BT-Drucksache 16/7814

1. zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD -16/7461- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts 2. zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates -16/1036- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

Vom 21. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7814
16. Wahlperiode 21. 01. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

1. zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 16/7461 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts

2. zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates
– Drucksache 16/1036 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

A. Problem

Zu Nummer 1

Auf Grund von Erfahrungen bei den Bundestagswahlen 2002 und 2005 soll das
Bundeswahlgesetz, bei entsprechender Anpassung des Europawahlgesetzes, in
einigen Bereichen fortentwickelt werden.

Das Gesetzesvorhaben verfolgt im Wesentlichen die Ziele,

– die Wahlrechtsgrundsätze (Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes – GG)
noch besser zu verwirklichen,

– das Wahlrecht wähler- und bewerberfreundlicher zu gestalten und

– die Verwaltungsarbeit für die Gemeinden und Wahlorgane zu vereinfachen.

Zu Nummer 2

Der Gesetzentwurf betrifft eine Änderung der Nachwahlregelungen im Bundes-
wahlgesetz.

B. Lösung

Zu Nummer 1

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht Änderungen des Bundeswahlgesetzes vor.
Dazu zählen die

– Festlegung eines neuen Berechnungsverfahrens für die Sitzverteilung und die
Verteilung der Wahlkreise auf die Länder,

Drucksache 16/7814 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

– Schaffung eines zeitlich unbeschränkten aktiven Wahlrechts für im Ausland
lebende Deutsche,

– Regelung zur Parteizugehörigkeit von Parteibewerbern auf Wahlvorschlä-
gen,

– Regelung zur Gültigkeit der Zweitstimme bei innerhalb eines Landes ver-
tauschten Stimmzetteln,

– Abschaffung einer förmlichen Mandatsannahmeerklärung,

– Festlegung des Umfangs eines Mandats- oder Mandatsanwartschaftsver-
zichts,

– Abschaffung der Antragsgründe für die Briefwahl.

Das Europawahlgesetz wird an diese Änderungen angepasst, soweit dies bei den
unterschiedlichen Wahlsystemen angezeigt ist. Außerdem werden dort die Zu-
ständigkeiten für die Entscheidung über den Mandatsverlust aus Gründen des
europäischen Rechts bzw. der Verfahrensvereinfachung teilweise verlagert.

Die Änderungen im Bundeswahlgesetz und Europawahlgesetz zum Mandats-
erwerbsverfahren bedingen Anpassungen im Abgeordnetengesetz und Europa-
abgeordnetengesetz.

Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/7461 in geänderter Fas-
sung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu Nummer 2

Einstimmige Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/1036

C. Alternativen

Ebenso Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/1036

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Zu Nummer 1

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Bei der Bundestagswahl 2005 haben zwei nach Maßgabe der §§ 18 und 20 des
Bundeswahlgesetzes von Wahlberechtigten eingereichte Wahlvorschläge in
ihrem jeweiligen Wahlkreis mehr als 10 Prozent der Stimmen erhalten und damit
einen Anspruch auf staatliche Mittel nach § 49b des Bundeswahlgesetzes erwor-
ben. Durch die rückwirkende Änderung dieser Vorschrift entstehen Kosten in
Höhe von ca. 43 000 Euro. Für die Zukunft ist aufgrund dieser Änderung mit
einem nicht näher bezifferbaren Haushaltsaufwand zu rechnen. Dieser dürfte in
seinem Umfang jedoch gering sein, da in der Vergangenheit nur selten partei-
unabhängige Wahlkreisbewerber die Voraussetzungen für die Zuweisung staat-
licher Mittel nach § 49b des Bundeswahlgesetzes erfüllt haben.

