BT-Drucksache 16/7706

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 16. bis 20. April 2007 in Straßburg

Vom 10. Januar 2008


I. Deutsche Teilnehmer
Der deutschen Delegation gehörten folgende Mitglieder an:

Abg. Joachim Hörster (CDU/CSU), Leiter der Delegation,

Abg. Doris Barnett (SPD),

Abg. Veronika Bellmann (CDU/CSU),

Abg. Kurt Bodewig (SPD),

Abg. Detlef Dzembritzki (SPD),

Abg. Axel Fischer (CDU/CSU),

Abg. Herbert Frankenhauser (CDU/CSU),

Abg. Prof. Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE),

Montenegros in den Europarat debattiert und im Rahmen
von Dringlichkeits- bzw. Aktualitätsdebatten die Situa-
tion im Nahen Osten, die Verantwortung Europas im
Sudan/Darfur und die Situation in der Ukraine themati-
siert.

Darüber hinaus befasste sich die Parlamentarische Ver-
sammlung mit dem geplanten „Memorandum of Under-
standing“ zwischen der Europäischen Union und dem Eu-
roparat und gab zum gegenwärtigen Stand des Entwurfs
eine Stellungnahme ab, die sich für verbindliche Ver-
pflichtungen zur Kooperation ausspricht.

Den Bericht des Ministerkomitees trug der Außenminis-
ter von San Marino und Vorsitzender des Ministerkomi-
tees, Fiorenzo Stolfi, vor. Zur Versammlung sprachen der
ukrainische Premierminister Viktor Janukowitsch und
Deutscher Bundestag Drucksache 16/7706
16. Wahlperiode 10. 01. 2008

Unterrichtung
durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
vom 16. bis 20. April 2007 in Straßburg

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Seite

I. Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

III. Schwerpunkte der Beratungen . . . . . . . . 2

IV. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1. Entschließungen und Empfehlungen . . . . . 6
2. Redebeiträge deutscher Parlamentarier . . . . 80
3. Mitgliedsländer und Funktionsträger . . . . . 95

II. Zusammenfassung

Die Entschließungen, Stellungnahmen und Empfehlun-
gen sind ebenso wie die Reden und Fragen der Mitglieder
der deutschen Delegation im Anhang abgedruckt.

Die Parlamentarische Versammlung führte in ihrer Früh-
jahrssitzung vom 16. bis 20. April 2007, am 18. April
2007 erstmals eine Generaldebatte zum Thema „Die Lage
von Menschenrechten und Demokratie in Europa – Tag
der Rechenschaft“ durch und verabschiedete eine Resolu-
tion, die die europäischen Regierungen dazu auffordert,
die „Kluft zwischen den Standards des Europarates und
der realen Situation in den Mitgliedstaaten“ zu schließen.
Eine entsprechende Debatte soll ab jetzt jährlich geführt
werden.

Des Weiteren wurde die Zustimmung zur Aufnahme
Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU),

Abg. Walter Riester (SPD),

Abg. Ingo Schmitt (CDU/CSU),

Abg. Christoph Strässer (SPD),

Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD).

der Sprecher des Parlamentes von Montenegro Ranko
Krivokapic.

Weiterhin sprachen im Rahmen der Generaldebatte zur
Lage der Menschenrechte und Demokratie in Europa
Louise Arbour, UN-Hochkommissarin für Menschen-
rechte, Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommis-
sar des Europarates, Jean-Paul Costa, Präsident des

Drucksache 16/7706 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Irene
Khan, Generalsekretärin von Amnesty International,
Kenneth Roth, Exekutivdirektor von Human Rights
Watch, Halvdan Skard, Präsident des Kongresses der
Gemeinden und Regionen des Europarats, Ugo Mifsud
Bonnici, Vize-Präsident der Europäischen Kommission
für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission),
Polonka Končar, Präsidentin des Europäischen Komi-
tees für Soziale Rechte, Mauro Palma, Präsident des
Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter, Eva
Smith Asmussen, Präsidentin der Europäischen Kom-
mission gegen Rassismus und Intoleranz, Allan Phillips,
Präsident des Beratenden Ausschusses für das Rahmen-
abkommen des Europarates zum Schutz nationaler Min-
derheiten.

An der Tagung nahmen Parlamentarier aus den 46 Mit-
gliedstaaten des Europarates sowie Beobachter aus Israel,
Kanada und Mexiko teil.

III. Schwerpunkte der Beratungen
A. Dringlichkeits- und Aktualitätsdebatten
Im Rahmen der Dringlichkeitsdebatten diskutierten die
Abgeordneten über die aktuelle Situation in der
Ukraine und im Nahen Osten sowie zur Haltung der
Parlamentarischen Versammlung zu dem Entwurf einer
Konvention zum Schutze von Kindern vor sexueller
Ausbeutung und sexuellem Missbrauch. Darüber hi-
naus fand eine Aktualitätsdebatte zur Verantwortung
Europas im Sudan/Darfur statt.

1. Aktuelle Situation in der Ukraine
Der ukrainische Ministerpräsident Viktor Janukowitsch
sprach sich in seiner Rede vor der Parlamentarischen Ver-
sammlung am 17. April 2007 für eine juristische Lösung
und gegen vorgezogene Parlamentswahlen aus um die
Krise der Ukraine zu bewältigen. Er äußerte keine Bitte
um Unterstützung durch den Europarat, sondern befür-
wortete eine Lösung innerhalb des verfassungsmäßigen
Rahmens der Ukraine.

In der Dringlichkeitsdebatte am 19. April 2007 verab-
schiedete die Parlamentarische Versammlung die Ent-
schließung 1549 (2007) in der die inner-ukrainischen
Konfliktparteien zur Mäßigung, Kompromissen und zur
Bemühung um friedliche Lösung aufgerufen werden.

In seiner Funktion als Vorsitzender des Monitoringaus-
schusses hob Abg. Eduard Lintner in der Debatte her-
vor, dass der Bericht zeitgleich zu wichtigen Entschei-
dungsfindungen in der Ukraine selbst entstand, was für
die Berichterstattung eine besondere Herausforderung
dargestellt habe.

2. Aktuelle Situation im Nahen Osten
Nach einer Dringlichkeitsdebatte zur Situation im Nahen
Osten verabschiedete die Parlamentarische Versammlung
eine Entschließung (Entschließung 1550 (2007)), die

Einheit begrüßt. Israel wird zur Zusammenarbeit mit die-
ser Regierung aufgefordert, von den Palästinensern wird
der Verzicht auf Gewalt und die Anerkennung Israels ver-
langt. Israelische und palästinensische Parlamentarier, die
als Beobachter an Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung teilnehmen, legten jeweils die bekannten offi-
ziellen Positionen dar.

3. Entwurf einer Konvention zum Schutz von
Kindern gegen sexuelle Ausbeutung und
sexuellen Missbrauch

Berichterstatter in der Dringlichkeitsdebatte für den Aus-
schuss für Recht und Menschenrechte war Jean-Charles
Gardetto (Monaco).

In dem Bericht wird der Entwurf einer Konvention zum
Schutz von Kindern gegen sexuelle Ausbeutung und
sexuellen Missbrauch begrüßt. Von dem Ausschuss für
Recht und Menschenrechte wurden einige Änderungen
vorgeschlagen, die darauf abzielen, Ausnahme und Son-
derregelungen aus dem Text des Konventionsentwurfes
zu entfernen. Neben einer Reihe konkreter Maßnahme,
wie die der Stärkung der Rolle der Familie, wird auch
eine Harmonisierung mit der vergleichbaren Rechtslage
innerhalb der EU gefordert.

Die Stellungnahme Nr. 263 (2007) der PV des Europara-
tes zu dieser Konvention wurde auf Grundlage des Be-
richtes einstimmig mit wenigen Änderungen beschlossen.

4. Aktualitätsdebatte zu Darfur
In der Diskussion über die Situation in Darfur wurde von
allen Rednern betont, dass angesichts der dortigen huma-
nitären Katastrophe, der Kriegsverbrechen und Verbre-
chen gegen die Menschlichkeit auch Europa in der Pflicht
sei, zusätzliche Anstrengungen zur Beendigung der Ge-
walt in der Region zu unternehmen.

Abg. Dr. Wolfgang Wodarg wies auf die Verantwortung
des Europarates hin. Ferner müsse die Frage nach der Zu-
sammenarbeit europäischer Staaten mit der sudanesi-
schen Regierung gestellt werden. Die Mitglieder der Par-
lamentarischen Versammlung seien aufgerufen, in ihren
Heimatparlamenten aktiv die Rolle ihrer Regierungen in
diesem Konflikt insbesondere im Hinblick auf die jewei-
ligen wirtschaftlichen Interessenlagen zu hinterfragen.

B. Generaldebatte zum Thema „Die Lage von
Menschenrechten und Demokratie in
Europa – Tag der Rechenschaft“

Die ganztätige Debatte zur Lage von Menschenrechten
und Demokratie in Europa widmete sich den folgenden
drei Teilbereichen: Menschenrechte, Demokratie und De-
mokratieverpflichtungen sowie Reform und Ergebnisse
des Monitoringprozesses.

1. Stand der Menschenrechte in Europa

insbesondere Bemühungen der Palästinenser um internen
Ausgleich und Bildung einer Regierung der nationalen

Berichterstatter Christos Pourgourides (Zypern) stellte
in seinem Bericht zum Stand der Menschenrechte in

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7706

Europa fest, dass das Niveau des Menschenrechtsacquis
kontinuierlich gestiegen sei, die Umsetzung aber hin-
terherhinke. Er kritisierte auch das Ministerkomitee we-
gen Anwendung doppelter Standards bei der Beurteilung
von Menschenrechtsverletzungen. Als Hauptproblembe-
reiche nannte er staatliche Entführungen, geheime Fest-
nahmen und Folter, häufig mit Todesfolge. In der Ausspra-
che riefen die Redner parteiübergreifend zu Selbstreflexion
und Null-Toleranz gegenüber Menschenrechtsverletzungen
auf und unterstrichen die wichtige Rolle der Parlamentari-
schen Versammlung bei der Überwachung und Umsetzung
der Menschenrechtsverpflichtungen.

Abg. Christoph Strässer unterstrich in seinem Beitrag
die Notwendigkeit, die Menschenrechte stärker als bisher
in die nationalen schulischen Lehrpläne aufzunehmen.
Des Weiteren forderte er eine bessere finanzielle Ausstat-
tung der europäischen Menschenrechtsagentur.

Ein Demokratiedefizit konstatierte der Abg. Dr. Hakki
Keskin mit dem Hinweis, dass Personen, die seit Jahr-
zehnten dauerhaft in einem Mitgliedstaat lebten, nicht die
Staatsbürgerschaft dieser Länder hätten und damit über
keine politische Einflussnahmemöglichkeit verfügten und
forderte, dass sich der Europarat dieses Themas anneh-
men solle.

Abg. Dr. Wolfgang Wodarg hob die besondere Rolle der
PV des Europarates im Zusammenhang mit der Auf-
deckung von Menschenrechtsverletzungen hervor. Er
wies aber auch darauf hin, dass die Formen von Men-
schenrechtsverletzungen beispielsweise im Kontext der
Gentechnologie zunehmend schwerer zu identifizieren
seien. Daher forderte er eine inhaltliche und strukturelle
Weiterentwicklung der Instrumente des Europarates mit
dem Ziel einer frühzeitigen und umfassenden Identifika-
tion von Menschenrechtsverletzungen.

2. Lage der Demokratie in Europa

Berichterstatter Andreas Gross (Schweiz) stellte unbe-
streitbare Fortschritte bei der Entwicklung demokrati-
scher Standards fest. Der demokratische Übergangspro-
zess sei in vielen Mitgliedstaaten des Europarates aber
noch nicht abgeschlossen und müsse weiter intensiv vom
Europarat begleitet werden. In den „alten Demokratien“
bestehe ein zunehmendes Problem der Politikverdrossen-
heit, dem durch neue Formen der Bürgerbeteiligung be-
gegnet werden müsse. Die unterschiedlichen historischen,
kulturellen und politischen Voraussetzungen in den Mit-
gliedsländern der Europäischen Union unterstrich Abg.
Walter Riester in seinem Beitrag und forderte, dass die
Beschreibung der jeweiligen Rahmenbedingungen stärker
in die Diskussion konkreter Problemstellungen einbezo-
gen werden müssten.

3. Fortschritte im Überwachungsverfahren
der Versammlung

In seinem Bericht unterstrich der Vorsitzende des Monito-

Erfolgen geführt habe. Wichtig sei es, das Ziel der Instal-
lierung einer parlamentarischen, demokratischen Syste-
matik nicht aus dem Auge zu verlieren. Wie umfangreich
im Übrigen die Arbeit des Monitoringausschusses gewor-
den sei, verdeutliche die Tatsache, dass er mit seinen Re-
solutionen und Empfehlungen allein die Basis für mehr
als 60 Debatten in den Plenarversammlungen des Europa-
rats geliefert habe.

In der anschließenden Diskussion wurde eine breite Zu-
stimmung zu dem Bericht deutlich. Begrüßt wurde insbe-
sondere, dass in Abänderung des bisherigen Verfahrens
nicht nur die neu beigetretenen sondern alle Mitgliedstaa-
ten in das Monitoringverfahren der PV zu den Bereichen
Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat aufgenom-
men werden. Dadurch würde es allen erleichtert, das Mo-
nitoring nicht als „Bestrafung“, sondern als Unterstüt-
zung zu empfinden.

In der Debatte hob Abg. Eduard Lintner hervor, dass
die Überwachung der Einhaltung der mit dem Beitritt
zum Europarat durch seine Mitgliedstaaten eingegange-
nen Verpflichtungen, seinerzeit vor zehn Jahren durch die
Einrichtung des Monitoringausschusses komplettiert und
effizienter gestaltet worden sei. Bei allen kulturellen Un-
terschieden existiere ein Kernbereich von Werten und
Verpflichtungen, die keinen Aufschub duldete, wie etwa
die Ächtung der Todesstrafe, das Verbot von Folter und
von Inhaftierung aus politischen Gründen. Abschließend
regte Abg. Eduard Lintner an zu hinterfragen, inwieweit
die Resonanz und Rückkopplung des Monitoringverfah-
rens verbessert werden können.

Es fand eine gemeinsame Abstimmung zu den Empfeh-
lungen und dem Entschließungsentwurf zu den Themen-
bereichen Stand der Menschenrechte in Europa, Stand der
Demokratie in Europa sowie Fortschritte im Überwa-
chungsverfahren der Versammlung statt. Die Entschlie-
ßungen 1547 (2007) und 1548 (2007) sowie die Emp-
fehlung 1791 (2007) wurden nach einer intensiven
Diskussion mit einigen Änderungen verabschiedet.

C. Weitere Themen

Die Einhaltung der von Aserbaidschan eingegangenen
Pflichten und Verpflichtungen.

Für den Monitoringausschuss berichteten die Co-Bericht-
erstatter Andres Herkel (Estland), und Tony Lloyd
(Großbritannien).

In dem Bericht wird anerkannt, dass Aserbaidschan Fort-
schritte insbesondere im Aufbau einer Jurisdiktion und
Rechtsverwaltung gemacht hat. Besonders hervorgeho-
ben werden auch die Amnestierung politischer Gefange-
ner und die konstruktive Haltung des aserbaidschanischen
Präsidenten in der Nagorno-Karabach-Frage. Allerdings
werden für einige Felder noch Nachbesserungen einge-
fordert. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Forde-
rungen nach einer Stärkung des Parlamentarismus oder
ringausschusses Abg. Eduard Lintner, dass der einge-
schlagene Weg des Monitoringverfahrens zu messbaren

nach einem Ende der Misshandlungen und Folterungen
durch Sicherheitskräfte.

Drucksache 16/7706 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In dem Bericht wird die Erwartung geäußert, dass die im
Jahr 2008 stattfindenden Wahlen das Land näher an die
internationalen Standards heranführen werden.

Der Bericht wurde mit wenigen Änderungen als Ent-
schließung 1545 (2007) angenommen.

Abg. Eduard Lintner lobte die Fortschritte in Aserbaid-
schan, die nicht zuletzt durch das Engagement des Euro-
parates zustande gekommen seien. Wichtig sei es, das
Ziel einer Schaffung einer parlamentarischen, demokrati-
schen Systematik in Land nicht aus den Augen zu verlie-
ren.

Die Entschließung 1545 (2007) auf der Grundlage des
oben angezeigten Berichtes wurde ohne Änderungen an-
genommen.

Beitritt der Republik Montenegro

Für den Ausschuss für Recht und Menschenrechte nahm
Erik Jurgens (Niederlande) sowie für den Monitoring-
ausschuss Serhiy Holovaty (Ukraine) Stellung.

Der Bericht stellt fest, dass Montenegro eine Reihe wich-
tiger Reformen durchgesetzt hat. Hierzu zählt insbeson-
dere eine Deklaration, die die Akzeptanz der sieben
Grundrechte des Europarates beinhaltet. Der Ausschuss
befürwortete den Beitritt Montenegros zum Europarat.

Abg. Detlef Dzembritzki unterstrich die Rolle Montene-
gros in den Konflikten im Gebiet des ehemaligen Jugosla-
wiens. So sei Montenegro eine Stätte der Zuflucht für
Menschen aus Krisengebieten wie dem Kosovo gewesen.
Die Entwicklung dort habe gezeigt, dass ein friedliches
Miteinander möglich sei.

Die Versammlung empfahl dem Ministerkomitee, Monte-
negro einzuladen, Mitglied des Europarates zu werden
und dem Land drei Sitze in der Parlamentarischen Ver-
sammlung zuzuweisen (Empfehlung Nr. 261 (2007)).

Verhaltenskodex für politische Parteien

Luc Van den Brande (Belgien) berichtete für den Politi-
schen Ausschuss. Gülsün Bilgehan (Türkei) gab für den
Ausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Män-
nern eine Stellungnahme ab.

Der Bericht unterstreicht die elementare Rolle politischer
Parteien für den demokratischen Willensbildungsprozess.
Gleichzeitig beschreibt er die Krise, in der sich das demo-
kratische Parteiensystem in der Wahrnehmung der Bürger
in vielen Mitgliedsländern befindet. Der Bericht formu-
liert in dem Verfahrenskodex eine Vielzahl von Forderun-
gen an das Auftreten und die Arbeitsweise politischer
Parteien in den Mitgliedsländern.

Die Entschließung 1546 (2007) auf der Grundlage des

Kandidaten für den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte

Berichtererstatterin für den Ausschuss für Recht und
Menschenrechte war Marie-Luise Bemelmans-Videc
(Niederlande). José Mendes Bota (Portugal) gab eine
Stellungnahme für den Ausschuss für die Gleichstellung
von Frauen und Männern ab.

Bei dem Entschließungsentwurf ging es um eine Neure-
gelung der geschlechtsspezifischen Zusammensetzung
des Europäischen Gerichtshofes und in diesem Zusam-
menhang um die Anerkennung von Vorschlagslisten, da
Malta sich nicht in der Lage sah eine Frau in seine Emp-
fehlungslisten aufzunehmen. Das bisherige Verfahren
sieht eine Mindestquote für weibliche Kandidatinnen in
den Listen der jeweiligen Mitgliedstaaten vor.

Abg. Doris Barnett sprach sich nachdrücklich gegen die
Abkehr von dem bisherigen Verfahren aus. Nach der Ein-
führung der Mindestquote für weibliche Kandidatinnen
hätten alle Mitgliedsländer, darunter auch kleine Staaten
wie San Marino und Monaco, Kandidatinnen vorgeschla-
gen, von denen inzwischen nicht wenige auch zu Richte-
rinnen gewählt worden seien. Die Schaffung von Ausnah-
meregelungen stelle einen Rückschritt in dem Bemühen
dar, Frauen für eine Tätigkeit im Europäischen Gerichts-
hof für Menschenrechte zu gewinnen.

Eine Änderung des bisherigen Verfahrens, wie in dem
Bericht (Dok. 11208) angeregt, wurde mit großer Mehr-
heit abgelehnt.

Debatte über allgemeine politische Richtlinien:
Stellungnahme zum Entwurf eines Memorandums
über die Vereinbarungen zwischen dem Europarat
und der Europäischen Union

Berichterstatter für den Politischen Ausschuss war
Abdülkadir Ates (Türkei).

Abg. Detlef Dzembritzki unterstrich, dass nicht der Ein-
druck entstehen dürfe, dass der Europarat von der Gnade
der Europäischen Union abhängig sei. Der Anspruch des
Europarates als eigenständige Institution deutlicher zu
Tage zu treten, liege auch im Interesse der EU-Staaten
und seiner Parlamentarischen Versammlung.

Auch Abg. Dr. Wolfgang Wodarg kritisierte, dass der
Europarat im Vergleich zum Haushalt der EU unterali-
mentiert sei und forderte ein selbstbewusstes Auftreten
gegenüber der EU im Hinblick auf die finanzielle Aus-
stattung der Institutionen des Europarates. Es könne nicht
hingenommen werden, dass Regierungen der Mitglieds-
länder deutlich machten, dass andere Politikfelder einen
höheren Stellenwert hätten als der Schutz der Menschen-
rechte.

Die Entschließung 1546 (2007) wurde auf der Grundlage
des oben angezeigten Berichtes mit einer Reihe von Än-
derungen beschlossen, die vor allem auf die Stärkung der
oben angezeigten Berichtes wurde mit einer Reihe von
Ergänzungen beschlossen.

Rolle des Europarates gegenüber der Europäischen Union
zielten.

angeblicher Verletzungen von Amtsgeheimnissen zu be-
drohen oder sie strafrechtlich zu verfolgen.

Besonders kritisch wird in dem Bericht die Situation in
der Russischen Föderation beurteilt.

In der verabschiedeten Entschließung (Entschließung
1551 (2007)) wird darüber hinaus gefordert, Möglich-
keiten zur Verbesserung des Schutzes von Informanten,
beispielsweise so genannte „Whistleblower“ und Journa-
listen, zu prüfen, die Korruption, Menschenrechtsverlet-
zungen, Umweltzerstörung und andere Formen des Miss-
brauchs von Befugnissen offen legten.

Notwendigkeit für ein Übereinkommen des
Europarates betreffend die Bekämpfung
der Markenfälschung und des Handels
mit gefälschten Produkten

Bernhard Schreiner (Frankreich) war Berichterstatter
des Ausschusses für Wirtschaft und Entwicklung.

Das Thema Produktfälschung wird in diesem Bericht als
ökonomisches Problem erkannt, das weitreichende Aus-
wirkungen auf die Bereiche der individuellen und allge-
meinen Sicherheit oder auch das Gesundheitswesen habe.
Europa sei aufgefordert, sich einer doppelten Herausfor-
derung zu stellen. Einerseits gelte es, den Zugang ge-
fälschter Produkte nach Europa zu unterbinden, anderer-
seits gehe es auch darum, die Produktion und die

Bericht werden alle Mitglieder des Europarates aufgeru-
fen – soweit dies noch nicht geschehen sei – das Überein-
kommen über die Ausarbeitung eines Europäischen Arz-
neibuchs zu unterzeichnen und zu ratifizieren.

In dem Bericht wird auch eine Reihe von Maßnahmen
aufgezählt, die die Fälschung von Arzneimitteln unterbin-
den soll. Diese Maßnahmen beinhalten sowohl rechtliche
Rahmenbedingen, als auch die Etablierung von Überwa-
chungssystemen oder die Durchführung von Informati-
onskampagnen.

Beide Berichte wurden in einer gemeinsamen Debatte be-
handelt. Die Empfehlung 1793 (2007) zur Notwendig-
keit für ein Übereinkommen des Europarates betref-
fend die Bekämpfung der Markenfälschung und des
Handels mit gefälschten Produkten und die Empfeh-
lung 1794 (2007) betreffend die Arzneimittelqualität in
Europa wurden gemeinsam behandelt. Beide Empfeh-
lungen wurden jeweils ohne Änderungen einstimmig ver-
abschiedet.

Der ursprünglich in der Tagesordnung vorgesehene Be-
richt über „Die Einhaltung der von dem Fürstentum
Monaco eingegangenen Pflichten und Verpflichtun-
gen“ wurde auf die Teilsitzung im Juni 2007 verschoben.

Joachim Hörster
Leiter der Delegation
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/7706

Fragen fairer Strafprozesse wegen Spionage oder
Preisgabe von Staatsgeheimnissen

Berichterstatter des Ausschusses für Recht und Men-
schenrechte war Christos Pourgourides (Zypern).

In der Entschließung wird betont, dass die legitimen Inte-
ressen des Staates bei dem Schutz von Dienstgeheimnis-
sen nicht zu einem Vorwand werden dürften, um die
Meinungs- und Informationsfreiheit, die internationale
wissenschaftliche Zusammenarbeit und die Tätigkeit von
Anwälten und anderen Verfechtern der Menschenrechte
in unvertretbarer Form einzuschränken.

Es wird festgestellt, dass in einer Reihe von Mitgliedstaa-
ten versucht wurde, unter anderem Journalisten wegen

Weiterverbreitung dieser Waren innerhalb Europas zu be-
kämpfen.

Der Bericht fordert, dass der Europarat die Initaitive für
eine europäische Konvention zu diesem Thema ergreift.

Arzneimittelqualität in Europa

Berichterstatter des Ausschusses für Sozialordnung, Ge-
sundheit und Familie war Bernard Marquet (Monaco).

Der Bericht stellt fest, dass sich die Fälschung von Arz-
neimitteln zu einer Industrie entwickelte, der jedes Jahr
viele Menschen zum Opfer fielen. Im Bereich des Euro-
parates existiere ein rechtliches Vakuum, um Straftatbe-
stände in Verbindung mit Fälschungen zu ahnden. In dem

Drucksache 16/7706 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

IV. Anhang
1. Entschließungen und Empfehlungen

Hinweis: Die Empfehlungen, Entschließungen und Stellungnahmen sind in Auszügen übernommen. Insbesondere sind
Berichte und Internationale vertragliche Vereinbarungen und deren Änderungen sind nicht Teil der Unterrichtung. Ein
vollständiges Verzeichnis sämtlicher Unterlagen findet sich auf: http://assembly.coe.int/ASP/Doc/ATListing_E.asp

Nummer Beschreibung Seite

Stellungnahme 261
(2007)

Beitritt der Republik Montenegro zum Europarat 7

Stellungnahme 262
(2007)

Memorandum of Understanding zwischen dem Europarat und der
Europäischen Union 16

Stellungnahme 263
(2007)

Entwurf eines Übereinkommens zum Schutze von Kindern vor sexueller
Ausbeutung und sexuellem Missbrauch 18

Entschließung 1545
(2007)

Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Aserbaidschan 19

Entschließung 1546
(2007)

Verhaltenskodex für politische Parteien 28

Entschließung 1547
(2007)

Die Lage der Menschenrechte und den Stand der Demokratie in Europa –
Der Stand der Demokratie in Europa 34

Entschließung 1548
(2007)

Fortschritte im Überwachungsverfahren der Versammlung 48

Entschließung 1549
(2007)

Funktionieren der demokratischen Institutionen in der Ukraine 55

Entschließung 1550
(2007)

Die Lage im Nahen Osten 59

Entschließung 1551
(2007)

Fragen fairer Strafprozesse wegen Spionage oder Preisgabe von Staats-
geheimnissen 63

Empfehlung 1791
(2007)

Die Lage der Menschenrechte und den Stand der Demokratie in Europa –
Die Lage der Menschenrechte in Europa 66

Empfehlung 1792
(2007)

Fragen fairer Strafprozesse wegen Spionage oder Preisgabe von Staats-
geheimnissen 73

Empfehlung 1793
(2007)

Notwendigkeit eines Übereinkommens des Europarates über die Unterbindung
der Fälschung von Waren und des Handels mit gefälschten Waren 74

Empfehlung 1794
(2007)

Die Arzneimittelqualität in Europa 77

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/7706

Stellungnahme 261 (2007)1

betr. den Beitritt der Republik Montenegro zum Europarat

1. Die Republik Montenegro hat sich am 6. Juni 2006 um den Beitritt zum Europarat
beworben, drei Tage nach der Unabhängigkeitserklärung.

2. Am 14. Juni 2006 hat das Ministerkomitee die Parlamentarische Versammlung
aufgefordert, eine Stellungnahme zu diesem Antrag abzugeben im Einklang mit der
satzungsgemäßen Resolution (51) 30.

3. Nach einem durch das Präsidium der Versammlung am 26. Juni 2006 getroffenen
Beschluss hat die Parlamentarische Versammlung am 5. Juli 2006 zwei hochangesehene
Rechtsexperten, Herrn Kaarlo Tuori, Mitglied der Venedig-Kommission und Herrn Anthony
Bradley, stellvertretendes Mitglied der Venedig-Kommission, gebeten, die Vereinbarkeit der
Rechtsordnung in der Republik Montenegro mit den grundlegenden Prinzipien des
Europarates zu beurteilen. Ihr Bericht wurde im September 2006 vorgelegt.

4. Die Versammlung erkennt die besonderen Bedingungen im Zusammenhang mit dem
Antrag der Republik Montenegro auf Beitritt zum Europarat an, da die Republik Teil der
Staatenunion von Serbien und Montenegro war, die vom 3. April 2003 bis zum 3. Juni 2006
ein Mitglied des Europarates war.

5. Die Versammlung hat sich bei mehreren Anlässen mit der Lage in der Republik
Montenegro befasst, als diese Teil der Staatenunion von Serbien und Montenegro war, und
hat dies auch seit ihrer Unabhängigkeit getan.

6. Im Mai 2006 hat ein Ad-hoc-Ausschuss das Referendum über den zukünftigen Status
des Staates der Republik Montenegro (Serbien und Montenegro) beobachtet und ist zu der
Schlussfolgerung gelangt, dass das Referendum generell im Einklang mit den
Verpflichtungen und Standards des Europarates und mit anderen internationalen Standards in
Bezug auf demokratische Wahlprozesse abgelaufen ist.

7. Am 29. Juni 2006 hat die Versammlung die Entschließung 1514 (2006) betreffend die
Folgen des Referendums in Montenegro verabschiedet.

8. Ein Ad-hoc-Ausschuss der Versammlung hat die Parlamentswahlen am 10. September
2006 in Montenegro beobachtet. In seinen Schlussfolgerungen hat der Ad-hoc-Ausschuss
unterstrichen, dass „die Parlamentswahlen […] weitestgehend im Einklang mit den Standards
des Europarates und mit den anderen internationalen Standards für demokratische Wahlen
durchgeführt wurden“.

9. In zwei Schreiben von Herrn Miodrag Vlahovic, dem Außenminister von Montenegro,
an den Generalsekretär des Europarates, Herrn Terry Davis, mit Datum vom 6. und 12. Juni
1 Debatte der Versammlung am 17. April 20007 (12. Sitzung) (siehe Dok. 11204, Bericht des Politischen
Ausschusses, Berichterstatter: Herr Gardetto, Dok. 11205, Stellungnahme des Ausschusses für Recht und
Menschenrechte, Berichterstatter: Herr Jurgens und Dok. 11207, Stellungnahme des Ausschusses für die
Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen
(Monitoringausschuss), Berichterstatter: Herr Holovaty).

Von der Versammlung am 17. April 2007 verabschiedeter Text (12. Sitzung)

Drucksache 16/7706 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2006 hat Montenegro bekanntgegeben, dass es als ein neuer unabhängiger Staat: „seinen
Nachfolgerstatus in Bezug auf alle Übereinkommen, Chartas oder Vereinbarungen des
Europarates, denen Serbien und Montenegro als Vertragspartei oder Mitglied angehörten,
sowie in Bezug auf alle Teilabkommen gemäß den Bedingungen, einschließlich der
finanziellen, die in jedem einzelnen festgelegt sind und die in Bezug auf sein Staatsgebiet
rechtsgültig waren, festlegen wolle“.

10. Die Versammlung begrüßt die Absicht der Behörden der Republik Montenegro, ihren
Verpflichtungen gemäß den völkerrechtlichen Verträgen und anderen Abkommen, denen die
Staatenunion von Serbien und Montenegro als Vertragspartei angehörte, nachzukommen. Die
Versammlung nimmt insbesondere in diesem Zusammenhang mit Genugtuung zur Kenntnis,
dass sich Montenegro seit dem 3. Juni 2006 durch die sich aus der Europäischen
Menschenrechtskonvention ergebenden Verpflichtungen gebunden sieht.

11. Die Versammlung stellt fest, dass Montenegro Unterzeichnerstaat oder Vertragspartei
der so genannten offenen Übereinkommen ist, die unterzeichnet und/oder ratifiziert wurden,
als es Teil der Staatenunion von Serbien und Montenegro war. Dies betrifft insbesondere das
Rahmenübereinkommen zum Schutze nationaler Minderheiten (ETS Nr. 157) und das
Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder
erniedrigender Behandlung oder Strafe (ETS Nr. 126).

12. In Bezug auf die Erklärung der Republik Montenegro hinsichtlich der Nachfolge zu
den Teilabkommen, denen Serbien und Montenegro als Vertragspartei angehörten, stellt die
Versammlung fest, dass die Republik Montenegro ipso facto Vertragspartei des erweiterten
Teilabkommens ist, mit dem die Staatengruppe zur Bekämpfung von Korruption (GRECO)
errichtet wurde, dass es Mitglied des Europäischen Arzneibuches ist, Mitglied des
Teilabkommens über die Jugendkarte zum Zweck der Förderung und Erleichterung der
Jugendmobilität in Europa, Mitglied des erweiterten Teilabkommens zur Errichtung der
Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) und Mitglied
von „EURIMAGES“.

13. Mit Beschluss vom 14. Juni 2006 hat das Ministerkomitee entschieden, dass sich die
Republik Montenegro als vorübergehende Maßnahme als Beobachter an allen
zwischenstaatlichen Sachverständigenausschüssen beteiligen könne, an denen es ein Interesse
zum Ausdruck gebracht hat, und hat beschlossen, dass vorbehaltlich der Prüfung des Antrags
der Republik Montenegro auf Mitgliedschaft beim Europarat, die Vertreter der Regierung der
Republik Montenegro eingeladen werden würden, an den Sitzungen des Ministerkomitees
teilzunehmen.

14. Die Versammlung ihrerseits hat mit ihrer Entschließung 1514 (2006) beschlossen, bis
zu einem Beschluss über die Mitgliedschaft von Montenegro im Europarat, die Beteiligung
einer Ad-hoc-Delegation des Parlamentes von Montenegro auf Anforderung an ihren
Aktivitäten zuzulassen.

15. Die Versammlung begrüßt die von Montenegro in der Zwischenzeit in vielen
Bereichen erzielten Fortschritte und den von seinen Behörden zum Ausdruck gebrachten
Willen, den Reformprozess fortzusetzen. Diese Verpflichtung muss nun in die Praxis
umgesetzt werden durch Maßnahmen zur Umsetzung und Beschleunigung von Reformen.

16. Die Versammlung ist der Auffassung, dass sobald Montenegro dem Europarat
beigetreten ist, die bestehenden und zukünftigen gezielten Kooperations- und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/7706

Unterstützungsprogramme darauf ausgerichtet werden sollten, Montenegro bei der Einhaltung
der von ihm eingegangenen Verpflichtungen zu unterstützen, und dass das Büro des
Sekretariats des Europarates in Podgorica zu diesem Zwecke ausgebaut werden soll.

17. Die Versammlung nimmt die vom Parlamentspräsidenten der Republik Montenegro,
dem Premierminister der Republik Montenegro und den Leitern der im Parlament vertretenen
politischen Gruppen unterzeichnete Erklärung vom 8. Februar 2007 in Bezug auf die sieben
Mindestprinzipien, die in die Verfassung der Republik Montenegro aufgenommen werden
sollen, zur Kenntnis und begrüßt sie.

18. Die Versammlung ist der Auffassung, dass die Aufnahme dieser sieben Prinzipien in
die Verfassung integraler Bestandteil der Verpflichtungen der Republik Montenegro ist.

19. Die Versammlung nimmt das Schreiben des Außenministers von Montenegro mit
Datum vom 6. Juni 2006 sowie das vom Präsidenten, dem Premierminister und dem
Parlamentspräsidenten von Montenegro mit Datum vom … 2007 datierte Schreiben zur
Kenntnis und stellt fest, dass die Republik Montenegro entschlossen ist, folgende
Verpflichtungen zu erfüllen:

19.1. Übereinkommen:
19.1.1. schriftlich spätestens zum Zeitpunkt des Beitrittes zu bekräftigen, dass
kraft der in den Schreiben vom 6. und 12. Juni 2006 des Außenministers der Republik
Montenegro an den Generalsekretär des Europarates festgelegten Notifizierung der
Nachfolge Montenegro sich mit Wirkung vom 6. Juni 2006 verpflichtet sieht durch:

19.1.1.1. die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (EMRK) und die Protokolle Nr. 1, 4, 6, 7, 12, 13 und
14 zu der Konvention und das Europäische Übereinkommen zur
Bekämpfung des Terrorismus (ETS Nr. 090);

19.1.2. dem Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des
Europarates (ETS Nr. 002) und seinen Protokollen 1 und 6 spätestens innerhalb eines
Jahres beizutreten;

19.1.3. das Übereinkommen über die Vermeidung von Staatenlosigkeit in
Zusammenhang mit Staatennachfolge (ETS Nr. 200) zum Zeitpunkt seines Beitritts
unverzüglich zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

19.1.4. die Konvention des Europarates gegen Menschenhandel (ETS Nr. 197)
innerhalb von einem Jahr nach seinem Beitritt zu ratifizieren;

19.1.5. innerhalb von zwei Jahren nach seinem Beitritt das Europäische
Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten (ETS Nr. 160) zu
unterzeichnen und zu ratifizieren;

19.1.6. innerhalb von zwei Jahren nach seinem Beitritt das Europäische
Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit zu unterzeichnen und zu ratifizieren
(ETS Nr. 166);

19.1.7. unverzüglich und spätestens innerhalb von zwei Jahren nach seinem
Beitritt die Europäische Sozialcharta (revidiert) (ETS Nr. 163) zu ratifizieren und sich

Drucksache 16/7706 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ab sofort zu bemühen, eine Politik zu verfolgen, die im Einklang mit den in dieser
Charta festgelegten Prinzipien steht;

19.1.8. innerhalb von einem Jahr nach seinem Beitritt das Zusatzprotokoll zum
Europäischen Übereinkommen über die Bekämpfung von Terrorismus (ETS Nr. 190)
zu ratifizieren;

19.1.9 innerhalb von einem Jahr nach seinem Beitritt das Übereinkommen des
Europarates zur Verhütung des Terrorismus (CETS Nr. 196) zu ratifizieren;

19.1.10. das Übereinkommen des Europarates über Geldwäsche, Terrorismus,
Finanzierung sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus
Straftaten (CETS Nr. 198) innerhalb von einem Jahr nach seinem Beitritt zur
ratifizieren;

19.1.11. innerhalb von zwei Jahren nach seinem Beitritt das
Zivilrechtsübereinkommen über Korruption (ETS Nr. 174) zu ratifizieren;

19.1.12. innerhalb von zwei Jahren nach seinem Beitritt das Zusatzprotokoll
zum Strafrechtsübereinkommen über Korruption (ETS Nr. 191) zu unterzeichnen und
zu ratifizieren;

19.1.13. unverzüglich und spätestens innerhalb von einem Jahr nach seinem
Beitritt die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung (ETS Nr. 122) zu
ratifizieren;

19.1.14. innerhalb von zwei Jahren nach seinem Beitritt das Europäische
Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen
Gebietskörperschaften (ETS Nr. 106) sowie seine Protokolle zu unterzeichnen und zu
ratifizieren;

19.1.15 das Übereinkommen über Computerkriminalität (ETS Nr. 185) sowie
sein Zusatzprotokoll (ETS Nr. 189) innerhalb von drei Jahren nach seinem Beitritt zu
ratifizieren;

19.1.16. um die wirksame Verfolgung von Kriegsverbrechen sicherzustellen und
eine bestmögliche regionale Zusammenarbeit in dieser Hinsicht zu gewährleisten:

19.1.16.1. innerhalb von zwei Jahren nach seinem Beitritt das
Europäische Übereinkommen über die internationale Geltung von
Strafurteilen (ETS Nr. 070) zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

19.1.16.2. innerhalb von zwei Jahren nach seinem Beitritt das
Europäische Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von
Gewalttaten (ETS Nr. 116) zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

19.1.16.3. innerhalb von zwei Jahren nach seinem Beitritt das
Europäische Übereinkommen über die Unverjährbarkeit von
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen (ETS Nr.
082) zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/7706

19.1.16.4. die restriktiven Erklärungen im Ratifizierungsinstrument
des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (ETS Nr. 024),
wonach Montenegro sich weigert, Staatsangehörige auszuliefern, zu
überprüfen;

19.1.16.5. innerhalb von zwei Jahren nach seinem Beitritt das
zweite Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über
Rechtshilfe in Strafsachen (ETS Nr. 182) zu ratifizieren.

