BT-Drucksache 16/6832

Ergebnisse der Bleiberechtsregelung der Innenministerkonferenz

Vom 24. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6832
16. Wahlperiode 24. 10. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Sevim Dag˘delen, Kersten Naumann,
Wolfgang Neskovic und der Fraktion DIE LINKE.

Ergebnisse der Bleiberechtsregelung der Innenministerkonferenz

Mit großem Interesse hat die Öffentlichkeit im vergangenen Herbst die Debatte
zur Schaffung einer Bleiberechtsregelung durch die Ständige Konferenz der
Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) verfolgt. Dabei gingen die
Meinungen deutlich auseinander, wie viele der bisher in Deutschland nur gedul-
deten Menschen tatsächlich von dieser Regelung profitieren würden. Schätzun-
gen, etwa der CDU-Innenminister Uwe Schünemann und Dr. Günther Beck-
stein, wonach 20 000 Menschen sofort und bis zu 40 000 weitere im Falle einer
erfolgreichen Jobsuche bis Ende September 2007 eine Aufenthaltserlaubnis er-
halten könnten (vgl. tz und Berliner Zeitung vom 18. November 2006), erweisen
sich als zu hoch gegriffen: Ausweislich der Antwort der Bundesregierung auf
eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. wurden bis Ende Juni 2007 ins-
gesamt nur 14 353 Aufenthaltserlaubnisse erteilt (vgl. Bundestagsdrucksache
16/6251). Kritische Einschätzungen hingegen, etwa von PRO ASYL (vgl. Ana-
lyse vom 21. November 2006 zum Bleiberechtsschluss), wonach 80 bis 90 Pro-
zent der Geduldeten aufgrund der „engherzigen Regelung“ keine Chance auf ein
Bleiberecht hätten, waren offenkundig zutreffend. In der Kritik des IMK-Be-
schlusses standen in erster Linie die geforderten langen Aufenthaltszeiten, die
strengen Bestimmungen zum Nachweis des selbständigen Lebensunterhalts und
die zahlreichen Ausschlusstatbestände, etwa wegen verletzter Mitwirkungs-
pflichten oder strafrechtlicher Verurteilungen bereits in Höhe von 50 Tages-
sätzen.

Obwohl die nunmehr in Kraft getretene gesetzliche Altfallregelung im Wesent-
lichen die gleichen Bedingungen beinhaltet wie der IMK-Beschluss vom No-
vember 2006, wurde vom Bundesminister des Innern Dr. Wolfgang Schäuble die
Erwartung geweckt, „ungefähr 100 000“ Menschen könnten von der gesetz-
lichen Regelung profitieren (vgl. Plenarprotokoll 16/94, S. 9546). Zahlreiche
Abgeordnete der SPD erklärten, dass ihre Zustimmung zu „einem ansonsten
mit vielen Mängeln aus unserer Sicht behafteten Gesetz“ (dem EU-Richtlinien-
umsetzungsgesetz) im Interesse der „maximal circa 60 000“ Menschen, die nun-
mehr eine Aufenthaltserlaubnis erhalten könnten, erfolgt sei (Erklärung der Ab-
geordneten Rüdiger Veit und anderer, Plenarprotokoll 16/103, S. 10639 f.).
Diese Einschätzungen dürften aus Sicht der Fragesteller und -innen zu hoch ge-

griffen sein.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen besaßen zum Stichtag des 17. November 2006 eine Auf-
enthaltsgestattung oder Duldung, und wie hoch schätzt die Bundesregierung

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die Zahl derer, die zudem die zeitlichen Voraussetzungen des IMK-Beschlus-
ses erfüllten (sechs bzw. acht Jahre; bitte jeweils nach Bundesländern und den
zehn stärksten Herkunftsländern differenzieren)?

2. Wie viele Personen haben bis zum 30. September 2007 einen Antrag auf Er-
teilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des IMK-Beschlusses gestellt?

Wie viele dieser Personen

a) haben eine Aufenthaltserlaubnis erhalten,

b) hatten zunächst eine Duldung bis zum 30. September erhalten, um die Vo-
raussetzungen zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis erfüllen zu können
(eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts),

c) wurden bis zum 30. September abgelehnt,

d) erhielten bis zum 30. September keinen Bescheid, bzw. wie viele Anträge
wurden nicht nach den Bestimmungen des IMK-Beschlusses beschieden
und werden nun nach der gesetzlichen Bleiberechtsregelung beurteilt

(bitte bei allen (Teil-)Antworten einbezogene/betroffene Familienangehörige
gesondert aufführen und differenzieren nach Bundesländern und den zehn
stärksten Herkunftsländern)?

3. Wie viele Personen haben bis zum 30. September einen Arbeitsmarktzugang
unter Wegfall der Vorrang- und Dumping-Prüfung erhalten (bitte nach Bun-
desländern differenzieren)?

4. Wie viele Aufenthaltserlaubnisse wurden unter Anwendung der Ausnahme-
regelungen des IMK-Beschlusses zu 3.2.2. (Auszubildende, Alleinerziehen-
de, Erwerbsunfähige usw. unter bestimmten Bedingungen) trotz eines
(zeitweilig) fehlenden eigenständigen Lebensunterhalts erteilt (bitte nach
Bundesländern differenzieren)?

