch in Splittervorkommen verbreitet und vor allem
durch den Straßenverkehr gefährdet. Die Auswilderung des Luchses wird als
problematisch bewertet, da der Lebensraum begrenzt ist und eine Kommunika-
tion mit anderen Populationen eher unwahrscheinlich ist. Hinsichtlich der Elche
muss zukünftig mit häufigeren Zuwanderungen nach Deutschland gerechnet
werden, woraus sich erhöhte Gefährdungen für den Straßenverkehr ergeben.
Vorkommen des Rotwilds werden als teilweise stark „verinselt“ eingestuft. Für
alle genannten Arten ist die zunehmende Lebensraumzerschneidung ein erheb-
liches Problem. Verschärfend kommt hinzu, dass bei Wolf, Luchs und Bär im
Rahmen der natürlichen Ausbreitung mit weiteren Zuwanderungen aus den
benachbarten Ländern zu rechnen ist. Wie beim Elch ist dabei teilweise mit er-
heblichen Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen.

Durch ein nationales Programm zur Aufhebung von Barrierewirkungen muss
es den Tieren zukünftig wieder ermöglicht werden, ihren natürlichen Wande-
rungswegen zu folgen. Ein Austausch zwischen den Populationen muss mög-
lich sein. Das Bundesnaturschutzgesetz verlangt die Schaffung eines Netzes
verbundener Lebensräume (§ 3 – „Biotopverbund“), das mindestens 10 Prozent
der Landesfläche umfassen soll. Ausreichende Rechtsgrundlagen ergeben sich
darüber hinaus aus der FFH-Richtlinie und den allgemeinen Grundsätzen des
Naturschutzes im Bundesnaturschutzgesetz.

Aus der Antwort zur vorgenannten Drucksache wird ferner deutlich, dass die
Bundesregierung nicht über die notwendigen Erkenntnisse zu Wildunfällen
verfügt, um zu den Konflikten mit dem Straßenverkehr sachkundige und belast-
bare Aussagen zu machen. Der DJV geht jährlich von einer halben Million ge-
töteter Wildtiere im Straßenverkehr aus und damit von ebenso vielen potenziel-
len Unfallereignissen. Der DJV gibt für das Jahr 2007 die Anzahl der
Wildunfälle mit Rehwild, Wildschweinen und Rotwild in Deutschland mit
220 000 an. Grundlage sind die Fallwildzahlen der Jagdbehörden. Die Bundes-
regierung weist in ihrer Statistik demgegenüber lediglich gesicherte 2 712
Wildunfälle (mit Personenschaden) aus und verweist im Übrigen auf eine Dun-
kelziffer von jährlich rund 1,8 Millionen Unfällen mit leichten Schäden und auf
den darin enthaltenen unbekannten Anteil an Wildunfällen. Der Gesamtverband
Deutscher Versicherer (GDV) hat für das Jahr 2006 allein für den Bereich der
jagdbaren Wildtiere eine Schadenssumme auf Seiten der Verkehrsteilnehmer in
Höhe von 447 Mio. Euro festgestellt.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.