BT-Drucksache 16/7358

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/6000, 16/6002, 16/6423, 16/6424- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2008 (Haushaltsgesetz 2008) hier: Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Vom 28. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7358
16. Wahlperiode 28. 11. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Andreas Jung (Konstanz), Marie-Luise Dött, Dr. Christian Ruck,
Katherina Reiche (Potsdam), Michael Brand, Cajus Caesar, Dr. Maria Flachsbarth,
Josef Göppel, Jens Koeppen, Hartmut Koschyk, Katharina Landgraf, Ingbert
Liebing, Dr. Georg Nüßlein, Ulrich Petzold, Dr. Norbert Röttgen, Volker Kauder,
Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU

sowie der Abgeordneten Frank Schwabe, Marco Bülow, Dirk Becker, Petra
Bierwirth, Gerd Bollmann, Martin Burkert, Gabriele Groneberg, Ulrich Kelber,
Lothar Mark, Dr. Matthias Miersch, Marko Mühlstein, Detlef Müller (Chemnitz),
Thomas Oppermann, Christoph Pries, Heinz Schmitt (Landau), Olaf Scholz,
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/6000, 16/6002, 16/6423, 16/6424 –

Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans
für das Haushaltsjahr 2008 (Haushaltsgesetz 2008)

hier: Einzelplan 16
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Klimawandel schreitet voran und beschleunigt sich. Er ist die zentrale öko-
logische, wirtschaftliche, soziale und sicherheitspolitische Herausforderung des
21. Jahrhunderts. Aus der Überforderung der Anpassungsfähigkeit vieler Ge-
sellschaften könnten Gewalt und Destabilität erwachsen, die die nationale und
internationale Sicherheit in einem bisher unbekannten Ausmaß bedrohen.

Die Erforschung des Klimawandels beruht heute auf einer breiten Datengrund-
lage und einer geografisch breiteren Erfassung der Erde und hat zu einem viel

klareren Verständnis der aktuellen Klimaänderungen geführt. Sie beginnen be-
reits zur alltäglichen Erscheinung zu werden und erfordern schon jetzt Anpas-
sungsleistungen von Mensch und Natur.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse bestätigen, dass die Erwärmung seit Mitte
des 20. Jahrhunderts auf den vom Menschen verstärkten Treibhauseffekt zurück-
geht. Bisher hat sich die Erde in den letzten 100 Jahren um 0,74 Grad erwärmt.

Drucksache 16/7358 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre beträgt etwa 380 ppm (380
Teile pro eine Million Teile Luft). Um irreversible Klimaschäden zu verhindern,
darf die Konzentration 450 ppm nicht überschreiten und die globale Oberflächen-
temperatur nicht mehr als 2 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. Um
dieses Ziel zu erreichen, muss der Anstieg der Treibhausgasemissionen in den
nächsten Jahren gestoppt und global bis 2050 um mindestens 50 Prozent gegen-
über 1990 gesenkt werden. Den Industrieländern kommt hier eine besondere Be-
deutung zu, sie müssen ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Um glaubwürdig
zu sein, müssen die Europäische Union ihre vereinbarten Emissionsreduktions-
ziele und Deutschland die im Rahmen des „burden-sharings“ übernommenen
Verpflichtungen erreichen und auch künftig eine Vorreiterrolle übernehmen. Be-
reits heute stehen Technologien zur Verfügung, die es ermöglichen, den Treib-
hausgasausstoß deutlich zu reduzieren, wie beispielsweise die erneuerbaren
Energien sowie Techniken zur effizienteren Energieerzeugung und -verwendung.
Durch Forschung und Entwicklung können diese weiterentwickelt und in ihrer
Kosteneffizienz verbessert sowie neue Klimaschutztechnologien hervorgebracht
werden. Hierzu sind Anreize für Investitionen, Kostenminderungen sowie wei-
tere Entwicklungen und Anwendungen einer breiten Palette CO2-armer Techno-
logien zu setzen. Der Einsatz von klimafreundlichen Technologien ist weltweit
voranzutreiben.