5. Wie viele der bis zum 30. September erfolgten Ablehnungen wurden begrün-
det mit

a) unzureichenden Sprachkenntnissen,

b) nicht ausreichendem Wohnraum,

c) ungenügendem Schul- oder Kindergartenbesuch,

d) negativer „Schulabschlussprognose“,

e) unzureichender Aufenthaltsdauer,

f) unpassendem Aufenthaltstitel

(bitte jeweils nach Bundesländern differenzieren und die Zahl der mitbetrof-
fenen Familienangehörigen gesondert ausweisen)?

6. Wie viele Personen haben keine Aufenthaltserlaubnis erhalten, weil Aus-
schlussgründe nach Nummer 6 des IMK-Beschlusses angenommen wurden,
mit der Begründung, dass

a) sie nach Ansicht der zuständigen Ausländerbehörde vorsätzlich über auf-
enthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht hätten,

b) sie nach Ansicht der zuständigen Ausländerbehörde Abschiebemaßnah-
men vorsätzlich behindert oder hinausgezögert hätten,

c) sie nach Ansicht der zuständigen Ausländerbehörde nicht ausreichend an
ihrer Passbeschaffung mitgewirkt hätten,

d) Ausweisungsgründe nach §§ 53, 54, 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 8 des Auf-

enthaltsgesetzes (AufenthG) vorlägen,

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e) Verurteilungen wegen einer vorsätzlichen Straftat vorlagen (ausgenom-
men Geldstrafen bis 50 bzw. 90 Tagessätzen),

f) nach Ansicht der zuständigen Ausländerbehörde Bezüge zu Extremis-
mus oder Terrorismus vorlägen,

g) Angehörige Straftaten begangen haben,

h) und wie viele der jeweils unter den Fragen 6a bis 6g genannten Personen
wurden inzwischen abgeschoben

(bitte bei allen (Teil-)Antworten einbezogene/betroffene Familienangehö-
rige gesondert aufführen und differenzieren nach Bundesländern und den
zehn stärksten Herkunftsländern)?

7. Welche genauen Kriterien galten nach Kenntnis der Bundesregierung bei
der Prüfung, ob das Erfordernis einer dauerhaften eigenständigen Lebens-
unterhaltssicherung erfüllt ist (bitte – so weit möglich – nach Bundesländern
differenzieren)?

8. In welchen Bundesländern wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von dem Abschluss einer so genannten
Integrationsvereinbarung oder einem Integrationsgespräch (bitte differen-
zieren) abhängig gemacht,

a) in wie vielen Fällen erfolgte dies jeweils,

b) und in wie vielen Fällen wurde eine erteilte Aufenthaltserlaubnis wegen
Verstoßes gegen eine Integrationsvereinbarung widerrufen

(bitte jeweils nach Bundesländern und den zehn stärksten Herkunftsländern
differenzieren)?

9. Wie viele Ablehnungen erfolgten aus sonstigen Gründen, und welche waren
dies?

10. In welchen Bundesländern gab oder gibt es Abschiebestoppregelungen für
Personen, die von der IMK-Bleiberechtsregelung oder von der gesetzlichen
Altfallregelung begünstigt (gewesen) sein könnten?

11. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung in den Erlassen der Bundes-
länder die Formulierung umgesetzt worden, dass „Rechtsmittel und sonstige
auf weiteren Verbleib im Bundesgebiet gerichtete Anträge (…) innerhalb
der Antragsfrist zum Abschluss gebracht werden“ (Nummer 8 der IMK-
Bleiberechtsregelung) müssen?

12. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Einsparungen für die öffentlichen
Haushalte, die sich daraus ergeben, dass die IMK-Bleiberechtsregelung es
Geduldeten ermöglicht hat, eine Arbeit unter faktischer Aufhebung des sonst
üblichen Vorrangprinzips aufzunehmen und damit keine Leistungen nach
dem Asylbewerberleistungsgesetz mehr in Anspruch nehmen zu müssen?

13. Wie viele Personen mit einer Duldung bzw. einer Aufenthaltsgestattung
hielten sich zum 1. Juli 2007 (Stichtag für die gesetzliche Bleiberechtsrege-
lung) bzw. zum 30. September 2007 (Ende der IMK-Bleiberechtsregelung)
in Deutschland auf,

a) wie viele von ihnen lebten seit sechs,

b) wie viele von ihnen seit acht Jahren in Deutschland

(bitte jeweils nach Bundesländern und den zehn stärksten Herkunftsländern
differenzieren)?

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14. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Zahl derer, die nach der gesetz-
lichen Altfallregelung

a) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 104a
AufenthG,

b) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 104b
AufenthG,

c) lediglich eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe (104a Abs. 1 Satz 1
AufenthG)

erhalten werden, und stimmt sie

d) der Einschätzung zu, wonach die Zahl der insgesamt potentiell von der
gesetzlichen Altfallregelung Begünstigten aufgrund der mit der IMK-
Bleiberechtsregelung vergleichbaren Bedingungen nicht wesentlich über
der Zahl von gut 28 000 nach dem IMK-Beschluss zur Arbeitssuche er-
teilten Duldungen liegen kann (weil dieser Personenkreis in etwa die
Bedingungen beider Regelungen, mit Ausnahme des Nachweises des
eigenständigen Lebensunterhalts, erfüllt) bzw. eher darunter liegen wird,
je nach dem, wie viele dieses Personenkreises aufgrund einer bis Ende
September 2007 erfolgreichen Jobsuche doch noch eine Aufenthalts-
erlaubnis aufgrund der IMK-Bleiberechtsregelung erhalten konnten
(wenn nein, bitte begründen)?

Berlin, den 22. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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