BT-Drucksache 16/7593

Antisemitisch motivierte Schändung von jüdischen Friedhöfen in den letzten fünf Jahren

Vom 13. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7593
16. Wahlperiode 13. 12. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Kersten Naumann, Dr. Hakki Keskin, Ulrich Maurer,
Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic, Jan Korte und der Fraktion DIE LINKE.

Antisemitisch motivierte Schändungen von jüdischen Friedhöfen
in den letzten fünf Jahren

In einer Antwort der Bundesregierung auf die schriftlichen Fragen 17 und 18 der
Abgeordneten Petra Pau auf Bundestagsdrucksache 16/7216 nach antisemitisch
motivierten Schändungen von Friedhöfen im Zeitraum von 2002 bis 2006 teilte
die Bundesregierung mit, dass ein gesondertes Kriterium „politisch motivierte
Friedhofsschändungen mit antisemitischem Hintergrund“ durch den Kriminal-
polizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität nicht vorgesehen
sei. „Vielmehr können solche Vorfälle unterschiedliche Strafbestandteile er-
füllen; je nach den Umständen des Einzelfalles kann es sich beispielsweise um
Störungen der Totenruhe sowie Sachbeschädigungen handeln“, erklärte die
Bundesregierung weiter.

Immerhin liegen der Bundesregierung aber „Unterlagen“ vor, so in der Antwort
weiter, aus denen sich ergäbe, dass in dem besagten Zeitraum „insgesamt
237 jüdische Friedhöfe geschändet“ worden seien.

Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei es der Bundesregierung
nicht möglich gewesen, Angaben darüber zu machen, in welchen Ländern
jüdische Friedhöfe geschändet worden waren und wie die Aufklärungsquote die-
ser Straftaten ist.

Der Historiker Adolf Diamant hat in seinem – im Jahr 2000 erschienenen – Buch
„Geschändete Jüdische Friedhöfe in Deutschland“ akribisch belegt, dass in
Deutschland seit 1945, also seit Ende der Shoah, über 1 000 Schändungen
jüdischer Friedhöfe verübt wurden. Adolf Diamant weist in seinem Buch nach,
dass die Anzahl der Schändungen der jüdischen Friedhöfe steigt: Während es
kurz nach Kriegsende jährlich 18 waren, stieg die Zahl in den Jahren von 1990
bis 2000 auf etwa 40 Schändungen pro Jahr.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welcher Überlegung heraus wurde das Erfassungskriterium der anti-
semitisch motivierten Schändungen jüdischer Friedhöfe für den Kriminal-
polizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität nicht vorgese-
hen?

2. Heißt dies, dass über den Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch moti-
vierte Kriminalität nie antisemitisch motivierte Schändungen von jüdischen
Friedhöfen als antisemitisch oder rechtsextrem motivierte Straftaten erfasst
worden sind?

Drucksache 16/7593 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. War der Bundesregierung bei der Entwicklung der Verfahrensregeln zur
Erhebung von Fallzahlen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität
– rechts – bekannt, dass in Deutschland seit 1945 weit über 1 000 jüdische
Friedhöfe geschändet worden sind?

4. War der Bundesregierung im Jahre 2004, bei der letzten Änderung der Ver-
fahrensregeln zur Erhebung von Fallzahlen im Bereich der politisch moti-
vierten Kriminalität – rechts –, das Buch von Adolf Diamant „Geschändete
Jüdische Friedhöfe in Deutschland“, erschienen im Jahr 2000, bekannt, und
wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Untersuchung von Adolf
Diamant?

5. In welchem Gremium wurde wann festgelegt, antisemitisch motivierte
Schändungen jüdischer Friedhöfe nicht durch den Kriminalpolizeilichen
Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität zu erfassen, und muss dies so
verstanden werden, dass die Schändungen jüdischer Friedhöfe weder in der
Statistik rechtsextrem motivierter Straftaten noch in der Statistik der anti-
semitisch motivierten Straftaten auftauchen, und welche Haltung hat die
Bundesregierung bzw. das zuständige Ministerium dazu eingenommen?

6. Worin sieht die Bundesregierung die Schwierigkeit, eine antisemitisch mo-
tivierte Schändung eines Friedhofs von einer ohne politischen Hintergrund
begangenen Störung der Totenruhe und Sachbeschädigung zu unterschei-
den?

7. Weshalb war es der Bundesregierung „in der Kürze der zur Verfügung
stehenden Zeit“ nicht gelungen, genauere Angaben über die Zahl der ge-
schändeten jüdischen Friedhöfe machen zu können?

8. Welche tatsächlichen Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Schän-
dungen jüdischer Friedhöfe seit 2002 in den Bundesländern (aufgeschlüs-
selt nach den Bundesländern und nach Jahren)?

9. Wie viele Straftäter dieser antisemitisch motivierten Friedhofsschändungen
konnten in diesem Zeitraum bundesweit ermittelt werden (bitte nach Län-
dern aufschlüsseln)?

10. Beabsichtigt die Bundesregierung, sich zukünftig dafür einzusetzen, dass
ein gesondertes Kriterium „politisch motivierte Friedhofsschändungen mit
antisemitischem Hintergrund“ beim Kriminalpolizeilichen Meldedienst
Politisch motivierte Kriminalität eingeführt wird, und wenn nein, warum
nicht?

11. Beabsichtigt die Bundesregierung die ihr vorliegenden Unterlagen über die
Schändung jüdischer Friedhöfe dem Deutschen Bundestag, beispielsweise
den Mitgliedern des Innenausschusses vorzulegen, und wenn ja, wann und
in welcher Form soll dies geschehen, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 12. Dezember 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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