BT-Drucksache 16/7733

Mehr Chancen durch bessere Bildung und Qualifizierung

Vom 16. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7733
16. Wahlperiode 16. 01. 2008

Antrag
der Abgeordneten Patrick Meinhardt, Uwe Barth, Cornelia Pieper, Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van
Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-
Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-
Kasan, Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Horst Meierhofer, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Florian
Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Mehr Chancen durch bessere Bildung und Qualifizierung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Ausgestaltung des Bildungssystems entscheidet maßgeblich darüber, ob und
wie weit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Gesellschaft sowie die Zukunfts-
chancen der nachfolgenden Generationen gegeben sind. Daher ist es immens
wichtig, jedem jungen Menschen mit einer bestmöglichen Bildung, Ausbildung
und Studium eine Perspektive für das Leben zu eröffnen, damit er diese Investi-
tion zu seinem Wohle nutzt und gleichzeitig einen Beitrag zur gesamtgesell-
schaftlichen Prosperität leisten kann. Die Weichen sind daher so zu stellen, dass
die Talente und Begabungen des Individuums frühzeitig erkannt und gezielt
gefördert werden – ein Leben lang.

Die berufliche Bildung spielt für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses eine
besonders herausragende Rolle. Sie garantiert berufliche Qualifikation auf aller-
höchstem Niveau. Nicht zuletzt beruht der Erfolg der beruflichen Bildung auf
der Verankerung in der beruflichen Praxis. So gelingt es dem dualen System,
Ausbildungsinhalte auf dem neusten Stand der technischen Entwicklung zu hal-
ten. Auch der Übergang in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis fällt jungen
Absolventen und Absolventinnen einer betrieblichen Ausbildung verhältnis-
mäßig leicht – zumindest im Vergleich mit Ländern, in denen rein schulische
Ausbildungen dominieren. Dementsprechend liegt die Jugendarbeitslosigkeit in
Finnland (20,1 Prozent) oder Schweden (22,6 Prozent) deutlich über dem deut-
schen Niveau von 14,8 Prozent (vgl.: Statistisches Amt der Europäischen
Gemeinschaften, Dezember 2006).

Derzeit absolvieren 60 Prozent eines Jahrganges in Deutschland eine betrieb-
liche Ausbildung. Insgesamt befinden sich rund 1,6 Millionen junge Menschen
im System der dualen Bildung. Besonders das deutsche Handwerk hat sich in

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den letzten Jahren als wichtige Stütze der beruflichen Bildung erwiesen: Trotz
wirtschaftlich schwerer Zeiten und dem Abbau von insgesamt 10 000 Arbeits-
plätzen in den Jahren 2006 und 2007 wurden in den beiden Jahren fast 10 Pro-
zent mehr Ausbildungsplätze geschaffen.

Das System der beruflichen Bildung muss reformiert werden, um dauerhaft
funktionsfähig bleiben zu können. Die anstehenden Herausforderungen, insbe-
sondere mit Blick auf den Europäischen Wirtschaftsraum, erfordern eine sach-
gerechte Anpassung der Strukturen. Die Reformbemühungen der letzten Jahre
waren unzureichend. Es bedarf grundsätzlicher Reformen, um das Duale System
endlich zukunftsfest zu machen, um dessen Errungenschaften für die kommen-
den Generationen zu wahren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● gemeinsam mit den Ländern, Kommunen und Bildungsträgern Maßnahmen
zur Stärkung der Ausbildung sowie einer systematischen und qualifizierten
Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern zu treffen;

● zu analysieren, weswegen die derzeitig existierenden Angebote der Fort- und
Weiterbildung seitens der Erzieherinnen und Erzieher nur zögerlich wahr-
genommen werden und in einem zweiten Schritt die Hemmschwellen und
Barrieren zu beseitigen;

● sich dafür einzusetzen, dass die Länder die Umsetzung der jeweiligen Bil-
dungs- und Qualitätsprogramme für die Kindertagesstätten und Kindergärten
sicherstellen;

● im Rahmen der Bildungsforschung die Effektivität der Maßnahmen zur För-
derung der Berufsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern zu untersuchen,
evaluieren und die Ergebnisse darzustellen;

