BT-Drucksache 16/6724

Ehrung des Offiziers der faschistischen Luftwaffe und Mitglieds der Legion Condor, Werner Mölders, durch die Bundeswehr

Vom 10. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6724
16. Wahlperiode 10. 10. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Sevim Dag˘delen, Kersten Naumann,
Wolfgang Neskovic und der Fraktion DIE LINKE.

Ehrung des Offiziers der faschistischen Luftwaffe und Mitglieds der Legion
Condor, Werner Mölders, durch die Bundeswehr

Obwohl der Traditionserlass der Bundeswehr als Maßstab für Traditionsver-
ständnis und Traditionspflege „das Grundgesetz und die der Bundeswehr über-
tragenen Aufgaben und Pflichten“ nennt, bezieht die Bundeswehr in ihre Tradi-
tionsarbeit auch führende Angehörige der faschistischen Wehrmacht ein. Das
geschieht zum einen „inoffiziell“ etwa in der Form, wie sie der ehemalige
Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte praktiziert hat, der seiner Truppe
das „Vorbild“ der Division Brandenburg der Wehrmacht anempfahl (Bundes-
tagsdrucksache 16/5380). Zum anderen geschieht es offiziell, etwa durch die
Benennung von Kasernen nach Wehrmachtsgeneralen. Auch in der Zusammen-
arbeit mit Traditionsvereinen wird deutlich, dass die Bundeswehr keineswegs
nur solche Wehrmachtsangehörigen ehrt, die Widerstand gegen den Nazi-
faschismus geleistet haben.

Durch antifaschistischen Druck konnte erreicht werden, dass besonders verbre-
cherische Einheiten bzw. Wehrmachtsangehörige nicht mehr Bestandteil der
Traditionspflege sein dürfen. So forderte der Deutsche Bundestag am 24. April
1998 auf Antrag der Gruppe der PDS die Bundesregierung auf, „dafür Sorge zu
tragen, dass Mitgliedern der Legion Condor nicht weiter ehrendes Gedenken
z. B. in Form von Kasernenbenennungen der Bundeswehr zuteil wird.“ (Bun-
destagsdrucksache 13/10494, Protokoll der 231. Sitzung). Mit knapp sieben
Jahren Verspätung folgte auf diesen Beschluss die Umbenennung des ehema-
ligen Jagdbombergeschwaders „Mölders“ in Neuburg an der Donau. Oberst
Werner Mölders hatte als Anführer der 3. Staffel der Jagdgruppe 38 auf Seiten
der Franco-Putschisten im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft.

Im Zweiten Weltkrieg stieg Mölders zu einem Star der faschistischen
Kriegspropaganda auf. Im Juli 1941 erhielt er als erster Offizier das Ritterkreuz
mit Eichenlaub und Schwertern und Brillanten, die damals höchste deutsche
Kriegsauszeichnung.

Unmittelbar nach seinem Unfalltod im November 1941 entstanden Legenden
über seine angebliche Nähe zum Widerstand, die sich vor allem auf Mölders
christlichen Glauben berufen. Ein Gutachten des Militärgeschichtlichen For-
schungsamtes (MGFA) aus dem Jahr 2004 kommt jedoch zum Ergebnis, es
falle „schwer, sein durchaus praktiziertes Christentum als tendenziell NS-kriti-
sches, vielleicht gar als widerständiges Verhalten zu bewerten.“ Ein grundsätz-
lich regimekritisches Verhalten von Mölders sei „nicht belegbar.“

Dennoch reißen die Versuche aus dem rechten bis rechtsextremen politischen
Bereich, Mölders zu rehabiliteren, nicht ab. „Rehabilitiert Mölders!“, titelte

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etwa die Junge Freiheit am 7. Juli 2006 unter Berufung auf den Fund des Tage-
buchs eines Kaplans. Auch dieses kann jedoch kein widerständisches Verhalten
des Mölders belegen.