Das Kyoto-Protokoll bildet den ersten Schritt für die Umsetzung einer frühzei-
tig eingeleiteten Langzeitstrategie mit kalkulierbaren und anspruchsvollen Ziel-
vorgaben. 1997 konnte man sich auf eine Senkung der Treibhausgasemissionen
um 5 Prozent gegenüber 1990 einigen. Die Ziele des Kyoto-Nachfolgeab-
kommens müssen viel ambitionierter sein. Der Kampf gegen den Klimawandel
und die Anpassung an nicht zu verhindernde Veränderungen wie Überflutungen
setzen umgehend neue und global verbindliche internationale Vereinbarungen
voraus.

Das Jahr 2007 hat viel Bewegung in die Debatte über den Klimawandel ge-
bracht. Es wurden national und international eine Reihe von Beschlüssen und
Entscheidungen getroffen, die der globalen Klimaschutzpolitik neuen Schub
gegeben haben. Dazu hat das konsequente Engagement der Bundesregierung
den Boden bereitet, die den Klimaschutz sowohl im Rahmen des G8-Vorsitzes
als auch der EU-Ratspräsidentschaft ganz oben auf die Agenda gesetzt hat. Die
deutsche Doppelpräsidentschaft wurde effektiv genutzt, um der internationalen
Klimapolitik neue Dynamik zu verleihen und dabei zwei zentrale Ziele zu ver-
folgen: das Einleiten der Energiewende und die Weiterentwicklung des Kyoto-
Protokolls.

Die Weichen für eine integrierte klima- und energiepolitische Strategie der Eu-
ropäischen Union haben die Staats- und Regierungschefs auf dem Frühjahrs-
gipfel gestellt. Die EU hat auf die Herausforderungen des sich beschleunigen-
den Klimawandels reagiert und sich ambitionierte Klimaziele gesetzt. Der
Deutsche Bundestag begrüßt die während der deutschen Ratspräsidentschaft
getroffene Vereinbarung der EU, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um
30 Prozent zu senken, sofern sich andere Industriestaaten zu vergleichbaren
Emissionsreduzierungen und die wirtschaftlich weiter fortgeschrittenen Ent-
wicklungsländer zu einem ihren Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkei-
ten angemessenen Beitrag verpflichten.

Auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm haben die Staats- und Regierungschefs
der führenden Industrienationen die Vereinten Nationen eindeutig als das zen-
trale Forum für ein Folgeabkommen zum Kyoto-Protokoll anerkannt. Sie haben
zugleich den Fahrplan für das weitere Vorgehen verabschiedet: Ende 2009 sol-
len die Verhandlungen über ein neues Klimaschutzabkommen abgeschlossen

sein. Dort wurde auch der Grundstein für das langfristige Ziel gelegt, die glo-
balen Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens die Hälfte zu senken.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7358

Auch die USA haben erstmals zugestimmt, dieses Ziel ernsthaft in Betracht zu
ziehen und auf Bali eine aktive Rolle einzunehmen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt insbesondere das Bekenntnis der G8-Staaten
zum UN-Prozess und sieht als Voraussetzung für einen Erfolg, dass die G8-
Partner ihre Verpflichtungen ernst nehmen und bereit sind, die Vereinbarungen
des Gipfels in klare Ziele und Zeitpläne umzusetzen und nicht zuletzt auch wei-
tere Partner für weitere Klimaschutzanstrengungen zu gewinnen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● Impulsgeber für den Klimaschutz zu sein und die Umsetzung der Verpflich-
tungen des Kyoto-Protokolls weiter voranzutreiben und alle politischen und
diplomatischen Möglichkeiten zu nutzen, um die Umsetzung der Verpflich-
tungen des Kyoto-Protokolls zu erreichen;

● die teilnehmenden Staaten der Vertragsstaatenkonferenz mindestens auf einen
Fahrplan zu verpflichten, bis 2009 eine gemeinsame Vereinbarung unter dem
Dach der Vereinten Nationen zur globalen Klimaschutzpolitik nach 2012 zu
erarbeiten. In ihm sollen die wesentlichen Verhandlungsinhalte beschrieben
und ein Verhandlungszeitplan festgelegt werden. Versuche, ein Gegenmodell
zum Kyoto-Prozess aufzubauen und es den Einzelstaaten zu überlassen, wie
sie den Klimawandel angehen werden, sind abzulehnen;