19.2. Verfassungsreform:

19.2.1. die Verfassungsreform rasch zu Ende zu führen und eine neue
Verfassung innerhalb von höchstens einem Jahr zu verabschieden in enger
Zusammenarbeit mit der Venedig-Kommission und in voller Übereinstimmung mit
den internationalen Standards und in diesem Zusammenhang die folgenden sieben
Mindestprinzipien aufzunehmen, die bereits in der Erklärung vom 8. Februar 2007,
unterzeichnet durch den Parlamentspräsidenten der Republik Montenegro, den
Premierminister und die Leiter der im Parlament vertretenden politischen Gruppen
gebilligt wurden, in die Verfassung aufzunehmen:

19.2.1.1. die Republik Montenegro ist ein ziviler Staat, basierend
auf staatsbürgerlichen Grundsätzen, welche die Gleichheit aller
Menschen garantieren, und nicht basierend auf der Gleichheit der
konstitutiven Volksgruppen;

19.2.1.2. die Unabhängigkeit der Justiz muss garantiert sein, und
die zwingende Notwendigkeit, dass jegliche Beteiligung der politischen
Institutionen bei Entscheidungen hinsichtlich der Ernennung und
Entlassung von Richtern und Staatsanwälten ausgeschlossen wird, muss
anerkannt werden;

19.2.1.3. um Interessenskonflikte zu vermeiden, sollten die Rolle
und die Aufgaben der Generalstaatsanwaltschaft nicht sowohl die
Anwendung von Rechtsmitteln zum Schutze der Verfassungs- und
Gesetzmäßigkeit als auch die Vertretung der Republik in Rechts- und
Sachrechtsangelegenheiten beinhalten;

19.2.1.4. der wirksame Schutz der Menschenrechte in der
Verfassung muss gewährleistet sein. Die Verfassung sollte die
unmittelbare Anwendung der Menschen- und Minderheitenrechte
vorsehen, wie es die Charta der Menschen- und Minderheitenrechte von
Serbien und Montenegro vorsah. Die Verfassungsreform muss daher
zumindest den gleichen Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten beinhalten wie er in der Charta gegeben war,
einschließlich in Bezug auf die Rechte von Minderheiten;

19.2.1.5. die Todesstrafe ist zu jeder Zeit verboten;

19.2.1.6. die Verfassung sollte Übergangsbestimmungen für die
rückwirkende Anwendung des Menschenrechtsschutzes auf zurück-
liegende Ereignisse vorsehen. Sie sollte ebenfalls Bestimmungen für die

Drucksache 16/7706 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

rückwirkende Anwendung der Europäischen
Menschenrechtskonvention und ihrer Protokolle vorsehen;

19.2.1.7 die Verfassung sollte den Status der Streitkräfte, der
Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste von Montenegro und die
Möglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle regeln. Sie sollte
vorsehen, dass die Position des Oberkommandierenden einem Zivilisten
obliegt;

19.2.2. ebenfalls in die Verfassung aufgenommen werden sollte:

19.2.2.1. eine Vorkehrung, die die unmittelbare Anwendung
völkerrechtlicher Verträge im innerstaatlichen Recht, insbesondere im
Bereich der Menschen- und Minderheitenrechte, vorsieht;

19.2.2.2. eine Bestimmung, die das Recht auf wirksame
Beschwerde vorsieht, wie in Artikel 13 der Europäischen
Menschenrechtskonvention vorgesehen;

19.2.2.3. das Mandat, das Ernennungsverfahren und Garantien für
die Unabhängigkeit des Ombudsmanns;

19.2.2.4. eine Bestimmung, die das Fortbestehen geltenden Rechts
sicherstellt, es sei denn, dass dieses Recht durch den normalen
demokratischen Prozess geändert wird, in voller Anerkennung des
Prinzips der Rechtssicherheit;

19.2.2.5. Vorkehrungen, die den Notstandsfall definieren, seine
Ausrufung, die daraus entstehenden rechtlichen Folgen und die
Kontrollbefugnisse des Parlamentes;

19.2.2.6. eine klare Definition der kommunalen Selbstverwaltung
auf der Grundlage der Prinzipien der Europäischen Charta der
kommunalen Selbstverwaltung.

19.3. Innerstaatliches Rechtssystem:

19.3.1. weiterhin die Vereinbarkeit ihrer bestehenden und zukünftigen
innerstaatlichen Rechtsnormen mit der EMRK und den Standards des Europarates
unter Hinzuziehung seines Expertenwissens zu überprüfen;

19.3.2. den Abschluss der Reformen zu beschleunigen, um sicherzustellen, dass
Gerichte und Staatsanwaltschaften professionell und unabhängig arbeiten und das
Verfahren für die Ernennung und Entlassung von Richtern und Anwälten die
Unabhängigkeit der Justiz respektieren;

19.3.3. die erforderlichen Schritte zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das
Richterrecht des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes von den nationalen
Gerichtshöfen berücksichtigt wird;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/7706

19.3.4. das Verfassungsgericht und die Justiz insgesamt mit einer
ausreichenden Finanzgrundlage zu versehen;

19.3.5. im Einklang mit Artikel 13 der EMRK eine wirksame
Beschwerdemöglichkeit einzuführen, ausgerichtet auf Verfahrensbeschleunigung oder
Schadensausgleich – gegen überlange Verfahrensdauer bei nationalen Gerichten;

19.3.6. ein Gesetz zu verabschieden, das es einem Opfer, dessen Rechte nach
der EMRK verletzt wurden, gestattet, in geeigneten Fällen eine Überprüfung oder eine
Wiederaufnahme des Falls auf nationaler Ebene zu fordern;

19.3.7. unverzüglich sicherzustellen, dass Antikorruptionsgesetze
verabschiedet werden, dass die Empfehlungen und Schlussfolgerungen von GRECO
umgesetzt werden und die Verwaltungsfähigkeiten im Bereich der
Antikorruptionspolizeikräfte verbessert werden;

19.3.8. das Büro des Staatsanwaltes zur Bekämpfung des organisierten
Verbrechens zu verstärken;

19.3.9. das Gesetz über Interessenskonflikte im Einklang mit den europäischen
Normen zu ändern und Gesetze in Bezug auf politische Parteien und die Finanzierung
politischer Parteien zu verabschieden und umzusetzen und dabei Transparenz und
Rechenschaftspflicht sicherzustellen;

19.3.10. schnellstmöglich die Haushaltsmittel des Parlamentes ebenso wie seine
Verwaltungsfähigkeit zu erhöhen;

19.3.11. die Regierungsstrukturen, die für die kommunale Selbstverwaltung
zuständig sind, zu verstärken, insbesondere im Hinblick auf Verwaltungskontrolle,
und Gesetze und Bestimmungen in Bezug auf die Aufstellung kommunaler Haushalte,
Ausgleichspläne und die Übertragung sektoraler Zuständigkeiten auf kommunale
Körperschaften zu ändern;

19.3.12. unverzüglich ein Gesetz über Nichtdiskriminierung zu verabschieden,
welches garantiert, dass niemand diskriminiert wird auf Grund des Geschlechts, der
Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der sexuellen Veranlagung, der
Behinderung, der politischen oder anderen Meinung, der nationalen oder sozialen
Herkunft, der Angehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Besitzes, der Geburt
oder eines anderen Status;

19.3.13. alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichheit zwischen
Mann und Frau vor dem Gesetz, in der Familie, in der Gesellschaft, der Wirtschaft und
in der Politik sicherzustellen;

19.3.14. alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere gesetzliche
Maßnahmen, um die Resolutionen und andere Instrumente des Europarates zum
Schutz von Kindern und Behinderten umzusetzen und um jene Menschen in die
Gesellschaft zu integrieren;

Drucksache 16/7706 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

19.3.15 schnellstmöglich und im Einklang mit den Standards des Europarates
die Gesetze über Ausweispapiere, Staatsbürgerschaft, über den Aufenthaltsort und
über Ausländer zu verabschieden;

19.3.16 das Wahlgesetz zu ändern, insbesondere die Bestimmung in Bezug auf
das System der Zuweisung von Sitzen für Listen der politischen Parteien, und
sicherzustellen, dass es für Wähler nicht missverständlich ist;

19.3.17. Reformen zu beschleunigen in Bezug auf die Medien, um deren
Unabhängigkeit sicherzustellen und die Umsetzung des Gesetzes über den Zugang zu
öffentlichen Informationen zu gewährleisten;

19.3.18. dem öffentlichen Rundfunk- und Fernsehsystem die notwendigen
finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit es seinen Aufgaben nachkommen
kann;

19.4. Menschenrechte:

19.4.1. die Unabhängigkeit der Institution des Ombudsmannes zu respektieren
und seine Aktivitäten zu unterstützen, nicht zuletzt durch angemessene Finanzmittel
und seinen Empfehlungen nachzukommen;

19.4.2. sicherzustellen, dass die Gesetze in Bezug auf die Wahrung der
Menschen- und Minderheitenrechte rasch umgesetzt werden und dass ihre Umsetzung
durch unabhängige Institutionen überwacht wird;

19.4.3. alle notwendigen Schritte zu ergreifen, um die ständige, sichere und
dauerhafte Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen sicherzustellen und um
Entschädigungen für Flüchtlingsfamilien sicherzustellen, die
Menschenrechtsverletzungen erlitten haben:

19.4.4. alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass
Asylgesetze in vollem Einklang mit den Genfer Abkommen von 1951 und ihrem
Protokoll aus dem Jahre 1977 stehen;

19.4.5. Flüchtlingen und Vertriebenen Ausweispapiere auszustellen und alle
diskriminierenden Bestimmungen im Bereich Beschäftigung, Bildung, Zugang zu
Eigentumsrechten, Rechtsbehelf und Zugang zur Staatsbürgerschaft und zu den
Gesundheitsdiensten aufzuheben;

19.4.6. ein Gesetz über die Staatsbürgerschaft in Kraft zu setzen und
umzusetzen, um Staatenlosigkeit zu verhindern im Einklang mit den einschlägigen
Instrumenten des Europarates und sich insbesondere der Situation der vertriebenen
Personen aus dem Kosovo anzunehmen;

19.4.7. die Bildungsreform fortzuführen, um alle Arten von Diskriminierung
auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit zu beseitigen und Vorkehrungen zu treffen,
um die Prinzipien von Toleranz und Respektierung von Anderen mit allen ihren
Unterschiedlichkeiten in Schulen zu unterrichten;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/7706

19.4.8. die Strategie und den Aktionsplan für die Integrierung der Roma
umzusetzen;

19.4.9. die Verhältnisse in den Gefängnissen zu verbessern, insbesondere im
Hinblick auf schutzbedürftige Gruppen, wie z. B. jugendliche Straftäter und jene, die
eine psychiatrische Betreuung benötigen;

19.4.10 Maßnahmen zu ergreifen, um die unverzügliche Einleitung von
unabhängigen, unparteiischen und wirksamen Untersuchungen über Anschuldigungen
von Folter und anderer Misshandlung sicherzustellen, insbesondere Anschuldigungen,
die von Personen erhoben wurden, die von der Polizei inhaftiert wurden, damit die
Verursacher derartiger Behandlung strafrechtlich verfolgt werden und die Opfer
unverzüglich einen angemessenen Schadensausgleich erhalten;

19.4.11. Anstrengungen zu verstärken zur Bekämpfung von Menschenhandel
und angemessene Hilfe und Unterstützung für die Opfer zur Verfügung zu stellen;

19.4.12. wirksame Untersuchungen durchzuführen im Einklang mit dem
Richterrecht des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes über ungelöste Fälle in
Verbindung mit den bewaffneten Konflikten im ehemaligen Jugoslawien;

19.4.13. umfassend mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige
Jugoslawien zusammenzuarbeiten, insbesondere im Hinblick auf die Suche und die
Festnahme von Verurteilten, die sich immer noch auf freiem Fuß befinden, und
Programme umzusetzen, um der Bevölkerung zu helfen, deren Zielsetzungen zu
verstehen und zu akzeptieren;

19.5. Einhaltung von Verpflichtungen:

19.5.1. umfassend bei der Umsetzung der Entschließung 1115 (1997) der
Versammlung über die Einsetzung eines Ausschusses der Versammlung für die
Überwachung der Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates
eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen (Monitoringausschuss) und beim
Monitoringverfahren, das im Einklang mit dem Beschluss des Ministerkomitees vom
10. November 19994 (95. Sitzung) eingeführt wurde, zusammenzuarbeiten.

20. Im Lichte der zuvor aufgeführten Feststellungen ist die Versammlung der Auffassung,
dass Montenegro in der Lage und bereit ist, im Einklang mit Artikel 4 der Satzung des
Europarates die Bestimmungen von Artikel 3 zu erfüllen, der die Voraussetzungen für die
Mitgliedschaft beim Europarat festlegt: „Jedes Mitglied des Europarates erkennt den
Grundsatz der Vorherrschaft des Rechtes und den Grundsatz an, dass jeder, der seiner
Hoheitsgewalt unterliegt, der Menschenrechte und Grundfreiheiten teilhaftig werden soll. Es
verpflichtet sich, bei der Erfüllung der in Kapitel I bestimmten Aufgaben aufrichtig und
tatkräftig mitzuarbeiten.“

21. Um sicherzustellen, dass diese Verpflichtungen eingehalten werden, hat die
Versammlung beschlossen, die Lage in Montenegro, beginnend mit seinem Beitritt und im
Einklang mit ihrer Entschließung 1115, zu überwachen.

22. Auf der Grundlage der zuvor festgelegten Verpflichtungen empfiehlt die
Versammlung dem Ministerkomitee:

Drucksache 16/7706 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

22.1. Montenegro einzuladen, Mitglied des Europarates zu werden;

22.2. Montenegro drei Sitze in der Parlamentarischen Versammlung zuzuweisen.

23. Um der Republik Montenegro die Möglichkeit zu geben, ihren Pflichten und
Verpflichtungen nachzukommen, empfiehlt die Versammlung dem Ministerkomitee:

23.1. in einen politischen Dialog einzutreten, um die politische, finanzielle und technische
Unterstützung für die notwendigen Reformen zu verbessern;

23.2. vorrangige Bereiche für die Kooperationsprogramme festzulegen.

Stellungnahme Nr. 262 (2007)2

betr. das Memorandum of Understanding zwischen dem Europarat und der
Europäischen Union

1. Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen und
Organisationen sowie eine entsprechende Koordinierung ihrer Maßnahmen sind notwendige
Voraussetzungen für den Erfolg des Aufbaus Europas. Dies erfordert eine klare
Arbeitsteilung, die Vermeidung von Überschneidungen und die Schaffung eines
konstruktiven Dialogs über politische Fragen mit dem Ziel, gemeinsame Prioritäten
festzulegen und soweit möglich gemeinsame Strategien zu erarbeiten.

2. Die Beziehungen zwischen dem Europarat und der Europäischen Union sind
angesichts ihrer gemeinsamen Interessenbereiche und teilweise überschneidender
Mitgliedschaften in dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung.

3. Die Parlamentarische Versammlung hat ihre Auffassungen zu diesen Beziehungen bei
mehreren Anlässen zum Ausdruck gebracht und bezieht sich in diesem Zusammenhang auf
ihre Empfehlungen 1693 (2005) betr. den 3. Gipfel, 1712 (2005) über die Weiterverfolgung
des 3. Gipfels und 1743 (2006) betr. das Memorandum of Understanding zwischen dem
Europarat und der Europäischen Union sowie 1744 (2006) über die vorgeschlagene
Europäische Grundrechteagentur.

4. Die Versammlung verweist darauf, dass sich die Staats- und Regierungschefs auf dem
3. Gipfel des Europarates, der vom 16. – 17. Mai 2005 in Warschau stattfand, verpflichtet
haben, „zu gewährleisten, das sich der Europarat und die anderen Organisationen, die an der
Schaffung eines demokratischen und sicheren Europas beteiligt sind, bestmöglich zu ergänzen
und einen neuen Rahmen für eine stärkere Zusammenarbeit und einen besseren Austausch
zwischen dem Europarat und der Europäischen Union schaffen, vor allem in den Bereichen,
in denen beide Organisationen gleichermaßen aktiv sind, wie beim Schutz der
Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit“. Zu diesem Zweck wurde
beschlossen, ein Memorandum of Understanding zwischen diesen beiden Institutionen zu
2 Debatte der Versammlung am 19. April 2007 (17. Sitzung) (siehe Dok. 11244, Bericht des Politischen
Ausschusses, Berichterstatter: Herr Ates).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 19. April 2007 (17. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/7706

erarbeiten, „um einen neuen Rahmen für verstärkte Zusammenarbeit und politischen Dialog
zu schaffen“.

5. Darüber hinaus beauftragten die Staats- und Regierungschefs den luxemburgischen
Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker persönlich damit, einen Bericht über die
Beziehungen zwischen dem Europarat und der Europäischen Union auf der Grundlage der auf
dem Gipfel getroffenen Entscheidungen und unter Berücksichtigung der Bedeutung der
menschlichen Dimension beim Aufbau Europas zu verfassen. Dieser Bericht wurde der
Versammlung am 11. April 2006 vorgelegt.

6. Die Versammlung erkennt an, dass das Ministerkomitee viel Zeit damit verbracht hat,
den Entwurf des Memorandum of Understanding zu erörtern und vorzubereiten, bedauert
jedoch, dass er ihr erst am 10. April vorgelegt wurde und damit die Möglichkeiten für die
Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung, sich damit zu befassen, auf ein Minimum
begrenzt wurden. Sie würdigt ebenfalls die Bereitschaft des Ministerkomitees, die
Versammlung an seiner Arbeit zu beteiligen.

7. Die Versammlung würdigt die Bereitschaft des Ministerkomitees, die Versammlung
an seiner Arbeit zu beteiligen, bedauert jedoch, dass das Ministerkomitee keine Gründe dafür
angegeben hat, warum es so viele der wesentlichen Empfehlungen des Juncker-Berichts und
die Äußerungen der Versammlung hierzu zurückgewiesen hat

8. Die Versammlung erwartet, dass der Entwurf des Memorandums, der ihr zur
Stellungnahme vorgelegt wurde, keine weiteren Änderungen erfahren wird mit Ausnahme
jener, die sich eventuell aus den Vorschlägen der Versammlung ergeben.

9. Sollte das Ministerkomitee jedoch die wesentlichen im vorliegenden Text
vorgeschlagenen Änderungen nicht akzeptieren, ist die Versammlung der Auffassung, dass
das Memorandum nicht im Einklang mit den Verpflichtungen des Warschauer Gipfels und
dem Juncker-Bericht steht und daher zu keinem Mehrwert führen würde.

10. Der Entwurf des Memorandums ist ein wichtiges Dokument, und seine Ausarbeitung
wird von der Versammlung begrüßt. Er enthält eine Reihe von Regelungen, welche den
derzeitigen Status der Beziehungen zwischen beiden Institutionen verbessern könnten.

11. Gleichzeitig ist die Versammlung jedoch enttäuscht über den Gesamtinhalt des
Entwurfs des Memorandums. Es enthält keine präzisen und konkreten Verpflichtungen,
welche die Parteien verpflichten, wesentliche zusätzliche Anstrengungen in Hinblick auf eine
verstärkte Zusammenarbeit zu unternehmen. Es enthält keinen innovativen oder ehrgeizigen
Ansatz hinsichtlich von Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Aufbau Europas. Er
spiegelt nicht wirklich eine politische Entschlossenheit wider, den Prozess der
Zusammenarbeit voranzubringen. Daher wird es nicht den Weg für eine erweiterte und
intensivere Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen bereiten.

12. Darüber hinaus spiegelt der Textentwurf nur auf unzureichende Weise die Vorschläge
und Empfehlungen, die im Juncker-Bericht enthalten sind, und die Vorschläge der
Versammlung wider, welche von ihren Präsidenten und Vertretern bei mehreren
Gelegenheiten im Entwurfsprozess eingebracht wurden.

13. In diesem Zusammenhang stellt die Versammlung fest, dass die Zusammenarbeit
zwischen der Versammlung und dem Ministerkomitee in dieser Frage nicht auf die

Drucksache 16/7706 – 18 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beteiligung von Vertretern der Versammlung an Treffen des Follow-up Ausschusses über den
3. Gipfel begrenzt werden kann. Falls die Zusammenarbeit aussagekräftig sein soll, muss bei
der endgültigen Fassung dieses Dokumentes auch die Position der Versammlung
berücksichtigt werden.

14. Die Versammlung stellt fest, dass die Zusammenarbeit zwischen den beiden
Institutionen auf parlamentarischer Ebene (die Parlamentarische Versammlung und das
Europäische Parlament) Gegenstand eines separaten Dokumentes ist, das von den jeweiligen
Präsidenten unterzeichnet werden soll.

15. Die Versammlung ist der Auffassung, dass der Entwurf des Memorandums in der
derzeitigen Formulierung verbessert und ergänzt werden muss, um den im Juncker-Bericht
formulierten Empfehlungen Rechnung zu tragen sowie den Stellungnahmen, die zu früheren
Zeitpunkten von der Parlamentarischen Versammlung und ihrem Präsidenten geäußert
wurden. (…)

Stellungnahme Nr. 263 (2007)3

betr. den Entwurf eines Übereinkommens zum Schutze von Kindern vor sexueller
Ausbeutung und sexuellem Missbrauch4

1. Die Parlamentarische Versammlung begrüßt die rasche Ausarbeitung des
Übereinkommensentwurfes über den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und
sexuellem Missbrauch. Sie hält diesen Entwurf für einen wesentlichen Schritt in Richtung
Schutz von Kindern vor einer besonders abscheulichen Art von Missbrauch. Sie vertritt
ebenso die Auffassung, dass der Name des Europarates im Titel des Übereinkommens
erwähnt werden sollte.

2. Das zukünftige Übereinkommen steht voll und ganz im Einklang mit einer über lange
Jahre verfolgten Priorität der Parlamentarischen Versammlung und des Europarates
insgesamt: Aufbau eines Europas für und mit Kindern. Es stellt einen notwendigen, wenn
auch unzureichenden Beitrag zur Bekämpfung aller Formen von Gewalt, Ausbeutung und
Missbrauch unter denen Kinder leiden dar. In der Tat hat die Versammlung in der
Empfehlung 1778 (2007) das Ministerkomitee nachdrücklich aufgefordert: „mit der
Parlamentarischen Versammlung eng zusammenzuarbeiten, ihre zuständigen
Regierungsausschüsse anzuweisen […] einen Übereinkommensentwurf zu erarbeiten, dessen
Ziel darin besteht, Kindern umfassenden und wirksamen Schutz vor allen Formen von
Gewalt, Ausbeutung oder Missbrauch zu bieten […]“. Da sexuelle Ausbeutung und
Missbrauch von Kindern zu den am meisten zu verabscheuenden Formen von Ausbeutung
und Missbrauch von Kindern gehören, stellt der Übereinkommensentwurf einen wesentlichen
Schritt auf dem Weg zu dem von der Versammlung geforderten umfassenden Schutz von
Kindern dar.
3 Debatte der Versammlung am 20. April 2007 (18. Sitzung) (siehe Dok. 11256, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Herr Gardetto und Dok. 11262, Bericht des Ausschusses für
Sozialordnung, Gesundheit und Familie, Berichterstatterin: Frau Vermot-Mangoed).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 20. April 2007 (18. Sitzung).
4 Siehe Dok. 11209 rev.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/7706

3. Die Versammlung begrüßt die im Übereinkommensentwurf getroffene Regelung eines
Überwachungsmechanismus, weshalb sie das Ministerkomitee auffordert, angemessene
Ressourcen zur Verfügung zu stellen und dabei den Umfang und die Bedeutung des
Aufgabenbereiches des Ausschusses der Vertragsparteien (Committee of Parties) nach
Artikel 41 zu berücksichtigen.

4. In Bezug auf die Artikel 20, 21, 24 und 25 des Übereinkommensentwurfes, die
Vorbehalte ermöglichen, die in bestimmten Fällen den Schutz von Kindern, bei denen die
Gefahr einer sexuellen Ausbeutung und eines Missbrauchs besteht, in strafrechtlicher Hinsicht
schwächen könnten, bedauert die Versammlung, dass es zur Erzielung einer breiten Mehrheit
unter den Regierungsvertretern notwendig war, solche „Ausweichklauseln“ in den Entwurf
aufzunehmen. Sie empfiehlt dem Ministerkomitee, diese Klauseln zu streichen. Falls dies
nicht gelingt, empfiehlt sie allen Mitgliedstaaten, diesem Übereinkommen beizutreten ohne
Vorbehalte einzulegen, und sie fordert die nationalen Parlamente auf, in dieser Hinsicht
wachsam zu sein.
(…)

Entschließung 1545 (2007)5

betr.: die Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen
durch Aserbaidschan

1. Aserbaidschan trat am 25. Januar 2001 dem Europarat bei und unterliegt seit seinem
Beitritt einem Überwachungsverfahren durch die Parlamentarische Versammlung, das zur
Annahme der Entschließungen 1305 (2002), 1358 (2004), 1398 (2004) und 1456 (2005)
geführt hat.

2. Darüber hinaus wies die Versammlung ihren Überwachungsausschuss in der im Juni
2006 verabschiedeten Entschließung 1505 (2006) über die Umsetzung der Entschließung
1480 (2006) betreffend die Anfechtung der Beglaubigungsurkunden der parlamentarischen
Delegation Aserbaidschans an, die Entwicklungen in dem Land genau zu verfolgen und in der
Frühjahrssitzung 2007 über die Fortschritte bei der Einhaltung der Pflichten und
Verpflichtungen durch Aserbaidschan einschließlich der Entwicklungen bei der
Wahlrechtsreform zu berichten.

3. Im Anschluss an die Wahlen vom November 2005 kam es zu einer weiteren
Schwächung der Opposition innerhalb wie außerhalb des Parlaments und nur noch
begrenztem Interesse der Öffentlichkeit am politischen Leben in dem Land. Ungeachtet
gegenteiliger Aufrufe der Versammlung lehnen eine Reihe von Oppositionsangehörigen es ab,
ihre Sitze im Parlament einzunehmen oder boykottierten die Teilnachwahlen vom Mai 2006.
Anschließende Spaltungen innerhalb der Opposition haben deren Stellung zusätzlich
geschwächt. Es ist dringend erforderlich, einen Dialog zwischen der herrschenden Mehrheit
und der Opposition innerhalb wie außerhalb des Parlaments aufzunehmen, wenn das
politische Klima in dem Land verbessert werden soll.
5 Debatte der Versammlung am 16. April 2007 (11. Sitzung) (siehe Dok. 11226) Bericht des Ausschusses für die
Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen
(Monitoringausschuss), Ko-Berichterstatter: Herr Herkel und Herr Lloyd).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 16. April 2007 (11. Sitzung).

Drucksache 16/7706 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Das wie eine Drehscheibe zwischen Europa und Asien gelegene Aserbaidschan mit
seiner stark wachsenden Volkswirtschaft wird zurzeit zu einem der großen strategischen
Akteure in der Region. Obwohl Aserbaidschan beim Wirtschaftswachstum den Weltrekord
hält, leben immer noch 25% seiner Bevölkerung in Armut. Die ständig zunehmende
Korruption birgt das Risiko in sich, die wirtschaftliche Entwicklung zu gefährden.

5. Auf dem Gebiet der europäischen Integration wurde am 14. November 2006 mit der
Europäischen Union im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik ein Aktionsplan
unterzeichnet. Die Versammlung begrüßt es, dass der Aktionsplan auf die internationalen
Verpflichtungen des Landes – auch gegenüber dem Europarat – in den Bereichen Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte verweist.

6. Was die Pflichten und Verpflichtungen Aserbaidschans auf dem Gebiet der
Demokratie angeht,

6.1. stellt die Versammlung fest, dass das aserbaidschanische Parlament seit dem Beitritt
zum Europarat verstärkt als Forum für politische Aussprachen und Instrument für das
Vorantreiben demokratischer Reformen dient. Es bleibt jedoch noch viel zu tun, um die
parlamentarische Kontrolle über die Exekutive auszubauen und in einem von einem starken
Präsidialsystem geprägten Staat die wechselseitige Kontrolle der drei Gewalten zu verbessern.
Die Versammlung bittet deshalb die Behörden Aserbaidschans, zu gegebener Zeit die
Möglichkeit einer Verfassungsänderung zu erwägen, um das Machtgleichgewicht zu
verbessern und die Rolle des Parlaments mit Unterstützung durch die Venedig-Kommission
des Europarats zu stärken;

6.2. wünscht die Versammlung sich außerdem eine Weiterentwicklung der Arbeit der
Parlamentsausschüsse. Wichtige Fragen, wie die in Verbindung mit der Einhaltung der beim
Beitritt zum Europarat übernommenen Verpflichtungen, sollten durch Gesetze, die innerhalb
des Parlaments und seinen Ausschüssen bearbeitet und erörtert wurden, statt durch
Präsidialerlasse geregelt werden;

6.3. stellt die Versammlung fest, dass die politischen Gruppen zurzeit mindestens 20% der
abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen müssen, um Parlamentsfraktionen bilden zu
können. Sie bittet deshalb das aserbaidschanische Parlament, gegebenenfalls mit
Unterstützung des Europarats oder im Rahmen des interparlamentarischen
Kooperationsprogramms der Versammlung, über eine Änderung seiner Geschäftsordnung
eine deutliche Senkung dieser Schwelle zu erwägen;

6.4. weist die Versammlung darauf hin, dass seit dem Beitritt Aserbaidschans zum
Europarat dort keine einzige als uneingeschränkt frei und fair eingestufte Wahl stattgefunden
hat, sodass die Versammlung den anstehenden Präsidentschaftswahlen von 2008 besondere
Bedeutung beimisst und erwartet, dass das öffentliche Rundfunk- und Fernsehsystem eine
ausgewogene Berichterstattung über den Wahlkampf für alle Präsidentschaftskandidaten
sicherstellt;

6.5. begrüßt die Versammlung die laufende Zusammenarbeit mit der Venedig-Kommission
über die Überarbeitung des Wahlgesetzes. Sie wiederholt, dass es, wenn die nächsten
Präsidentschaftswahlen den europäischen Normen voll und ganz entsprechen sollen,
entscheidend darauf ankommt, nicht nur technische Verbesserungen vorzunehmen, sondern
das Wahlgesetz bis spätestens Anfang des Jahres 2008 zu ändern, um eine Wahlbehörde, die
das Vertrauen der Wähler und aller Beteiligten genießt sowie ein besseres Verfahren für die
effiziente Bearbeitung von Beschwerden und Ansprüchen in Verbindung mit den Wahlen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/7706

vorzusehen. Die Zusammensetzung der zentralen Wahlkommission sollte ebenfalls un-
verzüglich festgelegt werden;

6.6. stellt die Versammlung fest, dass nach den Wahlen vom November 2005 nur wenige
Strafverfahren wegen Verstößen gegen die Wahlvorschriften eingeleitet wurden und nur bei
einer Person zu einer Haftstrafe und anderen zur Entlassung führten. Die Versammlung
mahnt, dass entschiedenes Handeln notwendig ist, damit künftige Verletzungen unterbleiben.
Sie fordert die aserbaidschanischen Behörden nachdrücklich auf, auf höchster politischer
Ebene die eindeutige Erklärung abzugeben, dass Wahlbetrug bei den nächsten
Präsidentschaftswahlen nicht geduldet werden wird.

6.7. Was die lokale Selbstverwaltung anbelangt,

6.7.1. begrüßt die Versammlung die vor kurzem in Aserbaidschan vorgenommene
Einrichtung von drei Kommunalverbänden (für Städte, Landstädte und Siedlungen) und
ermutigt diese zur gemeinsamen Arbeit;

6.7.2. fordert die Versammlung die aserbaidschanischen Behörden nachdrücklich auf, die
Empfehlungen des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarats umzusetzen, um
die einschlägige Gesetzgebung und ihre Durchführung mit der Verfassung und der
Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung in Einklang zu bringen. Insbesondere
sollten die Behörden alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Kommunen einen
beträchtlichen Teil der öffentlichen Aufgaben zu übertragen, dafür zu sorgen, dass für deren
Verwirklichung ausreichende Mittel bereitgestellt werden und in der Stadt Baku und anderen
Großstädten einen von den Bürgern direkt gewählten Stadtrat zu bilden, um die öffentliche
Verwaltung auf gesamtstädtischer Ebene zu leiten.

7. Was die Pflichten und Verpflichtungen Aserbaidschans auf dem Gebiet der
Rechtsstaatlichkeit angeht,

7.1. hat die Versammlung wiederholt auf die Notwendigkeit einer Reform und Fortbildung
der aserbaidschanischen Richterschaft, die wirksame Ausmerzung der Korruption unter
Richtern und die Verbesserung des gegenwärtig schlechten Ansehens hingewiesen. Sie
begrüßt deshalb die von den Behörden in Zusammenarbeit mit dem Europarat im Hinblick auf
dieses Ziel unternommenen Anstrengungen und verlangt die wirksame Umsetzung der
beschlossenen Maßnahmen;

7.2. stellt die Versammlung insbesondere fest, dass im Jahre 2006 ergangene
Präsidialerlasse die Schaffung weiterer Berufungsgerichte und die Erhöhung der Zahl der
Richter im gesamten Land sowie den Aufbau einer Richterakademie zur Fortbildung von
Rechtspraktikern vorsehen. Die Versammlung ist der Auffassung, dass diese neue Institution
unter die Zuständigkeit des Judicial Legal Council gestellt werden sollte, um ihre
Unabhängigkeit von der Exekutive zu gewährleisten. Die Versammlung stellt darüber hinaus
mit Genugtuung fest, dass Prüfungen zur Einstellung neuer Richter auf der Grundlage eines
fairen und transparenten Auswahlverfahrens abgehalten worden sind, das in Zusammenarbeit
mit dem Europarat erarbeitet worden war;

7.3. ist die Versammlung besorgt über die geringe Zahl der zurzeit in dem Land und
insbesondere den Regionen praktizierenden Strafverteidiger. Sie hält fest, dass der Aufbau
einer starken Strafverteidigung entscheidende Bedeutung für die Verhütung von
Menschenrechtsverletzungen und den Schutz der Rechte der Angeklagten in Strafverfahren
besitzt;

Drucksache 16/7706 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7.4. begrüßt die Versammlung zwar die kürzlich abgehaltenen Prüfungen der
Anwaltskammer, fordert die zuständigen Behörden jedoch nachdrücklich auf, das System zur
Auswahl von Verteidigern zu reformieren, sicherzustellen, dass ihre Anzahl und die Qualität
ihrer Leistungen erhöht werden und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um junge Anwälte
dazu anzuhalten, als Strafverteidiger zu arbeiten. Der Europarat könnte Hilfestellung und
insbesondere Fortbildungsmaßnahmen anbieten;

7.5. unterstreicht die Versammlung, dass der Aufbau einer unabhängigen und gut
ausgebildeten Richterschaft und Strafverteidigung Behauptungen, Personen würden bei
Verfahren verurteilt, in denen die grundlegenden Garantien für einen fairen Prozess nicht
eingehalten würden und damit Behauptungen politisch motivierter Strafverfolgung sowie
Aussagen über Misshandlungen im Polizeigewahrsam und der Untersuchungshaft letztlich ein
Ende setzen wird.

7.6. In ihrer im Juni 2005 angenommenen Entschließung 1457 (2005) in Bezug auf die
Umsetzung der Entschließung 1359 (2004) über politische Gefangene in Aserbaidschan

7.6.1. gelangte die Versammlung zu dem Schluss, dass „sie … die Frage der politischen
Gefangenen noch nicht als endgültig gelöst ansehen [könne] und bat die aserbaidschanischen
Behörden, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen, um eine „schnelle und dauerhafte
Lösung für die Frage der politischen Häftlinge und mutmaßlicher politischer Häftlinge“ zu
finden;

7.6.2. begrüßte die Versammlung die Einrichtung einer Task Force aus Vertretern der
Behörden und von NRO für Menschenrechtsfragen mit dem Ziel, in dieser Frage „eine
einheitliche Position zu finden“; die Vertreter der Behörden haben sich insbesondere dazu
verpflichtet, „… jedes Rechtsmittel (Amnestie, Überprüfung von Fällen durch Obergerichte,
Freilassung unter Auflagen, Freilassung aus Gesundheitsgründen, Begnadigung) (zu nutzen),
um dieses Problem zu beheben“ und damit einverstanden erklärt, auf der Grundlage von zwei
in der Entschließung 1457 (2005) aufgeführten Listen vorzugehen;

7.7. stellt die Versammlung fest, dass die Task Force, auf die im Juni 2005 große
Hoffnungen gesetzt worden waren, mehr als ein Jahr untätig geblieben und nur anlässlich von
Besuchen der Berichterstatter zusammengetreten ist. Darüber hinaus

7.7.1. sind keine konkreten Schritte im Hinblick auf den Vorschlag eingeleitet worden, im
Parlament ein Amnestiegesetz zu verabschieden;

7.7.2. wurden von elf Beschwerden beim Obersten Gerichtshof von Personen, die auf den
Listen der Task Force aufgeführt waren und vor der Ratifizierung der Europäischen
Menschenrechtskonvention verurteilt worden waren, acht aus Verfahrensgründen für
unzulässig erklärt; da keine Sachprüfung des jeweiligen Falls stattgefunden hat, haben die
Antragsteller keine Möglichkeit, bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
erfolgreich Beschwerde einzulegen;

7.7.3. wurde die Gesetzgebung über die Freilassung unter Auflagen nicht in allen Fällen
angewandt;

7.7.4. führte der Begnadigungserlass des Präsidenten vom Oktober 2006 zur Freilassung von
zwei Journalisten, erstreckte sich aber nur auf zwei auf den Listen der Task Force erwähnte
Personen;

7.8. fordert die Versammlung, unter Begrüßung der Tatsache, dass die Arbeit der Task
Force seit November 2006 wieder aktiviert worden ist und seit damals vier Sitzungen statt-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/7706

gefunden haben, diese auf, nun konkrete Ergebnisse vorzulegen und ihre Effizienz unter
Beweis zu stellen;

7.9. begrüßt die Versammlung in dieser Hinsicht den Präsidialerlass vom 19. März 2007,
der zur Begnadigung von 14 Personen führte, die auf den Listen von der Task Force
angehörenden NRO standen. Infolge dessen wurden 11 Personen freigelassen und die Strafe
einer Person von lebenslänglich auf 25 Jahre Haft vermindert. Darüber hinaus wurde die
Bewährungsstrafe für Herrn Said Nuri, einen der Führer der Jugendbewegung Yeni Fikir,
aufgehoben. Die Versammlung hofft, dass dieser Erlass die Task Force darin bestärken wird,
ihre Arbeit fortzusetzen und weitere Ergebnisse vorzulegen. Vorrangig sollte die Task Force
nun

7.9.1. die Listen vom Juni 2005 aktualisieren und angeben, wie viele Fälle seitdem gelöst
worden sind und wie die verbleibenden Fälle gelöst werden sollen;

7.9.2. klären, welche Fälle einer Prüfung – unter anderem auch aus humanitären Gründen –
bedürfen;

7.9.3. die Fälle noch inhaftierter Verwandter, Mitarbeiter oder Bekannter von Personen
prüfen, die mittlerweile begnadigt oder freigelassen worden sind;

7.9.4. die Vorschläge prüfen, ihr Mandat auf die Prozessüberwachung auszuweiten und in
die Reihen ihrer Mitglieder auch Vertreter des Gerichtswesens einzubeziehen. Die
Versammlung begrüßt es, dass auch ein Vertreter der Justiz zu den Mitgliedern der Task
Force gehört;

7.10. macht die Versammlung besonders auf die Fälle von Herrn Natiq Efendiyev, den die
unabhängigen Experten des Generalsekretärs als politischen Gefangenen betrachtet hatten und
der anschließend im März 2005 durch einen Begnadigungserlass des Präsidenten
freigekommen war, um dann einige Wochen vor den Parlamentswahlen am 15. Oktober 2005
erneut verhaftet zu werden und von Herrn Rasim Alekperov aufmerksam, einem als
Nationalheld geltenden schwerkranken Mann;

7.11. hofft die Versammlung im Hinblick auf die Haftstrafen für die beiden anderen Führer
der Jugendbewegung Yeni Fikir, Herrn Ruslan Bashirli und Herrn Ramin Tagiyev, dass der
Oberste Gerichtshof die berichteten Verstöße gegen ein faires Verfahren während des
Prozesses vor den unteren Gerichten sowie die von Herrn Bashirli behauptete Misshandlung
im Polizeigewahrsam umfassend untersuchen wird;

7.12. erwartet die Versammlung den unverzüglichen Beginn des Prozesses gegen den
ehemaligen Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Herrn Farhad Aliyev, der seit Oktober
2005 in Untersuchungshaft sitzt; sie hofft dass das zuständige Gericht die behaupteten
Verfahrensverstöße, die während der Vorermittlungen vorgekommen sein mögen, in
angemessener Form untersuchen wird; Herr Farhad Aliyev sollte auch angesichts seiner
Herzprobleme von Ärzten seiner Wahl behandelt werden können;

7.13. die Versammlung verweist ferner auf Bedenken hinsichtlich der Fairness bei der
jüngsten Verhaftung von Herrn Hoseyn Abdullayev, einem Parlamentsmitglied, und
hinsichtlich des Gerichtsverfahrens von Herrn Ali Insanow, dem früheren
Gesundheitsminister;

7.14. wiederholt die Versammlung, dass das aserbaidschanische Strafgesetzbuch
entsprechend Empfehlungen von Experten des Europarats vom Dezember 2005 geändert
werden sollte, vor allem im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit der Europäischen

Drucksache 16/7706 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Menschenrechtskonvention sowie den Standards des Europarats im Strafrecht. Die
Versammlung begrüßt es, dass es in Bezug auf das Strafgesetzbuch am 3. und 4. April 2007 in
Baku ein Treffen gab zwischen aserbaidschanischen Sachverständigen und Sachverständigen
des Europarates und dass Änderungsvorschläge im Einklang mit den europäischen Normen in
Folge dieser Zusammenarbeit ausgearbeitet wurden.

