BT-Drucksache 16/6777

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/6124, 16/6759- Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Ressortforschung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Vom 23. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6777
16. Wahlperiode 23. 10. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Peter Bleser, Ursula Heinen, Uda Carmen Freia Heller,
Franz-Josef Holzenkamp, Dr. Peter Jahr, Dr. Hans-Heinrich Jordan, Julia Klöckner,
Dr. Max Lehmer, Marlene Mortler, Johannes Röring, Kurt Segner, Jochen Borchert,
Gitta Connemann, Hubert Deittert, Josef Göppel, Susanne Jaffke, Hartmut
Koschyk, Sibylle Pfeiffer, Dr. Norbert Röttgen, Norbert Schindler, Georg
Schirmbeck, Bernhard Schulte-Drüggelte, Volkmar Uwe Vogel, Wolfgang Zöller,
Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Volker Blumentritt, Dr. Gerhard
Botz, Elvira Drobinski-Weiß, Gustav Herzog, Ulrich Kelber, Holger Ortel,
Mechthild Rawert, Marianne Schieder, Olaf Scholz, Dr. Marlies Volkmer, Lydia
Westrich, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Manfred Zöllmer, Dr. Peter Struck und
der Fraktion der SPD

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/6124, 16/6759 –

Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Ressortforschung im Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Sichere und schmackhafte Nahrungsmittel, eine gesunde Ernährung und leben-
dige Regionen, die ihren Bewohnern Arbeit und Erholung bieten und in denen
die natürliche Umwelt und die Tiere geschützt werden, zählen zu den Grund-
bedürfnissen der Menschen. Die Land-, Forst-, Fischerei- und Ernährungswirt-
schaft sowie die Forschung in diesen Bereichen können dazu erhebliche Bei-
träge leisten.

Die Herausforderungen im Agrar- und Ernährungsbereich haben sich in den

letzten Jahrzehnten entscheidend gewandelt. In früheren Jahren stand die Ver-
sorgung mit Lebensmitteln im Vordergrund, heute haben Aspekte wie Qualität
und Sicherheit wie auch die ökologische Ziele berücksichtigende Herstellungs-
weise von Produkten einen höheren Stellenwert. Auf der zur Verfügung stehen-
den Fläche muss künftig sowohl Nahrungsmittelerzeugung und als auch
Biomasseproduktion für energetische und stoffliche Zwecke erfolgen. Gleich-
zeitig muss die biologische Vielfalt bewahrt werden. Die Haltungsbedingungen

Drucksache 16/6777 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

für Nutztiere sind weiterzuentwickeln. Die Forschung im ökologischen Landbau
ist dahingehend zu intensivieren, dass Marktsegmente mit kontinuierlich wach-
sender Nachfrage zukünftig verstärkt mit ökologischen Waren aus deutscher
Produktion bedient werden können. Die Voraussetzungen für eine nachhaltige
Entwicklung ländlicher Räume müssen in Zeiten der Globalisierung und
demografischer Veränderungen untersucht und Lösungswege entwickelt wer-
den. Der Klimawandel muss gebremst und die agrar- sowie forstwirtschaftlichen
Nutzungssysteme müssen an die zukünftigen Veränderungen angepasst werden.
Verbraucherseitig sind ernährungsbedingte Gefahren frühzeitig zu erkennen und
abzuwehren.

Verbraucherschutz geht heute weit über Ernährungsfragen hinaus und muss alle
Lebensbereiche vom Autokauf bis hin zum Zahnersatz, von der Altersver-
sorgung bis zur Zertifizierung von Bildungsangeboten einschließen. Die orga-
nisatorischen Veränderungen innerhalb der Bundesregierung und insbesondere
die Bündelung von Kompetenzen des Verbraucherschutzes beim Bundesminis-
terium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und
seinen nachgeordneten Behörden waren die richtige Antwort auf die Heraus-
forderungen in diesem Bereich. Die bereits eingeleiteten Maßnahmen müssen
bei der Forschung anhand einer neuen Schwerpunktsetzung ebenfalls ihren
Widerhall finden.

