BT-Drucksache 16/763

Der Bundesbeauftragte für Menschenrechte und Aufklärung über Folter

Vom 23. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/763
16. Wahlperiode 23. 02. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic, Jan Korte,
Kersten Naumann und der Fraktion DIE LINKE.

Der Bundesbeauftragte für Menschenrechte und Aufklärung über Folter

Im Dezember 2005 überraschte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregie-
rung Tom Koenigs die Öffentlichkeit, mit Äußerungen in einem Interview mit
„SPIEGEL ONLINE“. Auf die Frage nach den rechtlichen Fragen und
moralischen Problemen mit Verhören deutscher Sicherheitsbeamter in berüchtig-
ten Foltergefängnissen antwortete Tom Koenigs: „Niemand beschuldigt die deut-
schen Beamten, die etwa Herrn Z. in Syrien vernommen haben, dass sie sich an
Folter beteiligt haben. Die Diskussion dreht sich darum, ob man Informationen
aus zweifelhaften Quellen verwenden darf. Wenn man solche Kenntnisse verbie-
ten würde, wäre das natürlich der weitestgehende Schutz. Zugleich würden wir
uns aber von vielleicht entscheidenden Informationen abschneiden, wenn es dar-
um geht, Leben und Gesundheit von Menschen zu retten. Die Informationsge-
winnung bewegt sich aber nicht immer nur im Rahmen der Rechtspflege. Die
Aufgabe von Geheimdiensten ist es ja, aus allen möglichen Quellen Informa-
tionen zu erhalten. Und das müssen sie auch.“ (SPIEGEL ONLINE, 19. Dezem-
ber 2005).

Die Vorgängerin von Tom Koenigs im Amt des Menschenrechtsbeauftragten der
Bundesregierung, Claudia Roth, behauptet in einem Interview mit der „Süddeut-
sche Zeitung“, dass sie nicht während ihrer Amtszeit, sondern erst jetzt davon
erfahren habe, dass deutsche Sicherheitsbeamte Gefangene in Guantanamo Bay
und in syrischen Folter-Gefängnissen verhört hatten. Auch über den „Fall
Masri“ will sie erst nach ihrer Amtszeit erfahren haben (Süddeutsche Zeitung,
19. Dezember 2005).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit haben die Beauftragten für Menschenrechte der Bundesregierung
seit Bekanntwerden von Geheimgefängnissen, Verschleppungen, Folter und
der Nutzung von Guantanamo Bay diese Entwicklungen beobachtet und wel-
che Erkenntnisse wurden dabei weitergegeben?

Inwieweit hat der Beauftragte für Menschenrechte bzw. dessen Vorgängerin
über Geheimgefängnisse, Verschleppungen, Folterungen u. a. in Guantanamo
Bay berichtet und den Fortgang der Entwicklungen verfolgt und welche

Erkenntnisse wurden dabei gewonnen?

2. Wie sehen die Aufgaben des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregie-
rung aus, vor dem Hintergrund der bekannt gewordenen fortgesetzten
Menschenrechtsverletzungen an den Gefangenen Khaled el-Masri, M. K. und
M. H. Z., illegaler CIA- Überflüge mit Gefangenen des Gefangenenlagers
Guantanamo Bay oder der Zusammenarbeit deutscher Dienste mit Diensten
anderer Staaten, die foltern?

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3. Welche Kenntnisse hatte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregie-
rung Tom Koenigs bzw. dessen Vorgängerin Claudia Roth über das Gefan-
genenlager Guantanamo Bay, die Haftbedingungen dort und die rechtliche
Stellung von Häftlingen, und was hat der Menschenrechtsbeauftragte oder
dessen Vorgängerin in dieser Sache unternommen?

4. Wann hat der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Kenntnis
davon erhalten, dass bundesdeutsche Sicherheitsbeamte Gefangene auf
Guantanamo Bay befragt hatten?

Welche Schritte hat er daraufhin unternommen?