● sich dafür einzusetzen, dass insbesondere an den Schulen, die traditionell den
Brückenschlag zum System der beruflichen Bildung bilden, die Berufsorien-
tierung sehr viel stärker betont wird. Betriebserkundungen, Praktika und
Bewerbertraining müssen ebenso eine Rolle spielen wie die Ausrichtung der
Lehrinhalte und Themen, die die Bedeutung der Wirtschaft und Technik in
den Mittelpunkt rücken;

● die Förderangerbote für Schulabgänger, die sich in sog. Übergangssystemen
(z. B. Berufsvorbereitungsjahr; berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen)
befinden, sind zu reformieren und an die Bedürfnisse der Ausbildungs-
betriebe anzupassen;

● vom geplanten „Ausbildungsbonus“ abzusehen und stattdessen durch eine
verbesserte Ausrichtung der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ) die
Chancen der Altbewerber auf einen echten beruflichen Ausbildungsplatz zu
verbessern;

● mit einer Exzellenzinitiative „Berufsbildung“ einen Beitrag zur Verbesserung
der öffentlichen Wahrnehmung der beruflichen Bildung zu leisten. Es muss
zum Ausdruck kommen, dass eine Ausbildung auch für leistungsstarke Ju-
gendliche von Interesse sein und eine Perspektive für eine berufliche Karriere
bieten kann;

● den Erwerb von beruflichen Abschlüssen durch breitbandige flexible Ausbil-
dungsberufe zu unterstützen. Eine kompetenz-, werte- und zielorientierte
Ausbildung, die eine umfassende und flexible berufliche Handlungsfähigkeit
ermöglicht, ist weiterhin als Leitbild der Entwicklung des Berufsbildungssys-
tems in Deutschland zu betrachten;

● die Beibehaltung des Berufsprinzips zu gewährleisten. Auch nach Einfüh-
rung breitbandiger flexibler Ausbildungsberufe muss die Berufsausbildung

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die Basis für ein erfolgreiches Berufsleben legen und zugleich der Start-
schuss für das lebenslange Lernen in der Arbeitswelt sein;

● dafür Sorge zu tragen, dass am Ende jeder Ausbildung eine anerkannte
öffentlich-rechtliche Abschlussprüfung steht;

● den Erhalt der dualen Berufausbildung zu garantieren. Auch in der Zukunft
muss die betriebs- und damit auftragsorientierte Qualifizierung durch die Or-
ganisation der Berufsausbildung im Dualen System gesichert sein, d. h. eine
vernetzte Ausbildung im Verbund zwischen Betrieben, Berufsschule und
überbetrieblichem Bildungszentrum muss Bestand haben;

● die überbetrieblichen Bildungszentren in ihrer Arbeit zu unterstützen, da die
überbetriebliche Ausbildung unverzichtbar ist, um Aus- und Fortbildungs-
inhalte zu vermitteln, die einzelbetrieblich von kleinen, oftmals spezialisier-
ten Unternehmen nicht abgedeckt werden können;

● die Förderung der beruflichen Weiterbildung zu intensivieren. Es sind wirk-
same Förderinstrumente zu entwickeln, die eine berufsbegleitende Weiter-
bildung in „kleinen Portionen“ ermöglichen. Auch die berufsbildenden Fort-
bildungsabschlüsse müssen aufgewertet werden;

● die Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen und Bildungsteilberei-
chen dringend zu erhöhen. In diesem Sinne ist die Verzahnung von Aus-,
Weiter- und Hochschulbildung zu unterstützen. Bildungssackgassen darf es
nicht länger geben;

● dafür Sorge zu tragen, dass Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung
verstärkt darauf aufmerksam gemacht werden, dass bundesweit Möglichkei-
ten zur Aufnahme eines Studiums ohne die Voraussetzung der allgemeinen
Hochschulreife existieren;

● gegenüber Ländern und Hochschulen verstärkt dafür zu werben, dass beruf-
liche Abschlüsse und erworbenes berufliches Wissen künftig noch stärker auf
die im Rahmen des Studiums zu erbringenden Leistungen angerechnet wer-
den;

● bei der Fortschreibung des Hochschulpakts 2020 den Aufbau zusätzlicher
Studienplatzkapazitäten zu forcieren;

● sich für eine leistungsgerechte Einordnung der Fortbildungsabschlüsse im
europäischen Vergleich einzusetzen.

Berlin, den 15. Januar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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