7.15. Was die Korruptionsbekämpfung angeht, handelt es sich hierbei in Aserbaidschan,
ungeachtet lobenswerter Anstrengungen der Behörden und der Unterstützung durch den
Europarat, weiterhin um ein großes Problem, das sich auf alle Ebenen der Gesellschaft
auswirkt und die wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung des Landes bedroht. Die
Versammlung fordert die aserbaidschanischen Behörden nachdrücklich auf, die
Empfehlungen der Gruppe von Staaten gegen Korruption (GRECO) umzusetzen, die
innerstaatliche Gesetzgebung entsprechend zu verbessern und die beschlossenen Maßnahmen
effektiv zu verwirklichen. Die Versammlung begrüßt es, dass die aserbaidschanischen
Behörden in Zusammenarbeit mit ihren internationalen Partnern die nationale Strategie für
verstärkte Transparenz und zur Bekämpfung von Korruption ausarbeiten.

8. Im Hinblick auf die Pflichten und Verpflichtungen Aserbaidschans auf dem Gebiet der
Menschenrechte

8.1. erinnert die Versammlung, was die Meinungs- und Medienfreiheit anbelangt, an die in
ihrer im Juni 2006 angenommene Entschließung 1505 (2006) geäußerte tiefe Besorgnis über
gewaltsames Vorgehen gegen Journalisten. Bedauerlicherweise hat sich das allgemeine
Umfeld für die unabhängigen Medien in Aserbaidschan seitdem nicht verbessert, sondern
verschlechtert:

8.1.1. Trotz des im März 2005 verkündeten politischen Moratoriums des Präsidenten in
Bezug auf Beleidigung ist die Zahl zivil- und strafrechtlicher Beleidigungsprozesse gegen
oppositionelle Journalisten und Zeitungen, die von staatlichen Amtsträgern angestrengt
wurden, in jüngster Zeit gestiegen, was zur Einschüchterung und zu Selbstzensur geführt hat;

8.1.2. Herr Nijat Huseynov, ein Korrespondent der Zeitung Azadliq, wurde am
25. Dezember 2006 am hellichten Tage überfallen; Herr Einullah Fatullayev, der
Chefredakteur von Realni Azerbaijan, das nach zweimonatiger Schließung im Dezember 2006
wieder erscheinen konnte, erhielt in jüngster Zeit Todesdrohungen;

8.1.3. der bekannte Dichter und satirische Journalist Sakit Zahidov wurde im Oktober 2006
zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt, die von lokalen und internationalen
Menschenrechtsorganisationen als politisch motiviert und mit keinerlei glaubwürdigen
Beweisen untermauert kritisiert wurde;

8.1.4. am 2. November 2006 wurde das Gebäude der Zeitung Azadliq, der lautstärksten
oppositionellen Veröffentlichung, auf dem Grundstück im Zentrum von Baku, das die Zeitung
seit 1992 kostenlos genutzt hatte, im Anschluss an ein Gerichtsurteil, welches die
Vereinbarung mit dem damaligen Bürgermeister von Baku für gesetzwidrig befand, geräumt:
Sonderpolizeikräfte führten die Räumung innerhalb einer Stunde durch;

8.1.5. an demselben Tag (24. November 2006) wurde ANS, der quotenstärkste unabhängige
Fernsehkanal in Aserbaidschan, abgeschaltet, nachdem der Nationale Hörfunk- und
Fernsehrat (NTRC) beschlossen hatte, seine Lizenz wegen Verstößen gegen das
Rundfunkgesetz nicht zu verlängern; der Kanal durfte seine Sendungen drei Wochen später
bis zum Vorliegen der Entscheidung über die Vergabe einer neuen Ausschreibung wieder
aufnehmen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/7706

8.2. Die Versammlung begrüßt zwar die Freilassung von zwei Journalisten im Oktober
2006 aufgrund eines Präsidialerlasses, fordert die aserbaidschanischen Behörden aber
nachdrücklich auf, eine Gesetzesreform mit dem Ziel der Entkriminalisierung der Beleidigung
zu erwägen; ebenso sollten einschlägige zivilrechtliche Bestimmungen bearbeitet werden, um
die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sicherzustellen; die Versammlung
unterstützt die Hilfe des Europarats auf diesem Gebiet sowie die Bemühungen der OSZE, die
zur Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs über Beleidigung geführt haben; außerdem tritt sie
für Bemühungen ein, mit denen die fachlichen Standards und die ethische Grundhaltung von
Journalisten in Aserbaidschan verbessert werden sollen und stellt fest, dass dazu
Unterstützung durch den Europarat beantragt werden könnte.

8.3. die Versammlung fordert die aserbaidschanischen Behörden nachdrücklich auf,
Angriffe auf und Bedrohungen von Journalisten ordnungsgemäß zu untersuchen; die Täter
sollten ermittelt, vor Gericht gestellt und bestraft werden;

8.4. Die Versammlung stellt fest, dass die Zeitung Azadliq jetzt im Verlagshaus Azerbaijan
untergebracht ist, das sich ebenfalls im Zentrum von Baku befindet und hofft, dass die
Zeitung in dem neuen Gebäude nun normal arbeiten kann.

8.5. Tief besorgt darüber, dass die Frage der Erteilung einer Lizenz für ANS TV und Radio
noch nicht endgültig geregelt ist fordert die Versammlung nachdrücklich die unverzügliche
Einigung über eine abschließende Lösung; sie begrüßt es, dass das Hörfunk- und
Fernsehgesetz mittlerweile zur fachlichen Überprüfung an den Europarat übermittelt worden
ist, um ähnliche Entwicklungen künftig zu vermeiden.

8.6. Verstöße gegen die Versammlungsfreiheit in Aserbaidschan sind von der
Versammlung wiederholt energisch verurteilt worden, vor allem vor oder nach Wahlen,
zuletzt nach den Parlamentswahlen vom November 2005.

8.7. Die Versammlung stellt fest, dass vor kurzem zwei Demonstrationen der Opposition
abgehalten wurden und über keine Zwischenfälle berichtet wurde; sie begrüßt es, dass die
aserbaidschanischen Behörden die politische Bereitschaft gezeigt haben, das Gesetz von 1998
über die Versammlungsfreiheit zu ändern und um Unterstützung durch die Venedig-
Kommission gebeten haben; sie fordert die Behörden nachdrücklich auf, das Gesetz nun
entsprechend den Empfehlungen der Venedig-Kommission zu ändern und geeignete
Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass die Umsetzung der einschlägigen
Gesetzgebung den Garantien nach Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention im
Sinne der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entspricht;
Verletzungen der Versammlungsfreiheit und übermäßige Gewaltanwendung durch
Ordnungskräfte sollten unterbunden werden; laufende Fortbildungsbemühungen auf diesem
Gebiet sind überaus willkommen.

8.8. Die Haftverhältnisse in Aserbaidschan sind trotz anhaltender
Infrastrukturverbesserungen weiterhin hart; die Lage in der Haftanstalt Gobustan gibt
angesichts der Zahl von Todesfällen und Selbstmorden von Insassen Anlass zu besonderer
Besorgnis.

8.9. Die Versammlung fordert die Behörden nachdrücklich auf, für eine Einzelfallprüfung
lebenslänglicher Haftstrafen zu sorgen, die im Anschluss an die Abschaffung der Todesstrafe
verhängt wurden und es den Betroffenen zu ermöglichen, in den Genuss der rückwirkenden
Anwendung der günstigsten Strafrechtsbestimmungen aus dem Jahre 2000 zu gelangen.

Drucksache 16/7706 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8.10. Die Versammlung begrüßt ein ehrgeiziges Reformprogramm für das Gefängniswesen,
das zurzeit mit Unterstützung des Europarats und der Europäischen Kommission durchgeführt
wird; sie begrüßt es darüber hinaus, dass dem jeweiligen Ombudsmann, lokalen und
internationalen NRO und Menschenrechtsverfechtern Zugang zu Haftanstalten gewährt
worden ist.

8.11. Allerdings schaden anhaltende Berichte über Folter oder Misshandlungen, haupt-
sächlich durch Strafverfolgungsbeamte während des Polizeigewahrsams oder in der
Untersuchungshaft sowie in der Armee, dem Ansehen des Landes, insbesondere, solange sie
nicht sachgerecht untersucht und geahndet werden; auf diese Probleme verwies vor kurzem
das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 11. Januar 2007 in der
Rechtssache Mammadov (Jalaloglu) gegen Aserbaidschan.

8.12. Die Versammlung fordert die aserbaidschanischen Behörden nachdrücklich auf,
energische Schritte einzuleiten, um nachzuweisen, dass sie Folter oder Misshandlungen in
öffentlichen Einrichtungen und der eigenen Armee nicht dulden, um auf diese Weise dem
weit verbreiteten Eindruck der Straflosigkeit ein Ende zu setzen; die laufende Fortbildung von
Polizeibeamten und Strafvollzugspersonal mit Unterstützung durch den Europarat sollte auch
weiterhin gefördert werden.

8.13. Die Versammlung fordert die aserbaidschanischen Behörden nachdrücklich auf, die
Empfehlungen des Europäischen Komitees zur Verhinderung von Folter und unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung (CPT) umzusetzen und die Veröffentlichung der Berichte des
CPT über seine Besuche in dem Land in den Jahren 2004 und 2005 zu erlauben.

8.14. Die Versammlung begrüßt es, dass die Arbeiten an einem Gesetzentwurf über einen
zivilen Ersatzdienst anstelle des Wehrdienstes nun mit Unterstützung durch Experten des
Europarats endlich begonnen haben; sie fordert die aserbaidschanischen Behörden
nachdrücklich auf, die Empfehlungen der Experten zu berücksichtigen und das Gesetz
entsprechend ihren Beitrittsverpflichtungen ohne weiteren Verzug zu verabschieden.

8.15. In Aserbaidschan leben viele nationale Minderheiten seit Jahrhunderten friedlich
zusammen. Der Beirat des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten lobt
die Anstrengungen Aserbaidschans, den persönlichen Anwendungsbereich des
Übereinkommens auf ein breites Spektrum von Minderheiten auszudehnen, auch wenn er eine
Reihe von Unzulänglichkeiten in der entsprechenden Gesetzgebung aufführt.

8.16. Die Versammlung fordert die Behörden nachdrücklich auf, die Empfehlungen des
Beirats umzusetzen und vor allem ein Gesetz über nationale Minderheiten zu verabschieden,
das ihren Beitrittsverpflichtungen entspricht; sie fordert die Behörden nachdrücklich auf, die
Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen möglichst bald zu ratifizieren
und stellt dabei die Verpflichtung Aserbaidschans heraus, dies innerhalb eines Jahres nach
seinem Beitritt zum Europarat zu tun.

8.17. Die Versammlung fordert die aserbaidschanischen Behörden nachdrücklich zur
Umsetzung folgender Entschließungen auf:

8.17.1. der im April 2006 angenommenen Entschließung 1497 (2006) der Versammlung über
Flüchtlinge und Vertriebene in Armenien, Aserbaidschan und Georgien;

8.17.2. der im März 2007 im Auftrag der Versammlung durch den Ständigen Ausschuss
angenommenen Entschließung 1544 (2007) über die Lage der Frauen in Südkaukasus,
insbesondere im Hinblick auf die Teilnahme von Frauen am öffentlichen und politischen
Leben, die Diskriminierung im Beruf, die weibliche Gesundheit und Gewalt gegen Frauen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/7706

vor allem häusliche Gewalt, Menschenhandel, die Lage geflohener und vertriebener Frauen
sowie weiblicher Häftlinge. Die Versammlung begrüßt die von den aserbaidschanischen
Behörden unternommenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels.

8.18. Die Versammlung begrüßte den Nationalen Aktionsplan zum Schutz der
Menschenrechte in der Republik Aserbaidschan, der am 28. Dezember 2006 durch einen
Präsidialerlass angenommen wurde; von öffentlichen Stellen aller Bereiche, aber auch von
lokalen NRO werden Beiträge zur Umsetzung des Aktionsplans erwartet.

9. Was den Bergkarabach-Konflikt angeht,

9.1. verweist die Versammlung auf ihre Entschließung 1416 (2005), in der sie darlegte,
dass beträchtliche Teile des Staatsgebiets Aserbaidschans immer noch von armenischen
Streitkräften besetzt werden und bedauert, dass dieser Konflikt, ungeachtet des anhaltenden
Dialogs zwischen Aserbaidschan und Armenien auf hoher Ebene, immer noch nicht beigelegt
ist, obwohl dadurch auf aserbaidschanische Seite mehr als 4 000 Vermisste und gut
760 000 Vertriebene zu verzeichnen sind;

9.2. erinnert die Versammlung an die Besorgnisse, die sie in ihrer Entschließung 1416
(2005) darüber zum Ausdruck brachte, dass die Militäraktion und die dieser vorangegangenen
weit verbreiteten ethnischen Feindseligkeiten zu einer Vertreibung von Volksgruppen in
großem Maßstab und zur Einrichtung monoethnischer Gebiete geführt haben, die an das
schreckliche Konzept der ethnischen Säuberung denken lassen. Sie fordert die Parteien darum
nachdrücklich auf, sich verstärkt um die Schaffung von Frieden und Harmonie zwischen den
beiden Volksgruppen der Region Bergkarabach der Republik Aserbaidschan zu bemühen;

9.3. wiederholt die Versammlung, dass es im Interesse beider Seiten liegt, diesen Konflikt
möglichst bald zu beenden und dabei entsprechend ihren Beitrittsverpflichtungen
Gewaltanwendung auszuschließen, worauf sie die beiden Parteien nachdrücklich auffordert,
ungeachtet ihrer innenpolitischen Agenden den Schwung beizubehalten, der bei den
Verhandlungen Ende letzten Jahres erreicht worden war und von ungerechtfertigten
Verzögerungen, Verlängerungen oder bewussten Abstrichen von den erreichten
Vereinbarungen abzusehen;

9.4. bittet die Versammlung die aserbaidschanischen Behörden, die Bevölkerung auf die
Akzeptanz der Maßnahmen vorzubereiten, über die zurzeit verhandelt wird. In diesem
Zusammenhang begrüßt und unterstützt sie zusätzlich Kontakte, die kürzlich zwischen
Gruppen der Zivilgesellschaften Aserbaidschans und Armeniens geknüpft worden sind;

9.5. erwartet die Versammlung, dass der Ad-hoc-Ausschuss des Präsidiums für die
Umsetzung der Entschließung 1416 (2005) über den Konflikt in der Region Bergkarabach,
der auf der OSZE-Konferenz von Minsk behandelt wurde, bald in der Lage sein wird, beide
Staaten unter Einschluss der Region Bergkarabach zu besuchen, um zur Förderung eines
positiven Verhandlungsklimas beizutragen, ohne sich in den Verhandlungsprozess
einzumischen.

10. Die Versammlung beschließt, ihre Überwachung der Einhaltung der Pflichten und
Verpflichtungen durch Aserbaidschan fortzusetzen. Sie misst den anstehenden
Präsidentschaftswahlen im Jahr 2008 besondere Bedeutung bei, die die ersten in der
Geschichte des Landes sein müssen, bei denen die internationalen Standards für freie und
faire Wahlen uneingeschränkt eingehalten werden.

Drucksache 16/7706 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entschließung 1546 (2007)6

betr.: den Verhaltenskodex für politische Parteien

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf Empfehlung 1438 (2000) und
Entschließung 1344 (2003) über die Bedrohung der Demokratie durch extremistische Parteien
und Bewegungen in Europa, Entschließung 1308 (2002) über Einschränkungen für politische
Parteien in den Mitgliedstaaten des Europarats, Empfehlung 1516 (2001) über die
Finanzierung politischer Parteien sowie Entschließung 1264 (2001),
Entschließung 1320 (2003) und Empfehlung 1595 (2003) über einen Verhaltenskodex für
Wahlen.

2. Darüber hinaus verweist sie auf folgende von der Europäischen Kommission für
Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) angenommene Texte: Leitlinien über die
Parteiengesetzgebung (2006), Leitlinien über die Parteienfinanzierung (2000), Leitlinien über
das Verbot und die Auflösung politischer Parteien und ähnliche Maßnahmen (1999) und einen
Verhaltenskodex für Wahlen (2002).

3. Die Versammlung erinnert an die Schlussfolgerungen des Forums des Europarats für
die Zukunft der Demokratie, das im Oktober 2006 in Moskau abgehalten wurde und sich mit
der Rolle politischer Parteien beim Aufbau der Demokratie beschäftigte.

4. Die Versammlung erkennt an, dass politische Parteien ein dauerhaftes Merkmal
moderner Demokratien, ein Schlüsselelement des Wettbewerbs um die Wähler und ein
entscheidendes Bindeglied zwischen dem Einzelnen und dem Staat darstellen. Ihre Rolle
besteht in der Einbindung von Gruppen und Einzelnen in den politischen Prozess, wobei sie
als Werkzeug für die Formulierung und Vertretung ihrer Interessen, die Schaffung
öffentlicher Einrichtungen auf verschiedenen Ebenen und die Ausarbeitung politischer
Maßnahmen und alternativer politischer Programme und die Heranziehung der Exekutive zur
Rechenschaftspflicht dienen.

5. Dementsprechend tragen politische Parteien als entscheidendes Bindeglied zwischen
dem Einzelnen und der demokratischen Regierungsführung eine besondere Verantwortung.
Ihre Legitimität und Glaubwürdigkeit sind für die Legitimität des gesamten demokratischen
Prozesses von größter Bedeutung. Andererseits kann ihre Dysfunktionalität sich auf das
gesamte demokratische System und dessen Institutionen auswirken.

6. Bedauerlicherweise wird vielen politischen Parteien und Politikern als Gruppe
zunehmend mit Kritik und Misstrauen begegnet. In vielen Mitgliedstaaten des Europarates
befinden sich einige von ihnen in einer Legitimitätskrise, wobei sie bisweilen als korrupt und
in ihren internen Abläufen als undemokratisch betrachtet werden und angeblich nur den
Interessen kleiner Gruppierungen oder Einzelner statt der breiten Öffentlichkeit dienen.

7. Dieser Rückgang des Vertrauens in die politischen Parteien trägt dazu bei, Misstrauen
gegenüber dem gesamten demokratischen System zu schaffen und damit auch zur
Gleichgültigkeit gegenüber politischen Institutionen und mangelndem Interesse am
6 Debatte der Versammlung am 17. April 2007 (13. Sitzung) (siehe Dok. 11242, Stellungnahme des Ausschusses
für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Berichterstatterin: Frau Bilgehan).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 17. April 2007 (13. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/7706

politischen Prozess. Diese Erscheinung lässt sich am besten anhand der abnehmenden
Wahlbeteiligung verdeutlichen.

8. Die Versammlung ist überzeugt, dass die politischen Parteien ihre Pflicht erkennen
sollten, den Ruf des politischen Systems zu verbessern. Sie sollten dringend Maßnahmen
ergreifen, um

8.1. wieder auf die einzelnen Bürger einzugehen und sich auf ihre Bestrebungen
und Besorgnisse zu konzentrieren;

8.2. die Rechenschaftslegung gegenüber ihrer Wählerschaft zu verbessern

8.3. die Rolle der einzelnen gewählten Vertreter zu stärken;

8.4. ihre Offenheit und die der Entscheidungsgremien, in denen sie tätig sind, zu
erhöhen;

8.5. der Versuchung zu widerstehen, den Wählern unrealistische Versprechungen
zu machen.

9. Die Versammlung ist der Ansicht, dass die Ausarbeitung eines Verhaltenskodex für
politische Parteien, in dem die für das Auftreten der Parteien wichtigsten Elemente enthalten
sind, sowohl erforderlich als auch an der Zeit ist. Der Kodex sollte auf den Erfahrungen
politischer Parteien in den Mitgliedstaaten des Europarats aufbauen und aus bestehenden
guten Praktiken schöpfen. Er sollte Konzepte und Strategien fördern, die die Rolle, den Status
und die Relevanz politischer Parteien in einem demokratischen System unterstreichen und
stärken.

10. Die Ausarbeitung eines solchen Kodex würde die innerparteiliche Demokratie stärken
und ihre Glaubwürdigkeit in den Augen der Bürger erhöhen, was ein Beitrag zu ihrer
intensiveren Teilnahme am politischen Leben wäre. Die Versammlung ist der Auffassung,
dass gute Praktiken auch der Förderung demokratischer Prinzipien wie Gleichheit, Dialog,
Zusammenarbeit, Transparenz und Korruptionsbekämpfung dienen sollten.

11. Die Versammlung ist darüber besorgt, dass wohlhabende Einzelpersonen
Gunstbezeugungen von politischen Parteien erhalten können als Gegenleistung für finanzielle
Unterstützung und ist der Auffassung, dass jedes Land Verfahren für die Finanzierung von
politischen Parteien verabschieden sollte, wozu die Unterstützung der Öffentlichkeit
erforderlich sein sollte.

12. Die Versammlung ist ferner der Ansicht, dass die Ausarbeitung eines solchen Kodex
den Parteien dabei helfen würde, ihre Einflussnahme auf den demokratischen Prozess sowie
ihre Fähigkeit zu verbessern, den gesetzgeberischen Rahmen einzuhalten, in dem sie tätig
sind.

13. Die Versammlung ist der Auffassung, dass der vorgeschlagene Verhaltenskodex für
politische Parteien folgende Themen umfassen sollte:

13.1. Gute Praktiken für den Wahlprozess:

13.1.1. Förderung demokratischer Grundsätze und insbesondere der
Transparenz und Chancengleichheit bei der Auswahl und Benennung
von Kandidaten auf Wahllisten;

Drucksache 16/7706 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

13.1.2. Unterstützung der Teilnahme und Aufstellung von Angehörigen unter-
repräsentierter Gruppen (z.B.: junge Menschen, Minderheiten,
Migranten und Behinderte);

13.1.3. Erarbeitung einer Langzeitstrategie mit besonderen Projekten und
Schulungen und dem Ziel, das Selbstbewusstsein, den Wissensstand
und die Erfahrungen unterrepräsentierter Gruppen innerhalb der Partei
zu stärken;

13.1.4. Prüfung der Erfahrungen politischer Parteien, die Quoten für die
Auswahl und Aufstellung von Wahlkandidaten eingeführt haben und
Erwägung einer solchen Möglichkeit in der eigenen Praxis;

13.1.5. Einhaltung der Grundsätze des „Fair Play“ und der Festlegung
allgemeiner Verhaltensnormen während des Wahlkampfs;

13.1.6. Erarbeitung interner Bestimmungen, die für die Einhaltung der Rechts-
vorschriften über eine faire und transparente Wahlkampffinanzierung
sorgen;

13.1.7. Entwicklung von weitaus mehr Möglichkeiten, wie Wähler ihre
Stimme abgeben können und von Orten, an denen sie diese abgeben
können;

13.2. Gute Praktiken für die vermehrte Gleichstellung von Männern und Frauen in
politischen Parteien:

13.2.1. Schaffung von Mechanismen, die es Frauen ermöglichen, gewählt zu
werden, unter Rückgriff auf Anregungen aus der Erfahrung anderer
politischer Parteien, die Quotenregelungen und andere Formen von
Fördermaßnahmen für Frauen eingeführt haben, nicht nur für
Parlamentswahlen, sondern auch für Wahlen in
Beschlussfassungsgremien, sowohl innerhalb der Partei (Vorsitz,
Vizevorsitz, Lenkungsausschüsse, usw.) und außerhalb der Partei
(Posten in der Regierung, in Parlamentsausschüssen, usw.);

13.2.2. Abhaltung von Schulungen und anderer Formen der Förderung der
aktiven Teilnahme von Frauen und junger Menschen an der Arbeit
politischer Parteien, wie z. B. Gewährleistung, dass die Art und Weise
der Parteiarbeit es sowohl Männern als auch Frauen ermöglicht,
Berufsleben und Familienaufgaben besser mit den Aufgaben in den
politischen Parteien zu vereinbaren;

13.3. Gute Praktiken für die Finanzierung politischer Parteien und von
Wahlkämpfen:

13.3.1. Ausarbeitung die innerstaatlichen Gesetze ergänzender und stärkender
interner Vorschriften über die Finanzierung politischer Parteien und
von Wahlkämpfen, insbesondere im Hinblick auf Transparenz und
Rechenschaftslegung;

13.3.2. Ausarbeitung die innerstaatlichen Gesetze ergänzender interner
Vorschriften, die eine Überwachung der Finanzsituation gewählter
Vertreter vor, während und nach ihrer Amtszeit ermöglichen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/7706

13.3.3. Sicherstellung von Transparenz, einwandfreiem Verhalten und
vernünftigem Management des öffentlichen Auftretens der Parteien,
um das Vertrauen und die Zuversicht der Bürger zu erhalten;

13.3.4. Verstärkung und Unterstützung vorbeugender und repressiver
Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung;

13.3.5. Einrichtung unabhängiger Disziplinargremien zur Untersuchung und
Ahndung innerparteilicher Korruption;

13.3.6. Ausbau der Evaluierungs-, Überwachungs- und Disziplinarprozesse.

13.4. Gute Praktiken für die Oppositionsparteien:

13.4.1. Anerkennung der Rolle der Opposition als positiver Beitrag zum demo-
kratischen Prozess;

13.4.2. Ausbau des Dialogs zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien
und Stärkung des Prinzips, dass die Hauptaufgabe der Opposition darin
bestehen sollte, von der Regierung Rechenschaft zu verlangen;

13.4.3. Förderung von Bedingungen, die gewährleisten, dass die Rolle der
Oppositionsparteien sich nicht auf bloße Kritik an den Machthabern
beschränkt;

13.4.4. Unterstützung der Opposition bei der Erarbeitung eines „Schatten-
Regierungsprogramms“;

13.5. Gute Praktiken für die externe und institutionelle Rechenschaftspflicht:

13.5.1. Sicherstellung der öffentlichen Rechenschaftslegung durch Umsetzung
von Transparenz, guten Verhaltensnormen und vernünftiger Steuerung
des öffentlichen Auftretens;

13.5.2. Verstärkter Rückgriff auf vorbeugende Maßnahmen sowie Verfahren
zu deren Durchsetzung, und zwar Evaluierung, Überwachung und
Disziplinarmaßnahmen;

13.5.3. systematische Überwachung und Meldung der Ergebnisse von
Vertretern der Partei in öffentlichen Institutionen;

12.5.4. Unterrichtung der Bürger über die Erfüllung von Wahlversprechen,
unter anderem durch eine Bewertung des Parteiprogramms für die
Öffentlichkeit und Erläuterungen darüber, in welchem Umfang es in
öffentliche Politik umgesetzt worden ist;

13.5.5. Bereitstellung des Wahlprogramms auf der Website der Partei während
ihres parlamentarischen Mandats, um eine Überprüfung durch die
Öffentlichkeit zu ermöglichen;

13.5.6. Offenlegung von Einzelheiten über Verfahren der Vorauswahl und
wichtige Entscheidungen nach Registrierung;

13.5.7. Offenlegung des Vermögens von Politikern vor, während und nach
ihrer Ausübung öffentlicher Verwaltungsämter;

Drucksache 16/7706 – 32 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

13.6. Gute Praktiken für die interne Rechenschaftspflicht und innerparteiliche
Demokratie:

13.6.1. Gewährleistung, dass die internen Bestimmungen politischer Parteien
von Rechtssicherheit, Klarheit, Transparenz, Rechenschaftslegung und
Unabhängigkeit geprägt sind;

13.6.2. Gewährleistung, dass die Interaktion zwischen lokalen politischen
Parteien und der Gesellschaft auf Dialog, Interdependenz und
Kooperation beruht;

13.6.3. Förderung und Durchsetzung der Gleichheit im Verwaltungssystem
politischer Parteien auf allen Ebenen;

13.6.4. Stärkung der Verbindungen zwischen der Parteiführung und den
lokalen und regionalen Organisationsebenen;

13.6.5. Ausbau von Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung innerhalb der
Partei und zur Verbesserung der internen Rechenschaftslegung;

13.6.6. Einführung offener Bedingungen für die Mitgliedschaft und für
Mitgliedsrechte;

13.6.7. Annahme interner Verfahren einschließlich der Befragung der
Mitglieder zu politischen Angelegenheiten oder für die Partei wichtigen
Entscheidungen wie Wahlkoalitionen oder Regierungsvereinbarungen;

13.6.8. Schaffung von Mechanismen zur Sicherstellung der internen
Rechenschaftspflicht öffentlicher Amtsträger der Partei;

13.7. Gute Praktiken für die Einbeziehung junger Menschen in den politischen
Prozess:

13.7.1. Unterstützung von Jugendorganisationen der Parteien auf lokaler und
regionaler Ebene;

13.7.2. Abhaltung von Schulungen über die Beteiligung von Jugendlichen;

13.7.3. Aufbau von Jugendorganisationen innerhalb der Parteien;

13.7.4. Förderung der aktiven Teilnahme junger Mitglieder in
satzungsmäßigen Gremien und insbesondere Unterstützung der
Kandidaturen junger Menschen auf allen Ebenen und bei allen Wahlen,
insbesondere von jungen Mädchen;

13.7.5. Ermutigung von Schulen, im verstärkten Maße darauf zu achten, daaa
Kinder auf allen Schulebenen über die Mechanismen der Regierung
unterrichtet werden;

13.8. Gute Praktiken für die Beteiligung nationaler Minderheiten:

13.8.1. Förderung und Ausweitung der Beteiligung von Minderheiten auf allen
Ebenen innerhalb des politischen Prozesses;

13.8.2. Gewährleistung, dass die Achtung der Würde und der Rechte nationaler
Minderheiten während des Wahlprozesses berücksichtigt wird;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/7706

13.9. Gute Praktiken für die Erziehung demokratischer Bürger:

13.9.1. Erleichterung des Zugangs der Bürger zu Informationen über
kommunalpolitische Angelegenheiten, Aufklärung der Bürger über alle
Formen der Teilnahme am lokalen politischen Leben und Einrichtung
von Verwaltungsstellen zur Erleichterung der Kontakte zwischen den
lokalen Behörden und den Bürgern; dies sollte nicht mit der
Verwendung öffentlicher Mittel für Propaganda zugunsten politischer
Parteien oder bestimmter Ideologien verbunden sein;

13.9.2. Abhaltung von Aufklärungsveranstaltungen zur Bürgerdemokratie
einschließlich offener Konferenzen und von Bürgergruppen, die sich
vorwiegend mit den Themen beschäftigen, bei denen es um die Rechte
und Aufgaben des Bürgers in einer Demokratie, die Verfassung,
politische Parteien oder die Rolle der Zivilgesellschaft geht;

13.10. Gute Praktiken in Bezug auf die Medien und die Informationspraxis:

13.10.1.Förderung neuer Informations- und Kommunikations-technologien;

13.10.2.Erkundung von Möglichkeiten, wie Fortschritte in der
Informationstechnologie den demokratischen Prozess, die Teilnahme
der Einzelnen und die Entscheidungsfindung stärken könnten;

13.10.3.Ausweitung des Informationsangebots der Parteien an die Bürger
sowie Eingehen auf Beiträge der Bürger;

13.10.4.Förderung freier, wettbewerbsfähiger und aktiver Medien, die die
Menschenwürde und die Gleichheit von Mann und Frau respektieren;

13.11. Gute Praktiken für die Beziehungen zur Gesamtgesellschaft und die Interaktion
mit dieser:

13.11.1.Gewährleistung, dass die Beziehungen zwischen den politischen
Parteien und der Zivilgesellschaft auf Unabhängigkeit, Interdependenz
und Dialog sowie auf dem Grundsatz der Transparenz beruhen;

13.11.2.Ausbau der Verbindungen zwischen politischen Parteien und Bürgern,
um so ein transparenteres und partizipativeres Regierungssystem zu
erreichen.

14. Die oben dargelegten Grundsätze sollten auch auf Zusammenschlüsse von Parteien auf
europäischer Ebene angewandt werden.

15. Die Versammlung bittet die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht,
unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Elemente einen Verhaltenskodex für politische
Parteien auszuarbeiten.

16. Zugleich ruft die Versammlung die politischen Parteien in den Mitgliedstaaten des
Europarats dazu auf, ihr Handeln nach den oben aufgeführten Leitlinien auszurichten.

17. Die Versammlung bittet die INGO-Konferenz des Europarats, den Verhaltenskodex
für politische Parteien durch einen Verhaltenskodex für Bürgerbeteiligung zu ergänzen.

Drucksache 16/7706 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entschließung 1547 (2007)7

betr. die Lage der Menschenrechte und den Stand der Demokratie in Europa -
Der Stand der Demokratie in Europa

1. Die Mitgliedschaft im 1949 gegründeten Europarat basiert auf drei Pfeilern: der
Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen, die der rechtlichen
Zuständigkeit seiner Mitgliedstaaten unterliegen, der Festigung der Rechtsstaatlichkeit und
der Existenz einer wirklichen pluralistischen Demokratie, basierend auf den geistigen und
sittlichen Werten, die das gemeinsame europäische Erbe bilden. Die Errungenschaften des
Europarates im Bereich der Menschenrechte sowie der Schaffung und Konsolidierung von
Demokratie sind beispiellos. Jedoch dürfen wir nie zulassen, dass wir uns selbstgefällig mit
diesem „acquis“ zufriedengeben, auch wenn „das Erreichte“ die optimistischsten Träume der
Gründungsväter der Organisation übertrifft. Deshalb fühlt sich die Parlamentarische
Versammlung des Europarates (kurz: „die Versammlung“), die sich aus Parlamentariern der
46 Mitgliedstaaten der Organisation zusammensetzt, verpflichtet, nicht nur die
herausragenden Errungenschaften der Organisation anzuerkennen, sondern auch auf die neuen
Aufgaben und Herausforderungen hinzuweisen, denen sie sich im 21. Jahrhundert gegenüber
sieht.

I. Die Lage der Menschenrechte in Europa

i. Der Europarat - Hüter der Menschenrechte in Europa

3. Die Versammlung erinnert an die unersetzliche Rolle des Europarates als führende
Menschenrechtsorganisation in Europa: wäre er 1949 nicht eingerichtet worden, müsste er
heute geschaffen werden.

4. Der Europarat umspannt mittlerweile fast den gesamten Kontinent, ist
Orientierungsstelle und Hüter der Menschenrechte, der Demokratie und der
Rechtsstaatlichkeit in Europa. Er verfügt über eine Vielzahl wirksamer Kontrollmechanismen,
darunter an allererster Stelle die Europäische Menschenrechtskonvention („EMRK“), das
Europäische Übereinkommen über die Verhütung von Folter und unmenschlicher und
erniedrigender Behandlung oder Strafe, die Europäische Sozialcharta und das
Rahmenübereinkommen zum Schutze nationaler Minderheiten. Diese Instrumente besitzen
unabhängige Kontrollorgane, zum Beispiel den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
(„der Gerichtshof“), der einzigartig im Hinblick auf den internationalen Rechtsschutz der
Menschenrechte ist. Die Bandbreite des Menschenrechtsschutzes ist erweitert worden,
insbesondere durch die Einrichtung der Europäischen Kommission gegen Rassismus und
Intoleranz (ECRI) und durch die Institution des Kommissars für Menschenrechte.
7 Debatte der Versammlung am 18. April 2007 (15. Sitzung) (siehe Dok. 11203, Bericht des Politischen
Ausschusses, Berichterstatter: Herr Gross; Dok. 11215, Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und
Entwicklung, Berichterstatterin: Frau Pirozhnikova; Dok. 11218, Stellungnahme des Ausschusses für Kultur,
Wissenschaft und Bildung, Berichterstatterin: Frau Melo; Dok. 11219, Stellungnahme des Ausschusses für
Umwelt, Landwirtschaft und kommunale und regionale Angelegenheiten, Berichterstatter: Herr Platvoet; Dok.
11220, Stellungnahme des Ausschusses für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Berichterstatterin: Frau
Curdová und Dok. 11221, Stellungnahme des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitäten,
Berichterstatter: Herr Cekuolis).
Von der Versammlung am 18. April 2007 verabschiedeter Text (15. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/7706

5. Außer den Norm setzenden und Monitoringaktivitäten führt der Europarat zudem
Kooperations-, Unterstützungs- und Sensibilisierungsprogramme im Bereich Recht und
Menschenrechte durch, wozu auch die Bereitstellung von Expertenwissen im gesetzgebenden
Bereich, Aufbau von Fähigkeiten und Ausbildungsmaßnahmen gehören. Diese Arbeit, die oft
in Partnerschaft mit der Europäischen Kommission, der OSZE, den Vereinten Nationen und
ihren Sonderorganisationen, wie dem UNHCR, sowie mit Nichtregierungs-Partnern
durchgeführt wird, trägt auf wirksame Weise zur konstanten Verbesserung und
Konsolidierung der Rechtsnormen und deren Umsetzung in den Mitgliedstaaten bei, was der
Stärkung der demokratischen Stabilität in Europa dient. Die aktive und fördernde Rolle des
Europarates bei der Schaffung unabhängiger nationaler Menschenrechtsstrukturen in den
Mitgliedstaaten ist ein Beispiel für den Beitrag der Organisation zur Festigung der
Menschenrechtsinstitutionen in Europa.

6. Eine der größten Errungenschaften des Europarates und insbesondere seiner
Parlamentarischen Versammlung ist die de- facto-Abschaffung der Todesstrafe in
Friedenszeiten in allen Mitgliedstaaten. Die Versammlung verweist darauf, dass diese Erfolge
mit sehr begrenzten Finanzmitteln erzielt wurden.

7. Der Gesamthaushalt des Europarates – die Versammlung und der Gerichtshof
eingeschlossen – liegt in 2007 unter € 200 Millionen, was weniger als 15% allein des
Haushaltes des Europäischen Parlaments für das Jahr 2007 darstellt.

ii. Wichtige Herausforderungen in Sachen Menschenrechte

8. Obwohl anzuerkennen ist, dass in den Mitgliedstaaten große Fortschritte erzielt
wurden, bleibt dennoch die Notwendigkeit bestehen, die Kluft zwischen den Standards auf
dem Papier und der Realität vor Ort zu verringern. Die vollständige Umsetzung bestehender
Menschenrechte im Alltagsleben ist eine Aufgabe, die noch nicht zu Ende ist. Die
Menschenrechte können am wirksamsten aufrechterhalten werden, wenn sie eingebettet sind
in die Kultur ihrer Bürger, was eine entsprechende Kultur- und Bildungspolitik aller
Mitgliedstaaten des Europarates erfordert.

9. Die Versammlung verleiht ihrer bestehenden großen Sorge Ausdruck, dass in Europa
nach wie vor Menschenrechtsverletzungen, darunter zum Teil sehr schwere, begangen
werden.

10. In verschiedenen europäischen Ländern werden Verfechter der Menschenrechte
schikaniert und sehen sich einem sich verschärfenden Klima der Repression ausgesetzt. Die
ungehinderte Arbeit von Menschenrechtsaktivisten, vor allem von Nichtregierungs-
Organisationen, von Rechtsanwälten genauso wie Journalisten, ist für den Schutz und die
Förderung der Menschenrechte in Europa von wesentlicher Bedeutung.

11. In einigen europäischen Ländern wird die Rechtsstaatlichkeit noch immer nicht
uneingeschränkt beachtet. In vielen Fällen muss die Unabhängigkeit der Justiz und die
Effizienz der Rechtsverfahren noch gefestigt und gestärkt werden. Außerdem bestehen
weiterhin geographische Gebiete („schwarze Löcher“), wo die Menschenrechtsmechanismen
des Europarates nicht voll umgesetzt werden können. Betroffen sind Belarus, ein Nicht-
Mitgliedstaat, und bestimmte Gebiete innerhalb der Mitgliedstaaten, deren Behörden
international nicht anerkannt sind und/oder nicht ihrer de-facto-Kontrolle unterliegen, wie
Berg-Karabach, das Kosovo, die ´Moldauische Republik Transnistrien´, Südossetien und

Drucksache 16/7706 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Abchasien sowie der nördliche Teil Zyperns.

12. Sogar schlimmste Menschenrechtsverletzungen, wie Zwangsverschleppungen,
außergerichtliches Töten, geheime Verhaftungen, Folter und unmenschliche Behandlung,
werden in Europa begangen - wie im Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrechte
der Versammlung (Dok. 11202) festgestellt wurde.