Dennoch finden solche Haltungen Resonanz in der Bundesregierung, vor allem
beim Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung
Christian Schmidt (CSU). Dieser ist Mitglied des Kameradenkreises der Ge-
birgstruppe, der sich bis heute nicht von seinem Ehrenvorsitzenden, dem in
Nürnberg verurteilten faschistischen Kriegsverbrecher General Hubert Lanz
distanziert hat, und er ist offenbar auch dem Wehrmachtsoffizier Mölders zuge-
neigt. Im Sommer 2006 führte Schmidt einem Bericht der „Welt“ (29. Juni
2006) zufolge aus, Mölders sei vom NS-Regime lediglich instrumentalisiert
worden; „persönlich und charakterlich zeichnet diesen Mann sehr wohl ein auf
christlicher Grundüberzeugung basierendes Wesen aus.“ In einer Stellung-
nahme vom 7. März 2005 bezeichnete Schmidt die Umbenennung des Jagdge-
schwaders als „Bildstürmerei“ (Stellungnahme des Arbeitskreises Außen- und
Sicherheitspolitik der CSU). Der noch Ende April vorhandene Link auf der zu-
gehörigen Homepage des Arbeitskreises zu „moelders.info“ ist mittlerweile
entfernt worden.

In der Truppe finden solche Bestrebungen zur Rehabilitierung des Legion-Con-
dor-Fliegers offenbar positive Resonanz. So berichtet die Neuburger Rund-
schau vom 18. Juni 2007, dass auf dem Gelände der Luftwaffenbasis Zell ein
„Mölders-Treffen“ stattgefunden habe, und zwar am „Möldersstein“, und
durchgeführt von der Mölders-Vereinigung. Dessen Vorsitzender habe angege-
ben, die Feier habe „wieder“ Mölders-Treffen genannt werden dürfen. „Auch
der Titel der Geschwaderzeitschrift ‚Der Mölderianer‘ habe seinen Namen be-
halten dürfen“, heißt es weiter in dem Zeitungsbericht. Im Offiziersheim hänge
„ein großes Mölders-Bild wieder an seinem angestammten Platz“.

Angesichts der zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr und der Auf-
stellung einer Vielzahl von Interventionsverbänden scheint der Bedarf an ein-
schlägigen Vorbildern aus der Wehrmachtsgeschichte zu wachsen. Dass Solda-
ten und Offiziere weder die Vorgabe des Traditionserlasses noch den
Bundestagsbeschluss berücksichtigen, begreifen die Fragesteller als Kampf-
ansage an die demokratische Orientierung der Bundeswehr.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Umbenennung des früheren Jagd-
geschwaders Mölders rückgängig zu machen und hierfür ggf. Initiativen im
Parlament einzuleiten?

2. Beabsichtigt die Bundesregierung, den Wehrmachts-Flieger Werner Mölders
wieder in die Traditionspflege der Bundeswehr aufzunehmen, und wenn ja,
warum?

3. Macht sich die Bundesregierung die Einschätzungen des Parlamentarischen
Staatssekretärs Christian Schmidt zu eigen, wonach Mölders lediglich vom
NS-Regime „instrumentalisiert“ worden und die Umbenennung des Möl-
ders-Geschwaders ein Akt der „Bilderstürmerei“ gewesen sei, und wenn
nein, wird die Bundesregierung Christian Schmidt darauf aufmerksam
machen, dass Mölders ein führender Offizier des Dritten Reiches war, an
dem es aus demokratischer Sicht nichts Vorbildliches gibt?

4. Ist der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt Mitglied der
Mölders-Vereinigung?

5. Hält die Bundesregierung den Parlamentarischen Staatssekretär Christian
Schmidt trotz dessen Engagement für den Mölders weiterhin für tragbar?

