BT-Drucksache 16/6824

Zukunft des Kulturzentrums Okakarara in Namibia

Vom 24. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6824
16. Wahlperiode 24. 10. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Heike Hänsel, Inge Höger, Michael
Leutert, Paul Schäfer (Köln), Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine
und der Fraktion DIE LINKE.

Zukunft des Kulturzentrums Okakarara in Namibia

Der Deutsche Bundestag hat in seiner Entschließung vom 17. Juni 2004 (Bun-
destagsdrucksache 15/3329) im „Gedenken an die Opfer des Kolonialkrieges
im damaligen Deutsch-Südwestafrika“ die „besondere historische und morali-
sche Verantwortung gegenüber Namibia“ bekräftigt. Vor diesem Hintergrund
wurde unter Teilnahme von Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im
August desselben Jahres das aus Geldern der deutschen Entwicklungshilfe er-
richtete „Gemeinde-, Kultur- und Tourismuszentrum“ bei Okakarara (Oka-
karara Community Cultural and Tourism Centre, OCCTC) feierlich eröffnet. Es
befindet sich in Nähe zum Waterberg Plateau, wo einhundert Jahre zuvor im
August 1904 die entscheidende Schlacht im Krieg zwischen dem deutschen
Kaiserreich und dem Volk der Herero stattfand. In der Folge trieben die deut-
schen Kolonialtruppen unter Verantwortung von General von Trotha die Herero
in die wasserlose Omaheke-Wüste, um sie zu ermorden. Bundesministerin
Heidemarie Wieczorek-Zeul erinnerte 2004 zum hundertsten Jahrestag dieser
Schlacht von der Bühne des Freilufttheaters des neu errichteten OCCTC an
diese kolonialen Gräueltaten, die sie als „Vernichtungskrieg“ und „Völker-
mord“ bezeichnete.

Dem OCCTC kommt eine besondere symbolische, aber auch praktische Bedeu-
tung im Aussöhnungsprozess zwischen Deutschen und Herero zu. Bundes-
ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul erklärte: „Okakarara – das soll für die
jungen Menschen in Zukunft heißen: einander kennen lernen und einander
schätzen lernen.“ (24. Mai 2005 in Düsseldorf)

Laut Gründungsdokument dient das Zentrum der Versöhnung zwischen Herero
und Deutschen und der Pflege des Gedenkens an die Opfer des Kolonialkrie-
ges. Zu diesem Zweck sollte im OCCTC ein Museum zu Geschichte und Kultur
der Herero eingerichtet werden. Langfristig sollte durch die Vermarktung von
einheimischem Kunsthandwerk und die Förderung des Tourismus die von Ar-
mut geprägten Lebensbedingungen in der Region verbessert werden.

Indes traten bald nach Aufnahme des laufenden Betriebes zahlreiche Probleme

auf, die die Bestandsfähigkeit des OCCTC in Frage stellten. Dies ergibt sich
aus einem Gutachten, das von PriceWaterhouseCoopers (PWC) im Auftrag der
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unter dem Titel „Econo-
mic sustainability of the Okakarara community, cultural and tourist centre“ im
November 2005 vorgelegt wurde.

Drucksache 16/6824 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Unter anderem wurden in dem Gutachten folgende Mängel festgestellt:

– Es bestünden ungelöste Konflikte aufgrund des Widerspruches zwischen
den ursprünglich deklarierten und den tatsächlich projektierten Zielen des
OCCTC und seinen Einrichtungen;

– die Eigentumsrechte und der legale Status des Zentrums seien ungeklärt;

– aufgrund der geografischen Abgeschiedenheit des Zentrums abseits traditio-
neller Tourismusrouten sei eine Finanzierung aus dem Tourismusgeschäft
auch in Zukunft nicht zu erwarten;

– der Verzicht auf die Errichtung des geplanten Museumsdorfes und eines ge-
planten Mahnmals erhöhe die Unattraktivität des OCCTC für internationale
Besucher ebenso wie für Ortsansässige;

– die Armut der benachbarten Gemeinde Okakarara schließe jede finanzielle
Unterstützung aus lokalen Mitteln aus;

– die Kommunikation zwischen den Mitgliedern des „Steering Committee“, in
dem namibische Repräsentanten neben den Vertretern der deutschen Bot-
schaft und des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) sitzen, sei nach eige-
nem Eingeständnis schlecht;

– traditionelle Repräsentanten der Herero-Gemeinschaft fühlten sich von einer
Teilhabe am OCCTC und seinen Entscheidungen ausgeschlossen.