13. Noch immer gibt es in Europa – auch für diese äußerst gravierenden
Menschenrechtsverletzungen - Straflosigkeit. Ihr muss durch schnelle, gründliche und
unparteiische Untersuchungen und strafrechtliche Verfolgung ein Ende gesetzt werden.

14. Terrorismus ist eine der Schlüsselherausforderungen in den offenen Gesellschaften
Europas; er kann und muss besiegt werden, ohne dass dabei die ureigenen Prinzipien der
Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und Toleranz, auf deren Zerstörung es die
Terroristen abgesehen haben, verletzt werden.

15. Menschenhandel, besonders von Frauen und Kindern, ist die moderne Form des alten
weltweiten Sklavenhandels. Menschen werden dabei wie eine Ware behandelt, die man kauft
und verkauft. Dieses Phänomen ist in ganz Europa weit verbreitet und stellt eine gravierende
Menschenrechtsverletzung dar. Das neue Europaratsübereinkommen zur Bekämpfung des
Menschenhandels, das im Mai 2005 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde, ist im Kampf gegen
diese Geißel ein großer Schritt nach vorne.

16. In ganz Europa gibt es Menschen, die besonders schutzbedürftig sind und deren
Rechte weiteren und verstärkten Schutz benötigen.

16.1.1. Die Behandlung von Menschen, die ihrer Freiheit beraubt wurden, verdient
verstärkte Aufmerksamkeit, ob es sich nun um Häftlinge im Polizeigewahrsam,
Gefängnissen, psychiatrischen Anstalten oder anderen Haftanstalten wie
„Auffanglager“ für illegale Einwanderer handelt. Nach wie vor muss die Beseitigung
von Misshandlung von Inhaftierten, darunter auch die schlimmsten dokumentierten
Fälle von Folter, deren Existenz vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in
verschiedenen Regionen Europas, insbesondere im Nordkaukasus, festgestellt wurde,
oberste Priorität erhalten.

16.1.2. Zu viele Flüchtlinge und Binnenvertriebene können nicht in Sicherheit in ihre
Heimat zurückkehren. Asylsuchende haben Schwierigkeiten, in Europa einzureisen,
und sobald sie sich in einem Mitgliedsland aufhalten, sehen sie sich oft mit der de-
facto- Unmöglichkeit einer fairen Bearbeitung ihrer Anträge konfrontiert wegen
Verwaltungsverfahren von inakzeptabler Komplexität; diese Situation verschärft sich
durch substantielle Unterschiede bei der Bearbeitung von einem Land zum anderen.
Dazu kommt, dass Migranten – besonders jene, die sich in einer illegalen Situation
befinden – beim Zugang zu ihren sozialen und wirtschaftlichen Rechten
diskriminierender Behandlung ausgesetzt sind.

16.1.3. Auch die Rechte von Kindern, älteren Menschen und Behinderten erfordern
einen verbesserten Schutz.

16.2. Besondere Anstrengungen müssen unternommen werden, um sozial Ausgegrenzte,
auch Roma und Fahrende, zu integrieren.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/7706

17. Gewalt gegen Frauen, auch häusliche Gewalt, ist immer noch weit verbreitet und muss
entschlossen auf allen Ebenen bekämpft werden. Zwangsehen und Kinderheirat, so genannte
„Ehrenverbrechen“ und weibliche Genitialverstümmelungen stellen ebenfalls
schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen dar, mit denen man sich unverzüglich befassen
muss.

18. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz sind bis jetzt nicht ausgemerzt, und
Diskriminierung aufgrund der Rasse, der ethnischen oder religiösen Herkunft ist in der
europäischen Gesellschaft nach wie vor weit verbreitet. Das Wiederaufflammen des
Antisemitismus ist besonders besorgniserregend wie auch der beunruhigende Anstieg der
Islamophobie.

19. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Veranlagung ist in einer
Reihe von Staaten weit verbreitet. Die Verweigerung oder die inakzeptable Einschränkung
von Rechten wie zum Beispiel Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Veranlagung kann nicht geduldet werden.

20. Ebenso gehören in zahlreichen Mitgliedstaaten die Respektierung der Rechte von
Menschen, die nationalen oder anderen Minderheiten angehören, sowie die Integration von
Minderheitengruppen in die Gesellschaft, insbesondere der Roma und Fahrenden, weiterhin
zu den großen Herausforderungen.

21. Soziale und wirtschaftliche Rechte müssen voll respektiert werden, insbesondere was
den Zugang zu Bildung, Wohnung, Gesundheitsdiensten, Beschäftigung, Mindesteinkommen,
Sozialleistungen und Altersversorgung betrifft. Alle Mitgliedstaaten sollten sich verpflichtet
fühlen, diese Rechte zu respektieren im Einklang, inter alia, mit den Prinzipien, die in der
revidierten Europäischen Sozialcharta festgelegt sind.

22. Die kulturellen Rechte sind Teil der Menschenrechte, insbesondere das Recht auf
Bildung nach Artikel 2 des ersten Protokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention
sowie das Recht von jedermann, sich am kulturellen Leben zu beteiligen nach Artikel 15 des
Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Die Mitgliedstaaten
müssen diese Rechte respektieren ebenso wie jene, die in der Rahmenkonvention des
Europarates über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft verankert sind, sowie die
akademische Freiheit und die Autonomie der Universitäten.

23. Der Europarat hat ferner die einzigen umfassenden internationalen Standards für
Bioethik in der Konvention über Menschenrechte und Biomedizin und deren Protokolle
festgelegt.

24. Nachhaltige Entwicklung ist ein weiteres wichtiges europäisches und globales Ziel.
Jeder sollte das Recht auf eine gesunde, lebensfähige und angemessene Umwelt haben. Dieses
Recht ist interdependent und untrennbar von den Grundwerten Frieden und
Rechtsstaatlichkeit, Achtung der menschlichen Würde und Menschenrechte, Gleichheit
zwischen den Generationen, sozialer und räumlicher Zusammenhalt und wirtschaftliche
Entwicklung. Dieses Recht muss garantiert werden, wenn eine nachhaltige, auf Solidarität
basierende Entwicklung für jetzige und künftige Generationen erzielt werden soll.

iii. Die Notwendigkeit der Stärkung der Menschenrechtsmechanismen der Organisation

Drucksache 16/7706 – 38 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

25. Mit Blick auf die oben genannten Herausforderungen sieht die Versammlung die in
der Satzung festgelegten Aufgaben des Europarates heute als genau wichtig - wenn nicht noch
sogar wichtiger als 1949 bei ihrer Gründung - an. Die Organisation muss weiterhin als
Europas „moralisches Gewissen“ gestärkt werden.

26. Um die langfristige Effizienz des EGMR zu sichern, muss die Umsetzung des
Reformprozesses beschleunigt werden. Das schnelle Inkrafttreten des Protokolls Nr. 14 zur
EMRK ist notwendig, reicht jedoch noch nicht aus. Menschenrechte müssen zu allererst und
vor allen Dingen auf nationaler Ebene umgesetzt werden.

27. Mit Blick auf die begrenzten Finanzmittel sollte der Europarat, die Parlamentarische
Versammlung eingeschlossen, sich auf seine herausragenden Bereiche konzentrieren –
Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

28. Die Glaubwürdigkeit des Europarates als Europas führender
Menschenrechtsorganisation hängt von der Fähigkeit des Ministerkomitees, dem
Entscheidungsorgan der Organisation, ab, seinen Aufgaben in Bezug auf die wichtigen
Herausforderung in Sachen Menschenrechte gerecht zu werden. Eine Beschlussfassung im
Konsenswege bedeutet für den Besitzstand (acquis) im Menschenrechtsbereich
möglicherweise eine Stagnation.

29. Eine weitere große Herausforderung für das Menschenrechtsschutzsystem der
Organisation ist die Gefahr unnötiger Überschneidungen seiner Aktivitäten mit denen von
Organen der Europäischen Union, was zu doppelten Standards und neuen Trennlinien durch
Europa führen könnte. Solche Überschneidungen würden zudem knappe Haushaltsmittel in
Zeiten genereller Sparsamkeit verschwenden. Die Europäische Union und ihre
Mitgliedstaaten sollten von bestehenden Europaratsinstrumenten verstärkten Gebrauch
machen, der Beitritt zur EMRK wird jetzt zu einer dringenden Priorität. Erhöhte
Aufmerksamkeit sollte auch dem Beitritt der EU/der Europäischen Gemeinschaft zur
revidierten Europäischen Sozialcharta des Europarates geschenkt werden. Auch die
Beziehungen zwischen dem Europarat und der neu gegründeten EU-Grundrechteagentur
sollten durch Komplementarität und der Suche nach dem Mehrwert gekennzeichnet sein.

iv. Der Weg nach vorne

30. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre früheren Entschließungen, die
sich mit speziellen Menschenrechtsfragen befassten und auf die im vorliegenden Text und im
Bericht des Rechts- und Menschenrechtsausschusses der Versammlung Bezug genommen
wird (Dok. 11202).

31. Die Versammlung äußert ihre Sorge über die Diskrepanz zwischen den feierlichen
Erklärungen – dazu gehört auch der Warschauer Gipfel des Europarates im Mai 2005 – und
den von den Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen und der konkreten Situation, in
der Menschenrechtsverletzungen oft ohne Wiedergutmachung oder Abhilfe geschehen.
Diese Diskrepanz unterminiert die Glaubwürdigkeit aller unserer nationalen Führer, unserer
parlamentarischen Organe, der Organisation sowie der des gesamten europäischen Kontinents
und der universellen Werte, für die die Organisation einsteht.

32. Die Versammlung ist der Ansicht, dass es an der Zeit ist, mit Lippenbekenntnissen
aufzuhören und Worten Taten folgen zu lassen. Die Versammlung ist weiterhin der Ansicht,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/7706

dass die wirksamste Methode, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, darin besteht, null
Toleranz gegenüber diesen Verletzungen zu zeigen.

33. Sie beschließt daher, im Hinblick auf ihre zukünftige Arbeit ihre Aufgabe in allererster
Linie darin zu sehen, den Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit noch höhere Priorität
einzuräumen, und sie lädt das Ministerkomitee ein, es ähnlich zu tun.

34. Sie ruft alle Mitgliedstaaten des Europarates und insbesondere deren zuständige
parlamentarische Organe auf, alle in den Berichten und Stellungnahmen, die dieser
Entschließung zugrunde liegen, angesprochenen Themen aufzugreifen und insbesondere:

34.1. die unverzügliche und volle Umsetzung der Warschauer Gipfelerklärung von 2005
und des Aktionsplans zu gewährleisten, insbesondere der Maßnahmen, die die fortgesetzte
Effizienz des EGMR sicherstellen, und anderer Maßnahmen, die auf den Schutz und die
Förderung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit durch andere
Europaratsinstitutionen und -mechanismen abzielen;

34.2. in einer entschlossenen Anstrengung alle angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um
alle Menschenrechtsverletzungen und insbesondere Zwangsverschleppungen,
außergerichtliches Töten, geheime Inhaftierungen, Folter und unmenschliche Behandlung
auszumerzen, diese Verbrechen effizient zu untersuchen und die Verantwortlichen
strafrechtlich zu verfolgen. In diesem Zusammenhang erinnert die Versammlung erneut
daran, dass das Recht auf Leben und das Verbot von Folter und unmenschlicher und
erniedrigender Behandlung oder Strafe nach den Bestimmungen der EMRK nicht
verhandelbare Rechte sind;

34.3. Straflosigkeit von Personen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben,
dadurch auszumerzen, dass derartige Verletzungen auf höchster Ebene nachdrücklich und
unverzüglich verurteilt werden und dass sichergestellt wird, dass die Strafvollzugsbehörden
wirksame, unparteiische und transparente Untersuchungen durchführen und dass Parlamente
die Behörden zur Rechenschaft ziehen;

34.4. Menschenrechtler und ihre Arbeit wirksam zu schützen, wozu auch der ungehinderte
Zugang von Einzelpersonen zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehört;

34.5. auf nationaler Ebene den durch die EMRK und andere internationale
Menschenrechtsinstrumente garantierten Rechte volle Wirksamkeit zu verleihen und damit
Menschenrechte für alle Menschen in Europa zu einer Realität werden zu lassen;

34.6. die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen der
Rechtsordnung aller Mitgliedstaaten voll umzusetzen;

34.7. Menschenrechtsbildung als eine Grundforderung für den Schulunterricht und
das lebenslange Lernen weiter auszubauen;

34.8. beim Kampf gegen den Terrorismus die Menschenrechte voll zu respektieren,
wie schon bei zahlreichen Anlässen von der Versammlung gefordert, sich zu weigern,
eine Person in ein Land, in dem eine reale Gefahr besteht, dass sie schwerwiegenden
Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist, ungeachtet der abgegebenen Versicherungen,
auszuweisen oder auszuliefern und schnellstmöglich die Übereinkommen der
Organisation und die Instrumente, die den Schutz der Menschenrechte betreffen,

Drucksache 16/7706 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

einschließlich jener in Bezug auf die Bekämpfung des Terrorismus, zu unterzeichnen
und/oder zu ratifizieren;

34.9. den Menschenhandel auszumerzen. In dieser Hinsicht fordert die
Versammlung die Mitgliedstaaten auf, die Konvention des Europarats gegen
Menschenhandel (SEV Nr. 197) unverzüglich zu unterzeichnen und/oder zu ratifizieren,
damit sie so schnell wie möglich in Kraft treten kann; in jedem Fall aber ab sofort ihre
wichtigsten Bestimmungen anzuwenden. Die Versammlung fordert auch die Europäische
Union auf, die Konvention so schnell wie möglich zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

34.10. die Rechte von Personen, die sich in einer besonders schutzbedürftigen Lage
befinden, besonders Personen, die ihrer Freiheit beraubt wurden, Flüchtlinge,
Binnenvertriebene, vermisste Personen und Mitglieder ihrer Familien, Asylsuchende und
Migranten, Kinder, ältere Menschen, Behinderte, sozial ausgegrenzte Personen,
einschließlich Roma und Fahrende, besser zu schützen und eng mit den einschlägigen
vertraglich festgelegten und anderen Gremien, die in diesem Bereich tätig sind,
zusammenzuarbeiten;

34.11. wirksam häusliche Gewalt, Zwangsheirat und Kinderchen sowie so genannte
„Ehrenverbrechen“ und weibliche Genitialverstümmelungen zu bekämpfen;

34.12. in Bezug auf die Bekämpfung von häuslicher Gewalt ihre Anstrengungen
fortzusetzen und auszubauen im Hinblick auf die Durchführung der Kampagne des
Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt,
die öffentliche Meinung zu sensibilisieren und Gesetze zu erlassen, die häusliche Gewalt
gegen Frauen verbieten;

34.13. wirksam alle Formen von Diskriminierung aufgrund der Rasse, der ethnischen
Zugehörigkeit oder der Religion und insbesondere das Aufflammen von Antisemitismus
und Islamophobie zu bekämpfen und in diesem Zusammenhang das Protokoll Nr. 12 zur
EMRK zu unterzeichnen und zu ratifizieren, das ein generelles Verbot der
Diskriminierung vorsieht, und die Empfehlungen von ECRI voll umzusetzen;

34.14. jede Form von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen
Veranlagung wirksam zu bekämpfen und Gesetze gegen Diskriminierung einzuführen,
sowie Partnerschaftsrechte und Informationsprogramme in den Ländern, in denen es
diese noch nicht gibt;

34.15. die Rechte von Personen, die nationalen oder anderen Minderheiten
angehören, und die Integration von Minderheitengruppen in die Gesellschaft, besonders
der Roma und Fahrenden, im verstärkten Maße sicherzustellen;

34.16. die revidierte Europäische Sozialcharta sowie das kollektive
Beschwerdeverfahren der Charta zu unterzeichnen und/oder zu ratifizieren, soziale und
wirtschaftliche Rechte aufrechtzuerhalten und anzuwenden, insbesondere hinsichtlich des
Zugangs zu Möglichkeiten der Berufsberatung und der beruflichen Bildung, Unterkunft,
Gesundheitsdiensten, Beschäftigung, Mindesteinkommen, Sozialleistungen und
Altersversorgung mit Blick auf ein humaneres und auf Integration setzendes Europa;

34.17. das Recht auf Bildung gemäß Artikel 2 des ersten Protokolls der Europäischen
Menschenrechtskonvention uneingeschränkt zu respektieren ebenso wie das Recht, sich

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/7706

am kulturellen Leben zu beteiligen gemäß dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte;

34.18. dem Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin sowie seinen
Protokollen beizutreten;

34.19. die schrittweise und vollständige Ausmerzung der Armut vorantreiben;

34.20. gesetzliche Maßnahmen zugunsten eines gemeinsamen nachhaltigen
Ressourcenmanagements zu ergreifen, die Umwelt zu schützen, die Nutzung erneuerbarer
Energien zu fördern, energiesparende Programme in der Industrie, in Büros und im
Wohnbereich umzusetzen, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und eine nachhaltige
Wasserbewirtschaftung zu fördern und eine Landwirtschaftspolitik auf den Weg zu
bringen, deren zentrale Bestandteile die Lebensmittelsicherheit, der Tierschutz und die
nachhaltige Nutzung von Ressourcen sind;

34.21. generell alle wichtigen Rechtsinstrumente des Europarates im
Menschenrechtsbereich ohne Vorbehalte oder restriktive Auslegungserklärungen zu
unterzeichnen und/oder zu ratifizieren und Vorbehalte, die bereits eingelegt wurden,
zurück zu nehmen;

34.22. die Rolle des Europarates als einem wirksamen Mechanismus der
paneuropäischen Zusammenarbeit zum Schutz und Förderung der Menschenrechte zu
verstärken;

34.23. sicherzustellen, dass Komplementarität und die Suche nach dem Mehrwert die
Beziehungen zwischen dem Europarat und anderen internationalen Organisationen, die
im Menschenrechtsbereich arbeiten, und insbesondere die Beziehungen zur neu
gegründeten EU-Grundrechteagentur bestimmen, um Überschneidungen und die
Verschwendung von öffentlichen Geldern zu verhindern;

34.24. den schnellen Beitritt der EU zur EMRK als dringende Priorität zu betrachten;
alle Staaten, die auch Mitglieder der EU sind, sollten die notwendigen Maßnahmen
ergreifen, um diesen Beitritt sicherzustellen;

34.25. die Instrumente und Institutionen des Europarates verstärkt zu nutzen und
sicherzustellen, dass die Ressourcen der Organisation in Anbetracht ihrer wichtigen
Errungenschaften im Menschenrechtsbereich beträchtlich erhöht werden;

35. Die Versammlung beschließt ferner in enger Zusammenarbeit mit den nationalen
Delegationen der Versammlung, die zuständigen Ausschüsse der Parlamente der
Mitgliedstaaten zu einer jährlichen Konferenz der parlamentarischen Rechts- und
Menschenrechtsausschüsse einzuladen, um eine Bestandsaufnahme der Defizite und
Fortschritte im Bereich Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit und einen
Meinungsaustausch über bestmögliche Verfahren vorzunehmen und alle notwendigen
Verbesserungen in der nationalen Gesetzgebung sowie zukünftige Maßnahmen des
Europarates in diesem Bereich festzulegen.

36. Die Versammlung ruft angesichts des wichtigen Beitrags der Zivilgesellschaft,
einschließlich der Menschenrechtsaktivisten, zur Förderung und zum Schutze der
Menschenrechte ihr Präsidium auf, eine jährliche Auszeichnung durch die Parlamentarische

Drucksache 16/7706 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Versammlung für herausragende Aktionen der Zivilgesellschaft zur Verteidigung der
Menschenrechte vorzunehmen sowie die Kriterien, die von den ausgewählten Kandidaten zu
beachten sind, festzulegen.

II. Die Lage der Demokratie in Europa

I. Der Europarat – Haus der Demokratie

37. Die Versammlung erinnert daran, dass der Europarat die älteste paneuropäische
Institution ist, die für demokratische Werte und Prinzipien steht. Die Prinzipien der
Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu akzeptieren
und zu verwirklichen, sind notwendige Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der
Organisation.

38. Seit seiner Gründung hat der Europarat in den vergangenen 58 Jahren einen wichtigen
Besitzstand (acquis) im Bereich der Demokratie aufgebaut, der für die Entwicklung der
Demokratie einen maßgeblichen Orientierungspunkt darstellt. Dieser Besitzstand umfasst
nahezu 200 Übereinkommen, Verträge und Chartas sowie Empfehlungen des
Ministerkomitees, Empfehlungen, Entschließungen und Stellungnahmen der
Parlamentarischen Versammlung, Empfehlungen, Entschließungen und Stellungnahmen des
Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates, Berichte von anderen Organen des
Europarates, insbesondere der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht
(Venedig-Kommission), der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz
(ECRI) und der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) sowie verschiedene
Hintergrundberichte und Veröffentlichungen, die die Aktivitäten des Europarates und die
Ergebnisse von interdisziplinären Projekten untermauern.

39. Der Besitzstand des Europarates im Bereich Demokratie zielt darauf ab, bei der
Normensetzung Hilfestellung zu leisten und zwar durch die Ausarbeitung von
Rechtsinstrumenten und die Schaffung besonderer institutioneller Strukturen oder Verfahren.
Neben diesen gesetzlichen Grundlagen beschäftigen sich die Aktivitäten der Organe und
Institutionen des Europarates, die Richtlinien für die Festlegung von demokratischen
Prioritäten und Anliegen erarbeiten, mit der Entwicklung von demokratischen Institutionen
und Verfahren in Mitgliedstaaten.

40. Der Europarat hat Mitte der siebziger und in den frühen neunziger Jahren eine
wesentliche Rolle bei der Unterstützung der demokratischen Transformationsprozesse, die in
einigen europäischen Ländern noch andauern, sowie bei der Festigung der Demokratie in
seinen Mitgliedstaaten gespielt.

41. Der Europarat hat die Länder effizient durch den schwierigen
Demokratisierungsprozess geführt, angefangen von der Zusammenarbeit vor dem Beitritt über
den formalen Beitritt und den darauf folgenden Monitoringverfahren, indem er sein
Fachwissen, Rechtsberatung und Kooperationsprogramme angeboten, Defizite identifiziert
und konkrete Abhilfe sowie Lösungen im Einklang mit demokratischen Standards
vorgeschlagen hat.

42. Weil Demokratie ein offener, nie endender Prozess ist, der darauf abzielt, die Freiheit
aller Bürgerinnen und Bürger, das eigene Leben zu gestalten, zu verstärken, ist Demokratie
weiterhin eine Herausforderung für alle Mitgliedstaaten des Europarates. In vielen Staaten
sind die Bürger mit dem Stand ihrer Demokratie nicht zufrieden und versuchen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/7706

demokratische Defizite zu beseitigen und die Qualität ihrer Demokratie zu steigern. Die
Demokratie kann am besten gedeihen und erfolgreich sein, wenn sie in die Kultur ihrer
Bürger eingebettet ist, wozu die Förderung der Kultur- und Bildungspolitik durch alle
Mitgliedstaaten und den Europarat erforderlich ist.

43. Mit Blick auf die weitere Entwicklung und die Vertiefung des Nachdenkens über
verschiedene entscheidende Fragen im Bereich der heutigen Demokratie in allen
Europaratsmitgliedstaaten wurde nach dem Dritten Gipfel des Europarates (Warschau, Mai
2005) das Forum für die Zukunft der Demokratie geschaffen.

ii. Wichtige Herausforderungen für die Demokratie

44. Die Versammlung bringt ihre Zufriedenheit hinsichtlich der unumstrittenen
Errungenschaften und Fortschritte der vergangenen Jahre bei der Umsetzung demokratischer
Standards auf dem europäischen Kontinent zum Ausdruck, äußert aber auch ihre Besorgnis
hinsichtlich der immer häufiger auftretenden Demokratiedefizite, die in allen Mitgliedstaaten
des Europarates zu beobachten sind.

45. Die Versammlung nimmt mit großer Sorge die zunehmende politische
Unzufriedenheit und Abneigung der Bürger zur Kenntnis, die sich deutlich in nachlassender
Wahlbeteiligung und einer steigender Enttäuschung oder Gleichgültigkeit, besonders in der
jungen Generation, gegenüber der Politik äußert. Infolgedessen verlieren Menschen das
Vertrauen in die Demokratie, und die Kluft zwischen den politischen Institutionen und den
Bürgern vergrößert sich.

46. Dieses Phänomen steht im Zusammenhang mit der Dysfunktion einiger politischer
Institutionen in vielen Ländern: politische Parteien haben ihre Fähigkeit verloren, eine
Verbindung zwischen Bürger und Staat herzustellen; die Repräsentativität von Parlamenten
ist allzu oft fragwürdig; die grundlegenden Prinzipien der Demokratie wie Gewaltenteilung,
politische Freiheiten, Transparenz und Rechenschaftspflicht werden, und das manchmal zu
Recht, weithin als unzureichend umgesetzt oder als überhaupt nicht umgesetzt
wahrgenommen.

47. In einigen „alten Demokratien“ ist das sinkende Interesse für die führenden Parteien
und das Parlament kein Ausdruck mangelnden politischen Interesses, sondern eine kritische
Beurteilung der Arbeit dieser Institutionen. In diesen Fällen sollten sich die traditionellen
Institutionen der repräsentativen Demokratie für mehr Bürgerbeteiligung öffnen, um die
eigenen Mängel zu beheben und die Bürger, die wegen dieses Nichtfunktionierens besorgt
sind, wieder mit einzubeziehen.

48. In diesen Demokratien könnte man sich nützlicherweise darüber Gedanken machen,
ob die traditionellen Systeme der repräsentativen Demokratie den rasanten Veränderungen im
Kommunikationsbereich und beim Informationszugang verstärkt Rechnung tragen sollten,
was zur Entwicklung von Systemen der direkten Demokratie führen könnte.

49. Die Versammlung ist zutiefst besorgt über berichtete Fälle von Verletzungen
grundlegender Standards der Demokratie in einer Reihe von Europaratsmitgliedstaaten.
Insbesondere gab es besorgniserregende Berichte über Einschränkungen der
Meinungsfreiheit, Versuche, die Versammlungsfreiheit zu begrenzen sowie über nicht
stattfindende freie und faire Wahlen und Verzerrungen bei der repräsentativen, partizipativen
und integrativen Demokratie. Ebenso gibt es Belege für die unzureichende Umsetzung

Drucksache 16/7706 – 44 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

anderer basisdemokratischer Prinzipien, einschließlich der Gewaltenteilung, der
wechselseitigen Kontrolle der drei Gewalten wie auch der Rechtsstaatlichkeit.

50. Die Versammlung ist ebenfalls ernsthaft besorgt über berichtete Fälle fehlender
wirksamer Gewaltenteilung und entsprechender Kontrolle bei möglichem Machtmissbrauch.

51. Alle Länder unseres Kontinents – alte und junge Demokratien – sollten sich der
Qualität ihrer Demokratie bewusster sein. Andernfalls verliert die politische Macht die größte
Errungenschaft einer gut etablierten und gut funktionierenden Demokratie: ihre Legitimität.

52. Meinungs- und Informationsfreiheit sowie Medienpluralismus und Diversifizierung
sind von entscheidender Bedeutung für wahre Demokratie. Große Besorgnis haben die
kürzlichen Morde an Journalisten, Einschränkungen von unabhängigen Medien und
gegenüber Journalisten verhängte Sanktionen hervorgerufen. Beispiele einer übermäßigen
Medienkonzentration sind ebenso besorgniserregend, weil Konzentration für Pluralismus und
Vielfalt schädlich ist. Die Manipulation institutioneller Werbung, um Druck auf die Medien
auszuüben, muss nachdrücklich verurteilt werden.

53. Die zunehmende Rolle der Medien, die in vielen Fällen dazu tendieren, durch die
Festlegung der politischen Tagesordnung, die Monopolisierung der politischen Debatte und
durch das Erküren und Auswählen von politischen Führern, funktionell politische Parteien zu
ersetzen, gibt Anlass zur Sorge. Medien sind allzu oft Einrichtungen, bei denen das Geschäft
im Vordergrund steht. Da das Geschäftsinteresse vordergründig ist und vor dem Dienst am
Bürger und dessen Demokratie steht, tragen die Medien unweigerlich zur Verzerrung der
Demokratie bei. Die Rolle der Medien bei der Festlegung der politischen Tagesordnung, der
Übertragung politischer Debatten und der Meinungsbildung hinsichtlich politischer Führer
unterstreicht die Bedeutung unabhängiger, pluralistischer und verantwortungsbewusster
Medien in einer demokratischen Gesellschaft.

54. Es liegen besorgniserregende Berichte über Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit
u.a. durch bürokratische Behinderung und ungerechtfertigte Besteuerung vor. In einigen
Ländern haben bestimmte Berufs- oder Volksgruppen nicht das Recht, eine politische Partei
zu aufzubauen oder auch nur zu gründen. Bisher stellte die Vereinigungsfreiheit eines der
politischen Grundrechte und eine Grundvoraussetzung für eine gut funktionierende
Demokratie dar.

55. Die Repräsentativität der Parlamente ist offensichtlich ein Kernelement der
repräsentativen Demokratie. In diesem Zusammenhang muss, was das aktive und das passive
Wahlrecht angeht, jede Art von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der
Religion oder aus sozialen Gründen beseitigt werden.

56. Die Staatsbürgerschaft ist die wesentliche politische und gesetzliche Verbindung
zwischen dem Staat und dem Individuum. Die massive Staatenlosigkeit in einigen Ländern
gibt Anlass zu ernster Besorgnis. Die Maßnahmen zur Verminderung der Staatenlosigkeit und
Förderung des Erwerbs einer Staatsbürgerschaft müssen deshalb fortgesetzt werden.

57. Die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen am Entscheidungsprozess ist das
Kennzeichen einer gut funktionierenden Demokratie. Leider ist die Gleichstellung in der
Politik noch keineswegs erreicht.

58. In gewachsenen Demokratien sollte es keine Ausschlussklauseln von mehr als 3% bei

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/7706

Parlamentswahlen geben. In einer Demokratie sollte es möglich sein, die verschiedensten
Meinungen zu äußern. Zahlreiche Menschen von ihrem Recht auf Vertretung auszuschließen,
schadet dem demokratischen System. In gefestigten Demokratien muss ein Gleichgewicht
gefunden werden zwischen einer fairen Meinungsäußerung in der Gemeinschaft und der
Effizienz in Parlament und Regierung.

59. Die Abhaltung freier und fairer Wahlen ist ein Grundbestandteil einer Demokratie. Im
Hinblick auf die Etablierung von Wahlstandards und die Überwachung ihrer Befolgung ist
viel getan worden. Kürzliche Erfahrungen mit divergierenden Wahlbeurteilungen in einigen
europäischen Ländern zeigen jedoch, dass es in diesem Bereich noch ganz beträchtlichen
Verbesserungsbedarf gibt.

60. Berichtete Fälle über die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz oder der Parlamente
erwecken berechtigte Besorgnis.

61. Mitgliedstaaten könnten sinnvollerweise der Frage nachgehen, ob die direkte
Demokratie (z.B. in Form von Volksabstimmungen oder Bürgerinitiativen) eine wichtigere
Rolle spielen könnte.

62. Das Subsidiaritätsprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müssen
umgesetzt werden, da sie für eine gute Regierungsführung zur Stärkung der Demokratie von
wesentlicher Bedeutung sind.

63. Die Versammlung erkennt die Bedeutung der lokalen und regionalen Demokratie als
Grundlage und Garant der Demokratie an und bedauert, dass die Prinzipien der Europäischen
Charta der kommunalen Selbstverwaltung nicht immer tatsächlich umgesetzt werden. Die
Tatsache, dass die Europäische Charta der regionalen Selbstverwaltung bisher noch nicht
angenommen wurde, ist ebenfalls bedauerlich.

64. Die Versammlung ist zutiefst besorgt über die Existenz einer Reihe von Gebieten in
Europa, darunter ein Land – Weißrussland – und verschiedene Regionen in Mitgliedstaaten
des Europarats, die nicht ihrer De-facto-Kontrolle unterliegen und in denen demokratische
Prinzipien nicht umgesetzt werden.

iii. Die notwendige Stärkung der Tätigkeit der Organisation auf dem Gebiet der Demokratie

65. Angesichts der oben erwähnten Herausforderungen muss der Europarat eine wichtige
Rolle spielen, indem er seinen Mitgliedstaaten weiterhin bei der Beseitigung der
Unzulänglichkeiten der Demokratie hilft, sie dazu ermutigt und ihnen eine entsprechende
Orientierung gibt. Die Versammlung fordert alle satzungsmäßigen Organe und Gremien der
Organisation auf, den in dieser Entschließung und der Begründung angesprochenen
Problemen gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

66. Die Versammlung ist der Meinung, dass die Normen setzende Funktion des Europarats
dazu beitragen sollte, Demokratiemängel zu beseitigen. Auf eine gründliche Analyse und
Erkennung der Probleme und Lösungen sollten Vorschläge zur Umsetzung, Empfehlungen für
Reformen und wegweisende Ideen folgen.

67. Die Überwachungsverfahren sollten verschärft werden. Gleichzeitig sollten Maßnahmen
ergriffen werden, damit die Mitgliedstaaten die im Rahmen dieser Verfahren gemachten
Empfehlungen besser einhalten. Nationalen Parlamenten kommt in dieser Hinsicht eine

Drucksache 16/7706 – 46 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wichtige Rolle zu, und die Zusammenarbeit zwischen ihnen und der Versammlung sollte
ausgebaut werden.

68. In für die Demokratie besonders bedeutsamen Bereichen sollten Projekte und
Kooperationsprogramme eingerichtet werden, darunter auch solche, die darauf abzielen, das
öffentliche Bewusstsein für die EMRK und die in der Konvention verbrieften Rechte und
Freiheiten zu fördern,.

69. Der Venedig-Kommission sollten entsprechende Finanzmittel zur Verfügung gestellt
werden, damit sie ihre Tätigkeit – Rechtsberatung und Hilfe beim Demokratieaufbau –
ausweiten kann. Darüber hinaus wird ihr die Durchführung einer Studie empfohlen, um das
Konzept einer Klassifizierung der Kategorien des Demokratieaufbaus zu erarbeiten und zu
verdeutlichen, wie dieses als Grundlage für künftige Bewertungen des Zustands der
Demokratie in Europa verwendet werden könnte, um die Versammlung auf diese Weise in die
Lage zu versetzen, sinnvolle Reformen vorzuschlagen.

70. Das Forum für die Zukunft der Demokratie stellt ein hervorragendes Instrument für die
Weiterentwicklung von Überlegungen über die Demokratie, die Beurteilung des Stands der
Demokratie, das Erkennen von Demokratiedefiziten und die Förderung der Prinzipien der
Demokratie und guter Praxis dar. Es sollte die ihm angemessene Bedeutung und die für seine
künftige Arbeit erforderlichen Mittel erhalten.

71. Die Versammlung fordert den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas auf,
seine Tätigkeit im Bereich der kommunalen und regionalen Demokratie fortzusetzen und
seine Überlegungen über die Aufgaben der Demokratie in seinem Zuständigkeitsbereich
weiterzuentwickeln.

72. Die Versammlung beschließt, den Stand der Demokratie in Europa genau unter die
Lupe zu nehmen, damit sie eher in der Lage ist, die notwendigen Reformen vorzuschlagen
und regelmäßig eine Debatte zu diesem Thema abzuhalten.

iv. Der Weg voran

73. Die Demokratie ist ein ständiger Prozess politischer und verfahrensbezogener
Verbesserungen.

74. Die Parlamentarische Versammlung erinnert an ihre früheren Entschließungen zu
verschiedenen Aspekte der Demokratie und ihrer Funktionsweise in den Mitgliedstaaten.

75. Die Versammlung fordert alle Mitgliedstaaten auf, den oben angesprochenen Themen
die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken und sie mit Blick auf die Verbesserung der
Situation anzugehen. Eine Reihe von in dieser Entschließung genannten Demokratiemängeln
sollten unverzüglich abgestellt werden.

76. Insbesondere sollten in jedem Mitgliedstaat des Europarats zur Steigerung der
Repräsentativität des jeweiligen Parlaments die von dem aktiven oder passiven Wahlrecht
ausgeschlossenen Personenkreise überprüft werden, um ihre Zahl zu begrenzen. Darüber
hinaus sollten wirkliche Schritte zur Beseitigung der Staatenlosigkeit, Herabsetzung des
Wahlalters, Gewährung des Wahlrechts an rechtmäßig ansässige Nichtinländer und
Beseitigung jeder Form von Diskriminierung, ob nun aufgrund der ethnischen, religiösen oder
sozialen Zugehörigkeit oder aufgrund des Geschlechts, genau geprüft und angemessene und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/7706

notwendige Maßnahmen ergriffen werden. Das undemokratische Verfahren der
„Familienabstimmung“ muss abgestellt werden.

77. Die Mitgliedstaaten sollten angemessene Maßnahmen ergreifen, um die nationalen und
internationalen Mechanismen zur Förderung der ausgewogenen Beteiligung von Frauen und
Männern am Entscheidungsprozess mit dem Ziel zu fördern, bis 2020 eine kritische Masse
von mindestens 40% Frauen in politischen Entscheidungsgremien zu erreichen, ob nun in
Kommunen, Regionen, Parlamenten oder der Regierung.

78. Die Versammlung verweist ferner darauf, dass seit dem Beginn der europäischen
Integration das Recht auf Bildung einer politischen Opposition als wesentliches Element einer
wahren Demokratie angesehen wurde. Sie stellt fest, dass die Opposition im Parlament im
zunehmendem Maße Rechte erhält in Verbindung mit der Einrichtung von
Untersuchungsausschüssen, der Einberufung von Sondersitzungen des Parlamentes und der
Möglichkeit, Fälle vor das Verfassungsgericht zu bringen. In einigen Ländern wird sogar
vorgeschlagen, diese Rechte einzelnen Oppositionsparteien oder politischen Gruppen zu
verleihen. Oppositionsparteien und deren Mitglieder können nicht nur Rechte und Mittel
einfordern, sondern sollten sich auch verantwortungsbewusst und bereit zeigen, diese zu
nutzen und bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die Effizienz des Parlamentes
insgesamt auszubauen. Sie sollten nicht nur ihre gegebene aber möglicherweise
unzureichende Rolle der Kritik ausüben. Aber auch der Parlamentsmehrheit obliegt
Verantwortung, das Recht der Minderheit, eine abweichende Meinung von der Mehrheit zu
haben, zu respektieren und alternative politische Maßnahmen zu fördern.

79. Um die höchstmögliche Repräsentativität der gewählten Organe sicherzustellen, sollte
die Gewährung des Wahlrechts an Staatsangehörige von Mitgliedstaaten des Europarats, die
rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat leben, sowie an Personen, die ihre Nationalität
unfreiwillig verloren haben, zumindest auf kommunaler Ebene wohlwollend in Betracht
gezogen werden.

80. Dem Thema Fernwahl (einschließlich der elektronischen Stimmabgabe) ist große
Aufmerksamkeit zu widmen, um alle Auswirkungen und möglichen Herausforderungen zu
klären.

81. Die Beteiligungsrechte aller Bürger sollten ausgeweitet werden. Besondere Beachtung
gilt dabei der Einführung von Elementen der direkten Demokratie wie des Rechts, eine
Volksabstimmung zu beantragen oder eine Gesetzesinitiative vorzuschlagen. Sie müssen mit
Bedacht ausgestaltet werden, damit die repräsentative Demokratie noch repräsentativer und
die Integrations- und Lernfähigkeit unserer Länder und Gesellschaften gesteigert wird.

82. In den Mitgliedstaaten des Europarates sind die politischen Parteien dafür
verantwortlich, eine faire Vertretung der Minderheit in gewählten Institutionen
sicherzustellen, unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit. Es gibt nicht
nur einen Weg, um dieses Ziel zu erreichen, und es stehen eine Reihe möglicher Maßnahmen
zur Verfügung.

83. Nur die strikte Einhaltung der Prinzipien einer guten Regierungsführung verhindert,
dass Korruption in demokratische Institutionen eindringt und sie deformiert. Der Europarat
sollte auf der Notwendigkeit bestehen, einen umfassenden gesetzlichen Rahmen zu schaffen
und dessen Durchsetzung sicherzustellen, Gesetzesbrecher wirksam zu verfolgen und die
Institutionen zur besseren Verhinderung der Wirtschaftskriminalität ständig anzupassen.

Drucksache 16/7706 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

84. Jede unverhältnismäßige Einschränkung der Meinungsfreiheit muss im Einklang mit der
EMRK und der Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs stehen, wobei der Medien-
pluralismus sichergestellt und Maßnahmen ergriffen werden sollten, um eine
Medienkonzentration zu verhindern und abzubauen. Der Europarat sollte einen spezifischen
Mechanismus zur Überwachung der Meinungs- und Medienfreiheit schaffen, der die Lage in
allen Mitgliedstaaten des Europarats verfolgt und untersucht.

85. Zurzeit haben nur wenige Mitgliedstaaten des Europarats Gesetze, die die Frage der
Lobbyarbeit regeln. Der Europarat sollte zur Debatte über die Notwendigkeit solcher
Instrumente auf nationaler und europäischer Ebene beitragen und seinerseits Richtlinien zur
Lobbyarbeit ausarbeiten.