5. Hatte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth,
Kenntnis von dem „Spiegel“-Artikel „Folter im Schwarzen Loch“ vom
14. April 2003, in dem berichtet wurde, dass bundesdeutsche Sicherheits-
beamte Gefangene auf Guantanamo Bay befragt hatten?

6. Hatte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth,
Kenntnis von dem ausführlichen „Spiegel“-Artikel „Reif für die Insel“ vom
24. November 2003, in dem berichtet wurde, dass Gefangene auf Guanta-
namo Bay von bundesdeutschen Sicherheitsbeamten befragt worden sind?

7. Welche konkreten operativen Vorschläge wurden der Bundesregierung bzw.
dem Bundesaußenminister von Seiten des Menschenrechtsbeauftragten der
Bundesregierung oder dessen Vorgängerin in Bezug auf die Menschen-
rechtssituation in Guantanamo Bay unterbreitet und der Tatsache, dass er in
Guantanamo Bay von bundesdeutschen Sicherheitsbeamten befragt wurde?

8. Was haben die Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung seit 2002
konkret unternommen, um Aufklärung über die Verschleppung und Gefan-
gennahme des in Bremen lebenden M. K. zu erhalten, mit ihm in Kontakt zu
treten und/oder ihm rechtlichen Beistand zu verschaffen?

9. Was haben die Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung seit 2004
konkret unternommen, um Aufklärung über die Verschleppung und Gefan-
gennahme von Khaled el-Masri zu erhalten, mit ihm in Kontakt zu treten
und ihm rechtlichen Beistand zu sichern?

10. Welche Ergebnisse konnten die Menschenrechtsbeauftragten der Bundesre-
gierung, Claudia Roth und Tom Koenigs, bei ihren Aktivitäten erzielen?

11. Welche Kenntnis hatten die Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregie-
rung über die Verschleppung und anschließende Inhaftierung von M. H. Z.,
und wann genau hatten sie erstmals über wen Kenntnis davon erhalten?

12. Was haben die Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung unter-
nommen, als sie im „Spiegel“-Artikel „Folter im schwarzen Loch“ vom
14. April 2003 gelesen hatten, dass bundesdeutsche Sicherheitsbeamte „in
geheimer Mission“ nach Damaskus gefahren sind, um Z. im Foltergefängnis
zu vernehmen?

13. Welche konkreten Schritte hatten die Menschenrechtsbeauftragten der Bun-
desregierung, Claudia Roth und Tom Koenigs, wann unternommen als sie
erfuhren, dass bundesdeutsche Sicherheitsbeamte Z. im berüchtigten
syrischen Foltergefängnis Far-Filastin, im Rahmen eines Ermittlungsver-
fahrens, vernahmen?

14. Was haben die Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Claudia
Roth und Tom Koenigs, konkret unternommen, um mit ihm in Kontakt zu
treten und/oder ihm rechtlichen Beistand zu verschaffen?

15. Was haben die Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung zur Auf-

klärung unternommen, als sie erfuhren, dass Beamte des Bundeskriminal-
amtes im Herbst 2002 Fragenkataloge für Verhöre von im Libanon Inhaf-

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tierten an den libanesischen Militärischen Nachrichtendienst über einen
Zeitraum von vier Wochen weitergegeben hatten, und zu welchen Ergebnis-
sen sind sie dabei gekommen?

16. Was haben die Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Claudia
Roth und Tom Koenigs, unternommen, um die geheimen CIA-Überflüge
mit Gefangenen über deutsche Flughäfen, bzw. durch deutschen Luftraum,
aufzuklären und welche operativen Vorschläge haben sie wann der Bundes-
regierung für die Beendigung derartiger Flüge unterbreitet?

17. Was haben die Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Claudia
Roth und Tom Koenigs, unternommen, als sie erfuhren, dass es zahlreiche
geheime Folter-Gefängnisse geben soll und welche Vorschläge haben sie
wann der Bundesregierung unterbreitet, um diese Vorgänge aufzuklären?

Berlin, den 21. Februar 2006

Petra Pau
Ulla Jelpke
Wolfgang Neskovic
Jan Korte
Kersten Naumann
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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