BT-Drucksache 16/7632

Positionierung der Bundesregierung zum Truppenübungsplatz in Ohrdruf

Vom 19. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7632
16. Wahlperiode 19. 12. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Wolfgang Gehrcke, Bodo Ramelow,
Dr. Lukrezia Jochimsen, Frank Spieth, Kersten Naumann, Dr. Gregor Gysi,
Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Positionierung der Bundesregierung zum Truppenübungsplatz in Ohrdruf

Der Truppenübungsplatz in Ohrdruf ist einer der größeren Truppenübungsplätze
der Bundeswehr und der einzige im Bundesland Thüringen. Er blickt auf eine
lange, wechselvolle und teils sehr leidvolle Geschichte zurück. Geschaffen im
Kaiserreich wurde er im 1. Weltkrieg ein Lager für Kriegsgefangene, in dem
einige Tausend Soldatinnen und Soldaten den Tod fanden. In der Zeit des
Nationalsozialismus wurde der Übungsplatz ausgebaut. Häftlinge aus dem Kon-
zentrationslager Buchenwald mussten auf dem Gelände des Truppenübungs-
platzes ein Außenlager des KZs errichten. Dort und im nahe gelegenen Jonastal
wurden sie unter anderem gezwungen, tiefe Stollen in die Hügel zu graben. Über
den genauen Hintergrund dieser unmenschlichen Zwangseinsätze gibt es bis
heute unterschiedliche Vermutungen. Einzelne Quellen gehen davon aus, dass
hier ein letzter Rückzugsort für Adolf Hitler und seine engsten Vertrauten ge-
schaffen werden sollten; andere legen dar, dass dort Vernichtungswaffen getestet
werden sollten (siehe: www.jonastal.de).

Die genaue Anzahl von Häftlingen, die hier zum Arbeitseinsatz gezwungen wur-
den ist ebenfalls nicht genau bekannt, da es nur sehr fragmentarische Aufzeich-
nungen über die wirkliche Anzahl gibt. Diese Angaben schwanken zwischen
24 695 und ca. 40 000 Menschen. Mindestens 1 000 Häftlinge sind allein auf
dem Gelände des heutigen Truppenübungsplatzes in Ohrdruf zu Tode gekom-
men. Heute erinnern mehrere Gedenkstätten auf dem Truppenübungsplatz an
diese Geschichte. Der Truppenübungsplatz ist grundsätzlich für die Öffentlich-
keit geschlossen. Auf Anmeldung können die Gedenkstätten aber von der Be-
völkerung besucht werden.

Nach 1945 wurde der Platz kurzzeitig von den US-Amerikanern besetzt. An-
schließend nahm die Rote Armee den Übungsplatz in Besitz. Nach ihrem Abzug
war das Areal von Abfällen aller Art verseucht. Seit 1993 übt die Bundeswehr
dort. Bei der Übernahme des Platzes gab es in der Bevölkerung massive Pro-
teste, die nicht zuletzt aufgrund der Geschichte des Platzes forderten, dass das
Gelände in zivile Nutzung überführt wird.
Wie die Bundesregierung in Beantwortung der schriftlichen Einzelfrage der Ab-
geordneten Cornelia Hirsch im Oktober 2007 mitteilte, ist die weitere militäri-
sche Nutzung dieses Truppenübungsplatzes im aktuellen Nutzungskonzept der
Bundeswehr für Truppenübungsplätze festgeschrieben. Aufgrund seiner „Be-
schaffenheit und Geländestruktur“ sei er „gut für die Ausbildung in allen
Gefechtsarten, in asymmetrischen Szenarien und vor allem für Führungsunter-
stützungs- und Logistiktruppenteile aller militärischen Organisationsbereiche

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geeignet“. Angesichts dieser Beschreibung muss davon ausgegangen werden,
dass neben der allgemeinen Vorbereitung von Soldatinnen und Soldaten auf
Auslandseinsätze auch die Kommando Spezialkräfte (KSK) in Ohrdruf trainiert
wird. Darüber hinaus gibt es Hinweise aus der Bevölkerung, dass auf dem Platz
die so genannten Drohnen getestet werden. Bei den Drohnen handelt es sich um
unbemannte Flugzeuge, mit denen man sich im Bundesministerium der Ver-
teidigung erhofft, dass damit Übersichtsbilder mit deutlich höherer Qualität als
beispielsweise in den derzeitigen Tornado-Einsätzen in Afghanistan aufgenom-
men werden können.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Wie viele Soldatinnen und Soldaten werden jedes Jahr in Ohrdruf ausge-
bildet?

b) Wie lange dauert ihre Ausbildung durchschnittlich?

c) Wie haben sich Anzahl und Dauer der Ausbildung seit Übernahme des
Platzes 1993 durch die Bundeswehr entwickelt?