86. Demokratie- und Menschenrechtserziehung sind wichtige Voraussetzungen für den
wirksamen Schutz und die Förderung der Menschenrechte und der Demokratie. Der Europarat
sollte seine Arbeit in diesem Bereich im Einklang mit den Ergebnissen und der Evaluierung
des Jahres 2005 als dem Europäischen Jahr der Demokratieerziehung weiter ausbauen. Dies
sollte verstärkt werden durch die Ausarbeitung und Umsetzung entsprechender nationaler
Programme.

87. Die kommunalen und regionalen Behörden sollten mit allen Befugnissen,
Verantwortlichkeiten und Finanzmitteln ausgestattet werden, die notwendig sind, um eine
wirksame Umsetzung der sektoralen Politik in voller Übereinstimmung mit dem
Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz guter Regierungsführung und zum Wohle der
Bürger Europas zu ermöglichen.

Entschließung 1548 (2007)8

betr.: Fortschritte im Überwachungsverfahren der Versammlung

1. Die Versammlung spricht ihre Anerkennung für die bedeutsame Arbeit ihres
Überwachungsausschusses aus. Die unermüdlichen Anstrengungen des Ausschusses zur
Sicherung der uneingeschränkten Achtung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des
Schutzes der Menschenrechte haben in den 20 Staaten, die von ihm in seinem zehnjährigen
Bestehen überwacht worden sind, Früchte getragen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt
unterliegen 13 Staaten einem Überwachungsverfahren oder sind Teil eines Post-Monitoring-
Dialogs. Der Ausschuss untersucht auch Anträge auf Einleitung eines Über-
wachungsverfahrens gegenüber Italien und dem Vereinigten Königreich und hat sich aktiv an
dem Beitrittsverfahren für Montenegro beteiligt.

2. Im Laufe der Jahre hat ein ständiger Dialog mit den nationalen Behörden der
überwachten Staaten es dem Ausschuss ermöglicht, „Roadmaps“ festzulegen, die sich häufig
in nationalen Aktionsplänen niedergeschlagen haben (z.B. in Armenien, Aserbaidschan, der
Republik Moldau und der Ukraine), mit denen spezifische Verpflichtungen erfüllt werden
8 Debatte der Versammlung am 18. April 2007 (15. Sitzung) (siehe Dok. 11214, Bericht des Ausschusses für die
Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen
(Monitoring-Ausschuss, Berichterstatter: Herr Lintner).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 18. April 2007 (15. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 49 – Drucksache 16/7706

sollten, die beim Beitritt zum Europarat eingegangen worden waren. Überall sind Fortschritte
erzielt worden, doch es hat auch wegen veränderter Umstände oder eines politischen Patts
Rückschläge gegeben.

3. Die Versammlung bedauert, dass frühere Kriege und Konflikte in Europa die
Entwicklung und den Fortschritt in Richtung auf uneingeschränkt funktionsfähige
Demokratien behindern: Im Kaukasus und auf dem Balkan werden immer noch mehrere
tausend Menschen vermisst; Georgien und der Republik Moldau ist es nicht gelungen, die
volle Kontrolle über ihre separatistischen Regionen (Abchasien und Südossetien,
Transnistrien) zu erlangen; der Bergkarabach-Konflikt zwischen Aserbaidschan und
Armenien ist immer noch nicht gelöst. Diese Regionen gelten im Hinblick auf den
tatsächlichen Schutz der Menschenrechte als „schwarze Löcher“. Die Situation ist ähnlich in
Tschetschenien in der Russischen Föderation. Eine internationale Begleitung ist in Bosnien
und Herzegowina sowie im Kosovo nach wie vor erforderlich.

4. Obwohl im Hinblick auf die Wahlrechtsreform beträchtliche Fortschritte erzielt
werden konnten, sind freie und faire Wahlen in mehreren Mitgliedstaaten nach wie vor ein
Problem. Andererseits wurden die Wahlen in Bosnien und Herzegowina, Georgien,
Montenegro, Serbien, der „Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ (FYROM)
und der Ukraine als insgesamt frei und fair bewertet. Eine einseitige oder unzureichende
Medienberichterstattung über die Wahlkämpfe gab in der Republik Moldau und der
Russischen Föderation Anlass zu Besorgnis. Bedenken wurden auch zu Betrugsfällen bei der
Briefwahl im Vereinigten Königreich geäußert.

5. In einer Reihe von Staaten unterliegt das politische Leben im Parlament entweder dem
Monopol der stärksten Partei (Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Russische Föderation und
in gewissem Maße in der Republik Moldau und der Türkei), ist zwischen zwei Parteien oder
Blöcken völlig polarisiert (Albanien) oder so zersplittert, dass wenig tragfähige Koalitionen
gebildet werden müssen (Bosnien und Herzegowina, Serbien). Die missbräuchliche
Anwendung von Boykottstrategien durch Oppositionsparteien oder ihre Weigerung, an
Wahlen teilzunehmen, trägt zum demokratischen Prozess nicht bei (Albanien,
Aserbaidschan). Die Vorstellung, dass eine starke Opposition für jede Demokratie von Nutzen
ist und nicht als störend betrachtet werden darf, ist noch nicht überall verankert. Die
Schwellen für die Vertretung im Parlament sind in Georgien, der Russischen Föderation und
der Türkei noch zu hoch. Die Rolle des Parlaments als notwendiges Gegengewicht für die
Exekutive wird grundsätzlich, oft aber nicht in der Praxis verstanden, da es den Parlamenten
an den erforderlichen Strukturen, Mitarbeitern und Rechtserfahrungen mangelt.

6. Eine Verfassungsreform ist weiterhin dringend erforderlich, um ein gut
funktionierendes System der „Checks and Balances“ sicherzustellen. In gewissem Maße ist
dies in Armenien gelungen, doch in Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina und der Türkei
fehlt es daran noch mehr oder weniger. Bei einigen vor kurzem verabschiedeten Verfassungen
(Serbien), Verfassungsentwürfen (Montenegro) oder Verfassungsänderungen (Georgien,
Liechtenstein und die Ukraine) bleibt die Vereinbarkeit mit europäischen Normen aktuell und
in manchen Fällen eine brennende Frage.

7. Die Reform der lokalen Selbstverwaltung, insbesondere eine nachhaltige
Dezentralisierung, ist ein schwieriger und langwieriger Prozess, den viele Länder noch nicht
vollzogen haben. Die Mindestanforderungen der Europäischen Charta für kommunale
Selbstverwaltung werden zum Beispiel in Armenien, Aserbaidschan, der Republik Moldau,
Montenegro, der Russischen Föderation, Serbien und der Ukraine noch nicht voll erfüllt.

Drucksache 16/7706 – 50 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8. Übermäßige Medienkonzentration und staatliche oder oligarchische Kontrollen über
Medienkonzerne (Russische Föderation) geben weiterhin Anlass zu Besorgnis. Zurzeit wird
ein Antrag geprüft, ein Überwachungsverfahren im Hinblick auf die Monopolisierung
elektronischer Medien und einen möglichen Machtmissbrauch in Italien einzuleiten.
Fortschritte sind erzielt worden bei der Errichtung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten,
z.B. in Aserbaidschan, Georgien und der Republik Moldau.

9. In einer Reihe von Staaten ist die Zivilgesellschaft nach wie vor schwach und
unorganisiert, und viele NRO, Wissenschaftler, Juristen oder Menschenrechtsverfechter
bekommen es bei ihrer Arbeit mit gesetzlichen Behinderungen, Belästigungen seitens der
Verwaltungsbehörden oder kostspieligen Gerichtsverfahren zu tun. Als begrüßenswerte
Entwicklung ist festzuhalten, dass es inzwischen in fast allen Mitgliedstaaten Ombudsmann-
Einrichtungen gibt (auf regionaler Ebene auch in der Russischen Föderation und der
„Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien"), die jedoch in einigen Fällen noch keine
uneingeschränkten Garantien für ihre Unabhängigkeit und effektive Arbeit genießen.

10. Die uneingeschränkte Achtung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit ist die große
Herausforderung, vor der alle Länder bei der Überwachung stehen: Der Prozess der Reform
des Gerichtswesens erwies sich als länger und komplexer, als ursprünglich gedacht worden
war. Dazu gehört die Reform des Bildungswesens, gerade auch im universitären Bereich, die
Schaffung von Fachakademien für künftige Richter, Anwälte und Polizeibeamte; effektive
Mechanismen auch auf verfassungsrechtlicher Ebene zur Gewährleistung der Unabhängigkeit
der Gremien, die für die Auswahl, die Laufbahnentwicklung und Disziplinarverfahren in
Bezug auf Richter und Staatsanwälte zuständig sind; die Einrichtung von Anwaltskammern;
Berufsausbildung; die Ausarbeitung von Ethikkodizes sowie beträchtliche Haushaltsmittel,
und auch die Justizreform erfordert eine Überprüfung oder Überarbeitung materiell- und
verfahrensrechtlicher Bestimmungen, gerade auch im Strafrecht. Die Versammlung stellt in
Bezug auf die Länderberichte des Überwachungsausschusses fest, dass in allen Staaten
Fortschritte erzielt worden sind, zugleich aber noch viel zu tun bleibt, um die Umsetzung
sämtlicher einschlägiger Reformen zu verabschieden und zu gewährleisten.

11. Die Korruption ist eine Geißel, die in unterschiedlichem Maße alle europäischen
Staaten heimsucht. Es kann kein öffentliches Vertrauen in staatliche Stellen geben, wenn
Diplome, Urteile, Stellen, Verträge oder Stimmen gekauft oder gehandelt werden können. Die
Versammlung begrüßt deshalb die Annahme von Strategien zur Korruptionsbekämpfung in
fast allen überwachten Staaten, erinnert diese jedoch daran, dass Worten auch Taten folgen
müssen. Ein stabiler, professioneller, kompetenter und angemessen bezahlter öffentlicher
Dienst ist in dieser Hinsicht von überragender Bedeutung.

12. Was die Achtung der Menschenrechte anbelangt, stellt die Versammlung mit
Befriedigung fest, dass die überwiegende Mehrheit der überwachten Staaten die einschlägigen
Übereinkommen des Europarats entsprechend ihren Beitrittsverpflichtungen ratifiziert hat.
Die Russische Föderation ist der einzige Mitgliedstaat des Europarats, der Protokoll Nr. 6 der
Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden „die Konvention“) über die
Abschaffung der Todesstrafe nicht ratifiziert hat. Sie ist darüber hinaus der einzige
Mitgliedstaat, der Protokoll Nr. 14 der Konvention nicht ratifiziert hat und damit sein
Inkrafttreten verzögert. Die Versammlung ist außerdem besonders besorgt über den
langsamen Verlauf der Ratifizierung von Protokoll Nr. 12 der Konvention und der Charta der
Regional- oder Minderheitensprachen. Obwohl die Ratifizierung von Konventionen und die
Inkraftsetzung von Gesetzgebungstexten eine Voraussetzung darstellt, bleibt die Umsetzung
vor Ort und in der Praxis immer noch der wichtigste Stolperstein für den Schutz der
Menschenrechte. Das ist eine Frage des politischen Willens, aber auch der administrativen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/7706

Möglichkeiten und der verfügbaren Haushaltsmittel. Außerdem muss der
Demokratisierungsprozess mit ernsthaften und andauernden Anstrengungen auf dem Gebiet
der Aufklärung und der Schaffung eines Menschenrechtsbewusstseins einhergehen. Einmal
mehr verweist die Versammlung auf die einschlägigen Entschließungen, die sie auf Vorschlag
des Überwachungsausschusses für jeden der Staaten angenommen hat.

13. Die Verhältnisse in Haftanstalten, insbesondere Überbelegung, geben in ganz Europa
Anlass zur Besorgnis. Die Versammlung begrüßt in dieser Hinsicht die lobenswerten
Anstrengungen, wie sie z.B. von der Russischen Föderation und Georgien und der Türkei
unternommen werden, obwohl noch viel mehr getan werden muss, um die von dem
Europäischen Komitee zur Verhinderung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender
Behandlung oder Strafe (CPT) festgelegten Standards zu erfüllen – vor allem im Hinblick auf
die medizinische Versorgung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Lage sich bessert, sobald
Haftanstalten unter die Zuständigkeit des Justizministeriums statt unter die des
Innenministeriums gestellt werden. Folter und schlechte Behandlung, vor allem während des
Polizeigewahrsams und der Untersuchungshaft, sind noch nicht beseitigt, genauso wenig wie
die Schikanierung junger Wehrpflichtiger. Obwohl in den letzten Jahren zweifellos
Fortschritte erzielt worden sind, z.B. mit der Null-Toleranz-Politik gegenüber der Folter
(Georgien, Türkei), bedauert es die Versammlung, dass das CPT zum dritten Mal zu der
außergewöhnlichen Maßnahme greifen musste, eine öffentliche Erklärung zu der Lage in der
Republik Tschetschenien abzugeben, da die Russische Föderation nicht kooperiert oder es
ablehnt, die Lage im Lichte der Empfehlungen des CPT zu verbessern.

14. Zensur, zahlreiche Verfolgungen, Einschüchterungen oder sogar physische
Bedrohungen von Journalisten kommen in der Russischen Föderation, der Türkei und
Aserbaidschan immer noch vor. Die Pressefreiheit hat sich in der Ukraine verbessert. Einige
Staaten haben den Tatbestand der Verleumdung ganz (Bosnien und Herzegowina, Georgien,
Ukraine) oder zum Teil (Republik Moldau und die „Ehemalige jugoslawische Republik
Mazedonien“) entkriminalisiert, was eine begrüßenswerte Entwicklung ist. In den meisten
Staaten muss die berufliche Ethik des Journalismus jedoch nach wie vor verbessert werden.
Die Versammlung begrüßt die Aktionspläne zur Bekämpfung der Diskriminierung der Roma
(Albanien, Bulgarien, Tschechische Republik, Rumänien, Slowakei), die Registrierung
religiöser Minderheiten (Armenien, Aserbaidschan), die Einführung der Kriegsdienst-
verweigerung aus Gewissensgründen (Armenien, Russische Föderation, jedoch noch nicht die
Türkei oder Aserbaidschan). Es verbleiben Probleme mit der Rechtsstellung von Kirchen, z.B.
in Bulgarien, der Republik Moldau oder Montenegro.

15. Die Versammlung fordert alle Staaten, die gegenwärtig einem
Überwachungsverfahren unterliegen oder an einem Post-Monitoring-Dialog teilnehmen,
nachdrücklich auf, ihre Zusammenarbeit mit dem Überwachungsausschuss fortzuführen und
alle Empfehlungen umzusetzen, die in den von der Versammlung angenommenen
landesspezifischen Entschließungen enthalten sind. Sie ist bereit, den betreffenden Staaten
über ihre parlamentarischen Zusammenarbeits- und Hilfsprogramme jede erforderliche
Unterstützung zu gewähren.

16. Die Versammlung ist sich bewusst, dass die von ihrem Überwachungsausschuss in den
13 Staaten, die gegenwärtig einem Überwachungsverfahren unterliegen oder sich an einem
Post-Monitoring-Dialog beteiligen, festgestellten Unzulänglichkeiten bisweilen als unfaire
Maßregelung von Staaten fehlgedeutet werden, die in oft weniger als einem Jahrzehnt
gewaltige Veränderungsprozesse durchlaufen haben. Die Versammlung ist sich auch darüber
im Klaren, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte nie ein für
alle Mal gewährt werden und dass die übrigen 33 Mitgliedstaaten des Europarats ebenfalls an

Drucksache 16/7706 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die Notwendigkeit erinnert werden müssen, ihre satzungsgemäßen Verpflichtungen als
Mitgliedstaaten dieser Organisation einzuhalten.

17. Die Versammlung begrüßt deshalb die von dem Überwachungsausschuss im Jahr 2006
ergriffene Initiative, auch die Bilanz der Mitgliedstaaten zu verfolgen, die zurzeit nicht dem
Überwachungs- oder Post-Monitoring-Verfahren der Versammlung unterliegen, um seinem
jährlichen Fortschrittsbericht an die Versammlung regelmäßige Berichte über Staatengruppen
anzufügen, in denen Zusammenfassungen der Ergebnisse für andere Gremien und
Institutionen des Europarats enthalten sind.

18. Auf der Grundlage regelmäßiger Berichte, die dem letztjährigen Fortschrittsbericht des
Überwachungsausschusses über die erste Gruppe von 11 Mitgliedstaaten (Andorra, Belgien,
Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Kroatien, Österreich, Tschechische
Republik und Zypern) beigefügt wurden, bat die Versammlung in ihrer Entschließung
1515 (2006) die entsprechenden Staaten, eine Reihe von Übereinkommen des Europarats zu
ratifizieren, in denen ein Überwachungsmechanismus vorgesehen ist. Die Versammlung
bedauert, dass Belgien seit der Annahme der Entschließung 1515 (2006) noch nicht die
Gesetzesreformen abgeschlossen hat, die nötig sind, um das Urteil des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rechtssache Conka gegen Belgien vom 2. Februar
2002 in vollem Umfang zu vollziehen.

19. Die Versammlung begrüßt es, dass die Behörden von zwei Mitgliedstaaten, nämlich
Österreich und Deutschland, einige Monate später den Präsidenten der Versammlung von
Nachfolgemaßnahmen in Kenntnis setzten oder die Haltung ihrer Regierung erläuterten. Sie
fordert die Behörden der übrigen betroffenen Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ebenfalls
Informationen über Nachfolgemaßnahmen bereitzustellen.

20. Die Versammlung begrüßt es insbesondere, dass Österreich und Belgien nach der
Annahme der Entschließung 1515 (2006) das Zivilrechtsübereinkommen über Korruption
ratifiziert haben und dass Österreich der Gruppe von Staaten gegen Korruption (GRECO)
beigetreten ist. Andorra und Belgien ratifizierten das Protokoll Nr. 14 zur Änderung des
Kontrollsystems des Übereinkommens. Frankreich ratifizierte die Europäische Charta der
kommunalen Selbstverwaltung. Die Tschechische Republik ratifizierte die Europäische
Charta der Regional- oder Minderheitensprachen.

21. Für dieses Jahr hat der Überwachungsausschusses regelmäßige Berichte über die
zweite Gruppe von 11 Mitgliedstaaten erstellt, die weder einem Überwachungsverfahren
unterliegen noch sich an einem Post-Monitoring-Dialog beteiligen: Griechenland, Irland,
Island, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande und
Ungarn. Wie im letzten Jahr beruhen sie auf einer Land für Land vorgenommenen Bewertung
dieser Staaten durch den Menschenrechtskommissar und andere Überwachungsmechanismen
des Europarats oder anderer Institutionen.

22. Auf der Grundlage dieser Berichte, die dem diesjährigen Fortschrittsbericht des Über-
wachungsausschusses beigefügt sind, ergreift die Versammlung folgende Schritte:

22.1. Sie bittet die nationalen Parlamente der betreffenden Staaten,

22.1.1. diese Berichte als Grundlage für eine Aussprache über die Bilanz ihres
Landes im Hinblick auf die Erfüllung seiner satzungsmäßigen und
vertraglichen Verpflichtungen als Mitgliedstaat des Europarats zu verwenden;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/7706

22.1.1. den Vollzug der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte und die Befolgung der Empfehlungen des
Menschenrechtskommissars und der übrigen spezifischen
Überwachungsgremien des Europarats zu fördern – sowohl durch Einleitung
und Beschleunigung notwendiger Gesetzesinitiativen als auch durch
Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktion über das Handeln der Regierung.

22.2. Sie bittet die Organe der Europäischen Union, diese Berichte, soweit sie
anwendbar sind, zu verwenden und die Feststellungen der
Menschenrechtsinstitutionen und Überwachungsmechanismen des Europarats, wie die
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Menschenrechtskommissars,
die Berichte des Überwachungsausschusses der Versammlung sowie die von der
Versammlung angenommenen einschlägigen Entschließungen und Empfehlungen zu
berücksichtigen.

22.3. Sie stellt fest, dass

22.3.1. die ausgebliebene volle Umsetzung der Urteile Dougoz und Peers in
Bezug auf die Überfüllung von Haftanstalten in Griechenland das
Ministerkomitee 2005 zur Annahme einer Zwischenresolution
(ResDH(2005)21) veranlasste. Am 7. Juni 2006 nahm das Ministerkomitee
eine weitere Zwischenresolution zu zwei Urteilen des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte zu Fragen der Wiederaufforstung und
Verletzungen der Eigentumsrechte in Griechenland an;

22.3.2. ungeachtet wiederholter Aufforderungen durch die Versammlung,
zuletzt in deren Entschließung 1516 (2006), und das Ministerkomitee
(ResDH(2007)2) strukturelle Mängel in Italien weiterhin zu wiederholten
Fällen der Verletzung der Konvention wegen übermäßiger Dauer von
Gerichtsverfahren führen. Die ausbleibenden Fortschritte in Richtung auf eine
Lösung der systematischen Verletzung des Rechts auf ungestörten Besitz über
eine „indirekte Enteignung“ durch Italien veranlasste das Ministerkomitee am
14. Februar 2007 zur Annahme einer weiteren Zwischenresolution
(ResDH(2007)3). Darüber hinaus gestattet die italienische Gesetzgebung nach
wie vor keine Wiedereröffnung inländischer Strafverfahren, die von dem
Gerichtshof angefochten wurden und es sind keine weiteren Maßnahmen
ergriffen worden, um den Anspruch der Antragsteller auf ein faires Verfahren
wiederherzustellen (ResDH(2005)85).

22.4. Die Versammlung fordert Griechenland und Italien darum nachdrücklich auf,
schneller allgemeine Maßnahmen zu verabschieden, die notwendig sind, um den
uneingeschränkten Vollzug von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte sicherzustellen und ähnlichen Verletzungen der Konvention wirksam
vorzubeugen.

23. Die Versammlung stellt fest, dass eine Reihe der betrachteten Mitgliedstaaten
bestimmten spezifischen Überwachungsmechanismen der Organisation noch nicht
unterliegen, weil sie die entsprechenden Übereinkommen noch nicht ratifiziert haben oder den
jeweiligen Gremien nicht beigetreten sind und bittet diese Mitgliedstaaten deshalb, innerhalb
von drei Jahren die notwendigen Schritte zu tun. Einmal mehr liegt im Hinblick auf die
Förderung der Ratifizierung eine besondere Verantwortung bei den nationalen Parlamenten.

Drucksache 16/7706 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Insbesondere lässt die Versammlung an nachstehende Staaten dringende Aufforderungen
ergehen:

23.1. an Liechtenstein und die Niederlande zur Unterzeichnung und Ratifizierung
sowie an Irland, Island und Italien zur Ratifizierung des Zivilrechtsübereinkommens
über Korruption;

23.2. an Liechtenstein zur Unterzeichnung und Ratifizierung sowie an Griechenland
und Italien zur Ratifizierung des Strafrechtsübereinkommens über Korruption;

23.3. an Irland, Liechtenstein, Litauen und Ungarn zur Unterzeichnung und
Ratifizierung sowie an Griechenland, Island, Italien, Lettland, Luxemburg, Malta und
die Niederlande zur Ratifizierung des Übereinkommens über Geldwäsche, Ermittlung,
Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten und über die
Finanzierung des Terrorismus mit der Feststellung, dass alle diese Staaten das
Übereinkommen von 1990 über die gleiche Thematik ratifiziert haben;

23.4. an Litauen und Malta zur Unterzeichnung und Ratifizierung sowie an
Griechenland, Irland, Island, Italien, Lettland, Liechtenstein und Ungarn zur
Ratifizierung des Protokolls Nr. 12 zur Europäischen Menschenrechtskonvention;

23.5. an Italien und Lettland zur Ratifizierung des Protokolls Nr. 13 zur
Europäischen Menschenrechtskonvention;

23.6. an Lettland und Liechtenstein zur Unterzeichnung und Ratifizierung sowie an
Griechenland, Island, Luxemburg und Ungarn zur Ratifizierung der geänderten
Europäischen Sozialcharta;

23.7. an Island, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg und Malta zur
Unterzeichnung und Ratifizierung sowie an Ungarn zur Ratifizierung des Protokolls
zur Europäischen Sozialcharta in Bezug auf Sammelklagen;

23.8. an Griechenland, Island und Luxemburg zur Ratifizierung des Rahmenüberein-
kommens zum Schutz nationaler Minderheiten;

23.9. an Griechenland, Irland und Lettland zur Unterzeichnung und Ratifizierung
sowie an Island, Italien und Malta zur Ratifizierung der Europäischen Charta für
Regional- oder Minderheitensprachen;

23.10. an Italien und Liechtenstein zum Beitritt zur Gruppe von Staaten gegen
Korruption (GRECO).

24. Die Versammlung sieht dem nächsten Fortschrittsbericht des
Überwachungsausschusses erwartungsvoll entgegen, der regelmäßige Berichte der 11
verbleibenden Staaten enthalten wird, die weder einem Überwachungsverfahren unterliegen
noch an einem Post-Monitoring-Dialog nach einer Überwachung beteiligt sind (Norwegen,
Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Slowenien,
Spanien, das Vereinigte Königreich). Sie erwartet dabei von allen Mitgliedstaaten eine
uneingeschränkte Zusammenarbeit.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/7706

Entschließung 1549 (2007)9

betr. das Funktionieren der demokratischen Institutionen in der Ukraine

1. Die Parlamentarische Versammlung ist besorgt über die in den letzten Monaten
stattgefundenen politischen Entwicklungen in der Ukraine, die ihren Höhepunkt in dem
Präsidialerlass von Viktor Juschtschenko vom 2. April 2007 fanden, mit dem er die baldige
Beendigung der Befugnisse der Verkhovna Rada (Parlament der Ukraine) angekündigt hat.
Die anhaltende politische Instabilität ist das Ergebnis des systematischen Unvermögens
aufeinander folgender ukrainischer Regierungen, abgestimmte Politiken zu erarbeiten, die
gestützt werden durch substantielle gesetzliche, verwaltungsmäßige und wirtschaftliche
Reformen. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat es keine abgeschlossenen politischen Reformen
gegeben, die die „Spielregeln“ festlegen und es gesetzlich verankerten Institutionen
ermöglichen würden, demokratische Rechte und Freiheiten zu garantieren und politischen
Wettbewerb zu fördern.

2. Die Versammlung unterstreicht, dass die derzeitige Krise in der Ukraine auch das
Ergebnis der vorschnellen und unvollständigen Verfassungs- und politischen Reform des
Jahres 2004 ist, wonach eine Reihe von Änderungen an der Verfassung der Ukraine
vorgenommen wurden, ohne dass dabei die Vorbehalte der Venedig-Kommission
berücksichtigt und eine umfassende öffentliche Debatte im Lande geführt wurden. Die
Versammlung bedauert, dass die deutliche in ihrer Entschließung 1466 (2005) geäußerte
Kritik und ihre wiederholten Aufforderungen an die ukrainischen Behörden, sich
unverzüglich mit diesen Problemen zu befassen, um die Legitimität der
Verfassungsänderungen von 2004 ebenso wie ihre Übereinstimmung mit europäischen
Normen sicherzustellen, unbeachtet geblieben sind.

3. In diesem Zusammenhang verweist die Versammlung auf ihre zahlreichen früheren
Appelle, die Institutionen in der Ukraine zu reformieren, wie in den Entschließungen 1179
(1999), 1239 (2001), 1244 (2001), 1346 (2003), 1364 (2004), 1466 (2005) und den
Empfehlungen 1395 (1999), 1416 (1999), 1451 (2000) und 1722 (2005) zum Ausdruck
gebracht. Sie erkennt die Errungenschaften der „orangenen“ Revolution an, die es
ermöglichten, dass entscheidende demokratische Freiheiten in der Ukraine Wurzeln fassten:
Im Lande gibt es nun Rede- und Medienfreiheit, Versammlungsfreiheit, Freiheit des
politischen Wettbewerbs und der Opposition und eine lebendige Bürgergesellschaft. Darüber
hinaus bewies das Land vor einem Jahr seine Fähigkeit, freie und faire Parlamentswahlen
durchzuführen. Was der Ukraine jedoch heute fehlt, sind in ihre demokratischen Institutionen
eingebaute Garantien, die diese neu erworbenen Freiheiten festigen könnten.

4. Persönliche Rivalitäten und kurzsichtige Kämpfe um persönliche Vorteile in
Verbindung mit Posten und Positionen haben zu verschiedenen Versuchen einiger politischer
Kräfte geführt, sich das verfassungsmäßige Vakuum zunutze zu machen, das mit dem
Inkrafttreten der kontroversen im Jahre 2004 beschlossenen Verfassungsänderungen im
Januar 2006 entstanden ist. Die Versammlung bedauert, dass es das Fehlen unabhängiger
Gegengewichte den staatlichen Schlüsselorganen erlaubt, sich als über dem Gesetz stehend zu
9 Debatte der Versammlung am 19. April 2007 (16. Sitzung) (siehe Dok. 11255, Bericht des Ausschusses für die
Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen
(Monitoringausschuss), Berichterstatterinnen: Frau Severinsen und Frau Wohlwend).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 19. April 2007 (16. Sitzung).

Drucksache 16/7706 – 56 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

betrachten. Dies hat den Ruf aller politischen Führer in der Ukraine ganz gravierend
beschädigt.

5. Die Versammlung richtet einen dringenden Appell an den Präsidenten, die
Parlamentsmitglieder und die Regierung der Ukraine, ihre derzeitige Krise in einer
rechtmäßigen, strikt verfassungsmäßigen und friedlichen Art und Weise zu lösen entweder
durch Einberufung rechtmäßiger vorzeitiger Wahlen auf der Grundlage eines Urteils des
Verfassungsgerichts oder auf dem Wege über einen ausgehandelten Kompromiss. Bei diesem
Prozess sollten alle politischen Parteien davon absehen, scharfe und parteiische öffentliche
Erklärungen zur Unterstützung oder Verurteilung irgendeiner politischen Kraft im Lande
abzugeben.

6. In dieser Hinsicht stellt die Versammlung fest, dass die wichtigsten Führer des Landes
den Dialog während der laufenden Krise aufrechterhalten haben. Sie stellt ebenso fest, dass es
der ukrainischen Führung bislang gelungen ist, Stabilität und zivilen Frieden im Lande
aufrechtzuerhalten, was die Existenz eines innenpolitischen Potentials belegt, die derzeitige
Krise überwinden zu können. Darüber hinaus ist es ein positives Zeichen, dass es den
Strafverfolgungsbehörden bislang gelungen ist, ihrer Aufgabe nachzukommen, die öffentliche
Ordnung und Sicherheit ohne direktes Eingreifen in den politischen Kampf aufrechtzuerhalten
und dass die Streitkräfte Neutralität wahren konnten.

7. Die Versammlung ist jedoch besorgt über Berichte, nach denen einige politische
Kräfte Minderjährige für politische Massenveranstaltungen benutzen, was eine Verletzung
des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes darstellt. Sie betont,
dass derartige Praktiken inakzeptabel sind und fordert alle politischen Kräfte in der Ukraine
auf, die Bestimmungen des erwähnten Übereinkommens, dem die Ukraine als Vertragspartei
angehört, zu beachten.

8. Die Versammlung fordert die politischen Kräfte der Ukraine auf, unverzüglich die
Arbeit zur Verbesserung der Verfassung der Ukraine und der damit in Verbindung stehenden
Gesetze wieder aufzunehmen, um letztendlich ein wirksames System der gegenseitigen
Kontrolle der drei Gewalten zu gewährleisten und die Verfassungsbestimmungen in Einklang
mit den europäischen Normen zu bringen. Die Verfassungsreform sollte Teil der
Diskussionen sein, deren Ziel die Lösung der derzeitigen politischen Krise ist. Die
Versammlung bringt ihre Erwartung zum Ausdruck, dass die Venedig-Kommission aktiv in
den Prozess der Erarbeitung von Vorschlägen für die Verfassungsreform mit einbezogen
wird.

9. Die Versammlung bekräftigt, dass die Abberufung von Volksvertretern durch die
politischen Parteien (imperatives Mandat) in einem demokratischen Staat inakzeptabel ist. Die
einschlägigen Verfassungsbestimmungen müssen im Einklang mit den Empfehlungen der
Venedig-Kommission aus dem Jahre 2004 geändert werden; ähnliche Bestimmungen müssen
ebenfalls aus der einfachen Gesetzgebung gestrichen werden. Die Versammlung ist der
Auffassung, dass ein konsequentes politisches Programm, verantwortungsbewusste und
engagierte Parteimitgliedschaft und eingehende Überprüfung der Kandidaten der Parteien
wirksamere Instrumente zur Ermutigung der Partei- und Fraktionsdisziplin ist.

10. Die Versammlung erkennt an, dass sowohl regelmäßige als auch vorzeitige Wahlen
ein legitimes demokratisches Instrument für das Volk darstellen, die Behörden auszuwählen
und zu kontrollieren, die in ihrem Auftrag handeln. Vorzeitige Wahlen sind ein normales
Verfahren in allen demokratischen Ländern des Europarates und könnten als solche als ein

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 57 – Drucksache 16/7706

wichtiger Baustein des politischen Kompromisses akzeptiert werden. Die Versammlung
unterstreicht jedoch, dass Wahlen, damit sie als demokratisch angesehen werden können,
nach einem gesetzmäßigen Verfahren durchzuführen sind, das einen fairen Wahlkampf und
freie Wahl für die Wähler ermöglicht.

11. In dieser Hinsicht nimmt die Versammlung mit Besorgnis zur Kenntnis, dass die
bestehenden Bestimmungen der Wahlgesetzgebung, die vorzeitige Wahlen innerhalb des von
der von der Verfassung festgelegten Rahmens (60 Tage) verlangen, unzureichend sind und
keine vernünftigen Voraussetzungen für freie und faire Wahlen garantieren. Sie bedauert, dass
die Regierung nicht dem rechtsgültigen Erlass nachgekommen ist (so lange nicht anders
bewiesen) und nicht die erforderlichen Finanzmittel für diese Wahlen zur Verfügung gestellt
hat.

12. Die Versammlung fordert die ukrainischen Behörden und politischen Kräfte ebenfalls
nachdrücklich auf, sich so schnell wie möglich mit dem Problem des parlamentarischen
Wahlsystems der Ukraine zu befassen, welches einer der Gründe für die Schwäche des
politischen Systems darstellen könnte. Ein reines proportionales Wahlsystem mit
geschlossenen Parteilisten und mit der Behandlung der gesamten Ukraine als einem einzigen
Wahlkreis, wie von den Verfassungsänderungen des Jahres 2004 bekräftigt, garantiert nicht
die Wahl eines Parlamentes, welches die ukrainische Gesellschaft in all ihrer Vielfalt
repräsentiert.

13. Die Versammlung bedauert es, dass das Justizsystem der Ukraine systematisch durch
andere Staatsorgane missbraucht wurde und dass hohe Beamte die Gerichtsbeschlüsse nicht
umsetzen, was ein Zeichen der Erosion dieser entscheidenden demokratischen Institution ist.
Ein unabhängiges und unparteiisches Rechtswesen ist eine Voraussetzung für das Existieren
einer demokratischen Gesellschaft, die der Rechtsstaatlichkeit unterliegt. Daraus resultiert die
dringende Notwendigkeit, eine umfassende Justizreform durchzuführen, einschließlich durch
Verfassungsänderungen.

14. Die Versammlung bekräftigt erneut, dass die Autorität des einzigen Organs der
Verfassungsgerichtsbarkeit – des Verfassungsgerichtshofes der Ukraine – garantiert und
respektiert werden muss. Die Ausübung von Druck in jedweder Form auf Richter kann nicht
geduldet werden und sollte untersucht und strafrechtlich verfolgt werden. Andererseits ist es
bedauernswert, dass das Verfassungsgericht in den acht Monaten seit seiner neuen
vollständigen Zusammensetzung nicht in der Lage war, Urteile zu fällen, womit es ihm nicht
gelungen ist, seiner verfassungsgemäßen Rolle nach zu kommen und zur Lösung der Krise in
den Frühstadien beizutragen, was die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofes unterminiert. Es ist
dringend notwendig, dass alle noch ausstehenden Urteile und insbesondere das Urteil in
Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit des Präsidialerlasses vom 2. April 2007 ergehen. Falls
letzteres ergeht, sollte es von allen Seiten als bindend akzeptiert werden.

15. Im Lichte dieser Erwägungen empfiehlt die Versammlung den ukrainischen Behörden
die unverzügliche Verabschiedung folgender konkreter Maßnahmen zur Bewältigung der
Ursachen der Krise und zur Verhinderung eines weiteren nicht ordnungsgemäßen
Funktionierens der demokratischen Institutionen in der Ukraine:

15.1. die Wiederaufnahme des Projekts der Verfassungsreform in enger Zusammenarbeit
mit der Venedig-Kommission, um das Grundgesetz der Ukraine zu verbessern und es in
Einklang mit den europäischen Normen zu bringen, insbesondere hinsichtlich der
Bestimmungen über die Gewaltenteilung, das imperative Mandat, die Judikative und die

Drucksache 16/7706 – 58 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Generalstaatsanwaltschaft, wie in verschiedenen Stellungnahmen der Venedig-Kommission
zu diesem Thema und den Entschließungen 1364 (2004) und 1466 (2005) der Versammlung
gefordert;

15.2. ohne jede weitere Verzögerung die Verabschiedung und Inkraftsetzung
grundlegender Verfassungsgesetze (Gesetze über die Geschäftsordnung der Verkhovna Rada
der Ukraine, über die parlamentarischen Ad-hoc-Sonder- und Untersuchungsausschüsse, über
zentrale Organe der Exekutive, über die parlamentarische Opposition, über Referenden, etc.)
und Sicherstellung der Vereinbarkeit des Gesetzes über das Ministerkabinett der Ukraine mit
der Verfassung der Ukraine unter Berücksichtigung der einschlägigen europäischen
Standards und der Stellungnahme der Venedig-Kommission;

15.3. Änderung des Wahlgesetzes über die Volksvertreter der Ukraine zur Festlegung
von Verfahren für die Veranstaltung vorzeitiger Wahlen im Falle einer Parlamentsauflösung;

15.4. Erörterung einer Änderung des Systems der Parlamentswahlen, z. B. durch
Einführung offener Parteienlisten, wonach Wähler ihre Präferenzen in Bezug auf einzelne
Kandidaten, die in die von politischen Parteien (Blöcken) vorgeschlagenen Wahllisten
aufgenommen sind, angeben können, und durch Aufteilung des Landes in verschiedene
Wahlbezirke;

15.5. Durchführung der Justizreform auf der Grundlage des Justizreformkonzeptes, das
vom Präsidenten der Ukraine im Mai 2006 verabschiedet wurde mit dem Ziel der Schaffung
einer unabhängigen und wirksamen Justiz in der Ukraine und dabei Berücksichtigung der
kürzlichen Stellungnahme der Venedig-Kommission;

15.6. Einleitung der Reform des Strafrechtssystems und der Strafverfolgungsbehörden
und Ergreifung aktiver gesetzgebender und konkreter Maßnahmen, um allen Formen von
Korruption, einschließlich der politischen, entgegenzutreten.

16. Die Versammlung ist der Auffassung, dass sich im Hinblick auf die wirksame
Umsetzung der oben aufgeführten Empfehlungen alle am Konflikt beteiligten Parteien an
einem offenen konstruktiven Dialog über die Lösung der Lage in der Ukraine beteiligen
sollten.

17. Die Versammlung fordert den Generalsekretär des Europarates auf, vorrangig alle in
seinem Zuständigkeitsbereich liegenden geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um zum
Prozess der Lösung der Krise in der Ukraine beizutragen. Sie ist ebenfalls der Auffassung,
dass die Aktivitäten in Bezug auf den Aktionsplan des Europarates für die Zusammenarbeit
mit der Ukraine erweitert werden sollten, um eine deutliche Stärkung der demokratischen
Institutionen in der Ukraine herbeizuführen.

18. Die Versammlung fordert die Venedig-Kommission auf, in Bezug auf die bestehende
Gesetzesgrundlage hinsichtlich vorzeitiger Parlamentswahlen in der Ukraine und über
Möglichkeiten zur Verbesserung der Wahlgesetzgebung, basierend auf der Praxis in Europa,
eine Stellungnahme vorzulegen.

19. Die Versammlung bekräftigt ihre Bereitschaft, der Ukraine dabei zu helfen, die derzeit
festgefahrene Situation zu überwinden, entweder durch ihre Unterstützungsmechanismen oder
durch andere gezielte Vorkehrungen. Dennoch ist es Aufgabe der politischen Führer der
Ukraine, für ihre internen Probleme die am besten geeignete Lösung zu erarbeiten. Die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 59 – Drucksache 16/7706

Versammlung ist der Auffassung, dass nicht alle innenpolitischen Möglichkeiten für einen
raschen, effizienten und verfassungsgemäßen politischen Kompromiss bislang genutzt
wurden. Sie fordert daher die ukrainischen Führer auf, neues politisches Vertrauen durch die
Schaffung zweckmäßiger Mechanismen zur Gewährleistung der nationalen Einheit, des fairen
politischen Wettbewerbs und kohärenter und umfassender Reformen aufzubauen, für welche
die Versammlung mit ihrer Entschließung 1466 (2005) die wichtigsten Orientierungspunkte
aufgezeigt hat.