● sich auf der Vertragsstaatenkonferenz auf Bali und in zukünftigen Verhand-
lungen über eine Fortsetzung der globalen Klimaschutzpolitik nach 2012 da-
für einzusetzen, dass die Industrieländer ihrer Verantwortung für den Klima-
schutz gerecht werden und bis 2009 ein anspruchsvolles Klimaregime unter
Ausbau der Kyoto-Architektur für die Zeit nach 2012 vereinbaren. Die Ein-
haltung des 2-Grad-Zieles soll dabei international verbindlich sein. Global
müssen die Emissionen hierzu in den kommenden 10 bis 15 Jahren ihren
Höhepunkt erreichen und bis 2050 um mindestens 50 Prozent gegenüber
1990 reduziert werden. Der IPCC hat in Szenarien, die mit der 2-Grad-Ober-
grenze noch kompatibel sind, Emissionskorridore für die Industriestaaten
von 25 bis 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 ermittelt. Dies soll Grund-
lage für die Verhandlungen auf Bali sein;

● die Beschlüsse des EU-Frühjahrsgipfels 2007 aktiv zu vertreten und darauf
zu drängen, dass die dort vereinbarten Ziele eingehalten werden. Für den Fall,
dass die EU in diesem Rahmen ihren Treibhausgas-Ausstoß um 30 Prozent
gegenüber 1990 reduziert, hat die Bundesregierung erklärt, dass Deutschland
dann eine darüber hinausgehende Reduktion seiner Emissionen um 40 Prozent
anstreben muss. Darüber hinaus begrüßt der Deutsche Bundestag den Vor-
schlag der Bundesregierung, im Zuge einer gerechteren Gestaltung der
Reduktionsverpflichtungen weltweit zu einer langfristigen Angleichung der
Pro-Kopf-Emissionen zu kommen. Ausgehend von einem globalen Emis-
sionsbudget würden die Pro-Kopf-Emissionsrechte aller Länder konvergieren
und ab einem festzulegenden „Konvergenzjahr“ (z. B. 2050) übereinstimmen.
Ausgehend von der 2-Grad-Obergrenze bedeutet dies, dass jeder Mensch dann
nur 2 Tonnen CO2 pro Jahr emittieren darf. Bei den großen Industrienationen
verursacht gegenwärtig die USA den größten Ausstoß von Kohlendioxid pro
Kopf und Jahr mit fast 20 Tonnen und einem Anteil an den globalen Emis-
sionen von mehr als 21 Prozent. Jeder Deutsche stößt im Durchschnitt etwa
10 Tonnen CO2 aus, die Bürgerinnen und Bürger der EU-25 fast 9 Tonnen,
China hat einen Pro-Kopf-Ausstoß von 3 bis 4 Tonnen, der weltweite Durch-
schnitt liegt bei 4,2 Tonnen;

● darin fortzufahren, die Regierung der USA zur Teilnahme am Nachfolgeab-
kommen für das Kyoto-Protokoll zu bewegen;

Drucksache 16/7358 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● sich für die schrittweise, angemessene Einbeziehung großer Schwellen- und
Entwicklungsländer, insbesondere von China, Indien, Brasilien, Mexiko und
Südafrika in das fortgeschriebene Kyoto-Protokoll einzusetzen;

● sich für eine Aufwertung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen
(UNEP) als eigenständige und schlagkräftige UN-Umweltorganisation mit
einem ihren Aufgaben entsprechenden Budget aus UN-Mitteln einzusetzen;

● sich dafür einzusetzen, dass die G8-Staaten und die fünf großen Schwellen-
länder als die politisch und wirtschaftlich führenden Staaten einen „Innova-
tionspakt zur Dekarbonisierung“ vereinbaren, wie dies vom Wissenschaft-
lichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
empfohlen wurde;