2. a) Welche Ausbildungsinhalte werden auf dem Truppenübungsplatz in
Ohrdruf insbesondere vermittelt?

b) Was versteht die Bundesregierung unter der Ausbildung in „asymmetri-
schen Szenarien“?

c) Für welche Art von militärischen Tätigkeiten bilden die Trainings auf dem
Truppenübungsplatz in Ohrdruf insbesondere aus?

d) Dient die Ausbildung in Ohrdruf auch als Vorbereitung auf Auslands-
einsätze der Bundeswehr (bitte mit Begründung)?

3. a) Kann die Bundesregierung definitiv ausschließen, dass der Truppen-
übungsplatz in Ohrdruf auch zur Ausbildung und zum Training der Kom-
mando Spezialkräfte (KSK) verwendet wird?

Falls nein, in welcher Form und wie oft werden die KSK dort trainiert?

b) Welche Aufgaben erfüllt KSK im Rahmen der Tätigkeiten der Bundes-
wehr?

4. a) Seit wann und in welcher Form werden auf dem Truppenübungsplatz
Ohrdruf Drohnen getestet?

b) Wozu sollen Drohnen – sofern die Testverfahren erfolgreich sind – ver-
wendet werden?

5. a) Werden bzw. wurden auf dem Truppenübungsplatz in Ohrdruf noch für
weitere, bisher nicht offiziell eingeführte Waffensysteme, Testverfahren
durchgeführt?

Wenn ja, in welchem Zeitraum, für welche Waffensysteme und mit wel-
chem Ergebnis?

Falls nein, kann die Bundesregierung das definitiv ausschließen?

6. a) Wie viele Personen sind aktuell beim Truppenübungsplatz Ohrdruf in
Vollzeit beschäftigt?

b) Welche Tätigkeiten üben sie aus?

c) Wie hat sich die Zahl der in Vollzeit Beschäftigten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter seit 1993 verändert?

7. Hält die Bundesregierung die Aufklärung der Soldatinnen und Soldaten, die

in Ohrdruf trainiert werden, über die Geschichte des Platzes für ausreichend
(bitte mit Begründung)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7632

8. a) Hält die Bundesregierung die militärische Nutzung des Geländes in
Ohrdruf angesichts seiner Geschichte für angemessen (bitte mit Begrün-
dung)?

b) Sieht die Bundesregierung das Gedenken der Opfer des Nationalsozialis-
mus und der getöteten Soldatinnen und Soldaten des 1. Weltkrieges
in Bezug auf den Truppenübungsplatz in Ohrdruf ausreichend gewahrt
(bitte mit Begründung)?

9. a) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, ob und, wenn ja,
welche Unterlagen und Materialien nach 1945 durch die Amerikaner in
Ohrdruf sichergestellt wurden?

b) Wie erklärt sich die Bundesregierung nach dem Zweiten Weltkrieg das
große Interesse der Alliierten an dem Gelände in Ohrdruf, dass sich unter
anderem daran zeigt, dass hochrangige Vertreterinnen und Vertreter so-
fort nach Kriegsende den Ort besucht haben?

10. a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Hintergründe der
Nutzung des Geländes des heutigen Truppenübungsplatzes in Ohrdruf
durch die Nationalsozialisten?

b) In welcher Form leistet die Bundesregierung einen Beitrag bzw. wird
einen Beitrag leisten, die Hintergründe der Nutzung des Geländes durch
die Nationalsozialisten weiter aufzuklären?

11. a) Wurden angesichts der Proteste Anfang der 90er Jahre in der Bevölke-
rung gegen eine militärische Nutzung des Platzes in der Bundesregierung
auch alternative Nutzungsmöglichkeiten erörtert?

Falls ja, welche, und aus welchem Grund wurden sie schließlich verwor-
fen?

b) Ist in der Bundesregierung im Rahmen der Erstellung des aktuellen Nut-
zungskonzeptes für Truppenübungsplätze in Deutschland über alternati-
ve Nutzungsmöglichkeiten des Truppenübungsplatzes Ohrdruf diskutiert
worden?

Falls ja, über welche?

Falls nein, warum nicht?

Berlin, den 14. Dezember 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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