2. Vollzugsaufwand

Durch dieses Gesetz ergibt sich grundsätzlich kein zusätzlicher Aufwand für die
Wahlorganisation. Durch die Neuregelungen zum Wegfall der Antragsgründe
für die Briefwahl, zur Teilnahme an Wahlen für Beschäftigte im öffentlichen
Dienst und zur einheitlichen Wahlberechtigung für Auslandsdeutsche, zum Ver-
zicht auf die förmliche Mandatsannahme sowie zur Entscheidung über den Ver-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7814

lust der Mitgliedschaft im Europäischen Parlament durch den Präsidenten des
Deutschen Bundestages wird sich der Vollzugsaufwand vermindern.

Zu Nummer 2

Wurden nicht erörtert.

E. Sonstige Kosten

Zu Nummer 1

Keine

Zu Nummer 2

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/7814 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/7461 mit folgender Maßgabe, im
Übrigen unverändert anzunehmen:

In Artikel 1 Nr. 16 Buchstabe a (§ 48 Abs. 1 des Bundeswahlgesetzes) wer-
den in Satz 2 die Wörter „des ausgeschiedenen Abgeordneten“ gestrichen;

2. den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/1036 abzulehnen.

Berlin, den 16. Januar 2008

Der Innenausschuss

Sebastian Edathy
Vorsitzender

Stephan Mayer (Altötting)
Berichterstatter

Klaus Uwe Benneter
Berichterstatter

Gisela Piltz
Berichterstatterin

Petra Pau
Berichterstatterin

Silke Stokar von Neuforn
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/7814

Bericht der Abgeordneten Stephan Mayer (Altötting), Klaus Uwe Benneter,
Gisela Piltz, Petra Pau und Silke Stokar von Neuforn

I. Zum Verfahren

1. Überweisung

a) Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD auf Drucksache 16/7461 wurde in der 133. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 13. Dezember 2007 an
den Innenausschuss federführend sowie an den Aus-
schuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord-
nung, den Rechtsausschuss, den Haushaltsausschuss und
den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union zur Mitberatung überwiesen.

b) Der Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache
16/1036 wurde in der 91. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 29. März 2007 an den Innenausschuss federfüh-
rend sowie an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immuni-
tät und Geschäftsordnung und den Rechtsausschuss zur
Mitberatung überwiesen.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

a) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/7461

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat in seiner 25. Sitzung am 16. Januar
2008 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. in
Abwesenheit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fassung des Ände-
rungsantrags der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und
SPD anzunehmen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 83. Sitzung am 16. Januar
2008 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des Ände-
rungsantrags der Koalitionsfraktionen empfohlen.

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 60. Sitzung am
16. Januar 2008 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Gesetzent-
wurf anzunehmen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 48. Sitzung am 16. Januar 2008 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Annahme des Gesetzentwurfs empfohlen.

b) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/1036

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat in seiner 25. Sitzung am 16. Januar
2008 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. in
Abwesenheit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 83. Sitzung am 16. Januar
2008 einstimmig empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

3. Beratungen im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat die Gesetzentwürfe auf Druck-
sachen 16/7461 und 16/1036 in seiner 57. Sitzung am
16. Januar 2008 abschließend beraten.

Als Ergebnis der Beratungen wurde der Gesetzentwurf auf
Drucksache 16/7461 in der Fassung des Änderungsantrags
der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 16(4)336
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
angenommen.

Zuvor wurde dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen
auf Ausschussdrucksache 16(4)336 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP bei Stimmenthal-
tung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zugestimmt. Der Gesetzentwurf des Bundesrates
auf Drucksache 16/1036 wurde einstimmig abgelehnt.

II. Zur Begründung

1. Zur Begründung allgemein wird auf Drucksache 16/7461
hingewiesen. Die auf Grundlage des Änderungsan-
trags der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache
16(4)336 vom Innenausschuss vorgenommene Änderung
stellt klar, dass sich die Regelung in Satz 2 auf alle in
Satz 1 genannten Fälle bezieht und nicht nur auf den Fall
des Ausscheidens eines Abgeordneten.

2. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD betonen, dass
der vorliegende Gesetzentwurf eine wichtige Reform
des Wahlrechts beinhalte. Hervorzuheben seien unter
anderem der Übergang zu einem präziseren Berech-
nungsverfahren für Sitz- und Wahlkreisverteilung, die
Entbürokratisierung durch Abschaffung der Mandats-
annahmeerklärung und der Antragsgründe für die Brief-
wahl und die Einführung des zeitlich unbeschränkten
aktiven Wahlrechts für im Ausland lebende Deutsche.
Um verdeckt-gemeinsame Wahlvorschläge zu verhin-
dern und Transparenz zu gewährleisten, dürften auf der
Liste einer Partei keine Bewerber mehr kandidieren, die
anderen Parteien angehörten. Leider sei es nicht gelun-
gen, für das Nachrücken in Überhangmandate eine ein-
vernehmliche Lösung zu finden. Dem Gesetzentwurf
des Bundesrates könnten die Koalitionsfraktionen nicht
zustimmen, da die bloße Möglichkeit der Aufstellung
von Ersatzbewerbern das Erforderlichwerden einer
Nachwahl nicht für alle Fälle ausschließe und ohnehin
eine Nachwahl oft schon am Tag der Hauptwahl stattfin-
den könne. Die verbleibenden Fälle späterer Nachwah-
len seien selten und müssten hingenommen werden.

Die Fraktion der FDP kritisiert die mangelnde Einbin-
dung in die Erarbeitung des Gesetzentwurfs. Bei einem
alle Abgeordneten betreffenden Thema wie dem Wahl-

Drucksache 16/7814 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

und Abgeordnetenrecht müsse es gemeinsame Bericht-
erstattergespräche geben. Inhaltlich sei der Gesetzent-
wurf des Bundesrates abzulehnen, da die dort vorgeschla-
gene Lösung nicht sachgerecht sei. Allerdings sei zu
bedauern, dass das Problem bei Nachwahlen daher fort-
bestehe. Dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
stimme die FDP zu, weil er zutreffende Lösungen für
Probleme der Praxis enthalte und das Verfahren insge-
samt entbürokratisiere und bürgerfreundlicher gestalte.

Die Fraktion DIE LINKE. sieht im Vorgehen der
Koalition ebenfalls eine Abkehr von dem guten parla-
mentarischen Brauch, in Fragen des Wahlrechts alle
Fraktionen einzubeziehen. Die Fraktion begrüße den In-
halt des Gesetzentwurfs, soweit er eine Vereinfachung
des Wahlrechts beinhalte. Sie könne dem Entwurf aber
nicht zustimmen, da der Ausschluss der Möglichkeit,
parteifremde Bewerber auf die Listen aufzunehmen,
einen massiven Eingriff in die Autonomie der Parteien
darstelle. Dies sei keine Frage der Transparenz, weil die
Aufstellung offen erfolge und für den Wähler erkennbar
sei.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält es für
essentiell, beim Wahl- und Abgeordnetenrecht gemein-
sam in einem offenen Verfahren zu einer Lösung zu kom-
men. Gerade vor dem Hintergrund der parteiübergreifen-
den und einvernehmlichen Arbeit im Wahlprüfungs-
ausschuss sei die Nichtbeteiligung der Opposition im
vorliegenden Fall zu kritisieren. Obgleich inhaltlich
grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Gesetzentwurf
der Koalition bestehe, enthalte sich die Fraktion daher der
Stimme. Was die Aufstellung parteifremder Bewerber
angehe, sei man allerdings gegen eine derart starke Be-
schränkung der Autonomie der Parteien.

Berlin, den 16. Januar 2008

Stephan Mayer (Altötting)
Berichterstatter

Klaus Uwe Benneter
Berichterstatter

Gisela Piltz
Berichterstatterin

Petra Pau
Berichterstatterin

Silke Stokar von Neuforn
Berichterstatterin

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