● strategische Partnerschaften mit Ländern wie z. B. China, Indien, Brasilien,
Mexiko und Südafrika zu forcieren, um sie bei der Entwicklung von nach-
haltigen Energiestrategien zu unterstützen, beispielsweise durch weitere
CDM-Absprachen, Technologiekooperationen und eine Intensivierung der
Exportinitiative für erneuerbare Energien und Energieeffizienz;

● die Anstrengungen zur Anpassung an den Klimawandel – insbesondere in den
Entwicklungsländern – massiv voranzutreiben. Für die enorm hohen Anpas-
sungskosten müssen auf internationaler Ebene die effizientesten Finanzie-
rungs- und Umsetzungsinstrumente entwickelt werden. Es gilt insbesondere
zu prüfen, ob und wie das Nairobi Work Programme on impacts, vulnerability
and adaptation to climate change bei der Weiterentwicklung bestehender und
Schaffung neuer Instrumente dazu einen Beitrag leisten und einen kohärenten
Rahmen schaffen kann;

● die Entwicklungsländer darin zu unterstützen, dass ihnen beim Schutz ihrer
Wälder im Rahmen des zukünftigen Klimaschutzregimes mehr Anreize ge-
geben werden, und damit den Erhalt bestehender biologisch terrestrischer
Kohlenstoffspeicher, insbesondere der Primärwälder, zu unterstützen;

● das Handlungsfeld Wiederaufforstung und Walderhalt als zentrale Heraus-
forderung des internationalen Klimaschutzes aufzugreifen und mit Blick auf
die im Jahr 2008 in Deutschland auszutragende CBD-Konferenz mit Schwer-
punkt Wald, Initiativen für den Walderhalt und den damit einhergehenden
Schutz der Biodiversität vorzubereiten. Finanzierung und Methodik sind
voranzutreiben und gegenüber Entwicklungsländern eingegangene Verspre-
chungen einzuhalten. Insbesondere sollte die Bundesregierung darauf drän-
gen, dass die Weltbank der „Forest Carbon Partnership Facility“ mehr Mittel
zur Verfügung stellt, um Entwicklungsländern in ihren Erwartungen weiter
entgegenzukommen;

● zur Ergänzung und Unterstützung von Fortschritten im UN-Klimaschutzpro-
zess den Gleneagles-Dialog weiter voranzutreiben, der auf eine anspruchs-
volle Modernisierung der Energieversorgung zur Steigerung der Energie-
effizienz und auf den Ausbau erneuerbarer Energien gerichtet ist und sich be-
sonders dafür einzusetzen, dass Entwicklungsländer bei ihren Bemühungen,
sich an den Klimawandel anzupassen und ihre wirtschaftliche Entwicklung
und Energieversorgung mit klimafreundlichen Technologien zu gestalten,
stärker unterstützt werden;

● die Schaffung eines globalen Kohlenstoffmarktes nach dem Vorbild des
Emissionshandels in der Europäischen Union und die Weiterentwicklung
der flexiblen Mechanismen in die Verhandlungen einzubringen sowie die
Arbeit der neu gegründeten International Carbon Action Partnership (ICAP)
zur Harmonisierung und Verbindung von internationalen Emissionshandels-
systemen aktiv zu unterstützen. Mit der Schaffung eines globalen Kohlen-

stoffmarktes unter Einschluss der flexiblen Mechanismen des Kyoto-Proto-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/7358

kolls können zusätzliche Finanzquellen erschlossen werden, die für die Ant-
wort auf die Herausforderungen des Klimawandels erforderlich sind;

● sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen der Fortschreibung des Kyoto-Pro-
tokolls auch die weiteren Treibhausgase des Protokolls, die Emissionen des
internationalen Flug- und Schiffsverkehrs in zukünftigen Verpflichtungszeit-
räumen den nationalen Inventaren für Treibhausgasemissionen zugeordnet
und damit auch in die Minderungspflichten einbezogen werden; dabei müs-
sen internationale Wettbewerbsgesichtspunkte berücksichtigt werden;

● in der zügigen Umsetzung des auf der Klausur der Bundesregierung in Meseberg
beschlossenen Maßnahmenpakets fortzufahren und möglichst viele der Punkte
vor der Konferenz von Bali zu konkretisieren.

Berlin, den 28. November 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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