Zur Unterstützung ihrer Aufgaben benötigen Bundestag und Bundesregierung
aktuelle und verlässliche Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung. Dauer-
hafte Aufgaben und langfristige politische Ziele sowie kurzfristig zu deckender
Entscheidungshilfebedarf (z. B. bei Krisensituationen) machen ein staatlich ab-
gesichertes Vorhalten von institutionell finanzierten Forschungseinrichtungen
notwendig. Eine wissenschaftlich exzellente, auf den spezifischen Beratungs-
bedarf ausgerichtete und effiziente Ressortforschung, die vernetzt mit der agrar-
und verbraucherbezogenen Forschung anderer Bereiche betrieben wird, ist dazu
unbedingt erforderlich.

Mit dem Gesetz zur Neuordnung der Ressortforschung im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wer-
den die organisatorischen Voraussetzungen für eine exzellente und effiziente Res-
sortforschung geschaffen. Der Deutsche Bundestag erwartet, dass dadurch auch
die inhaltlich-fachliche Qualität der wissenschaftlichen Arbeit verbessert wird.
In Ressortforschungseinrichtungen im Verantwortungsbereich des BMELV sind
insgesamt rund 2 700 wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Bedienstete
beschäftigt, wobei seit 1996 annähernd 1 000 Stellen abgebaut wurden. Zusätz-
liche Personaleinsparungen dürfen dabei nicht zu Lasten der wissenschaftlichen
Forschungsaktivitäten gehen, sondern müssen durch Effizienzsteigerung in der
Verwaltung erbracht werden.

Der Wissenschaftsrat hat im Januar 2004 „Empfehlungen zur Entwicklung der
Rahmenbedingungen der Forschung in Ressortforschungseinrichtungen am
Beispiel der Forschungsanstalten in der Zuständigkeit des Bundesministeriums
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft“ gegeben. Die Empfeh-
lungen wurden im Hinblick auf die Qualitätssicherung und Evaluation, die Ein-
richtung von wissenschaftlichen Beiräten und die stärkere Berücksichtigung von
Wettbewerbselementen weitgehend umgesetzt.

In den vom Wissenschaftsrat im Januar 2007 vorgelegten „Empfehlungen zur
Rolle und künftigen Entwicklung der Bundeseinrichtungen mit FuE-Aufgaben“
werden weitere Maßnahmen zur Verbesserung der wissenschaftlichen Exzellenz
vorgeschlagen. Daraus hat die Bundesregierung mit ihren im Januar 2007 ver-
öffentlichten Leitlinien für eine moderne Ressortforschung erste Schlussfolge-
rungen gezogen, denen auch für den Bereich Ernährung, Landwirtschaft und

Verbraucherschutz in vollem Umfang zuzustimmen ist. Der Deutsche Bundes-
tag begrüßt die darin angekündigte Vorlage eines ressortübergreifenden Gesamt-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6777

konzepts für die Ressortforschung durch die Bundesregierung und erwartet, dass
darin auch die Belange der agrar- und verbraucherwissenschaftlichen Forschung
ausreichend gewahrt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Ressortforschung fachlich so auszurichten, dass sie den zukünftigen He-
rausforderungen gerecht wird. Wichtige Zukunftsthemen sind insbesondere:

● Stärkung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes (u. a. durch die Ent-
wicklung politischer Handlungsalternativen für effektiveren Verbraucher-
schutz und mehr Lebensmittelsicherheit),

● gesunde Ernährung (u. a. durch Verbesserung des allgemeinen Ernäh-
rungsverhaltens und der Ernährungsinformation),

● Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige
und umweltgerechte Land-, Forst-, Fischerei- und Ernährungswirtschaft
(u. a. durch die Sicherung und Verbesserung der Produkt- und Prozess-
qualität bei Lebensmitteln, bei der stofflichen Nutzung nachwachsender
Rohstoffe, durch Sicherheits- und Begleitforschung beim Einsatz von
Gentechnik, zu innovativen Anbausystemen und tierschutzgerechten
Haltungsformen sowie zur nachhaltigen Entwicklung des ökologischen
Landbaus),

