BT-Drucksache 16/7067

Überprüfung von Altanlagen nach der Richtlinie zur Integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung

Vom 8. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7067
16. Wahlperiode 08. 11. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Lutz Heilmann, Eva Bulling-Schröter, Hans-Kurt Hill, Dr. Gesine
Lötzsch und der Fraktion DIE LINKE.

Überprüfung von Altanlagen nach der Richtlinie über die integrierte Vermeidung
und Verminderung der Umweltverschmutzung

Ziel der Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Um-
weltverschmutzung (IVU – 96/61/EG) ist die Regulierung und Begrenzung von
Schadstoffemissionen in die Luft, in das Wasser und in den Boden, die von
Industriebetrieben, der Energieversorgung und von landwirtschaftlichen Groß-
betrieben ausgehen. Nach der von Deutschland durch Änderung des Bundes-
immissionsschutzgesetzes (BImSchG) umgesetzten IVU-Richtlinie müssen be-
stimmte, vor Erlass dieser Richtlinie genehmigte und in Betrieb gegangene
Anlagen (Artikel 2 Nr. 4), sog. bestehende Anlagen, bis zum 30. Oktober 2007
nach den Bestimmungen dieser Richtlinie betrieben werden. Das heißt, sie müs-
sen die „best verfügbare Technik“ verwenden, um eine Genehmigung für den
Betrieb zu erhalten. Deshalb sind alle Altanlagen auf ihren bestimmungsgemä-
ßen Betrieb nachträglich zu überprüfen und gegebenenfalls nachträgliche An-
ordnungen zu erlassen.

Hat sich der Stand der Technik geändert, können die Behörden auch für neuere
Anlagen grundsätzlich nachträgliche Anordnungen erlassen, um die Einhaltung
der neuen gesetzlichen Anforderungen zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere
dann, wenn die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor
schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nach-
teilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist. Auch der Widerruf einer
Genehmigung oder die Untersagung des Betriebs durch die Behörden ist mög-
lich.

Nach einem Bericht der Europäischen Kommission (KOM(2005)540) erfüllten
Ende 2005, zwei Jahre vor Auslaufen der Umsetzungsfrist, viele Altanlagen
noch nicht die gesetzlichen Voraussetzungen. Die Europäische Kommission be-
tonte deswegen in ihrer Mitteilung, dass die genannte Frist nicht auf die Geneh-
migung, sondern auf den bestimmungsgemäßen Betrieb der Altanlagen abzielt.
Jede Verzögerung des bestimmungsgemäßen Betriebs der betroffenen Anlagen
verhindert daher einen verbesserten Umweltschutz im Sinne der IVU-Richtlinie.

Im Zuge der Erarbeitung eines Umweltgesetzbuches (UGB) durch die Bundes-
regierung sollen alle für die Genehmigung größerer Anlagen notwendigen recht-
lichen Vorgaben in einer integrierten Vorhabensgenehmigung zusammengefasst
und damit vereinfacht werden. Damit stehen das gesamte Immissionsschutz-
recht und auch die Bestimmungen zur nachträglichen Überprüfung von Anlagen
auf dem Prüfstand.

Drucksache 16/7067 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Anlagen, aufgeteilt nach Bundesländern, Branchen und Betriebs-
alter, sind „bestehende Anlagen“ (Altanlagen) im Sinne des Artikels 2 Nr. 3
der IVU-Richtlinie?

2. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung, außer der Schaffung der ge-
setzlichen Grundlage durch die Anpassung des BImSchG, aktiv unternom-
men, um die Stichtagsregelung des 30. Oktober 2007 für Altanlagen zur
Einhaltung der Vorgaben der IVU-Richtlinie zu gewährleisten?

3. Werden seit dem 30. Oktober 2007 sämtliche unter die IVU-Richtlinie fal-
lenden Altanlagen mit der „best verfügbaren Technik“ betrieben?

Wenn nein, wie viele nicht, und warum nicht?

4. Bei wie vielen Altanlagen, aufgeteilt nach Bundesländern, Branchen und
Betriebsalter, wurde wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzun-
gen des BImSchG für den rechtmäßigen Betrieb von Anlagen von der Mög-
lichkeit Gebrauch gemacht,

– sie gemäß § 17 BImSchG mit einer nachträglichen Anordnung zu bele-
gen,

– gemäß § 20 Abs. 1 und 3 BImSchG den Betrieb der Anlage zu unter-
sagen,

– die Genehmigung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 BImSchG unter den Voraus-
setzungen des § 21 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BImSchG zu widerrufen?

a) Warum wurden ggf. jeweils die §§ 20 und 21 BImSchG angewendet?

b) Auf welchen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BImSchG
wurde der Widerruf jeweils gestützt?

c) In wie vielen dieser Fälle machten die Betreiber der betroffenen Anlage
einen Entschädigungsanspruch gemäß § 21 Abs. 4 BImschG geltend,
und in wie vielen Fällen wurden letztlich Entschädigungen gezahlt?