Entschließung 1550 (2007)10

betr. die Lage im Nahen Osten

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Entschließung 1493 (2006) zur
Lage im Nahen Osten und ihre Entschließung 1520 (2006) über die jüngsten Entwicklungen
im Libanon in Verbindung mit der Lage im Nahen Osten.

2. Die Versammlung begrüßt die Bemühungen des palästinensischen Präsidenten und
Führers der Fatah, Mahmoud Abbas, sowie der neuen Regierung der nationalen Einheit, durch
Unterzeichnung einer Vereinbarung am 8. Februar 2007 in Mekka, die am 17. März 2007 zur
Ernennung einer neuen Regierung der nationalen Einheit führte, eine Zusammenarbeit
einzuleiten und der Eskalation der Gewalt zwischen ihnen ein Ende zu setzen.

3. Die Versammlung begrüßt zwar die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit,
die die Grundlage für eine Versöhnung unter den Palästinensern legen soll, erwartet aber auch
von beiden Seiten, sich mit allen Kräften zu bemühen, die politische Konfrontation zu
beenden und sich für eine Einigung einzusetzen und darüber hinaus die bestehenden
Spannungen zu kanalisieren, damit die Zukunft dieser Regierung nicht belastet wird.

4. Die Versammlung bedauert es jedoch, dass die Regierung der nationalen Einheit sich
nicht auf die Forderungen des Nahost-Quartetts (der Europäischen Union, der Vereinten
Nationen, der Russischen Föderation und der Vereinigten Staaten) festgelegt hat – also die
Anerkennung Israels, ein Bekenntnis zum Gewaltverzicht und die Einhaltung früherer
Friedensabkommen.

5. Die Versammlung sieht in dieser Regierung dennoch einen potenziellen neuen
Gesprächspartner in dem Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen
Autonomiebehörde. Für die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Israel und
der Autonomiebehörde kommt es darauf an, dass mit dieser neuen Regierung ein Dialog
angebahnt wird.

6. Die Versammlung glaubt, dass nun dringend eine Wiederbelebung des
Friedensprozesses und der Übergang zu einer Zwei-Staaten-Lösung erforderlich sind.

7. In diesem Sinne begrüßt die Versammlung das erneuerte Engagement der am
27./28. März 2007 in Riad zusammengetretenen Staaten der Arabischen Liga für die arabische
Friedensinitiative, die erstmals 2002 vorgeschlagen worden war. Diese Initiative sieht die
10 Debatte der Versammlung am 19. April 2007 (17. Sitzung) (siehe Dok. 11250, Bericht des Politischen
Ausschusses, Berichterstatter: Herr Margelow)
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 19. April 2007 (17. Sitzung).

Drucksache 16/7706 – 60 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Normalisierung der Beziehungen zwischen der arabischen Welt und Israel im Tausch gegen
die Rückkehr zu den Grenzen von 1967, die Einbeziehung des arabischen Ost-Jerusalems in
einen palästinensischen Staat und die Vereinbarung einer Lösung für die Frage der
palästinensischen Flüchtlinge vor.

8. Die Versammlung, die das Prinzip des Rechts der Flüchtlinge auf Rückkehr
unterstreicht, ist bereit, eine Podiumsdiskussion mit Beteiligung der Israelis und der
Palästinenser abzuhalten, um die Geschichte Europas und seine Erfahrungen in der Frage der
Vertreibung von Menschen aus ihrer ursprünglichen Heimat in Folge von historischen
Entwicklungen weiterzuvermitteln.

9. Die Versammlung glaubt, dass sowohl Israel als auch die palästinensische Autonomie-
behörde dieses Zeitfenster nutzen sollten, in dem sich ein wirklicher Durchbruch bei dem
Streben nach einer Gesamtlösung im Verhältnis zwischen der arabischen Welt und Israel
ergeben könnte.

10. Die Versammlung möchte alle Konfliktparteien mit größtem Nachdruck dazu
auffordern, diese einmalige Gelegenheit nicht zu verpassen.

11. In diesem Zusammenhang ist die Versammlung der Auffassung, dass die Aufnahme
regelmäßiger Begegnungen zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert und
dem palästinensischen Präsidenten Abbas ein ermutigendes Zeichen setzt und
Zukunftsperspektiven bietet.

12. Die Versammlung begrüßt das erste einer ganzen Reihe von alle zwei Wochen
geplanten Treffen zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Olmert und dem
palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas, das am 15. April 2007 stattfand und sich zum
ersten Mal nach sechsjähriger Lähmung des Friedensprozesses mit den allgemeinen Konturen
eines palästinensischen Staates beschäftigte.

13. Darüber hinaus kann die Versammlung den Vorschlag des israelischen
Ministerpräsidenten Ehud Olmert als Reaktion auf die auf dem Gipfel von Riad ergriffene
Initiative, alle arabischen Führer im Rahmen eines Nahost-Gipfels zu direkten Gesprächen
mit Israel einzuladen, nur begrüßen, da darin ein konstruktiver Ansatz zu einem erneuerten
Dialog deutlich wird.

14. Die Versammlung glaubt, dass die internationale Gemeinschaft, insbesondere das
Nahost-Quartett und namentlich die Europäische Union, diese Gelegenheit nutzen sollten, zu
dem Fortschritt in Richtung auf eine arabisch-israelische Friedensregelung beizutragen und
sich aktiv dafür einsetzen sollten.

15. Wie es in der Entschließung 1520 (2006) heißt, sollte der Europarat aktiv zur
Schaffung eines positiven Klimas in der Region beitragen, das geeignet ist, eine politische
Regelung zu fördern. Auf dem Dritten Gipfel der Staats- und Regierungschefs des Europarats,
der 2005 in Warschau stattfand, wurden klare Prioritäten für das zukünftige Handeln
festgelegt, darunter auch die Förderung demokratischer Werte und des interkulturellen
Dialogs.

16. In Anbetracht der Anwesenheit israelischer Beobachter und palästinensischer
Abgeordneter bei den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung betrachtet sich die
Versammlung als besonders gut geeignet, um einen solchen Dialog mit allen beteiligten
Parteien in der Region auf parlamentarischer Ebene fortzuführen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/7706

17. Die Versammlung erinnert an ihren Vorschlag in der Entschließung 1420 (2005) zur
Einrichtung eines Trilateralen Forums, das es Parlamentariern aus der Knesset, dem
palästinensischen Legislativrat (PLC) und der Parlamentarischen Versammlung erlauben
würde, mit dem Recht, zu gemeinsam interessierenden Fragen das Wort zu ergreifen und
Vorschläge zu unterbreiten, gleichberechtigt zusammenzukommen. Die Versammlung stellt
mit Genugtuung fest, dass ihr Politischer Ausschuss an der Umsetzung dieses Vorschlags
arbeitet.

18. Die Versammlung ist überzeugt, dass das Trilaterale Forum einen wesentlichen
Beitrag zur Verbesserung des Vertrauens auf parlamentarischer Ebene leisten und damit die
friedliche Beilegung des Nahost-Konflikts fördern könnte. Damit das Trilaterale Forum
jedoch Wirklichkeit werden kann, sind auf beiden Seiten – in Israel wie bei der
palästinensischen Autonomiebehörde – guter Wille und Handlungsbereitschaft erforderlich.

19. In dieser Hinsicht beschließt die Versammlung, Kontakte zwischen Mitgliedern des
PLC und der Knesset auf parlamentarischer Ebene weiterhin zu unterstützen.

20. Die Versammlung ist der festen Überzeugung, dass Frieden und Stabilität in der
Region nur durch Demokratie, Achtung aller Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit
geschaffen werden können.

21. Darüber hinaus bekräftigt die Versammlung, dass der Konflikt zwischen Israel und der
palästinensischen Autonomiebehörde in dem größeren Zusammenhang der Nahost-Region
und der unbeständigen Situation und Unsicherheit in Staaten wie dem Libanon, Syrien oder
dem Irak und den destabilisierenden und bedrohlichen Aktivitäten des Iran betrachtet werden
sollte, sodass die Anbahnung eines Dialogs zwischen allen Staaten der Region unverzichtbar
ist; sie beschließt darüber hinaus, Kontakte mit der Region auf parlamentarischer Ebene zu
unterstützen.

22. Die Versammlung verurteilt Terrorhandlungen einschließlich der Entführung von
Zivilisten, zu denen es in der Region immer häufiger kommt und die sich letztlich auf die
Stabilität der Gesamtregion auswirken und die darum unterbunden werden sollten, damit die
Region nicht einen neuen Zyklus von Gräueltaten erlebt, wie dies in jüngster Zeit bei den
Terroranschlägen in Marokko und Algerien der Fall gewesen ist. Außerdem verurteilt die
Versammlung die geistige, politische und finanzielle Unterstützung durch ausländische
Regierungen an allererster Stelle durch den Iran für Organisationen und Gruppierungen, die in
den krisenanfälligsten Regionen des Nahen Ostens – dem Libanon, den palästinensischen
Gebieten und dem Irak – Gewalt verbreiten und Terroranschläge begehen. Die Versammlung
verurteilt diese Anschläge mit aller Entschiedenheit.

23. Die Versammlung ist in tiefer Sorge um die Sicherheit des BBC-Reporters Alan
Johnston, der vor einem Monat in Gaza entführt wurde, und fordert die Entführer auf, ihn
unverzüglich freizulassen. Mehrere ausländische Journalisten wurden seit Januar 2006 auf
palästinensischem Staatsgebiet entführt, sie alle wurden freigelassen. Auch mehrere
Medienanstalten wurden angegriffen. Die Versammlung bedauert auch, dass der
Korrespondent der Französischen Zeitung Libération, Didier François, am 17. Dezember 2006
bei einem Schusswechsel in Gaza verletzt wurde. Unter Hinweis auf ihre Entschließung 1535
und die Empfehlung 1738 (2007) in Bezug auf die Gefahren für das Leben und die
Meinungsfreiheit von Journalisten fordert die Versammlung die palästinensische Behörde auf,
sachgemäße Untersuchungen über diese Angriffe auf Journalisten und Medien
sicherzustellen. Die Versammlung verweist ferner auf ihre Entschließung 1438 und die
Empfehlung 1702 (2005) über die Pressefreiheit und die Arbeitsbedingungen von Journalisten
in Konfliktgebieten sowie auf ihre Empfehlung 1706 (2005) über Medien und Terrorismus

Drucksache 16/7706 – 62 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

und fordert die palästinensische Behörde ausdrücklich auf, alles in ihren Kräften Stehende zu
tun, um sicherzustellen, dass Journalisten in Sicherheit und ohne unangemessene
Einschränkungen ihrer Arbeit nachgehen können.

24. Die Versammlung ruft die palästinensische Führung auf,

24.1. der Gewalt zu entsagen, den Staat Israel innerhalb sicherer, international anerkannter
Grenzen anzuerkennen und den früheren Abmachungen zwischen Israel und der
palästinensischen Autonomiebehörde Folge zu leisten;

24.2. für Recht und Ordnung zu sorgen;

24.3. behutsam mit der sich seit kurzem abzeichnenden Möglichkeit einer
Wiederanbahnung eines Dialogs und ernsthafter Verhandlungen mit Israel umzugehen und sie
auf feste Grundlagen zu stellen;

24.4. sicherzustellen, dass interne Differenzen zwischen Fatah und Hamas den Dialog mit
führenden Persönlichkeiten aus Israel weder hemmen noch behindern;

24.5. israelische Soldaten, gegen die keine konkrete Anklage erhoben worden ist, wieder
freizulassen;

24.6. Schritte einzuleiten, um den täglichen Abschluss von Kassam-Raketen zu unterbinden.

25. Die Versammlung ruft die israelische Führung auf,

25.1. die Zusammenarbeit mit der palästinensischen Regierung der nationalen Einheit
aufzunehmen;

25.2. durch konkrete Maßnahmen Israels ausdrückliches Engagement für die
Wiederaufnahme von Verhandlungen und des politischen Dialogs zu bestätigen;

25.3. die Bewegungsfreiheit und die Handelsmöglichkeiten der Palästinenser zu verbessern;

25.4. die palästinensischen Abgeordneten und Minister freizulassen, gegen die keine
konkrete Anklage erhoben worden ist;

25.5. die Überweisung ausstehender palästinensischer Einnahmen wiederaufzunehmen;

25.6. den Bau der Sicherheitsmauer unverzüglich einzustellen;

25.7. sich zu verpflichten, alle Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
umzusetzen.

26. Die Versammlung ruft Parlamentarier der Knesset und des PLC auf,

26.1. mit der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zusammenzuarbeiten, um den
Weg für die Abhaltung des Trilateralen Forums zu ebnen.

27. Die Versammlung ruft die Europäische Union auf,

27.1. aktiv zur Schaffung eines positiven Klimas beizutragen, dass die Wiederaufnahme von
Friedensverhandlungen gestattet;

27.2. ihre finanzielle Unterstützung für das palästinensische Volk fortzusetzen und
anschließend die Verwendung der Mittel zu überwachen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 63 – Drucksache 16/7706

28. Die Versammlung ruft die Parlamente der Region auf, zur regionalen Stabilität
beizutragen und einen sinnvollen Friedensdialog aufzunehmen.

29. Gleichzeitig beschließt die Versammlung, die Möglichkeit zu untersuchen, mit
Vertretern der Zivilgesellschaft, Wissenschaftlern und Jugendorganisationen aus Israel wie
von der palästinensischen Autonomiebehörde eine Podiumsdiskussion abzuhalten, um einen
Meinungsaustausch über den arabisch-israelischen Friedensprozess zu führen.

Entschließung 1551 (2007)11

betr.: Fragen fairer Strafprozesse wegen Spionageoder Preisgabe von
Staatsgeheimnissen

1. Die Parlamentarische Versammlung ist der Auffassung, dass die legitimen Interessen
des Staates bei dem Schutz von Dienstgeheimnissen nicht zu einem Vorwand werden dürfen,
um die Meinungs- und Informationsfreiheit, die internationale wissenschaftliche
Zusammenarbeit und die Tätigkeit von Anwälten und anderer Verfechter der Menschenrechte
in unvertretbarer Form einzuschränken.

2. Sie erinnert an die Bedeutung der Presse- und Informationsfreiheit in einer
demokratischen Gesellschaft, in der es möglich sein muss, Korruption,
Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung und andere Formen des Missbrauchs von
Befugnissen offen anzuprangern.

3. Der wissenschaftliche Fortschritt hängt entscheidend vom freien
Informationsaustausch zwischen Wissenschaftlern ab, die in der Lage sein müssen,
international zusammenzuarbeiten und sich ohne Angst vor Verfolgung an dem
wissenschaftlichen Prozess zu beteiligen.

4. Anwälte und andere Verfechter der Menschenrechte müssen ebenfalls in der Lage
sein, ihre unverzichtbare Aufgabe zu erfüllen, die Wahrheit zu ermitteln und
Menschenrechtsverletzer zur Rechenschaft zu ziehen, ohne eine strafrechtliche Verfolgung
befürchten zu müssen.

5. Die Versammlung stellt fest, dass die Gesetzgebung über das Amtsgeheimnis in vielen
Mitgliedstaaten des Europarats eher verschwommen oder in anderer Weise zu weit gefasst ist
und so verstanden werden kann, als decke sie ein breites Spektrum rechtmäßiger Tätigkeiten
von Journalisten, Wissenschaftlern, Anwälten oder anderer Verfechter der Menschenrechte
ab.

6. Gleichzeitig kommen Strafverfolgungen wegen einer Verletzung von
Staatsgeheimnissen in den meisten Mitgliedstaaten und Beobachterstaaten des Europarats sehr
selten vor und führen im Allgemeinen, wenn überhaupt, nur zu leichten Strafen. Herr Shayler,
ein ehemaliger Mitarbeiter eines britischen Geheimdienstes, der Einzelheiten über seine
Arbeit veröffentlicht hatte, erhielt einen Teil seiner Strafe von sechs Monaten Haft zur
11 Debatte der Versammlung am 19. April 2007 (17. Sitzung) (siehe Dok. 11031, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Herr Pourgourides).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 19. April 2007 (17. Sitzung).

Drucksache 16/7706 – 64 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bewährung ausgesetzt, während ein deutsches Gericht im Juli 2006 die Anklage gegen Herrn
Shirra, einen Journalisten, der Informationen aus durchgesickerten Daten des BND
veröffentlicht hatte, in vollem Umfang zurückwies. Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte empfand seinerseits eine Verfügung gegen die Veröffentlichung von
Zeitungsartikeln als „unverhältnismäßig“, in denen die Inhalte eines Buches („Spycatcher“)
dargestellt wurden, das angeblich geheime Informationen enthielt, da das Buch bereits im
Ausland erhältlich war.

7. Demgegenüber hat eine Reihe hochrangiger Spionagefälle gegen Wissenschaftler,
Journalisten und Anwälte in der Russischen Föderation bei den Betroffenen und ihren
Angehörigen zu großen Härten geführt und andere Mitglieder dieser Berufsgruppen deutlich
ernüchtert. Das von diesen Fällen angeheizte Klima einer „Spionenjagd“ und
widersprüchliche Aussagen leitender Regierungsvertreter stehen einer gesunden Entwicklung
der Zivilgesellschaft in diesem Land entgegen.

8. Die Versammlung ist darüber hinaus besorgt, dass die Administration der Vereinigten
Staaten wie auch die deutschen, schweizerischen und italienischen Behörden in jüngster Zeit
Medienherausgeber, Journalisten oder andere „Whistleblower“ wegen angeblicher
Verletzungen des Amtsgeheimnisses bedroht oder sogar versucht haben, sie strafrechtlich zu
verfolgen, insbesondere in Verbindung mit aktuellen Berichten über illegale Aktivitäten der
CIA (vgl. Entschließung 1507 und Empfehlung 1754 (2006) sowie andere
Geheimdienstskandale).

9. Sie ruft die gerichtlichen Instanzen aller betroffenen Staaten und den Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte auf, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem
staatlichen Interesse an der Wahrung des Amtsgeheimnisses einerseits und der
Meinungsfreiheit und dem freien Fluss von Informationen über wissenschaftliche Fragen
sowie dem Interesse der Gesellschaft an der Offenlegung von Fällen von Machtmissbrauch
andererseits herzustellen.

10. Die Versammlung stellt fest, dass Strafverfahren wegen Verletzung von
Staatsgeheimnissen besonders problematisch sind und einem Missbrauch für politische
Zwecke unterliegen können. Sie betrachtet deshalb folgende Grundsätze als für alle
Betroffenen entscheidend, damit in derartigen Verfahren ein fairer Ablauf sichergestellt
werden kann:

10.1. Informationen, die der Öffentlichkeit bereits bekannt sind, können nicht als
Staatsgeheimnis betrachtet werden, und die Preisgabe solcher Informationen kann
auch dann nicht als Spionage bestraft werden, wenn die betreffende Person solche
Informationen zusammenträgt, zusammenfasst, auswertet oder kommentiert. Das
Gleiche gilt für die Teilnahme an der internationalen wissenschaftlichen
Zusammenarbeit sowie die Offenlegung von Korruption,
Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung oder anderen Formen des
Missbrauchs öffentlicher Befugnisse („Whistleblowing“);

10.2. Die Gesetzgebung über das Amtsgeheimnis einschließlich von als Grundlage
für eine Strafverfolgung dienenden Aufstellungen geheimer Fragen, muss klar gefasst
und vor allem öffentlich sein. Geheime Erlasse zur Festlegung der strafrechtlichen
Haftung können nicht als mit den rechtlichen Standards des Europarats vereinbar
angesehen werden und sollten in allen Mitgliedstaaten aufgehoben werden;

10.3. Geheimdienstgremien, deren Aufgabe im Schutz von Amtsgeheimnissen
besteht und die typischerweise Opfer von Verstößen werden, dürfen nicht die Aufgabe

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/7706

erhalten, strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgungen gegen angebliche
Urheber solcher Verstöße durchzuführen. Die Versammlung bedauert, dass die
Russische Föderation immer noch nicht ihre Beitrittsverpflichtung erfüllt hat, das
Gesetz über den FSB diesbezüglich zu ändern (vgl. Entschließung 1455 (2005),
Ziffer 13.x.a.);

10.4. Verfahren sollten schnell durchgeführt werden, und eine lange
Untersuchungshaft vor dem Prozess ist zu vermeiden;

10.5. die Gerichte sollten darüber wachen, dass ein fairer Prozess sichergestellt ist,
wobei dem Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung vor
allem in folgenden Punkten besondere Beachtung zu schenken ist:

10.5.1. die Verteidigung sollte bei der Auswahl von Sachverständigen, die das
Gericht in der Frage der Geheimhaltungsstufe einschlägiger Informationen
beraten, angemessen vertreten sein;

10.5.2. Sachverständige sollten über große fachliche Kompetenz verfügen und
von den Geheimdiensten unabhängig sein;

10.5.3. der Verteidigung sollte es gestattet sein, die Sachverständigen vor den
Geschworenen zu befragen und ihre Aussagen durch von der Verteidigung
benannte Sachverständige, darunter Gutachter anderer Gerichte, anzufechten;

10.6. Verfahren sollten möglichst offen und transparent sein, um das Vertrauen der
Öffentlichkeit in faire Abläufe zu steigern; Urteile sollten zumindest veröffentlicht
werden;

10.7. Darüber hinaus sollten Zivilisten generell nicht vor ein Militärgericht gestellt
werden, und es muss unterstrichen werden, dass alle Verfahren von zuständigen,
unabhängigen und unparteiischen Gerichten und Strafgerichtshöfen durchgeführt
werden müssen nach Regeln, die im Einklang mit den internationalen Prinzipien der
Fairness stehen;

10.8. eine Auswechselung von Richtern und Geschworenen sollte nur unter ganz
außergewöhnlichen und genau umrissenen Umständen statthaft sein und eingehend
erläutert werden, um den Eindruck zu vermeiden, es werde nach dem günstigsten
Gerichtsstand gesucht („Forum Shopping“) oder die Gerichte seien nicht unabhängig;

10.9. bei der Frage, ob die offen gelegten Informationen der Öffentlichkeit bereits
bekannt waren, sollte es sich stets um einen von den Geschworenen zu entscheidenden
Sachverhalt handeln, und bei einer bejahenden Antwort der Geschworenen hat der
Richter in jedem Fall einen Freispruch zu verkünden.

11. Die Versammlung ist der Ansicht, dass in einer Reihe gravierender Spionagefälle in
der Russischen Föderation, darunter in den Prozessen gegen Herrn Sutjagin und Herrn
Danilow, vieles darauf hindeutet, dass die oben erwähnten Grundsätze (10) nicht eingehalten
wurden und stellt fest, dass die verhängten Haftstrafen (14 bzw. 15 Jahre) in jedem Fall nicht
der Praxis anderer Mitgliedstaaten des Europarats entsprechen, insbesondere weil

11.1. wie in den früheren Fällen Nikitin, Pasko (vgl. Entschließung 1354 (2003))
und Moissejew, Verfahren gegen Herrn Sutjagin und Herrn Danilow viele Jahre
dauerten, die die Angeklagten größtenteils in Haft verbrachten, während der FSB
strafrechtliche Ermittlungen durchführte;

Drucksache 16/7706 – 66 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

11.2. Richter und Geschworene wiederholt ausgewechselt wurden, ohne dass
angemessene Gründe genannt worden wären;

11.3. die Verteidigung keine Möglichkeit erhielt, die zu der Geheimhaltungsstufe
der entsprechenden Informationen angehörten Sachverständigen vor den
Geschworenen zu befragen;

11.4. einige der Sachverständigen nicht die notwendige Unabhängigkeit aufzuweisen
schienen;

11.5. es den Verfahren an Offenheit fehlte; im Fall Danilow blieb sogar das Urteil
geheim. In mehreren Fällen scheinen die Gerichte sich als Grundlage für die
Verhängung strafrechtlicher Sanktionen auf einen Geheimerlass (Nr. 055-96) gestützt
zu haben.

12. Die Versammlung bekundet ihre große Genugtuung über die Erklärung der
Öffentlichen Kammer der Russischen Föderation vom 30. Juni 2006, in der die
Unangemessenheit der bestehenden Gesetzgebung über Staatsgeheimnisse anerkannt wird
und die negativen Auswirkungen ihrer strikten Anwendung auf die Moral in der Welt der
Wissenschaft bedauert werden.

13. Die Versammlung bittet die internationale Wissenschaft, eine Typologie akzeptierter
Praktiken der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit in Bezug auf potenziell
sensible Informationen zu erstellen.

14. Sie fordert alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, von einer Strafverfolgung gegen
Wissenschaftler abzusehen, die nach solchen akzeptierten Praktiken vorgehen und alle zu
rehabilitieren, die wegen der Handhabung solcher Praktiken bestraft worden sind.

15. Die Versammlung ruft insbesondere die zuständigen Stellen der Russischen
Föderation dazu auf, alle verfügbaren rechtlichen Mittel zu nutzen, um die Herren Sutjagin,
Danilow und Trepaschkin unverzüglich freizulassen und ihnen in der Zwischenzeit eine
angemessene ärztliche Versorgung zukommen zu lassen.

Empfehlung 1791 (2007)12

betr.: die Lage der Menschenrechte und den Stand der Demokratie in Europa
die Lage der Menschenrechte in Europa

I. Die Lage der Menschenrechte in Europa
12 Debatte der Versammlung am 18. April 2007 (15. Sitzung) (siehe Dok. 11202, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Herr Pourgourides; Dok. 11215, Stellungnahme des Ausschusses
für Wirtschaft und Entwicklung, Berichterstatterin: Frau Pirozhnikova; Dok. 11216, Stellungnahme des
Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit und Familie, Berichterstatter: Herr Glesener; Dok. 11217,
Stellungnahme des Ausschusses für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen, Berichterstatter:
Herr van Thijn; Dok. 11218, Stellungnahme des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und Bildung,
Berichterstatterin: Frau Melo; Dok. 11219, Stellungnahme des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft und
kommunale und regionale Angelegenheiten, Berichterstatter: Herr Platvoet und Dok. 11220, Stellungnahme des
Ausschusses für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Berichterstatterin: Frau ýurdová).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 18. April 2007 (15. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/7706

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Entschließung 1547 (2007) über
die Lage der Menschenrechte und den Stand der Demokratie in Europa. Sie erinnert darüber
hinaus an ihre früheren Entschließungen und Empfehlungen zu spezifischen
Menschenrechtsfragen, auf die in dem Bericht und den Stellungnahmen verwiesen wird, auf
denen die Entschließung beruht.

2. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee,

2.1. alle Mitgliedstaaten aufzurufen, den in der Entschließung 1547 (2007) über die
Lage der Menschenrechte und den Stand der Demokratie in Europa angesprochenen
Menschenrechtfragen auf angemessene Weise nachzugehen;

2.2. die Erklärungen und den Aktionsplan des Gipfels von Warschau vom Jahre
2005 umfassend und zügig umzusetzen, insbesondere Maßnahmen zur Gewährleistung
der anhaltenden Effektivität der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
und solcher zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte und der
Rechtsstaatlichkeit über andere Institutionen und Mechanismen des Europarats;

2.3. seine eigenen Aktivitäten im Rechts- und Menschenrechtsbereich zu
verstärken, vor allem durch Verstärkung der Aufklärungsaktivitäten des Europarats
sowie dessen Kooperations- und Hilfsprogramme, insbesondere des Expertenwissens
im gesetzgeberischen Bereich, des Aufbaus von Kapazitäten und
Ausbildungsmaßnahmen sowie seiner Arbeit in Bezug auf Demokratie- und
Menschenrechtserziehung.

2.4. die Position des Europarats in der europäischen institutionellen Architektur
und darüber hinaus zu verteidigen und dabei den außergewöhnlichen Leistungen und
umfassenden Erfahrungen bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte,
insbesondere gegenüber der Europäischen Union, Rechnung zu tragen;

2.5. seine Bemühungen zu verstärken, um den schnellen Beitritt der
EU/Gemeinschaft zur EMRK sicherzustellen und seine Mitgliedstaaten, die auch der
Europäische Union angehören, dazu aufzurufen, einen solchen Beitritt als dringende
Priorität anzusehen;

2.6. seine politische Unterstützung für den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte dadurch zu verstärken, dass er dessen grundlegende Rolle wie auch
die der anderen Überwachungs- und Monitoring-Mechanismen des Europarats
bekräftigt, die Weiterverfolgung ihrer Arbeit unterstützt und die zurzeit eindeutig
unzureichenden Ressourcen aufstockt;

2.7. auch seine politische Unterstützung für die Einrichtungen des Kommissars für
Menschenrechte des Europarats dadurch verstärkt, dass diesem alle erforderlichen
Mittel zur Verfügung gestellt werden und ihm dadurch die effektive Erfüllung seines
Mandats ermöglicht wird.

3. Die Versammlung ist der Auffassung, dass die schwersten
Menschenrechtsverletzungen eine besonders energische Reaktion und eine vorrangige
Behandlung verlangen, da das Ausbleiben einer wirksamen Reaktion auf solche Verletzungen
durch das Entscheidungsgremium der Organisation die Glaubwürdigkeit des Europarats
gefährdet und zu derartigen Missbräuchen ermutigen kann. Die Versammlung fordert das
Ministerkomitee deshalb nachdrücklich auf, innerhalb von sechs Monaten nach der
Verabschiedung der vorliegenden Empfehlung über unternommene Anstrengungen und
erzielte Fortschritte bei der Beseitigung nachstehender Verletzungen zu berichten:

Drucksache 16/7706 – 68 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3.1. Verschleppungen, einschließlich der erforderlichen Bemühungen, um
Mitgliedstaaten zur Unterzeichnung und Ratifizierung der neuen Konvention der
Vereinten Nationen zum Schutz aller Personen vor Verschleppungen zu bewegen;

3.2. außergerichtliche Tötungen, Folter und Misshandlungen, um sicherzustellen,
dass die Mitgliedstaaten des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) voll
zusammenarbeiten und dessen Berichte systematisch veröffentlichen und

3.3. geheime Inhaftierungen und rechtswidrige Überstellungen zwischen Staaten,
die in Europa oder anderswo unter der Verantwortung europäischer Staaten erfolgt
sind sowie Angaben zu der Weiterverfolgung spezifischer Vorschläge des
Generalsekretärs des Europarats im Anschluss an dessen Ermittlungen zu dieser Frage
gemäß Artikel 52 der EMRK der Parlamentarischen Versammlung und von
gemachten Vorschlägen der Parlamentarischen Versammlung in der Entschließung
1507 (2006) und der Empfehlung 1754 (2006).

4. Straflosigkeit ist eine große Bedrohung für die Rechtsstaatlichkeit in Europa. Die
Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee darum, insbesondere die Ausarbeitung einer
Reihe von Leitlinien (siehe die Leitlinien zu Menschenrechten und der
Terrorismusbekämpfung) ins Auge zu fassen und dabei unter anderem die Rechtsprechung
des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs für die Arbeit des Europäischen Ausschusses
zur Verhinderung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
(CPT) und die Arbeiten der Vereinten Nationen zu dieser Frage heranzuziehen.

5. Angesichts der Notwendigkeit, Verfechter der Menschenrechte in Europa zu
unterstützen und für dringliche Fälle wirksame Schutzmechanismen zu sichern, empfiehlt die
Versammlung dem Ministerkomitee, dem zügigen Abschluss der hierzu im Rahmen des
Europarats unternommenen Arbeiten Vorrang einzuräumen.

6. Darüber hinaus empfiehlt die Versammlung dem Ministerkomitee, der
Menschenrechtslage in Weißrussland und in Bereichen von Mitgliedstaaten des Europarats, in
denen Hindernisse für die tatsächliche Umsetzung der EMRK bestehen (unter Einschluss der
„schwarzen Löcher“), vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken und dass die Organisation
Mittel und Wege entwickelt, um sicherzustellen, dass die Rechte der Menschen in solchen
Bereichen tatsächlich geschützt werden.

7. Die Versammlung wiederholt außerdem ihre Empfehlungen an das Ministerkomitee,
Möglichkeiten zu prüfen, um die Fähigkeit des Europarats zu verbessern, schnell und effektiv
auf mutmaßliche systematische Menschenrechtsverletzungen seitens mehrerer Mitgliedstaaten
zu reagieren und insbesondere zusammen mit der Versammlung der Frage nachzugehen, wie
ein spezifischer Mechanismus mit geeigneten Ermittlungsbefugnissen ähnlich denen bei
parlamentarischen Untersuchungen in den Mitgliedstaaten innerhalb der Versammlung
aufgebaut werden könnte.

8. Der Terrorismus ist eine der Hauptherausforderungen der offenen Gesellschaften
Europas. Die Versammlung fordert das Ministerkomitee nachdrücklich auf sicherzustellen,
dass der Kampf gegen den Terrorismus nicht als Vorwand dient, um den Umfang der
grundlegenden Menschenrechte nach der EMRK und den Leitlinien des Ministerkomitees von
2002 über Menschenrechte und den Kampf gegen den Terrorismus zu untergraben oder
einzuschränken; die Versammlung fordert das Ministerkomitee außerdem nachdrücklich auf,
Schritte zu ergreifen, um die Gesetzgebung und Rechtspraxis der Mitgliedsstaaten regelmäßig
zu überwachen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/7706

9. Die Vielfalt in Europa muss besser akzeptiert und geachtet werden. Die Versammlung
bittet das Ministerkomitee, seine politische Unterstützung für die Aktivitäten in Bezug auf die
kulturelle Vielfalt und den interkulturellen Dialog (einschließlich der religiösen Dimension),
für die Arbeit der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) und für
die Tätigkeit im Rahmen des Rahmenübereinkommens zum Schutze nationaler Minderheiten
und der Europäischen Charta für regionale oder Minderheitensprache zu verstärken und seine
Aktivitäten zur Bekämpfung jeder Form von Diskriminierung auszubauen sowie auch seine
Arbeit zum Schutze der Rechte von Minderheiten angehörenden Personen und zur Integration
von Minderheitengruppen in die Gesellschaft auszuweiten.

10. Außerdem besteht die Notwendigkeit, ein menschlicheres und auf Integration
setzendes Europa aufzubauen, in dem die grundlegenden sozialen und wirtschaftlichen
Rechte, unter anderem auf Bildung, Wohnung, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung,
Mindesteinkommen, Sozialleistungen und Altersversorgung, gesichert sind. Darum bittet die
Versammlung das Ministerkomitee, alle Mitgliedstaaten nachdrücklich aufzufordern, die
geänderte Europäische Sozialcharta zu unterzeichnen und/oder zu ratifizieren, das kollektive
Beschwerdeverfahren der Charta anzunehmen und mit einer aktiven Prüfung des Beitritts der
Europäischen Union zu der geänderten Europäischen Sozialcharta des Europarats zu
beginnen.

11. Die Versammlung ruft das Ministerkomitee auf, Menschen in besonders gefährdeten
Situationen vermehrt Aufmerksamkeit schenken, vor allem ihrer Freiheit beraubten Personen,
Flüchtlingen und Binnenvertriebenen, Vermissten und Mitgliedern ihrer Familien,
Asylsuchenden und Migranten, Kindern, alten Menschen, Behinderten und sozial
ausgegrenzten Personen.

12. Angesichts der komplexen Herausforderungen aufgrund der Wanderungsströme
wiederholt die Versammlung ihre Empfehlungen an das Ministerkomitee, eine europäische
Migrationsbeobachtungsstelle einzurichten, um alle Aspekte der Migration und die Lage der
Migranten zu überwachen und, soweit dies sinnvoll erscheint, einen Dialog mit relevanten
Nachbarländern aufzunehmen, die nicht dem Europarat angehören. Darüber hinaus ist die
Versammlung der Auffassung, dass die Rechte von Migranten nach den Rechtsinstrumenten
des Europarats nicht ausreichend geschützt werden und bittet das Ministerkomitee, solche
Lücken zu prüfen, wie sie zum Beispiel bei den Rechten illegaler Migranten bestehen, und
das Rechtsinstrumentarium der Organisation auf diese Weise zu vervollständigen.

13. Die Versammlung bittet außerdem das Ministerkomitee, eine Bilanz der Kampagne
des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen unter Einschluss der häuslichen
Gewalt zu ziehen und im Lichte der Ergebnisse die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen,
um den Kampf gegen diese Geißel schneller voranzubringen. Zu Zwangsheirat und
Kinderehen bittet die Versammlung das Ministerkomitee, eine effektive Strategie zu
entwickeln, um diese Praktiken aus der Welt zu schaffen. Sie fordert das Ministerkomitee
ebenfalls auf, den zuständigen zwischenstaatlichen Ausschuss anzuweisen, den
Empfehlungen der Versammlung in Bezug auf Zwangsheirat und Kinderehen Folge zu leisten
bei der Überprüfung sämtlicher Rechtsinstrumente, die vom Europarat im Bereich
Familienrecht ausgearbeitet wurden, um jene Instrumente, die eine Überprüfung erfordern
oder gegebenenfalls neue Instrumente festzulegen.

14. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee außerdem, die Regierungen der
Mitgliedstaaten zu bitten, Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht auf eine gesunde,
lebensfähige und angemessene Umwelt sicherzustellen und die Rolle und die
Verantwortlichkeit lokaler und regionaler Behörden im Hinblick auf Fragen der nachhaltigen
Entwicklung zu fördern.

Drucksache 16/7706 – 70 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

15. Ganz allgemein ist die Versammlung der Ansicht, dass die Effektivität der
Übereinkommen des Europarats auf dem Gebiet der Menschenrechte vielfach nicht nur durch
ausbleibende Ratifizierungen, sondern auch durch Vorbehalte und restriktive
Auslegungsserklärungen vermindert wird, die von Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der
Unterzeichnung oder Ratifizierung abgegeben werden oder durch Nichtannahme fakultativer
Bestimmungen vermindert wird. Dementsprechend ruft die Versammlung das
Ministerkomitee auf, die Mitgliedstaaten zur Unterzeichnung und/oder Ratifizierung aller
wichtigen Rechtsinstrumente des Europarats auf dem Gebiet der Menschenrechte zu
ermutigen. Die Versammlung fordert das Ministerkomitee nachdrücklich auf, zu dieser Frage
eine umfassende Überprüfung vorzunehmen.

II. Zustand der Demokratie in Europa

16. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre Entschließung 1547 (2007) über
die Lage der Menschenrechte und den Stand der Demokratie in Europa. Sie erinnert außerdem
an ihre früheren Entschließungen und Empfehlungen zu spezifischen Fragen der Demokratie,
die in dem Bericht genannt werden und die Stellungnahmen, auf denen die Entschließung
aufbaut.

17. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee, Richtlinien zu erarbeiten zur
„Beseitigung von Defiziten beim Funktionieren demokratischer Institutionen“ unter
Berücksichtigung bestehender Rechtsinstrumente des Europarates und die Mitgliedstaaten zu
verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, um Abhilfe zu schaffen für die in der Entschließung
1547 (2007) festgestellten Probleme und insbesondere um:

17.1. sicherzustellen, dass jegliche Einschränkung der freien Meinungsäußerung im
Einklang mit der EMRK und der Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofes steht,
um Medienpluralismus zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass Maßnahmen
ergriffen werden, um eine Medienkonzentration zu verhindern und abzubauen;

17.2. alle bürokratischen Hindernisse und ungerechtfertigten steuerlichen
Maßnahmen zur Einschränkung der Vereinigungsfreiheit und des Vereinigungrechts
bestimmter Berufsgruppen und des Rechts zur Gründung politischer Parteien zu
beseitigen;

17.3. die einzelstaatliche Gesetzgebung über das Mindestwahlalter im Auge zu
behalten;

17.4. alle erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung von „Familienabstimmungen“
zu ergreifen;

17.5. verschiedene Formen der „Fernabstimmung“, einschließlich der elektronischen
Stimmabgabe, zu überprüfen, damit sich ein möglicher Missbrauch ausschalten lässt;

17.6. zu erwägen, ordnungsgemäß gemeldeten Einwanderern - zumindest auf
kommunaler und regionaler Ebene - das aktive Wahlrecht zu gewähren;

17.7. zu erwägen, Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten des Europarats und
Personen, die ihre Nationalität unfreiwillig verloren haben, obwohl sie sich legal auf
dem jeweiligen Staatsgebiet aufhalten, ein passives und aktives Wahlrecht bei
regionalen und kommunalen Wahlen zu gewähren;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/7706

17.8. überholte Bestimmungen zu beseitigen, die bestimmten Bevölkerungsteilen (so
einigen Kategorien von Häftlingen) ihre Rechte nehmen;

17.9. nationale Mechanismen zur Förderung der ausgewogenen Beteiligung von
Frauen und Männern an der Entscheidungsfindung auszubauen, damit auf diese Weise
bis 2020 einen echtes Gleichgewicht in Form einer kritischen Masse von mindestens
40% Vertretern des jeweiligen Geschlechts in allen politischen Gremien erreicht wird,
ob nun auf lokaler, regionaler, parlamentarischer oder Regierungsebene;

17.10. die Absenkung von Schwellen von mehr als 3% für die bei Parlamentswahlen
abgegebenen Stimmen zu erwägen und das Gleichgesicht zwischen fairer Vertretung
und Effizienz in Parlament und Regierung zu berücksichtigen;

17.11. die Einführung von Elementen der direkten Demokratie zu erwägen, wie z.B.
des Rechts der Bürger, Volksabstimmungen zu verlangen und Gesetzesinitiativen
vorzuschlagen;

17.12. die Einführung von Abwahlmöglichkeitenen („recall ballots“) bei einzelnen
gewählten Volksvertretern zu prüfen;

17.13. zu untersuchen, ob nationale Verfahren für die erbliche Übernahme exekutiver
oder legislativer Positionen noch demokratisch vertretbar sind;

17.14. zu untersuchen, ob nationale Verfahren für die Benennung für exekutive oder
legislative Positionen noch demokratisch vertretbar sind;

17.15. zu untersuchen, ob die nationale Gesetzgebung über die Amtsdauer der
Exekutive und der Legislative noch demokratisch vertretbar ist;

17.16. zu untersuchen, ob die nationale Gesetzgebung über die Zahl der aufeinander
folgenden Amtszeiten von Wahlämtern einzelner Volksvertreter noch demokratisch
vertretbar sind;

17.17. zu untersuchen, ob die nationale Gesetzgebung zur Sicherstellung geheimer
und unanfechtbarer Wahlen hinreichend tragfähig und unabhängig ist;

17.18. zu untersuchen, ob die nationale Verfassung hinreichend belastbare
Regelungen für die Überwachung und Kontrolle der Exekutive enthält und noch
demokratisch vertretbar ist;

17.19. zu untersuchen, ob die derzeitigen verfassungsrechtlichen Regelungen
demokratisch vertretbar sind;

17.20. zu untersuchen, ob die derzeitigen nationalen Regelungen zur Änderung der
Verfassung eine ausreichend hohe Zustimmung erfordern, um einen Missbrauch der
Demokratie zu verhindern;

17.21. schnellstmöglich eine Charta für Wahlgleichheit zu erarbeiten zur Förderung
einer ausgewogenen Beteiligung von Frauen und Männern an der Beschlussfassung
durch Aufforderung der Mitgliedstaaten, in ihrer Verfassung – im Einklang mit dem
Gleichheitsprinzip – die Möglichkeit vorzusehen, gezielte Maßnahmen zur Förderung
eines gleichberechtigten Zugangs von Frauen und Männer zum Beschluss-
fassungsprozess zu ergreifen;

Drucksache 16/7706 – 72 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

17.22. die Grundsätze der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
wirklich anzuwenden und den lokalen und kommunalen Behörden alle Befugnisse,
Zuständigkeiten und Mittel zu geben, die erforderlich sind, um eine effektive
Umsetzung sektoraler Politiken in voller Übereinstimmung mit dem
Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der guten Regierungsführung sowie zum
Nutzen der Bürger Europas zu ermöglichen;

17.23. den Verpflichtungen Folge zu leisten, die bei dem Beitritt übernommen
wurden und sich nach den Empfehlungen und Entschließungen der Versammlung zu
richten, die darauf abzielen, Demokratiedefizite zu beseitigen und die Qualität der
Demokratie zu verbessern;

17.24. einen umfassenden rechtlichen Rahmen für die Korruptionsbekämpfung
einzuführen und dessen Durchsetzung sowie die effektive Verfolgung von
Gesetzesbrechern und eine ständige Anpassung der Institutionen zur besseren Abwehr
der Wirtschaftskriminalität zu gewährleisten;

17.25. eine Gesetzgebung über Lobbyarbeit einzuführen und/oder zu überarbeiten, um
auf diese Weise für Transparenz und Rechenschaftslegung zu sorgen und die
öffentlichen Interessen vor unangemessenen Einflüssen von Lobbyisten zu schützen;

18. Darüber hinaus ruft die Versammlung das Ministerkomitee auf,

18.1. seine eigenen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Demokratie auszubauen,
insbesondere durch Reaktion auf erkannte Demokratiedefizite in Mitgliedstaaten,
Ausarbeitung von jeweils notwendigen Rechtsinstrumenten und politischen Leitlinien
sowie Förderung von Projekten und Kooperationsprogrammen;

18.2. seine Arbeit hinsichtlich eines neuen politischen Rahmendokumentes in Bezug
auf Demokratie- und Menschenrechtserziehung;

18.3. die erforderlichen Ressourcen und Mittel bereitzustellen, um zu gewährleisten,
dass das Forum für die Zukunft der Demokratie als wirksames Instrument für die
weitere Entwicklung der Demokratie in Europa genutzt werden kann;

18.4. seine eigenen Überwachungsverfahren und die anderer Gremien und
Mechanismen des Europarats zu stärken, die auf die Förderung der Demokratie
abzielen, insbesondere die des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas und
der Venedig-Kommission;

18.5. innerhalb der jeweiligen zwischenstaatlichen Gremien für die
Weiterverfolgung der Empfehlungen der Versammlung zu sorgen, in denen
Maßnahmen vorgeschlagen wurden, die auf die Verbesserung der Demokratie und die
Beseitigung ihrer Defizite abzielen, insbesondere

18.5.1. Wiederaufnahme der Arbeit am Staatsangehörigkeitsrecht,
einschließlich der Förderung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit,
entsprechend dem auf dem Dritten Gipfel angenommenen Aktionsplan, in sein
Tätigkeitsprogramm;

18.5.2. Beginn der Ausarbeitung eines rechtlich bindenden Instruments auf
dem Gebiet demokratischer Wahlen, wie es von der Versammlung befürwortet
wurde, insbesondere in der Empfehlung 1756 (2006);

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/7706

18.5.3. Fortsetzung seiner Arbeiten über Demokratie und guter
Regierungsführung in der Informationsgesellschaft und Evaluierung der
Umsetzung einschlägiger Rechtsinstrumente in der Absicht, diese
gegebenenfalls zu überprüfen;

18.6. die Rolle des Europarats in der europäischen Familie unabhängiger
Nationalstaaten als führender Verfechter, Unterstützer und Entwickler der
Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und dazu
allen Versuchen der Europäischen Union Widerstand zu leisten, seine Arbeit zu
duplizieren oder zu beeinträchtigen;

18.7. die Stellung des Europarats in der europäischen Architektur als Organisation
mit einem Führungsanspruch, unter anderem in Fragen der Demokratie, zu
verteidigen. In diesem Zusammenhang geht es um die Förderung der Zusammenarbeit
mit der Europäischen Union, um das Memorandum of Understanding, das die Rolle
des Europarats in angemessener Weise zum Ausdruck bringt, abgeschlossen und
entsprechend umgesetzt wird.

19. Die Versammlung bittet das Ministerkomitee außerdem, einen spezifischen
Mechanismus über Meinungsfreiheit und Medien einzuführen, der das gezielte Mandat
beinhaltet, die Lage der Meinungs- und Medienfreiheit in Mitgliedstaaten des Europarats zu
überwachen und Abhilfemaßnahmen anzuregen.

20. Die Versammlung bittet das Ministerkomitee, eine Charta demokratischer Grundsätze
zu entwerfen.

Empfehlung 1792 (2007)13

betr.: Fragen fairer Strafprozesse wegen Spionageoder Preisgabe von
Staatsgeheimnissen

1. Unter Bezugnahme auf ihre Entschließung 1551 (2007) bittet die Parlamentarische
Versammlung das Ministerkomitee,

1.1. alle Mitgliedstaaten nachdrücklich aufzufordern,

1.1.1. die bestehende Gesetzgebung über das Amtsgeheimnis zu prüfen und so zu
ändern, dass verschwommene und zu weit gefasste Vorschriften durch spezifische und
klare Bestimmungen ersetzt werden, um so jede Gefahr eines Missbrauchs oder
ungerechtfertigter Verfolgung auszuschalten;

1.1.2. die Gesetzgebung über das Amtsgeheimnis auf eine Weise anzuwenden, die
mit der Rede- und Informationsfreiheit, akzeptierten Praktiken in der internationalen
wissenschaftlichen Zusammenarbeit und der Tätigkeit von Anwälten und anderen
Verfechtern der Menschenrechte vereinbar ist;
13 Debatte der Versammlung am 19. April 2007 (17. Sitzung) (siehe Dok. 11031, Bericht des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Herr Pourgourides).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 19. April 2007 (17. Sitzung).

Drucksache 16/7706 – 74 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1.2. in allen Mitgliedstaaten des Europarats Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes
von Informanten („Whistleblower“) und Journalisten zu prüfen, die Korruption,
Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung und andere Formen des Missbrauchs von
Befugnissen offen legen;

1.3. die Russische Föderation nachdrücklich aufzufordern, im Geiste der Offenheit und
Toleranz die Journalisten, Wissenschaftler, Anwälte und Verfechter der Menschenrechte zu
rehabilitieren, die in den letzten Jahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses verurteilt
wurden und zu Opfern der übereifrigen Anwendung dieser Gesetzgebung geworden zu sein
scheinen.

Empfehlung 1793 (2007)14

betr.: die Notwendigkeit eines Übereinkommens des Europarates über die Unterbindung
der Fälschung von Waren und des Handels mit gefälschten Waren

1. Die Parlamentarische Versammlung erinnert an ihre frühere Empfehlung 1673 (2004)
über Produktfälschungen: Probleme und Lösungen, in der sie sich über das zunehmende
Auftreten von Produktfälschungen in Europa besorgt zeigte und auf beträchtliche Risiken für
die öffentliche Gesundheit, das Wohlergehen der Bevölkerung sowie beträchtliche Verluste
der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten des Europarats hinwies. Diese Besorgnis spiegelt
sich in der generellen Entschlossenheit der Mitgliedstaaten auf dem Dritten Gipfel der Staats-
und Regierungschefs des Europarats in Warschau eine „gute Regierungsführung auf allen
Ebenen“ zu fördern, um Stabilität und wirtschaftlichen wie sozialen Fortschritt zu fördern.
Bisher hat sich dies in der Arbeit des Europarats nur zum Teil niedergeschlagen, insbesondere
im Hinblick auf gefälschte und nicht dem Standard entsprechende Arzneimittel.

2. Die Versammlung verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Erklärung der G8
zur Bekämpfung der Produktpiraterie und der Fälschung von IPR (geistigen
Eigentumsrechten), die am 16. Juli 2006 in St. Petersburg angenommen wurde. In dieser
Erklärung wurde die multilaterale Verpflichtung bekräftigt, „die individuellen und kollektiven
Bemühungen zur Bekämpfung der Markenpiraterie und der Markenfälschung, insbesondere
beim Handel mit „piratierten“ und gefälschten Waren, zu bekämpfen“, festgestellt, „dass
solche Bemühungen zur nachhaltigen Entwicklung der Weltwirtschaft, auch über
Innovationen, sowie zur Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher überall auf der Welt
(beitragen werden)“ und nachdrücklich eine verstärkte Zusammenarbeit „auf diesem Gebiet
zwischen der G8 und den übrigen Ländern sowie zuständigen internationalen Organisationen,
vor allem der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), der Welthandelsorganisation
(WTO), der Weltzollorganisation, Interpol, der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und dem Europarat“, verlangt.
14 Debatte der Versammlung am 20. April 2007 (18. Sitzung) (siehe Dok. 11227, Bericht des Ausschusses für
Wirtschaft und Entwicklung, Berichterstatter: Herr Schreiner).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 20. April 2007 (18. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/7706

3. Angesichts der immer schnelleren Globalisierung wirken sich Fälschungen, die einen
beträchtlichen Anteil der Schattenwirtschaft darstellen und auf die bis zu 9% des Welthandels
entfallen, immer mehr auf die europäischen Staaten aus und hängen eng mit Netzwerken der
organisierten Kriminalität zusammen. Alle Mitgliedstaaten des Europarats sind als Herkunfts-
, Transit- oder Bestimmungsländer gefälschter Waren betroffen. Nicht nur gefälschte
Arzneimittel, sondern auch viele andere Produkte, wie Ersatzteile, Spielzeug,
Körperpflegeprodukte, Elektrogeräte, Lebensmittel, Alkoholika und andere Waren können,
wenn sie gefälscht sind, die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher gefährden, der
europäischen Wirtschaft (insbesondere bei Markenfälschungen) schweren Schaden zufügen
und kriminelle Netzwerke groß werden lassen. Die Versammlung ist der Überzeugung, dass
es für den Europarat und seine Mitgliedstaaten an der Zeit ist, das Problem der Fälschungen
umfassender anzugehen, als dies bisher geschehen ist.

4. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um das Bewusstsein für die Gefahren zu
schärfen, die Fälschungen für die individuelle und kollektive Sicherheit der Öffentlichkeit
bedeuten und eine in sich stimmige europäische Politik zur Verhütung, Abschreckung und
Bekämpfung von Fälschungen auszugestalten. Es ist ärgerlich, dass Fälschungen weiterhin
eine mit geringem Risiko und hohen Profiten verbundene Tätigkeit darstellen, da eine
Strafverfolgung schwerfällig ist, die Sanktionen vergleichsweise milde ausfallen und oft nur
schwer anzuwenden sind und die zwischenstaatliche Zusammenarbeit unzulänglich ist. Die
Versammlung begrüßt die Aussicht auf die Ausarbeitung einer Europäischen Konvention über
die Bekämpfung von Arzneimittel und Gesundheitsleistungen betreffenden Straftaten und ist
davon überzeugt, dass eine weitere ähnliche Initiative notwendig ist, um alle Fälschungen und
den gesamten Schmuggel von gefälschten Waren zu bekämpfen.

5. Die Versammlung ist sich der überaus wertvollen Arbeit auf diesem Gebiet bewusst,
die von verschiedenen nationalen und europäischen Behörden und Fachorganisationen
durchgeführt werden – unter anderem von der Europäischen Union, dem Europäischen
Patentamt (EPA), Europol, Eurojust, der Europäischen Betrugsbekämpfungsbehörde (OLAF),
der Welthandelsorganisation (WTO), der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO),
Interpol, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Handelskammer
(ICC). Sie verweist allerdings auf das Fehlen einer wirklich umfassenden,
sektorübergreifenden Strategie zur Bekämpfung aller Formen von Fälschungen.

6. Der Europarat ist angesichts seines multidisziplinären Ansatzes, seiner politischen und
rechtlichen Autorität sowie seiner Mitgliedschaft aus Gesamteuropa ideal aufgestellt, um die
europäischen Staaten zu motivieren und zu mobilisieren, damit sie die komplexe Aufgabe und
Bedrohung angehen, die Fälschungen bedeuten. Zwar wäre ein weltweit wirksames Rechts-
instrument zweifellos wünschenswert, doch ließe sich dies angesichts der gebotenen
Dringlichkeit und der hohen Standards, die von den europäischen Staaten angestrebt werden,
kaum verwirklichen.

7. Geistiges Eigentum, insbesondere in Form von Patenten, leistet einen entscheidenden
Beitrag zur Innovation und ist von wesentlicher Bedeutung für den Aufbau einer
wettbewerbsfähigen Wissensökonomie in Europa. Vereinfachte Patentverfahren, geringere
Patentanmeldegebühren und standardisierte Streitschlichtungsmechanismen – wie im
Londoner Übereinkommen und dem Europäischen Patentstreitübereinkommen, das unter der
Ägide der Europäischen Patentorganisation erarbeitet wurde, aber noch nicht in Kraft getreten
ist – stellen wichtige Schritte zur Sicherstellung eines besseren Rechtsschutzes für
Innovationen in Europa und zur Beseitigung der Unzulänglichkeiten bei den derzeitigen
grenzüberschreitenden Streitfällen dar. Es handelt sich hierbei um wertvolle Bemühungen zur

Drucksache 16/7706 – 76 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Abschreckung von Fälschungen und Produktpiraterie, die die stärkste mögliche Unterstützung
seitens der Vertragsparteien verdienen.

8. Ungeachtet der verdienstvollen Arbeit der Zolldienststellen zum Schutz der
europäischen Außengrenzen vor gefälschten Waren aus Drittländern bleiben zu viele
Lieferungen, insbesondere über das Internet, unkontrolliert, sodass viele gefälschte Waren
nicht entdeckt werden. Außerdem werden immer größere Mengen gefälschter Waren in
Europa hergestellt und lassen sich damit noch schwieriger abfangen, bevor sie die
Endabnehmer erreichen. Die Untersuchung der Echtheit und der Herkunft eines Produkts, um
Nachahmungen aufzudecken und abzufangen, erfordert eine bessere Harmonisierung der
zivil- und strafrechtlichen Verfahren sowie ein größeres technisches Arsenal, das den
strategischen Prioritäten bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität entspricht.

9. Eine zuverlässige Erfassung des wirklichen Ausmaßes und der Auswirkungen der
Fälschungen ist zwingend notwendig, um angemessen und pragmatisch gegen Fälschungen
vorgehen zu können. Aus verschiedenen Gründen verdeutlichen die zurzeit verfügbaren
Zahlen über Fälschungen (gewöhnlich Polizei- und Zolldaten über Festnahmen und
Beschlagnahmen sowie Branchenschätzungen) die weite Verbreitung dieser Erscheinung und
zeigen bestimmte Trends, sind aber nicht detailliert genug, um wirksame Gegenmaßnahmen,
eine Trendanalyse und Anpassungen der betriebenen Politik untermauern zu können. Die
Einrichtung einer unabhängigen Behörde zur statistischen Überwachung von Fälschungen in
den Mitgliedstaaten des Europarats sollte deshalb ins Auge gefasst werden.

10. Die Versammlung empfiehlt darum dem Ministerkomitee,

10.1. den zuständigen intergouvernementalen Ausschuss anzuweisen, im Einvernehmen mit
der Europäischen Union und anderen Interessenten an der Erstellung eines Europäischen
Übereinkommens über die Bekämpfung von Fälschungen und des Handels mit gefälschten
Waren zu arbeiten, das auch die zivil- und strafrechtlichen Aspekte des Problems behandelt;

10.2. die Durchführung einer Informationskampagne über die Gefahren zu erwägen, die
Fälschungen für die öffentliche Sicherheit in Europa bedeuten;

10.3. die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufzufordern, ähnliche nationale Kampagnen gegen
Fälschungen einzuleiten;

10.4. sich bei der Gestaltung einer kohärenten europäischen Politik, die die technischen
Mittel für die Verhütung und Abschreckung von Fälschungen (insbesondere in Bezug auf
Internet-Lieferungen) bereitstellen soll, als unverzichtbares Werkzeug für das
Zusammentragen gerichtsverwertbarer Beweise und die Anwendung von
Bekämpfungsmaßnahmen gegen Fälscher und Schmuggler an die Spitze zu setzen;

10.5. die Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation nachdrücklich aufzufordern,
eine diplomatische Konferenz einzuberufen, um das Europäische Patentstreitübereinkommen
zu verabschieden und im Falle der Staaten, die dies noch nicht getan haben, das Londoner
Übereinkommen zu unterzeichnen und zu ratifizieren, damit dieses Rechtsinstrument
reibungslos in Kraft treten kann.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/7706

Empfehlung 1794 (2007)15

betr.: die Arzneimittelqualität in Europa

1. Die Fälschung von Arzneimitteln hat sich zu einer Industrie entwickelt, aufgrund derer
jedes Jahr hunderttausende von Menschen ihr Leben verlieren.

2. Was früher auf eine Produktion in kleinem Maßstab beschränkt war, ist heute eine
Aktivität, die mit der organisierten Kriminalität in Verbindung gebracht werden kann.

3. Die Fälschung von Arzneimitteln ist eine Geißel, von der 14% des
Weltpharmamarktes betroffen sind, und ihr Wachstum wird durch die Globalisierung und die
Ausweitung des grenzüberschreitenden Handels sowie die leichte Einsetzbarkeit moderner
Technologien begünstigt.

4. Einer Erhebung der OECD zufolge belaufen sich die entsprechenden Verluste jährlich
auf über € 500 Mrd., wobei diese Summen an den nationalen Steuersystemen vorbeilaufen.
Gefälschte Arzneimittel bescheren den Fälschern, die nie gefasst oder strafrechtlich belangt
werden, somit gewaltige Profite.

5. Fälschungen betreffen nicht nur Arzneimittel und Generika, sondern auch
medizinische Geräte, Kosmetika und Produkte für die Tiermedizin. Sie bedeuten somit eine
schwer wiegende Bedrohung der Gesundheit der Menschen, können zum Scheitern einer
Behandlung oder der Verschlimmerung von Krankheiten führen und sogar eine Todesursache
darstellen. Die Parlamentarische Versammlung unterstreicht, dass das Auftreten gefälschter
Arzneimittel das Vertrauen der Einzelnen wie auch der Gesundheitsfachleute untergräbt.

6. Die Versammlung stellt fest, dass der Parallelhandel im Laufe des letzten Jahrzehnts
schnell zugenommen hat. Soweit die Vertriebsfirmen auch in Bezug auf die
Nachverfolgbarkeit sachgerechte Kontrollen vornehmen, erhält diese Form des Handels die
Sicherheit der Verbraucher aufrecht.

7. Die Versammlung stellt außerdem fest, dass gefälschte Arzneimittel in Europa
insbesondere wegen fehlender oder unzulänglicher Rechtsvorschriften über Qualitätskontrolle
und den Vertrieb auftreten. Gefälschte Arzneimittel werden illegal in Verkehr gebracht, an
den Steuersystemen vorbeigeschleust und untergraben die Interessen der Verbraucher sowie
die Haushalte des Staates und der Privatwirtschaft.

8. Darüber hinaus sind die Bestimmungen über die Ausfuhr von Arzneimitteln von Land
zu Land verschieden, wodurch internationale Kontrollen oder Sanktionen praktisch
unmöglich werden.

9. Wie die Teilnehmer der Konferenz über „Europa gegen gefälschte Arzneimittel"
feststellten, die am 22./23. Oktober 2006 in Moskau stattfand, wird gegen solche Fälschungen
hauptsächlich unter dem Blickwinkel der gewerblichen Eigentumsrechte statt unter dem des
Schutzes der Rechte des Einzelnen vorgegangen. Die Teilnehmer bedauerten außerdem, dass
es zu Fragen der Kriminalität auf dem Arzneimittelsektor kein Rechtsinstrument gibt.
15 Debatte der Versammlung am 20. April 2007 (18. Sitzung) (siehe Dok. 11193, Bericht des Ausschusses für
Sozialordnung, Gesundheit und Familie, Berichterstatter: Herr Marquet).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 20. April 2007 (18. Sitzung).

Drucksache 16/7706 – 78 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

10. Die Versammlung stellt fest, dass dieses rechtliche Vakuum bedeutet, dass es
entweder keine geeigneten nationalen Behörden gibt oder dass diese schwach sind und
unterstreicht darum die Notwendigkeit, für ein internationales Rechtsinstrument zu sorgen,
das spezifische Straftatbestände in Verbindung mit Fälschungen einführt, sodass Fälscher
festgenommen und strafrechtlich belangt werden können.

11. Die Versammlung ist außerdem über das Fehlen von Strafen für Fälscher sowie die
Zunahme der Arzneimittelverkäufe über das Internet besorgt, was zu einem unkontrollierten
grenzüberschreitenden Handel mit Medizinprodukten führen und die öffentliche Gesundheit
gefährden könnte.

12. Die Versammlung unterstreicht darum die Notwendigkeit, Internet-Verkäufe zu regeln
und eine wirkliche internationale Koordinierung in Zusammenarbeit mit der Polizei, den
Zollbehörden, dem Gerichtswesen und Gesundheitsfachleuten aufzubauen.

13. Im Lichte der obigen Darlegungen werden die Staaten als Reaktion auf die immer
schnellere Ausbreitung gefälschter Arzneimittel dringend aufgerufen, Maßnahmen zum
Schutz der Sicherheit der Patienten zu ergreifen.

14. Die Versammlung empfiehlt deshalb dem Ministerkomitee des Europarats, die
Mitgliedstaaten des Europarats, Nichtmitgliedstaaten und die Vertragsparteien des
Übereinkommens über die Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuchs zu bitten, für ein
internationales Rechtsinstrument in Form eines Übereinkommens zu sorgen, das neue
Rechtsvorschriften einschließlich eines neuen Straftatbestands in Bezug auf
Arzneimittelkriminalität einführen soll, spezifische Strafen für Fälschungen und die
Beeinträchtigung der Arzneimittelqualität vorzusehen und Vorschriften zu
Zuständigkeitsfragen festzulegen, die eine Berücksichtigung der Interessen der Opfer von
Arzneimittelstraftaten erlauben.

15. Die Versammlung ruft darüber hinaus die Mitgliedstaaten des Europarats,
Nichtmitgliedstaaten und die Vertragsparteien des Übereinkommens zur Ausarbeitung eines
Europäischen Arzneibuchs dazu auf,

15.1. die Abteilungen innerhalb der Organisation zur Erfassung und Verbreitung von
Informationen zu nutzen;

15.2. öffentliche Informationskampagnen über die Risiken durchzuführen, die mit
der Verwendung gefälschter Arzneimittel verbunden sind, um die Menschen zur
Nutzung legaler Vertriebskanäle anzuhalten;

15.3. die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Stellen der Polizei, der
Zollverwaltung, des Gerichtswesens, von Gesundheitsfachleuten und anderer
einschlägiger medizinischer Einrichtungen zu fördern;

15.4. Rechtsvorschriften über Arzneimittel unter Einschluss von Bestimmungen zu
erarbeiten, die die Herstellung, die Einfuhr und den Verkauf gefälschter Arzneimittel
untersagen, um die Herstellung und die Einfuhr von Arzneimitteln zu regeln und zu
verhindern, dass gefälschte Arzneimittel in das Pharmavertriebsnetz gelangen;

15.5. in Verbindung mit Laboratorien und Vertriebsnetzen Überwachungssysteme
einzuführen;

15.6. ein umfassendes System zur Nachverfolgung von Arzneimitteln aufzubauen,
um ein vollständiges Register pharmazeutischer Produkte zu schaffen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79 – Drucksache 16/7706

15.7. ein besonderes System zur Überwachung und Überprüfung der Qualität von
Arzneimitteln zu errichten, die aus humanitären Gründen versandt werden;

15.8. im Einvernehmen mit der Europäischen Direktion für Arzneimittelqualität
(EDQM) ein Schulungssystem für betroffene Mitarbeiter und Fachleute aufzubauen,
damit diese in geeigneter Form gegen die Kriminalität auf dem Pharmasektor
vorgehen können;

15.9. ein System zur Identitätskontrolle von Online-Apotheken zu errichten.

16. Die Versammlung bittet das Ministerkomitee, denjenigen Staaten, die dies noch nicht
getan haben, zu empfehlen,

16.1. das Übereinkommen über die Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuchs
zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

16.2. das Übereinkommen über Computerkriminalität zu unterzeichnen und zu
ratifizieren.

Drucksache 16/7706 – 80 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Redebeiträge deutscher Parlamentarier
(laut Protokoll der Parlamentarischen Versammlung des Europarates)

Die Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Aserbaidschan

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Zunächst möchte ich mich herzlich bei unseren Berichterstattern bedanken, die sich nun schon
verschiedene Male mit Aserbaidschan beschäftigt haben. Ich glaube, dass über die Zeit
hinweg festgestellt werden kann, dass, es sich dabei im Sinn des Monitoring-Verfahrens um
eine kritische aber auch sehr konstruktive Begleitung und Beratung handelt.
Ich bin davon überzeugt, dass wir angesichts der Tatsache, dass es gelungen ist, immer wieder
Fortschritte zu erzielen, den Weg in diese Richtung weiter fortsetzen können. Wichtig ist in
diesem Zusammenhang, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren; nämlich die
Herbeiführung der parlamentarischen, demokratischen Systematik, und dass dabei kein
Stillstand und erst recht kein Rückschritt zu verzeichnen ist, sondern Bewegung zu erkennen
ist.

Ich möchte mich aber auch aus gegebenem Anlass recht herzlich bei den Mitarbeitern des
Sekretariats bedanken, insbesondere bei Frau Chatzivassiliou, die seit Anfang des Monats ein
sehr tragisches persönliches Schicksal verkraften muss. Ich glaube, wir können ihr alle die
Daumen drücken, dass ihr Mann und ihr Sohn so weit es möglich ist wieder zu guter
Gesundheit kommen. Herzlichen Dank für die Arbeit und das Engagement, das sie in die
Arbeit mit eingebracht hat.

Vielen Dank.

Beitritt der Republik Montenegro zum Europarat

Abg. Detlef Dzembritzki (SPD):

Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch von unserer Seite aus ein herzliches Willkommen an die Kolleginnen und Kollegen aus
Montenegro. Ich denke, dass alle Vorrednerinnen und Vorredner hinsichtlich der möglichen
Unterstützung und Erwartungen das Substantielle bereits hier eingebracht haben. Doch
möchte ich gerne noch einmal die Rolle unterstreichen, die Montenegro in den
zurückliegenden Jahren gespielt hat und die im Grunde auch als Beispiel für die Zukunft der
gesamten Region gesehen werden kann.

Ich denke, es ist hier noch einmal zu unterstreichen, dass Montenegro während der großen
Probleme, der aggressiven Auseinandersetzungen, die zu Flüchtlingssituationen und Morden
– wir haben das große Leid in Srebenica vor Augen – geführt haben, eine Stätte der Zuflucht
für die Menschen war, ein Ort, an dem keine ethnischen Probleme aufgetreten sind. Dieses
Land in einer unberührten Region hat in dieser Situation bewiesen, dass eine friedliche
Entwicklung und ein friedliches Miteinander möglich sind.

Ich glaube, man sollte dies bei allen Problemen die möglicherweise auch in Montenegro
bestanden haben, noch einmal unterstreichen. Wir sollten den Menschen und den
Verantwortlichen in Montenegro Respekt und Anerkennung dafür zollen, dass sie den Beweis

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81 – Drucksache 16/7706

erbracht haben, dass unterschiedliche Ethnien zusammen leben können, und dass nicht die
erste Frage sein muss, "zu welcher Ethnie gehörst du?", sondern "wie können wir miteinander
zusammen leben, wie können wir unsere Zukunft gestalten?"

Ich möchte von dieser Stelle aus Montenegro alle guten Wünsche überbringen und hoffe, dass
Sie Ihre Zukunft so gestalten können, dass Sie von ihrer Vergangenheit ein Stückchen mit
einbringen und dass diese Zukunft beispielhaft sein kann für die gesamte Region. Dass
Probleme zu bewältigen sind, haben meine Vorrednerinnen und Vorredner deutlich gemacht.
Ich wünsche Ihnen auch dafür viel Kraft, und ich bin sicher, dass wir gemeinsam als
europäische Familie die Probleme, die zu lösen sind, lösen können. Ich hoffe, dass Sie dafür
auch die Unterstützung dieses Europarats haben. In diesem Sinne, auf eine gute und friedliche
Zukunft miteinander.

Kandidaten für den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof

Abg. Doris Barnett (SPD):

Vielen Dank Herr Vorsitzender,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich gehöre diesem Parlament erst seit einem guten Jahr an. Daher hatte ich bisher kaum
Gelegenheit, an Richterwahlen teilzunehmen. Aber die Wahl von Richtern zum Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof ist wohl eine der vornehmsten Aufgaben, die wir hier als
Abgeordnete haben. Deshalb ist es für uns auch von so großer Bedeutung, dass wir diejenigen
wählen, welche die Besten für das Amt sind.

Doch wer bestimmt, wer die Besten sind, und wer wählt sie? Unsere österreichische Kollegin
Frau Wurm hat in einem ähnlichen Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Qualifikation
ebenso wie Schönheit im Auge des Betrachters liegen.

Machen wir uns also nichts vor, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir wissen sehr wohl, dass
auf allen Ebenen sowohl in den Mitgliedsländern als auch hier im Europarat die Auswahl der
Kandidaten für das Richteramt mehrheitlich durch Männer entschieden wird.

Die Aussage, dass eine falsche Auswahl den Personen viel Schaden zufügen könnte, wie Herr
Malin meinte, ist ein Totschlagargument, denn auf diese Weise bekommen wir nie Frauen
durch. Leider sind wir in fast allen unseren Ländern von einer tatsächlich gleichberechtigten
Teilhabe von Männern und Frauen in allen Bereichen noch meilenweit entfernt.

Auch bei den Juristen gibt es ausgeprägte Männernetzwerke, die dafür sorgen, dass weibliche
Kandidaten immer als ein bisschen weniger qualifiziert beurteilt werden als ihre männlichen
Kollegen. Ich behaupte nicht, dass Frauen immer besser qualifiziert sind als Männer; das wäre
genauso töricht, wie das Gegenteil zu behaupten.

Was ich behaupte ist, dass es Frauen, auch wenn sie noch so gut qualifiziert sind, schwer
haben, gegenüber Männern zu bestehen und sich auf Kandidatenlisten durchzusetzen.

Der Beweis dafür: Wie von Herrn Mendes Bota ausgeführt, haben fast 60% der
Mitgliedsländer von 1998 bis 2004 reine Männerlisten vorgelegt. Als aber die
parlamentarische Versammlung dann im Jahr 2004 entschieden hat, dass auf jede Liste
wenigstens eine Frau gesetzt werden muss, änderte sich das Bild. Alle Mitgliedsländer haben
seitdem Frauen vorgeschlagen, von denen inzwischen nicht wenige auch zu Richterinnen
gewählt worden sind. Und das ist gut so! Unter anderem hat die Versammlung eine Richterin
für San Marino und für Monaco gewählt.

Drucksache 16/7706 – 82 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Daher mutet es schon sehr seltsam an, dass das im Vergleich zu Monaco zehnmal größere
Malta als einziges Land behaupten will, es habe Schwierigkeiten, eine geeignete, qualifizierte
Kandidatin zu finden. Dies ist besonders deshalb merkwürdig, weil man weiß, dass sich auf
die öffentliche maltesische Ausschreibung hin zwei durchaus qualifizierte Frauen beworben
haben.

Aber wer sagt denn, dass sie qualifiziert bzw. nicht qualifiziert sind? Das haben doch wir gar
nicht zu beurteilen, sondern sie wurden bereits vorher aussortiert und kamen gar nicht erst auf
die Liste. Warum sie nicht auf die Liste kamen, das müssen wir unsere maltesischen Freunde
fragen.

Deswegen bleibe ich dabei: Es handelt sich hierbei um einen Akt der Diskriminierung gegen
Frauen, und nicht um eine mangelnde Qualifikation. Ganz abgesehen davon hätte Malta, wie
es die Regeln ja vorsehen – darauf wurde auch schon hingewiesen -, die Möglichkeit gehabt,
aus einer Auswahl hochqualifizierter Menschenrechtlerinnen aus der ganzen Welt eine
auszusuchen, die Malta dann repräsentiert hätte. Auch das wurde nicht getan. Spätestens jetzt
zeigt sich, dass es hier um Diskriminierung geht und nicht um die Qualifikation.

Nun kommen wir zum Kernpunkt der Frage: Wollen wir mit unserer großen Mehrheit hier
beschlossene Regeln ändern, nach dem Motto "lassen wir es dieses Mal gerade noch so
durchgehen", nur weil ein einziges Land nicht willens ist, sich an unsere Regeln zu halten?
Oder wollen wir nicht lieber von diesem einzigen Land verlangen, sich an unsere gemeinsam
beschlossenen Regeln zu halten? Denn wer sagt denn, dass dann von dieser Liste
ausgerechnet die Frau gewählt werden würde? Wir wollen lediglich, dass jetzt endlich auch
eine Liste eingereicht wird, auf der eine Frau steht.

Ich muss zugeben, dass ich hier dem Rechtsausschuss nicht ganz folgen kann. Wollen wir
etwa auch in anderen Menschenrechtsfragen – denn die Gleichberechtigung von Männern und
Frauen ist ein Menschenrecht – in Zukunft auch Ausnahmen zulassen, wenn wieder einmal
"Sachzwänge" gibt? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Hier gilt es, standhaft zu bleiben und die Menschrechte zu verteidigen, also das zu
verteidigen, was uns als Europarat ausmacht. Dazu gehört es, die Gleichberechtigung auch
vor Ort durchzusetzen und es den Frauen vor Ort zu ermöglichen, auf Listen zu kommen.
Deswegen stimmen Sie bitte mit uns ab, und stimmen Sie gegen den Antrag des
Rechtsausschusses. Sorgen Sie dafür, dass wir hier keine Rückschritte machen, sondern
weiter nach vorne gehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Stand der Menschenrechte in Europa

Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):

Frau Präsidentin,
werte Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben gehört, dass es noch viel Unrecht gibt, obwohl wir so lange schon dagegen
angehen. Trotz aller Mühe wird dieses Unrecht sogar immer mehr, denn wir werden mehr
Staaten und wir sehen mehr. Es ist so, dass es früher wahrscheinlich ebenfalls sehr viel
Unrecht gab, doch wurde es nicht wahrgenommen und nicht auf die politische Bühne
gebracht und besprochen. Dass dies jetzt geschieht, ist unser Verdienst.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 83 – Drucksache 16/7706

Doch weil wir uns solche Mühe geben werden diejenigen, die egoistisch sind und keine
Rücksicht auf die Menschenrechte nehmen, trickreicher. Sie verstecken sich besser und sind
in der Lage, Dinge zu tun, die schwer zu erkennen sind und daher erst später aufgedeckt
werden. Das bedeutet, dass wir uns auch mehr Mühe geben müssen und neue Instrumente
brauchen, um rechtzeitig zu erkennen, wo Menschenrechte gefährdet sind.

Die Gefährdung und Anfechtung der Menschenrechte ist vielfältig. Wir haben neue Formen
der Diskriminierung. Wir können Menschen heute nicht nur nach der Hautfarbe und dem
Geschlecht unterscheiden, sondern wir kennen ihre genetische Ausstattung und können
Aussagen machen über ihre möglichen Stärken und Schwächen. Menschen werden deswegen
diskriminiert werden, und wir müssen uns darauf vorbereiten, hier eine Antwort zu finden und
sie zu schützen.

Wir wissen, dass es Techniken der Monopolisierung von Wissen gibt, was dazu führt, dass
den Menschen Saatgut vorenthalten wird, sodass sie nicht mehr in der Lage sind, langfristig
ihre eigene Ernährung zu sichern. Wir wissen, dass es auch in den Medien Monopolisierungen
wirtschaftlicher Art gibt, die wir kaum übersehen können. Wir wissen, dass das Verbrechen
sich internationalisiert, dass die Methoden der Geldwäsche trickreicher werden. All das sind
Techniken, welche die Feinde der Demokratie und der Menschenrechte entwickeln, während
wir hier sitzen und versuchen, die Menschen dagegen zu schützen.

Das bedeutet aber, dass es, wenn wir über Kernkompetenzen dieses Hauses diskutieren, nicht
reicht, einfach die Überschriften austauschen und einander immer wieder dasselbe zu
versichern. Wir müssen ins Detail gehen. Hier brauchen wir die vielen Fachausschüsse und
das Wissen von der Biotechnologie, den Finanzsystemen und Wirtschaftssystemen. Wir
müssen ganz genau hinschauen, wie durch Patente möglicherweise ganze Völker enteignet
werden, wie genau monopolisiert wird und wie Menschen daran gehindert werden, ihre
Möglichkeiten zu entwickeln.

Dies alles wird komplizierter, und deshalb mein Appell: Wenn wir uns weiterentwickeln
wollen, dann verzichten wir bitte nicht auf die vielen fachlichen Perspektiven, die in diesem
Hause vorhanden sind. Wir haben Ausschüsse, die gute Instrumente sind um genau zu
detektieren wo Menschenrechte gefährdet sind. Diese Instrumente sollten wir pflegen und
weiterentwickeln. Das ist mein Standpunkt.

Ich danke Ihnen.

Stand der Menschenrechte in Europa

Abg. Christoph Strässer (SPD):

Herr Präsident,
meine Damen und Herren!
In Deutschland ist vor ca. 2 Jahren eine große repräsentative Umfrage unter Jugendlichen bis
25 Jahren durchgeführt worden, die ergeben hat, dass etwa 70% der Befragten, und zwar
unabhängig von ihrer Schulbildung und ihrem Bildungsgrad, mit dem Begriff der
Menschenrechte nichts anfangen konnten. Eine, wie ich finde, auf den ersten Blick
erschreckende Erkenntnis.

Doch wenn man fragt, ob das bedeutet, dass diese jungen Leute auch real mit den
Menschenrechten nichts anfangen können, ergibt sich, glaube ich, sofort ein anderes Bild.
Denn dieselben Jugendlichen, dieselben Schülerinnen und Schüler sind sofort dabei und
zeigen sich solidarisch mit den jungen Menschen aus ihrem Umfeld, wenn sie z.B. erfahren,

Drucksache 16/7706 – 84 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dass ein Kind, das seit 10 Jahren in unserem Land lebt, nach Afghanistan oder anderswohin
abgeschoben werden soll.

Diese jungen Leute engagieren sich, sie gehen auf die Straße, verfassen Petitionen und setzen
uns Politikerinnen und Politiker so unter Druck, dass wir alle, die hier sitzen, ob wir wollen
oder nicht, solche Menschenrechtsverletzungen in den eigenen Ländern letztendlich
verhindern können.

