BT-Drucksache 16/72

Der vorgelegte Entwurf der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für einen Rahmenbeschluss zur Einführung EU-weit einheitlicher Speicherungspflichten für Telekommunikationsverkehrsdaten und die Haltung der Bundesregierung zu diesem Entwurf

Vom 18. November 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/72
16. Wahlperiode 18. 11. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Wolfgang Neskovic und der Fraktion DIE LINKE.

Der vorgelegte Entwurf der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für
einen Rahmenbeschluss zur Einführung EU-weit einheitlicher Speicherungs-
pflichten für Telekommunikationsverkehrsdaten und die Haltung der
Bundesregierung zu diesem Entwurf

In dem Vorschlag der Richtlinie der Kommission der Europäischen Gemein-
schaften für einen Rahmenbeschluss zur Einführung EU-weit einheitlicher
Speicherungspflichten für Telekommunikationsverkehrsdaten heißt es zu dem
Ausgangspunkt und zu den Zielen: „Zur Abwicklung ihrer Tagesgeschäfte und
Transaktionen bedienen sich die Bürger in zunehmendem Maße elektronischer
Kommunikationsnetze und -dienste. Dabei werden so genannte Verkehrs- oder
Standortdaten erzeugt, beispielsweise der genaue Standort des Anrufers, die so
genannte Rufnummer sowie Zeitpunkt und Dauer des Gesprächs. Verkehrsdaten
in Kombination mit Daten, die die Identifizierung des Teilnehmers oder Nutzers
des Dienstes ermöglichen, sind wichtig für die Strafverfolgung und Aufrechter-
haltung der Sicherheit, namentlich zur Verhütung, Ermittlung, Feststellung und
Verfolgung von schweren Straftaten wie beispielsweise Terrorakte und krimi-
nelle Handlungen im Rahmen des organisierten Verbrechens“ (Kommission der
Europäischen Gemeinschaft, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der
Bereitstellung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet
werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG; 21. September 2005,
KOM (2005) 438 endgültig, 2005/0182 (COD); S. 2).

Der Vorschlag sieht weiter vor, dass die auf Vorrat gespeicherten Daten nur in
ganz bestimmten Fällen und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen
Rechtsvorschriften an die zuständigen nationalen Behörden weitergegeben wer-
den (vgl. ebenda, S. 6).

Ebenso sieht der Vorschlag u. a. vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass
Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste oder Betreibern eines öffent-
lichen Kommunikationsnetzes die Zusatzkosten, die ihnen durch die Speicherung
aller Verkehrs- und Standortdaten (Internet, E-Mail, Festnetztelefonie, Handy-
telefonie, Internettelefonie, erfolglose Anrufversuche und SMS) der Bürgerinnen
und Bürger entstanden sind, erstattet werden (vgl. ebenda, S. 7 und 16).
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Behörden werden nach Kenntnis der Bundesregierung die zuständi-
gen Behörden sein, an die die Verbindungsdaten zur Vorratsspeicherung wei-
tergegeben werden?

2. Wird eine Liste dieser Behörden den Bürgerinnen und Bürgern, deren Daten
ohne Tatverdacht gespeichert werden, öffentlich zugänglich sein?

Drucksache 16/72 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung treffen, um einem Miss-
brauch von Daten durch Behörden vorzubeugen, z. B. im Falle der Unzu-
ständigkeit der Behörde oder wenn die Straftat keine schwere Straftat ist?

4. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass der Vorschlag der Richt-
linie über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öf-
fentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet werden, und
zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (KOM (2005)438) keine Beschrän-
kungen zum Schutz der Pressefreiheit und der Rechte sonstiger Berufs-
geheimnisträger vorsieht, und wenn ja, welche Vorschläge hat die Bundes-
regierung diesbezüglich im Rat der Europäischen Union eingebracht oder
wird sie einbringen um die Pressefreiheit und die Rechte sonstiger Berufs-
geheimnisträger zu sichern?

5. Aus welchen Mitteln will die Bundesregierung bei der derzeitigen Haus-
haltslage die Kosten dieser Maßnahme, die sich nach Schätzungen der Inte-
ressenvertreter der Telekommunikationsindustrie auf einen dreistelligen
Millionenbetrag belaufen könnten, erstatten?

6. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass der Vorschlag der
Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung
öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet werden, und
zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (KOM (2005)438) vorsieht, dass
die Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste und Betreiber öffent-
licher Kommunikationsnetze für die Sicherheit der von ihnen auf Vorrat
gespeicherten Verkehrs- und Standortdaten der Bürgerinnen und Bürger
zuständig sind, und wenn ja, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung
ergreifen, um den Datenschutz zu garantieren und die Bürgerinnen und Bür-
ger vor der missbräuchlichen Verwendung der Daten zu kommerziellen
Zwecken zu schützen?

7. Welche inhaltlichen Differenzen hat die Bundesregierung zum Vorschlag
für die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten der Kom-
mission der Europäischen Gemeinschaften?

8. In welchen Punkten sieht die Bundesregierung Differenzen zwischen der
vorgeschlagenen Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten
und dem nationalen bundesdeutschen Recht?

9. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass der Rat der Innen-
und Justizminister in der Diskussion über den Vorschlag der Richtlinie (…)
beabsichtigt, Verbindungsdaten zur Verhütung, Ermittlung, Feststellung
und Verfolgung aller Straftaten zu nutzen und wie verhält sich die Bundes-
regierung dazu?

10. Teilt die Bundesregierung die grundsätzliche Kritik der 70. Konferenz der
Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, die die vorgeschla-
gene Richtlinie zur EU-weiten systematischen und anlasslosen Vorrats-
datenspeicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten „auf der
Grundlage unseres Grundgesetzes“ als „verfassungswidrig“ ansieht (Ent-
schließungsantrag der 70. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bun-
des und der Länder am 27./28. Oktober 2005 in der Hansestadt Lübeck,
S. 5) und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 10. November 2005

Petra Pau
Wolfgang Neskovic
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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