5. Bei wie vielen Altanlagen, aufgeteilt nach Bundesländern, Branchen und
Betriebsalter, wurde aus Gründen des Ermessens der zuständigen Behörden
gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 bzw. aus der Verhältnismäßigkeit nach § 17
Abs. 2 Satz 1 BImSchG davon abgesehen, eine nachträgliche Anordnung zu
erlassen, und wie wurde dies jeweils genau begründet?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit der §§ 17, 20 und 21
BImSchG (nachträgliche Anordnung, Widerruf der Genehmigung und Un-
tersagung des Betriebs) im Hinblick auf das Ziel der IVU-Richtlinie, dass
alle Altanlagen bestimmungsgemäß betrieben werden sollen?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Anwendung der Regelungen zur Ver-
hältnismäßigkeit in § 17 Abs. 2 Satz 1 und zum Ermessen in § 17 Abs. 1
Satz 2 BImSchG im Hinblick auf das Ziel der IVU- Richtlinie, dass alle Alt-
anlagen mit der „best verfügbaren Technik“ betrieben werden sollen?

8. Welche Probleme sieht die Bundesregierung bei der Anwendung der be-
stehenden Dynamisierungsvorschriften?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung insgesamt die umweltpolitische Wirkung
und den Erfolg der bestehenden Dynamisierungsinstrumente für Altanlagen?

10. Wie viele Anlagen, aufgeteilt nach Branchen, Größe und Betriebsalter, die
keine Altanlagen im Sinne des Artikels 2 Nr. 3 der IVU-Richtlinie sind,
wurden bislang nach ihrer Genehmigung erneut überprüft, da sich der Stand
der Technik, der von den zuständigen Behörden verfolgt werden muss,
geändert hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG)?

In wie vielen Fällen wurden dabei nachträgliche Anordnungen erlassen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7067

11. Plant die Bundesregierung im Umweltgesetzbuch eine Veränderung der
rechtlichen Bestimmungen zur nachträglichen Überprüfung bereits geneh-
migter Anlagen (§§ 17, 20, 21 BImSchG), um die Wirksamkeit dieses
Instruments im Sinne eines verbesserten Umwelt- und Gesundheitsschutzes
zu erhöhen?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

12. Sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass Behörden eine Ge-
nehmigung aus übergeordneten politischen Zielen wie insbesondere dem
Klimaschutz nicht versagen können, im Umweltgesetzbuch eine Verände-
rung der Regelung in § 6 BImSchG vor, die in ihrer bestehenden Form bei
Erfüllung aller gesetzlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Genehmi-
gung begründet?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht, und sieht die Bundesregierung keinen Regelungs-
bedarf bezüglich des Rechtsanspruchs auf Genehmigung, insbesondere vor
dem Hintergrund der Ziele der Bundesregierung im Klimaschutz?

13. Plant die Bundesregierung im Zuge der Erstellung des Umweltgesetzbuches
eine Rechtsverordnung (i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 2a BImSchG) oder eine ande-
re Regelung zur Konkretisierung von § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG bzw. der
entsprechenden Neuregelung im Umweltgesetzbuch, nach dem für alle An-
lagen die Pflicht besteht, Energie sparsam und effizient zu verwenden sind,
einzuführen?

Wenn ja, wann, mit welchem Regelungsgehalt und in welcher Regelungs-
dichte?

Wenn nein, warum nicht?

14. Plant die Bundesregierung, im Umweltgesetzbuch oder einem untergesetz-
lichen Regelwerk für das Anlagengenehmigungsrecht Bestimmungen ein-
zuführen, die vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele der Bundesregie-
rung den Erlass von Auflagen oder sonstigen Beschränkungen für die
Kohlendioxid-Emissionen von Anlagen ermöglichen?

Wenn ja, wann, mit welchem Regelungsgehalt und in welcher Regelungs-
dichte?

Wenn nein, warum nicht, und sieht die Bundesregierung die bislang vorhan-
denen gesetzlichen Bestimmungen im Anlagenrecht zur Erreichung ihrer
Ziele im Klimaschutz als ausreichend an?

Berlin, den 6. November 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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