BT-Drucksache 16/7422

Weitergabe von Daten eingetragener Lebenspartnerschaften und der Datenschutz

Vom 5. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7422
16. Wahlperiode 05. 12. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Kersten Naumann, Wolfgang Neskovic
und der Fraktion DIE LINKE.

Weitergabe von Daten eingetragener Lebenspartnerschaften und
der Datenschutz

Derzeit werden offenbar die Daten sämtlicher in der Bundesrepublik Deutsch-
land lebender Bürger, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft geschlossen
haben, abgefragt und zentral gespeichert.

Das Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifb) führt
eine Studie zum Themenbereich „Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaf-
ten“ durch. Nach Angaben des ifb ist dieses Forschungsvorhaben „von der
Bundesregierung gewünscht und vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag
gegeben“. In einem den Fragestellern vorliegenden Informationsschreiben des
Instituts, das an zwei Bürger gerichtet war, die eine eingetragene Partnerschaft
im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes führen, werden die Empfänger kurz
über den Hintergrund der Studie informiert, außerdem wird ein Telefonanruf
angekündigt. In dem Schreiben heißt es weiter: „In diesem Zusammenhang ver-
suchen wir nun, alle eingetragenen Lebenspartnerschaften zu kontaktieren und
für eine Teilnahme an unserer Untersuchung zu gewinnen.“

Um an die Anschriften zu kommen, habe man sich an die Meldebehörden ge-
wandt. Die Adressüberlassung sei bewilligt worden.

Rechtlich möglich ist eine solche Datenübermittlung auf Grundlage von § 18
des Melderechtsrahmengesetzes und entsprechender Bestimmungen der Län-
dermeldegesetze. Diese erlauben die Weitergabe etwa von Namen, Anschrift
und Familienstand an andere Behörden oder sonstige öffentliche Stellen, soweit
dies zur Erfüllung von „in der Zuständigkeit des Empfängers liegenden Auf-
gaben erforderlich ist.“

Nach Auffassung des wissenschaftlich-humanitären komitees (whk) ist die
Weitergabe von Daten zu eingetragenen Lebenspartnerschaften jedoch höchst
bedenklich. Das whk spricht von einer „Rosa Liste“ (http://www.whk.de/
start.htm). Da bei den Meldebehörden der Familienstand „Eingetragene
Lebenspartnerschaft“ gespeichert ist, könne die Datenweitergabe dazu führen,
dass eine bundesweite Datei über sämtliche eingetragenen Lebenspartner-
schaften errichtet werde. Eine derartige Erfassung, die zugleich eine Erfassung

der sexuellen Orientierung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger ist, wäre
auch aus Sicht der Fragesteller angesichts der rechtlichen und sozialen Diskri-
minierung, der Homosexuelle weiterhin ausgesetzt sind, ein besorgniserregen-
der und hochsensibler Vorgang. Ob ein Universitätsinstitut in der Lage ist, die
derart gewonnenen Daten sicher zu verwahren, erscheint jedenfalls fraglich.

Drucksache 16/7422 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Sorge der Fragesteller, dass die ge-
schilderten rechtlichen Bestimmungen mit ihrer Möglichkeit, die sexuelle
Orientierung von Bürgerinnen und Bürgern anhand des Familienstandes
„Eingetragene Lebenspartnerschaft“ zu identifizieren und bundesweite
Dateien darüber anzulegen, problematisch seien?

2. Welche von Bundesministerien oder -behörden erteilten Aufträge haben in
der Vergangenheit Anlass gegeben, den Familienstand „Eingetragene Le-
benspartnerschaften“ bei den Meldebehörden abzufragen?

3. Ist dem ifb vom Bundesministerium der Justiz explizit der Auftrag erteilt
worden, bei sämtlichen Meldebehörden bundesweit die eingetragenen
Lebenspartnerschaften abzufragen?

a) Wenn ja, welche Vorgaben zur Datensicherung sind dem ifb gemacht
worden, und welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, die Ein-
haltung dieser Vorgaben zu überprüfen?

b) Wenn nein, wie bewertet die Bundesregierung die vorgenommene Total-
erfassung?

4. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass das ifb die Erst-
anschreiben in Form einfacher Briefe versendet, angesichts der Gefahr, dass
Irrläufer dieser Sendungen, die versehentlich falsch zugestellt und von ande-
ren Personen geöffnet werden, beispielsweise Nachbarn unmittelbar Auf-
schluss über die sexuelle Orientierung der Angeschriebenen geben?

5. Hat das Institut sämtliche Meldebehörden in den Bundesländern angeschrie-
ben oder nur in einigen Bundesländern (bitte gegebenenfalls auflisten)?

6. Werden sämtliche von den Meldebehörden übermittelten Bürgerinnen und
Bürger mit Familienstand „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ angeschrie-
ben oder nur eine Auswahl hiervon (bitte gegebenenfalls die Kriterien ange-
ben)?

7. Aus welchen Quellen ermittelt das ifb die Telefonnummern der Angeschrie-
benen?

8. Sieht die Bundesregierung die Veranlassung, eine Überarbeitung des Lebens-
partnerschaftsgesetzes und/oder des Melderechtes vorzunehmen bzw. zu
initiieren und hierzu gegebenenfalls in Gespräche mit den Bundesländern zu
treten, und wenn ja, welche Intention verfolgt die Bundesregierung hierbei?

9. Beabsichtigt die Bundesregierung, Schritte einzuleiten, um die Übermittlung
des Familienstandes bei eingetragenen Lebenspartnerschaften künftig aus
Sicherheitsgründen von der Einverständniserklärung der Betroffenen ab-
hängig zu machen (bitte begründen und gegebenenfalls darlegen, welche
Schritte unternommen werden)?

Berlin, den 3. Dezember 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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