Das PWC-Gutachten mahnte dringenden Handlungsbedarf durch das zustän-
dige Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) an. Weder das BMZ, noch der mit dem Management des OCCTC be-
auftragte DED hat sich bis heute öffentlich zur Zukunft des einst prestigeträch-
tigen Zentrums geäußert. Bekannt ist lediglich, dass der Vertrag des derzeitigen
Leiters des DED zum Ende des Jahres 2007 ausläuft, und dass das OCCTC in
der Folge an einen namibischen Träger übergeben werden soll.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Höhe sind bislang Mittel des BMZ und des Auswärtigen Amtes
in das Kulturzentrum Okakarara geflossen (Aufstellung der Kosten bitte auf-
geschlüsselt nach Jahren und unterschiedlichen Posten aufführen)?

2. a) Wie viele Veranstaltungen sind zwischen dem 1. Januar 2006 bis 30. Sep-
tember 2007 im Kulturzentrum durchgeführt worden?

b) Welcher Art von Veranstaltungen waren das?

c) Von wie vielen Menschen wurden sie besucht?

d) Wie viele Übernachtungen hat es bisher auf dem Campingplatz des Kul-
turzentrums gegeben?

3. Warum wird das Kulturzentrum entgegen der ursprünglichen Konzeption
seit 2006 nicht mehr von einem einheimischen Projektmanager geleitet?

4. Warum ist drei Jahre nach der Eröffnung des Kulturzentrums die geplante
Ausstellung über die Herero-Geschichte und -Kultur, die einen Anziehungs-
punkt für Touristen bilden und damit auch Einkommensmöglichkeiten für
die lokale Bevölkerung schaffen sollte, noch nicht fertig gestellt worden?

5. a) Welche Maßnahmen hat das BMZ seit Erstellung des PWC-Gutachtens
durchgeführt, um die Situation für das Projekt zu verbessern?

b) Welche Vorschläge des PWC-Gutachten wurden dabei konkret aufgegrif-
fen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6824

c) Welche weiteren Maßnahmen sind geplant, um die Attraktivität des
OCCTC zu erhöhen?

6. Befindet sich das OCCTC heute nach Ansicht der Bundesregierung in einem
guten Zustand (Antwort bitte begründen)?

7. Warum wird der DED zum Ende des Jahres seinen Entwicklungshelfer
ersatzlos aus dem Projekt abziehen?

8. a) Kann die Bundesregierung bestätigen, dass das OCCTC in einen rein
namibischen Trust umgewandelt werden soll?

b) Wenn ja, wie kann unter diesen Umständen das Projekt weiterhin dem
Anspruch eines binationalen Versöhnungsprojektes genügen?

c) Welche Personen und Organisationen haben nach dem jetzigen Stand der
Dinge ihre Mitarbeit im „Board of Trustees“ des Kulturzentrums zuge-
sagt?

9. a) Kann die Bundesregierung bestätigen, dass bei Umwandlung in einen
rein namibischen Trust eine einmalige abschließende Zahlung für das
Projekt beabsichtigt ist?

b) Wenn ja, von welcher Größenordnung geht die Bundesregierung bei der
abschließenden Zahlung aus?

c) Wenn ja, welche Entwicklung wird das Projekt nach Ansicht der Bundes-
regierung in den kommenden Jahren nehmen, und welche Möglichkeiten
verbleiben ihr, um weitere Fehlentwicklungen oder einen Verfall des
Zentrums zu verhindern?

d) Wenn nein, welche Möglichkeiten der weiteren Unterstützung des Kul-
turzentrums werden ins Auge gefasst?

Berlin, den 19. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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