● Anpassung der Agrar- und Forstwirtschaft an den Klimawandel (u. a.
durch Entwicklung von Strategien zur Verminderung von klimaschäd-
lichen Gasen und für die Zukunft für von besonders vom Klimawandel be-
troffene Regionen),

● Erhaltung genetischer Ressourcen (u. a. durch die Erhaltung, Bewertung
und Nutzung tiergenetischer Ressourcen und durch Vorlaufforschung zur
innovativen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen),

● Entwicklung von Perspektiven für die ländlichen Räume (u. a. durch die
kontinuierliche Evaluierung und Optimierung unterstützender Maß-
nahmen zum nachhaltigen Ausbau der energetischen Nutzung von Bio-
masse und der Konzepte zur wirtschaftlichen Entwicklung ländlicher
Räume),

● Intensivierung der verbraucherrelevanten Forschung (u. a. zur Ent-
wicklung von Informations- und Kennzeichnungssystemen, bei der Ent-
wicklung und Evaluierung von Instrumenten zur Durchsetzung von Ver-
braucherrechten);

2. den Ausbau der wissenschaftlichen Politikberatung für das BMELV zu for-
cieren, Entwicklungen in den genannten Wirtschaftsbereichen zu erkennen,
zukünftigen Regelungsbedarf frühzeitig aufzuzeigen und staatliches Handeln
durch das Monitoring und die Evaluierung exekutiver Maßnahmen zu opti-
mieren;

3. verstärkt interdisziplinär ausgerichtete Forschungsschwerpunkte zu unter-
stützen, die die zunehmend komplexer werdenden Zusammenhänge (produk-
tionstechnisch, ökonomisch, juristisch etc.) in den einzelnen Wertschöp-
fungsketten der Nahrungsmittelproduktion und der nachwachsenden Roh-
stoffe besser erfassen, adäquat abbilden und bewerten können;

4. eine permanente Planungssicherheit für die einzelnen Institute durch kon-
tinuierlich fortgeschriebene Forschungsprogramme zu gewährleisten;

5. Maßnahmen zu ergreifen, um die Exzellenz der Ressortforschung im Ge-

schäftsbereich des BMELV weiter zu verbessern. Hierzu zählen u. a.

● die Durchführung interner Qualitätssicherungsmaßnahmen,

Drucksache 16/6777 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
● die regelmäßige Durchführung externer Evaluationen,

● der Abschluss von Zielvereinbarungen,

● die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern;

6. im Hinblick auf eine effiziente und kostensparende Forschung langfristig
die Tierbestände auf wenige Standorte zu konzentrieren;

7. die Zusammenarbeit der Ressortforschungseinrichtungen des BMELV un-
tereinander und mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung zu optimieren;

8. die Vernetzung der Ressortforschungseinrichtungen mit anderen For-
schungseinrichtungen (Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen
des Bundes und der Länder, der Wirtschaft u. a.) zu verbessern und mit
nationalen und internationalen Kooperationen für eine optimale Aufgaben-
erfüllung zu sorgen;

9. Standortentscheidungen unter Abwägung fachlicher und wirtschaftlicher
Aspekte zu treffen;

10. zur Deckung des Beratungsbedarfs des BMELV stärker die vom Bund mit-
finanzierten Institute der Leibniz-Gemeinschaft einzubeziehen;

11. bei der Stellenbesetzung und bei der Besetzung von Beiräten verstärkt inter-
national tätige Wissenschaftler zu berücksichtigen;

12. das Konzept für eine zukunftsfähige Ressortforschung im Geschäftsbereich
des BMELV zügig und sozialverträglich umzusetzen;

13. dem Deutschen Bundestag in jeder Legislaturperiode einmal einen Bericht
vorzulegen, in dem die inhaltlichen Schwerpunkte der Ressortforschung
dargestellt und Schlussfolgerungen für die weitere Entwicklung gezogen
werden.

Berlin, den 23. Oktober 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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