Und das ist die Kehrseite der Medaille; das, was wütend macht. Ich glaube, dass man alleine
mit diesem Papier nicht viel anfangen kann; das ist schon oft gesagt worden. Ich würde mir
wünschen, dass wir als Parlamentarier als Ergebnis dieser Debatte in unsere Länder gehen
und z.B. Menschenrechtsbildung zum Gegenstand an allen Schulen in unseren Ländern
machen, die Mitglied des Europarats sind.

Denn meines Erachtens liegt für eine vernünftige Ausgestaltung und eine praktische
Umsetzung der Menschenrechte die Zukunft nicht nur in der parlamentarischen Arbeit, der
Exekutivarbeit, sondern in der Einbeziehung junger Menschen auf diesem Weg. Denn wenn
diese Jugendlichen Bilder von Menschenrechtsverletzungen überall auf der Welt sehen, dann
engagieren sie sich, gehen auf die Straße und unterstützen uns bei unserer Arbeit. Ich denke,
wir sollten ihnen die Möglichkeit geben, diese äußerst wichtigen Dinge mit uns gemeinsam zu
verinnerlichen und in ihr praktisches Leben und damit auch in die Politik umzulegen.

Das zweite, was ich sagen möchte, ist auch etwas emotional, aber auch sehr politisch. Ich
bitte, das nicht falsch zu verstehen, aber immer, wenn ich Herrn Hammarberg auftreten sehe,
dann kommen mir fast die Tränen. Nicht wegen Ihrer Persönlichkeit und auch nicht wegen
Ihrer hervorragenden Arbeit, sondern weil ich weiß, unter welchen Umständen Sie Ihre
wertvolle Arbeit machen.

Wenn ich dann auf der anderen Seite sehe, mit wieviel Millionen die Menschenrechtsagentur
der Europäischen Union mit einer Einrichtung ausgestattet wird, dann kommen mir in der Tat
die Tränen. Meines Erachtens müssten wir alle in unseren nationalen Parlamenten davon
ausgehen, dass wir, wenn wir schon die Menschenrechtsagentur haben, auch gemeinsam alle
Anstrengungen, materieller, finanzieller oder sonstiger Art unternehmen sollten, um auch Ihre
Arbeit, die ich ganz ausgezeichnet finde, in den europäischen Staaten so zum Tragen zu
bringen, dass sie überhaupt wirken kann. Wir sollten gemeinsam nach Hause gehen und dafür
sorgen, dass Ihre Arbeit, Ihr Staat besser ausgestattet wird, damit Sie erfolgreich arbeiten
können. Das brauchen wir alle für unsere Reputation zu Hause.

Dankeschön.

Stand der Menschenrechte in Europa

Abg. Prof. Dr. Hakki Keskin (Die Linke):

Sehr geehrte Damen und Herren.
Ich möchte auf ein Demokratiedefizit in einem für mich sehr wichtigen Bereich verweisen,
diesmal insbesondere in den westeuropäischen Staaten. Ich möchte die Europäische
Versammlung bitten, in dieser Frage eine gemeinsame Position einzunehmen und den
Mitgliedsstaaten eine verbindliche Lösung vorzuschlagen.

Zu Recht wird im Entwurf für eine Resolution unterstrichen, dass "die Repräsentativität der
Parlamente einen Kernbestandteil einer Demokratie darstellt. In diesem Zusammenhang muss,
so der Bericht weiter, "was das aktive und passive Wahlrecht anbetrifft, jede Art von

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 85 – Drucksache 16/7706

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Religion oder aus sozialen
Gründen beseitigt werden."

Meine Damen und Herren, die Staatsbürgerschaft wird zu Recht als die wesentliche und
gesetzliche Verbindung zwischen dem Staat und dem Individuum betrachtet. Dass es in den
jungen Demokratien in einigen Mitgliedsstaaten des Europarat, was den Stand der
Demokratie und Menschenrechte anbetrifft erhebliche Defizite gibt, wissen wir alle. Aber
auch die weit gereiften Demokratien in den westeuropäischen Staaten müssen sich genauso
selbstkritisch mit ihrer eigenen Lage auseinandersetzen.

Es ist nicht einzusehen, dass Millionen Menschen in diesen Ländern, die seit Jahrzehnten
dauerhaft dort leben, nicht die Staatsbürgerschaft dieser Länder haben und damit über keine
politische Einflussnahmemöglichkeit verfügen. Es genügt nicht, dieses Thema damit abzutun,
dass man sagt, dies sei eben so. Die Hindernisse sind nämlich so groß, dass der Erwerb der
Staatsbürgerschaft für viele nicht ohne weiteres möglich ist.

Deshalb appelliere ich an uns alle, eine echte Lösung für dieses Problem zu suchen, das heißt,
den Menschen, die dauerhaft in diesen Ländern leben, den Erwerb der Staatsbürgerschaft zu
erleichtern, damit sie dort volle Bürgerrechte genießen.

Danke sehr.

Stand der Demokratie in Europa

Abg. Walter Riester (SPD):

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir führen heute eine Diskussion, die nicht nur sehr wichtig ist, sondern den Kernbereich
unserer Aufgabe als Europarat betrifft. Ich bin sehr mit dem Bericht einverstanden und fand
es sehr gut, wie Andreas Gross das Spannungsverhältnis zwischen Bürgersicht und
Demokratieanspruch aufgezeigt hat.

Ich möchte in den wenigen Minuten etwas zu dem Spannungsverhältnis unserer vereinbarten
Regeln und der Wirklichkeit sagen, die in den Ländern sehr unterschiedlich ist. Ich glaube
nicht, dass es darum geht, Menschenrechte erster oder zweiter Ordnung zu haben, aber ich
halte es für wichtig, dass wir uns vergegenwärtigen welch unterschiedliche historische
Prozesse, welch unterschiedliche wirtschaftliche, politische und soziale Voraussetzungen wir
zu diesem demokratischen Ziel haben.

Mein Land war fünf Jahre vor Gründung dieses Europarates noch faschistische Diktatur. Wir
haben hier Länder mit hohem demokratischem Anspruch, die keine Probleme hatten, noch in
den 50-er und 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts Kolonien in Afrika und Asien zu besitzen.
Und es gibt hier viele Länder, die erst vor rund 15 Jahren aus staatssozialistischen Ordnungen
heraus den Weg in Demokratien gegangen sind. Wir verfügen also über sehr unterschiedliche
Voraussetzungen. Ich wünsche mir manchmal, dass wir die Unterschiedlichkeit der
Voraussetzungen stärker zur Diskussion bringen, wenn wir mit dem Finger auf Probleme bei
der Umsetzung unserer zu Recht gefundenen Richtlinien weisen.

Warum? Wenn ich meinem eigenen Sohn sage wie toll es ist, dass wir 27 Länder mit 450
Millionen Menschen haben in diesem engeren Europa der EU, in dem wir uns Krieg nicht
mehr vorstellen können, dann weiß er nicht was ich damit sagen will. Denn er hat die

Drucksache 16/7706 – 86 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Schrecken des Ersten und Zweiten Weltkriegs natürlich nie erlebt. Und ich weiß andererseits,
dass für Menschen, die seit 10-15 Jahren in einer Demokratie leben – ein Wimpernschlag in
der Geschichte – der Prozess der Demokratisierung ein schwieriger Prozess ist.

Wir stehen in diesem Teil des jetzigen Jahrhunderts vor dem Problem, dass wir global nicht
mehr von Europa, bzw. wie in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts von den USA
geprägt sein werden. Ich glaube, mit dem Heraufkommen Asiens, mit China und Indien,
werden neue Akteure auftreten. Und gerade deshalb ist es so wichtig, diesen
Demokratisierungsprozess – ich betone Prozess – in Europa hinzubekommen, wenn er global
die Frage von Menschenrechten und Demokratie prägen soll.

Abschließend wünsche ich mir daher manchmal in unseren Debatten, dass wir die
Voraussetzungen zum Prozess der Demokratie bei den unterschiedlichen historischen,
wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen stärker berücksichtigen.

Herzlichen Dank.

Fortschritte im Überwachungsverfahren der Versammlung

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU):

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst will ich daran erinnern, dass die Überwachung der Einhaltung der mit dem Beitritt
zum Europarat durch seine Mitgliedsstaaten eingegangenen Verpflichtungen seinerzeit vor
zehn Jahren komplettiert und effizienter gestaltet worden ist, nämlich dadurch, dass man ein
zusätzliches Instrumentarium eingeführt hat, eine Art operative Institution: das Monitoring-
Verfahren, welches von einem speziellen Ausschuss durchgeführt wird.

Seine Aufgabe ist die ständige, durchaus angemessen-kritische aber eben auch konstruktive
Beratung und Begleitung des jeweiligen Mitgliedslandes. Darauf will ich deshalb gesondert
hinweisen, weil die oft heftigen und mit großer Leidenschaft geführten Debatten über
Berichte und Aktivitäten dieses Ausschusses manchmal einen ganz anderen Eindruck
hervorrufen.

Im Laufe der jetzt immerhin schon zehnjährigen Tätigkeit des Ausschusses hat sich bei den
neuen Mitgliedern die Besorgnis eingestellt, im Wesentlichen seien immer nur sie Subjekt
solcher Verfahren. Um dieser Besorgnis Rechnung zu tragen, haben wir im letzten Jahr
festgelegt, dass alle Mitgliedsstaaten in einem dreijährigen Turnus einer kritischen
Überprüfung unterzogen werden, um eben auch die Objektivität dieses Monitoring-
Verfahrens zu unterstreichen.

Natürlich ist zuzugeben, dass es in den alten, den klassischen Demokratien, wie Frankreich
und anderen Ländern, eben immer wieder Verstöße gegen wesentliche Verpflichtungen aus
dem Beitritt zum Europarat und seinen Konventionen gibt. Wesentlich muss es aber sein,
ohne Unterschied zwischen Alt und Neu, dass die aufgezeigten Mängel ernst genommen und
die Empfehlungen beachtet und dann auch umgesetzt werden.

Die Erfahrungen, die in den einzelnen Mitgliedsstaaten damit gemacht wurden, sind
zugegebenermaßen durchaus unterschiedlich. Beklagen würde ich insbesondere, dass sich die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 87 – Drucksache 16/7706

Parlamente in den einzelnen Staaten oft viel zu wenig darum kümmern, wie ihre Regierungen
mit solchen Feststellungen umgehen.

Eine ganz wesentliche Stärke des Monitoring-Verfahrens ist seine Nachhaltigkeit. Vor allem
das speziell beschlossene Monitoring und das Nach-Monitoring, das sich daran anschließt,
dauern in der Regel über Jahre. Sie sind darauf angelegt, positive Entwicklungen hin zur
parlamentarischen Demokratie, zum Rechtsstaat, zum toleranten und würdigen Umgang mit
Menschen durch staatliche Autoritäten und zu fairen Verfahren bei Wahlen und
Abstimmungen anzustoßen und zu unterstützen. Dabei können wir glücklicherweise oft auf
hoch renommierte Institutionen aus unserem eigenen Bereich, wie z.B. die Venedig-
Kommission, zurückgreifen.

Aus dieser Aufgabenstellung, meine Damen und Herren, ergibt sich aber auch zwingend, dass
diese Zielsetzungen natürlich gemeinsam, d.h. auch von den Mitgliedsländern getragen
werden müssen, und eine Bereitschaft zu vertrauensvoller Zusammenarbeit für den Erfolg
unentbehrlich ist. Dies schließt die Flexibilität seitens der Partner aus dem Europarat mit ein,
eben auch spezifische Gegebenheiten – der Kollege Riester hat gerade darauf hingewiesen –,
historische oder kulturelle Zusammenhänge, oder auch über lange Zeit gewachsene
Mentalitäten zu berücksichtigen.

Wir sind uns dabei durchaus der Tatsache bewusst, dass Demokratisierungsprozesse sehr
kompliziert sind und Zeit brauchen, weil sie ein Umdenken in vielen Köpfen erforderlich
machen und der Bevölkerung auch erklärt werden müssen, wenn man die Herzen der
Mehrheit der Menschen dafür gewinnen will. Deshalb müssen z.B. auch Bildungssysteme,
Medien und andere Akteure in diesen Prozess mit eingebunden und an ihm beteiligt werden.

Der Europarat, das wird oft vergessen, bietet in diesem Zusammenhang übrigens
parlamentarische Zusammenarbeits- und Hilfsprogramme an, die zugegebenermaßen leider
dringend mehr Mittel benötigen würden.

Bei allem Wissen um die Radikalität der geforderten Änderungen, und um die damit
verbundene Zeitschiene – eines müssen wir verlangen: Das gemeinsame Ziel muss
konsequent im Auge behalten und verfolgt werden, die Richtung muss stimmen, und es darf
kein unbegründetes Innehalten oder gar Rückschritte auf diesem Weg geben. Das wäre auch
nicht verständlich zu machen, denn die Mitglieder haben sich aus freiem Willen um die
Mitgliedschaft in diesem Europarat beworben.

Es gibt aber auch einen Kernbereich von Werten und Verpflichtungen, die keinen Aufschub
dulden, wie etwa die Ächtung der Todesstrafe, das Verbot von Folter und von Inhaftierung
aus politischen Gründen. Und eine Regierung muss sich letztlich vor dem Souverän, meist
einem repräsentativ und fair gewählten Parlament verantworten müssen. Der Zugang zu
unabhängigen Informationsquellen etwa und das Recht, im Rahmen einer rechtsstaatlichen
Ordnung seine Meinung frei zum Ausdruck zu bringen, all das gehört zu den prinzipiellen
Kategorien von Verpflichtungen, die eingegangen worden sind.

Ich würde mir sehr wünschen, wenn diese für den Frieden, die Zusammenarbeit und die
demokratische Entwicklung, sowie für die gesellschaftliche und auch politische Stabilität in
Europa so wichtige Arbeit aller Institutionen des Europarats, darunter eben auch des
Monitoring-Ausschusses, von unseren eigenen Auftraggebern, den nationalen Parlamenten
und Regierungen, mit etwas mehr Aufmerksamkeit und noch größerem Unterstützungswillen
begleitet würde.

Drucksache 16/7706 – 88 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bei der Durchsetzung der Geltung von Menschen- und Bürgerrechten und eines demokratisch
geprägten Staatsaufbaus bedarf es zunehmend der engen Abstimmung und Zusammenarbeit
aller involvierten Institutionen. Das gilt für den Europarat mit seinen Mitgliedsstaaten, aber
auch im Blick auf die Europäische Union, die UNO, die OSZE, wichtige NGOs und auch
weitere Institutionen.

Aus der Vielfalt der Wege darf sich für die Betroffenen nicht die Möglichkeit ergeben, die
dabei angebotenen Instrumentarien wahlweise gegeneinander auszuspielen. Deshalb sind
exakte Absprachen, intensive gegenseitige Information und die genaue Einhaltung getroffener
Vereinbarungen wie z.B. mit der EU über die Arbeit der neuen Grundrechtsagentur eben so
wichtig.

Wie umfangreich im Übrigen die Arbeit des Monitoring-Ausschusses geworden ist, mag die
Tatsache verdeutlichen, dass er mit seinen Resolutionen und Empfehlungen allein die Basis
für mehr als 60 Debatten in den Plenarversammlungen des Europarats geliefert hat.

Meine Damen und Herren: Es ist uneingeschränkt zu begrüßen, dass mit der heutigen Debatte
einmal Gelegenheit geschaffen worden ist, den Umfang und die Intensität der
Menschenrechte in der Arbeit des Europarats einer breiten Öffentlichkeit umfassend
darzulegen. Wir brauchen die Resonanz der öffentlichen Meinung; sie ist neben dem
nachhaltigen Einsatz gegenüber den Mächtigen in Regierung, Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft unsere mächtigste Waffe zur Durchsetzung unserer Prinzipien.

Vielen Dank.

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU):

Herr Präsident!
Im Wesentlichen haben sich diejenigen Feststellungen und Beobachtungen bestätigt, die ich
in meinem Bericht ja auch schon dargestellt habe. Beispielsweise wird es allgemein als
Fortschritt empfunden, dass künftig routinemäßig alle Mitgliedsländer untersucht werden,
dass wir im vorigen Jahr also sozusagen eine Art Reihenuntersuchung eingeführt haben, weil
eben doch die Tatsache, dass der Fokus eindeutig auf den neuen Mitgliedsländern lag,
teilweise als diskriminierend empfunden worden ist.

Da haben wir also bereits entsprechend gehandelt, und wie die konkreten Erfahrungen zeigen,
schadet es, glaube ich, den alten Mitgliedsländern auch nicht, wenn sie immer wieder mal
einen Spiegel vorgehalten bekommen. Da werden Dinge entdeckt, die aus Betriebsblindheit in
manchen Demokratien einfach so praktiziert werden, ohne dass groß darüber nachgedacht
worden ist. Wir werden also sicher auf diesem Weg fortfahren können.

Der Kollege van der Brande hat darauf hingewiesen, dass zwischen den individuellen Grund-
und Bürgerrechten und den kollektiven Demokratierechten, wie der parlamentarischen
Demokratie oder dem entsprechenden zugehörigen Staatsaufbau, natürlich in der Tat ein
untrennbarer Zusammenhang besteht. Dies sind untrennbar miteinander verbundene
Elemente, die eben auch dann natürlich wirksam werden und zum Ausdruck kommen, wenn
es darum geht, einmal festzulegen, bei welchen fundamentalen Prinzipien und
Verfahrensmodalitäten die Zeitschiene nicht als Ausrede, bzw. als Element der Verzögerung
akzeptiert werden kann.

Obwohl wir alle natürlich sehen, dass, wie ich bereits darauf hingewiesen habe, spezifische
Besonderheiten, Mentalitäten, die sich über Jahrzehnte oder Jahrhunderte entwickelt haben,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 89 – Drucksache 16/7706

nicht beiseite gelegt werden können, sondern in der Beurteilung Berücksichtigung finden
müssen. Dennoch, es bleibt dabei, es gibt Kernelemente, wesentliche Rechte und Prinzipien,
die eben nicht hinausgeschoben werden können, sondern sofort eingeführt werden müssen.

Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass es wünschenswert wäre, dass die nationalen
Parlamente mehr reagieren. Dabei sind wir natürlich alle selbst gefordert; wir haben diese
Hausaufgabe bis heute noch nicht erledigen können. Gerade, was das Eintreten für
Demokratie und Menschenrechte angeht, könnten wir unsere Wirksamkeit natürlich noch
erheblich in der Wirkung steigern, wenn es gelänge, die nationalen Parlamente dafür zu
gewinnen, entsprechend mit eigenen Debatten und Beiträgen zu reagieren.

Hier und dort ist dies gelungen, und wir sollten uns vornehmen, einmal darüber
nachzudenken, inwieweit wir diese Resonanz und Rückkopplung verbessern und verstärken
können. Insgesamt ist dem Monitoring-Verfahren hier auch von den Ländern, die unmittelbar
sehr betroffen sind, ein gutes Zeugnis ausgestellt worden. Insofern bin ich dankbar für diesen
Hinweis. Das ermutigt uns, mit der einen oder anderen Änderung im Detail in dieser Richtung
fortzufahren.

Vielen Dank.

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU):

Herr Vorsitzender, ich hatte ja bereits Gelegenheit, vorhin drauf einzugehen, was in der
Diskussion aus der Sicht des Monitoring Ausschusses also bemerkenswert war. Lassen Sie
mich deshalb nur eine Ergänzung vornehmen.

Es hat mich sehr gefreut, dass viele herausgestellt haben, dass durch die schwierigen Prozedur
gelungen ist, beizubringen, dass Monitoring im Grunde genommen Dialog bedeutet,
Begleitung, Zuhören, Betreuen und sich nicht etwa irgendwelche Richtlinien-Funktion
anmaßen darf.

Ich sage dies noch einmal ausdrücklich, weil natürlich durch die hitzigen Debatten, die
gelegentlich über die Berichte geführt werden, in der Öffentlichkeit ein anderer Eindruck
entstehen könnte.

Sie werden sehen, dass viele der Fortschritte die wir erreicht haben, die oft nur kleine Stücke
waren eben nur im persönlichen Dialog, im geduldigen Besprechen, im ständigen Kontakt
erreicht worden sind und deshalb ist mit Sicherheit einer der größten Vorzüge dieses
Monitoring Verfahrens die Tatsache, dass man sich über Jahre hinweg begleitet, sich kennt,
dass die Rapporteure teilweise jahrelang am selben Thema arbeiten. Ich finde, dies ist ein
erfolgreiches Rezept – wir sollten es beibehalten, und ich bedanke mich genauso bei allen die
im Sekretariat mitgewirkt haben.

Es ist übrigens unmöglich, solche Dinge ohne persönliche Leidenschaft und ohne Einsatz
zustande zu bringen. Es geht nicht nur um Pflichterfüllung, sondern es geht wirklich um das
Einbringen der Person und auch für diesen ganz persönlichen Verdienst möchte ich mich
herzlich bedanken.

Stand der Demokratie in Europa
Änderungsantrag 17

Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):

Drucksache 16/7706 – 90 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auch an dieser Stelle sollte noch einmal der Hinweis auf die Biomedizin-Konvention
aufgenommen werden. Das entspricht dem, was vorhin schon beschlossen worden ist.

Fortschritte im Überwachungsverfahren der Versammlung
Änderungsantrag 3

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU):

Als Berichterstatter möchte ich dagegen sprechen, denn wir haben uns bei der Formulierung
sehr strikt daran gehalten, was früher schon von diesem Gremium beschlossen worden ist, und
möchten ungern in dieser komplizierten völkerrechtlichen Situation abweichen. Deshalb
plädieren wir für die konsequente Fortführung der bisherigen Beschlüsse.

Fortschritte im Überwachungsverfahren der Versammlung
Änderungsantrag 4

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU):

Auch hier sind wir nach dem Prinzip verfahren, ursprüngliche Beschlüsse des Gremiums zu
zitieren, um uns nicht in neue Diskussionen zu verwickeln. Deshalb wollen wir an dieser
Formulierung festhalten.

Fortschritte im Überwachungsverfahren der Versammlung
Änderungsantrag 6

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU):

Leider muss ich feststellen, dass ein Rest dieses Problems weiterhin besteht, wenn es um
Statusfragen geht. Deshalb meinen wir, dass Bulgarien hier zu Recht erwähnt wird.

Funktionieren der demokratischen Institutionen in der Ukraine

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU):

Herr Präsident,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Auch ich darf mich natürlich bei allen herzlich bedanken, die an der Erarbeitung dieses
schwierigen Berichts beteiligt waren. Schwierig deshalb, weil wir uns ja in einer Phase der
Entscheidungsfindung in der Ukraine selber zu Wort melden wollten, ohne dabei
bevormunden oder unzulässige Ratschläge geben zu wollen.

Wir haben uns bemüht, wie ja auch in den Diskussionen im Ausschuss ständig zum Ausdruck
kam, die Erfahrung der Institution Europarat im Umgang mit solchen Dingen einzubringen
und weiterzugeben. Wir können jetzt nur hoffen, dass in der Ukraine selbst die beteiligten
Institutionen, inklusive beispielsweise das Oberste Gericht, daraus die richtigen Schlüsse
ziehen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91 – Drucksache 16/7706

Wir stehen weiterhin beratend zur Verfügung, das zeigt das Engagement der Leute im
Ausschuss aber auch hier im Plenum, und deshalb noch einmal einen Dank an diejenigen, die
federführend tätig sind.

Funktionieren der demokratischen Institutionen in der Ukraine
Änderungsantrag 6

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU):

Entschuldigung, da war ein falscher Vermerk gemacht worden. Das Komitee ist dagegen.

Sudan und Darfur – Europas Verantwortung

Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):

Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen.
Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen hat vor wenigen Tagen folgendes
festgestellt:

Im ersten Quartal des Jahres wurden 250.000 neue Vertriebene gezählt. Jetzt sind auch weit
über 200.000 Vertriebene in den Tschad und in die Zentralafrikanische Republik vertrieben
und so mit Gewalt ihrer Heimat beraubt worden sind. Humanitäre Hilfsorganisationen wurden
behindert und angegriffen. Zeugen oder öffentliche Kritiker in der Hauptstadt des Sudans
werden eingeschüchtert, inhaftiert oder vertrieben. Dazu auch NGO-Mitglieder, Journalisten
und Betroffene, die nur ihre Rechte wahrnehmen wollen. Sie werden von der Regierung des
Sudans behindert und mit Gewalt bedroht.

Die Reiter-Horden, die im Darfur Dörfer überfallen, tun dies oft gemeinsam mit staatlichen
Militäreinheiten. Angeblich jagen sie Rebellen, doch in Wirklichkeit werden ganze Dörfer
ausgerottet, die Frauen vergewaltigt, die Kinder umgebracht. Dort werden brutalste
Gewalttaten verübt, die in keiner Weise zu rechtfertigen sind, und das geschieht nicht nur zu
Lande durch Reiterhorden, sondern mit militärischer Unterstützung aus der Luft.

So etwas können in der Tat keine einfachen Rebellen tun, sondern es ist nur mit
Unterstützung der sudanesischen Regierung möglich. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.
Und es ist auch die sudanesische Regierung, die immer wieder die notwendigen Maßnahmen
zum Schutz der Bevölkerung behindert und hinauszögert. Jetzt soll es angeblich eine Zusage
gegeben haben, die zweite Stufe der vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Maßnahmen
durchzuführen, d.h. etwa 3000 weitere Soldaten, Polizisten und zivile Kräfte zur
Unterstützung der Afrikanischen Union nach Darfur zu bringen. Doch auch da stellt die
sudanesische Regierung gleich wieder Bedingungen: Diese dürfen nur Afrikaner sein. Auch
weigert sich die Regierung weiterhin, die notwendigen UN-Kräfte, insgesamt 20.000 Mann,
in ihr Land zu lassen und zu unterstützen.

Das bedeutet, dass die Regierung in Khartum eine große Schuld auf sich lädt. Das sind die
Feststellungen der UN-Menschenrechtskommission vom März dieses Jahres. Das, was an
Versuchen, die Bevölkerung zu schützen, bisher dort geleistet worden ist, hat völlig versagt,
war vollkommen unzureichend und hat nicht dazu geführt, dass das Morden, Vergewaltigen
und Vertreiben aufhörte. Deshalb stellt auch der UN-Menschenrechtsrat fest: Das, was bisher
getan wurde, ist inadäquat und unwirksam.

Drucksache 16/7706 – 92 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Daher diskutieren wir hier heute über dieses Thema. Unsere Staaten sind nicht nur Mitglieder
im Europarat, sondern auch bei den Vereinten Nationen, und auch unsere Regierungen sind
dafür verantwortlich, was in den Vereinten Nationen beschlossen wird. Es gibt sehr wohl
Regierungen, die dort eine sehr zweideutige Haltung haben. Im Sicherheitsrat haben Russland
und China sich der Stimme enthalten, als es um Hilfe ging; das war das, was noch gerade
erreicht werden konnte.

Wir wissen alle, dass nicht nur Waffenlieferungen aus europäischen Ländern dort
hingeschickt werden. Hier gibt es auch ganz konkrete wirtschaftliche Interessen: Es gibt Öl
im Sudan, es gibt Geschäftemacherei mit Mitgliedern dieser kriminellen Regierung, es wird
daran verdient, dass diese Menschen dort weitermachen dürfen. Und das wird von unseren
Regierungen zum Teil unterstützt.

Deshalb ist das Thema hier richtig, deshalb müssen wir hier unseren Regierungen die Fragen
stellen, die uns der UN-Menschenrechtsrat auferlegt hat. Wir haben festzustellen, welche
Firmen es sind, die aus unseren Ländern kommen, aus Frankreich, Deutschland, aus
Großbritannien, Russland, der Ukraine, die im Sudan Geschäft machen und davon profitieren,
dass diese Regierung mit ihnen paktiert. Wir müssen diese Menschen, die sich hier schuldig
machen, vor Gericht stellen.

Das muss durchgesetzt werden, und zwar nicht durch Appelle, sondern da muss erfüllt
werden, was von der UN beschlossen worden ist. Wenn es sich um internationale Konflikte
dieses Ausmaßes handelt, muss das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen greifen. Und das
haben wir zu unterstützen.

Deshalb bitte ich Sie und fordere Sie dringlich auf, bei Ihren Regierungen zu fragen,
inwieweit jedes einzelne Mitgliedsland hier Schuld auf sich lädt, dadurch, dass es dies
toleriert bzw. weitermacht. Das ist unsere Aufgabe. Ich bin dankbar, dass wir dieses Thema
weiter behandeln wollen, und dass wir versuchen wollen, eine eigene Position des
Europarates zu erarbeiten. Ich unterstütze die Initiative von Herrn Marty sehr, und ich hoffe,
dass wir den nötigen Druck machen können, um diesen Menschen zu helfen, die völlig allein
gelassen sind, die keiner beobachtet, und die wir nicht allein lassen dürfen, wenn wir unsere
Arbeit ernst nehmen wollen.

Ich danke Ihnen.

Stellungnahme zum Entwurf eines Memorandums über die Vereinbarungen zwischen
dem Europarat und der Europäischen Union

Abg. Detlef Dzembritzki (SPD):

Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich hatte eben das Vergnügen, eine Gruppe von 30 Bürgerinnen und Bürgern aus meinem
Wahlkreis hier in Straßburg begrüßen zu können. Sie waren bei unserer Diskussion zu Israel
und Palästina anwesend, und haben anschließend mit mir über die Institution des Europarates
sowie über seine Arbeit diskutiert.

Ich habe bei dieser Gelegenheit das, was meine Vorredner bereits erwähnt haben, noch einmal
unterstrichen; und zwar, dass der Europarat der Hüter der Menschenrechte, ein Gralshüter der
Demokratie und der parlamentarischen Arbeit ist.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93 – Drucksache 16/7706

Ich habe mit Stolz und Freude aufgezeigt, dass die Institution des Europarates sowohl das
Komitee des Ministerrates als auch die Parlamentarische Versammlung ist, und dass wir
allgemein gut zusammenarbeiten.

Allerdings muss ich dies teilweise revidieren, denn gerade in diesem Punkt – obwohl ich weiß
dass hierbei vom Ministerrat sehr viel Arbeit investiert wurde – liegt doch offensichtlich eine
Kommunikationslücke vor: Ministerrat und Parlamentarische Versammlung sind nicht so
zusammengekommen, dass unsere Interessen als Parlamentarier erkennbar werden.

Wir haben heute bei der Diskussion zur Ukraine sowie zur Situation und zu den Problemen im
Nahen Osten erlebt, dass unsere Stärke nur moralischer Natur ist. Wir haben keine
operationalisierenden Instrumente zur Verfügung und wenn wir unsere moralische Kraft
schwächen lassen, unser Selbstbewusstsein nicht deutlich machen, dann schwächen wir die
Möglichkeiten, die wir haben.

Daher denke ich, dass das, was der Kollege Ates vorgeschlagen hat, berücksichtigt werden
muss, weil wir nicht den Eindruck entstehen lassen dürfen, dass wir von der Gnade der
Europäischen Union abhängen, sondern wir müssen – und dies ist auch im Interesse der EU-
Länder – unseren Anspruch als eigenständige Institution deutlich machen.

Deshalb müssen wir unsererseits wiederum die Kraft, die wir als Parlamentarier der
nationalen Parlamente haben, hier mit einbringen. In diesem Falle müssen wir eben auch den
Ministerrat um Verständnis bitten, dass unsere Interessen dort stärker zur Geltung gebracht
werden müssen, um die Chance zu bekommen, den Einfluss, den wir wahrnehmen wollen,
auch tatsächlich einzubringen, und weder als Anhängsel von der EU noch vom Ministerrat
betrachtet zu werden, sondern hier als gleichwertige Partner agieren und unsere Interessen für
Menschenrechte und Demokratie wahrnehmen können.

In diesem Sinne hoffe ich, Herr Kollege Ates, dass Ihrem Anliegen entsprochen wird.

Vielen Dank.

Stellungnahme zum Entwurf eines Memorandums über die Vereinbarungen zwischen
dem Europarat und der Europäischen Union

Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vor etwa einem Jahr haben wir hier bereits diskutiert: Wir haben Herrn Juncker gehört und
uns Hoffnungen gemacht, dass die EU unsere Werte für sich entdeckt. Wir haben gehofft,
dass die EU das entdeckt, was ihr – auch bei den Menschen Europas – noch fehlte, nämlich all
die anderen Werte die neben dem Euro noch Gültigkeit besitzen – und das ist eine ganze
Menge. Dass sie Vertrauen bei den Menschen gewinnt indem sie unsere Erfahrungen
aufarbeitet und nutzt.

Wir wollen dafür sorgen, dass alle Menschen in Europa mitreden und mit entscheiden dürfen,
wie Europa aussehen soll. Wie man das macht, haben wir mühsam erarbeitet. Wenn
jemandem Unrecht geschieht, dann soll er natürlich zu seinem Recht kommen, und jedes
Mitgliedsland muss dies sicherstellen. Das pflegen wir, und dies schafft in Europa ein
Zuhause auf welches die Menschen vertrauen können.

Drucksache 16/7706 – 94 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Diese von uns gepflegten Werte sind unteralimentiert. Zwar lässt man uns arbeiten, aber die
Regierungen nehmen uns so gut wie nicht ernst. Die Tatsache ob jemand in dieser Welt ernst
genommen wird oder nicht drückt sich häufig in Budgets aus. Wenn man unser Budget, sowie
das des Menschenrechtskommissars, der eine so wichtige Arbeit leistet, oder des
Menschenrechtsgerichtshofes sieht, oder auch die sonstigen Mittel, die uns zur Verfügung
stehen, dann ist es geradezu lächerlich im Vergleich zu dem, was in der EU an finanziellen
Mitteln verschwendet wird.

Deshalb können wir das, was wir gerade erleben meiner Meinung nach nicht hinnehmen. Wir
können es nicht hinnehmen, dass die Regierungen uns überdeutlich zeigen, dass andere Dinge
so viel wichtiger sind als unsere Arbeit für die Menschenrechte.

Denn dies stimmt nicht, und wir sind die Vertreter der Bevölkerung Europas. Wir müssen
aufpassen, dass so etwas nicht geschieht. Ich kann die Botschaften der Regierungen auch in
gewisser Weise verstehen: „Seht zu, dass ihr da mal keine Konflikte entstehen lasst, sondern
einen Kompromiss findet!“ Diese Kompromisse werden selbstverständlich in den Mühlen der
EU zerrieben, die ihrerseits am liebsten alles selber machen möchte und meint, man könne
sich Menschenrechte kaufen – zumindest scheint es manchmal so.

Es ist so viel Geld für ein kleines Institut ausgegeben worden, welches das nachholen soll was
wir hier bereits viel besser und umfangreicher vorgearbeitet haben. Ich glaube wir sollten sehr
selbstbewusst mit diesem Prozess umgehen.

Ich freue mich, dass sich die Parteien in diesem Hause einig sind und sagen: Nein! Wir lassen
uns weder korrumpieren noch so einfach abspeisen. Wir sind selbstbewusst. Wir stehen für
die Menschenrechte!

Das heißt natürlich für unser Haus auch, dass wir nicht dann gut sind, wenn wir uns gut mit
der EU verstehen – denn das ist nicht der Qualitätsmaßstab für unser Haus, sondern dieser
kommt aus der Sache, aus den vielen Projekten die wir bearbeiten und unserer entwickelten
Sensibilität für Menschenrechte, sowie aus der Kraft und Hartnäckigkeit mit der wir für die
Menschenrechte kämpfen.

Bei Menschenrechten haben wir immer wieder „Zero Tolerance“ angesagt – dies gilt nicht nur
für einzelne Menschenrechte, sondern für die Sache an sich. Pflege und Entwicklung der
Menschenrechte dürfen nicht weniger, oder durch Kompromisse abgeschwächt werden.

Wir müssen sie im Gegenteil noch mehr einfordern, und wenn wir sehen was in Europa, z.B.
in den Gefängnissen und Anstalten los ist, was mit Menschen geschieht, und was im Bereich
der Medien monopolisiert wird – all das was hier noch zu tun ist – dann brauchen wir noch
mehr Kraft und Unterstützung.

Diesen Weg sollten wir selbstbewusst weitergehen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95 – Drucksache 16/7706

3. Mitgliedsländer und Funktionsträger

Mitgliedsländer der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (46)

Länder mit Sondergaststatus
– zur Mitwirkung in der Parlamentarischen Versammlung ohne Stimmrecht berechtigt

Der Sondergaststatus von Belarus wurde am 13. Januar 1997 ausgesetzt.

Beobachter (3): Israel, Kanada, Mexiko

Albanien

Andorra

Armenien

Aserbaidschan

Belgien

Bosnien und Herzegowina

Bulgarien

Dänemark

Deutschland

Estland

Finnland

Frankreich

Georgien

Griechenland

Irland

Island

Italien

Kroatien

Lettland

Liechtenstein

Litauen

Luxemburg

„ehem. jugoslawische Republik Mazedonien“

Malta

Moldau

Monaco

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Portugal

Rumänien

Russland

San Marino

Schweden

Schweiz

Serbien

Slowakische Republik

Slowenien

Spanien

Tschechische Republik

Türkei

Ukraine

Ungarn

Vereinigtes Königreich

Zypern

Drucksache 16/7706 – 96 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Funktionsträger der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

Präsident René van der Linden (Niederlande – EPP/CD)
Vizepräsidenten 20, darunter Joachim Hörster (Bundesrepublik Deutschland – CDU/CSU / EPP/CD)
Generalsekretär Mateo Sorinas (Spanien)

Politischer Ausschuss
Vorsitzender Abdülkadir Ateş (Türkei – SOC)

Stv. Vorsitzende Konstantin Kosachev (Russland – EDG)

Zsolt Németh (Ungarn – EPP/CD)

Giorgi Bokeria (Georgien – ALDE)

Ausschuss für Recht und Menschenrechte
Vorsitzender Dick Marty (Schweiz – ALDE)

Stv. Vorsitzende Erik Jurgens (Niederlande – SOC)

György Frunda (Rumänien – EPP/CD)

Herta Däubler-Gmelin (Deutschland – SOC)

Ausschuss für Wirtschaft und Entwicklung
Vorsitzender Konstantinos Vrettos (Griechenland – SOC)

Stv. Vorsitzende Antigoni Pericleous Papadopoulos (Zypern – ALDE)

Márton Braun (Ungarn – EPP/CD)

Doris Barnett (Deutschland – SOC)

Ausschuss für Sozialordnung, Gesundheit und Familie
Vorsitzender Lajla Pernaska (Albanien – EPP/CD)

Stv. Vorsitzende Christine McCafferty (Vereinigtes Königreich – SOC)

Cezar Florin Preda (Rumänien – EPP/CD)

Michael Hancock (Vereinigtes Königreich – ALDE)

Ausschuss für Kultur, Wissenschaft und Bildung
Vorsitzender Jacques Legendre (Frankreich – EPP/CD)

Stv. Vorsitzende Baroness Gloria Hooper (Vereinigtes Königreich – EDG)

Dr. Wolfgang Wodarg (Deutschland – SOC)

Anne Brasseur (Luxemburg – ALDE)

Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und kommunale und regionale Angelegenheiten
Vorsitzender Walter Schmied (Schweiz – ALDE)

Stv. Vorsitzende Alan Meale (Vereinigtes Königreich – SOC)

Elsa Papadimitriou (Griechenland – EPP/CD)
Pasquale Nessa (Italien – EPP/CD)

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97 – Drucksache 16/7706

Ausschuss für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
Vorsitzender Mevlüt Çavuşoğlu (Türkei – EDG)

Stv. Vorsitzende Jean-Guy Branger (Frankreich – EPP/CD)

Doug Henderson (Vereinigtes Königreich – SOC)

Ibrahim Özal (Türkei – EPP/CD)

Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitäten
Vorsitzender Andreas Gross (Schweiz – SOC)

Stv. Vorsitzende Andrea Manzella (Italien – SOC)

Maria Postoico (Moldau – UEL)

Erol Aslan Cebeci (Türkei – EPP/CD)

Ausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern
Vorsitzende Gülsün Bilgehan (Türkei – SOC)

Stv. Vorsitzende Anna Čurdová (Tschechische Republik – SOC)

Svetlana Smirnova (Russland – EDG)

José Mendes Bota (Portugal – EPP/CD)

Ausschuss für die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und
Verpflichtungen (Monitoring-Ausschuss)
Vorsitzender Eduard Lintner (Deutschland – EPP/CD)

Stv. Vorsitzende Hanne Severinsen (Dänemark – ALDE)

Meritxell Batet Lamana (Spanien – SOC)

Tigran Torosyan (Armenien – EDG)

SOC Sozialistische Gruppe
EPP/CD Gruppe der Europäischen Volkspartei
EDG Gruppe der Europäischen Demokraten
ALDE Gruppe der Liberalen, Demokraten und Reformer
UEL Gruppe der Vereinigten Europäischen Linken

Inhaltsverzeichnis
I. Deutsche Teilnehmer
II. Zusammenfassung
III. Schwerpunkte der Beratungen
IV. Anhang

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