BT-Drucksache 16/6773

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Digitalzeitalter

Vom 23. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6773
16. Wahlperiode 23. 10. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Lothar Bisky, Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch,
Dr. Lukrezia Jochimsen, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Gregor Gysi,
Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Digitalzeitalter

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Digitalisierung des Rundfunks schreitet unabweislich voran. Vormals über
monodirektionale Verbreitungswege ausgestrahlte Sendesignale gehören heute
zunehmend der Vergangenheit an. Digitale Inhalte finden nicht nur zusätzliche
Verbreitung über IP-TV und Mobilfunk, sondern werden künftig immer öfter
ortsunabhängig, zeitsouverän und interaktiv genutzt. Das klassische Fernsehen
und mit ihm der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland stehen im Digi-
talzeitalter vor neuen Herausforderungen.

Der von der Bundesregierung mit der Europäischen Kommission geschlossene
Kompromiss im Beihilfeverfahren über die Finanzierung der öffentlich-recht-
lichen Rundfunkanstalten in Deutschland (K(2007) 1761 endg.) hatte auch auf
digitale Zusatzkanäle und neue Mediendienste Bezug genommen und die Schaf-
fung neuer Dienste nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Deutsche Bundes-
tag begrüßt diesen Kompromiss, weist jedoch zugleich darauf hin, dass die be-
sondere Aufgabenstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland
auch im Digitalzeitalter sicherzustellen ist.

Um den Bedingungen einer sich verändernden Medienwelt gerecht zu werden,
muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk die mit der Digitalisierung verbunde-
nen Entwicklungspotenziale wahrnehmen und nutzen können. Dazu dürfen ihm
keine formalen Beschränkungen in der Wahl des zu erbringenden digitalen An-
gebots auferlegt werden. Sicherzustellen gilt es jedoch, dass neu zu schaffende
digitale Aktivitäten im Rahmen des vorhandenen Budgets erfolgen und nicht
über eine Erhöhung der Rundfunkgebühr später in Rechnung gestellt werden.
Zugleich gilt es, der zunehmenden Tendenz zur Selbstkommerzialisierung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks Einhalt zu gebieten. Nur so lässt sich seine
Akzeptanz und Gebührenfinanzierung bei den Bürgerinnen und Bürgern lang-
fristig sicherstellen und die zunehmende Konkurrenzsituation zu privaten Rund-
funkanbietern aufheben.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. bei der Umsetzung des zwischen der Europäischen Kommission und der
Bundesregierung geschlossenen Kompromisses die besondere Aufgabenstel-
lung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland herauszustellen
und deutlich zu machen, dass nachfolgende Änderungen zur Erfüllung dieser

Drucksache 16/6773 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Aufgabenstellung im Digitalzeitalter erforderlich sind sowie in der Auftrags-
definition hinreichend präzise und in angemessener Beauftragung erfolgen;

2. sich gegenüber den Bundesländern dergestalt einzusetzen,

a) dass den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten keinerlei formale Be-
schränkungen in der Wahl des zu erbringenden digitalen Angebots auf-
erlegt werden,

b) dass die Schaffung neuer, digitaler Aktivitäten auf Seiten der öffentlich-
rechtlichen Sendeanstalten im Rahmen des vorhandenen Budgets bzw.
durch Einsparungen von bislang ausgeübten anderweitigen Aktivitäten
getragen wird,

c) dass die Verbreitung des öffentlich-rechtlichen Sendesignals wie auch von
zusätzlichen – über die reine Präsentation und Selbstdarstellung von öf-
fentlich-rechtlichen Sendeanstalten hinausgehenden – Programmangebo-
ten via Internet, Mobilfunk und weitere neuartige Kommunikationstech-
nologien, die zum Empfang von Rundfunk und Programmangeboten
genutzt werden können, adressiert erfolgt und die Nutzung nur registriert
möglich ist,

d) dass durch die für die Registrierung zuständige Stelle keinerlei Aufzeich-
nungen von Nutzungsverhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am
öffentlich-rechtlichen Digital- und Onlineangebot erfolgten und dies
durch die nach Landesrecht zuständigen Datenschutzbeauftragten kon-
trolliert wird,

e) dass der digitale Rundfunkempfang öffentlich-rechtlicher Sender via
Terrestrik (DVB-T), Kabel (DVB-C) und Satellit (DVB-S) weiterhin
unverschlüsselt erfolgt,

f) dass für PCs, Mobiltelefone und weitere neuartige Empfangsgeräte keine
Rundfunkgebühren erhoben werden und die entsprechenden Regelungen
im Rundfunkgebührenstaatsvertrag (Artikel 5 Abs. 3 u. Artikel 12 Abs. 2
RGebStV) gestrichen werden,

g) dass der diskriminierungsfreie Zugang und die Auffindbarkeit der öffent-
lich-rechtlichen Rundfunkveranstalter auf allen Plattformen, elektroni-
schen Programmführern und Navigationssystemen gewährleistet werden,

h) dass für Navigationssysteme offene Standards geschaffen und ein auf
Neutralität basierendes Verfahren zu ihrer Spezifikation eingeführt wer-
den,

i) dass der Prozess einer zunehmenden Selbstkommerzialisierung des öf-
fentlich-rechtlichen Rundfunks durch eine entsprechende Konkretisierung
des Programmauftrags – insbesondere durch inhaltliche Präzisierungen
der Begriffe Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung im
Rundfunkstaatsvertrag (Artikel 11 Abs. 2 RStV) – gestoppt wird,

j) dass Werbefreiheit für alle digitalen und analogen Angebote der öffent-
lich-rechtlichen Sender hergestellt wird.

Berlin, den 23. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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