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6. Ist der Bundesregierung bekannt, dass Werner Mölders 1941 in einem Pri-
vatbrief schrieb: „… ich bin stolz darauf, mit meinem Geschwader im
Schwerpunkt der Kampfhandlungen eingesetzt zu sein“ (Kontraste, 1. April
2004), und sieht sie dies als Indiz für eine NS-kritische Haltung des Offi-
ziers?

7. Ist der Bundesregierung die folgende (hier aus dem Gutachten des MGFA
zitierte) vom 28. Oktober 1941 stammende Äußerung des Mölders be-
kannt: „Heute der erste erfreuliche Tag … jetzt ist der Himmel sauber von
den Russen, nachdem wir viele abgeschossen haben, und die Front kommt
nun ins Rollen“, und kann sie in dieser Bejahung des faschistischen An-
griffskrieges irgendein Anzeichen einer antifaschistischen Gesinnung er-
kennen?

8. Entspricht es den Erwartungen der Bundesregierung an die Erfüllung des
Traditionserlasses, dass Kasernenkommandanten Feiern zu Ehren nazi-
loyaler Wehrmachtsoffiziere zulassen?

9. Treffen Presseberichte (Neuburger Rundschau, 18. Juni 2007) zu, wonach
im Juni 2007 auf dem Gelände der Luftwaffenbasis Zell eine „Wieder-
sehensfeier“ unter der Bezeichnung „Mölders-Feier“ stattgefunden hat,
und wenn ja, wer hat die Erlaubnis dazu gegeben, eine solche Feier durch-
zuführen?

10. Trifft es zu, dass sich auf dem Gelände der Luftwaffenbasis ein so genann-
ter Möldersstein befindet, und wenn ja, seit wann befindet sich dieser Stein
dort?

11. Trifft es zu, dass Kommodore Oberst Uwe Klein die Erlaubnis erteilt hat,
dass im Offiziersheim ein großes Mölders-Bild wieder an seinem „ange-
stammten Platz“ aufgehängt werden durfte?

12. Beabsichtigt die Bundesregierung, den Kommodore dienstlich zu maß-
regeln und ihn über den Bundestagsbeschluss zu informieren, demzufolge
den Mitgliedern der Legion Condor „nicht weiter … ehrendes Gedenken
zuteil wird“ oder soll es nach dem Willen der Bundesregierung bei den
Mölders-Feiern der Mölders-Vereinigung am Mölders-Stein sowie beim
Mölders-Bild im Offiziersheim bleiben?

13. Hält es die Bundesregierung für angemessen und glaubwürdig, wenn dem
Vorsitzenden der Mölders-Vereinigung, Oberst a. D. Helmut Ruppert, an-
lässlich von Mölders-Feiern Zutritt zur Luftwaffenbasis gewährt wird, ob-
wohl er in Mölders ein „Vorbild“ erblickt (Neuburger Rundschau, 18. Juni
2007)?

a) Gilt dies auch angesichts der Tatsache, dass Mölders unter anderem ge-
schrieben hat: „Es ist für uns Deutsche ein herrliches Gefühl in diesem
Krieg mitzukämpfen … Dünkirchen brennt, wie ich noch nie eine Stadt
habe brennen sehen“?

b) Wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

14. Trifft es zu, dass die Geschwader-Zeitschrift weiterhin unter dem Titel
„Der Mölderianer“ erscheint, und wenn ja,

a) wer ist Herausgeber dieser Zeitschrift?

b) wie wird diese Zeitschrift in der Bundeswehr verbreitet?

15. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Zeitschrift die „Charaktereigen-
schaften und soldatischen Tugenden“ des Mölders, die ihn bekanntlich
nicht davon abgehalten haben, an vorderster Stelle den faschistischen An-
griffskrieg zu führen, als „erstrebenswerte Ideale“ bezeichnet (zitiert nach
kontraste, 7. Juni 2007), und teilt die Bundesregierung die Auffassung der

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Fragesteller, dass hierin eine Wehrmachtsverherrlichung zu sehen ist, die
nicht im Namen und nicht innerhalb von Liegenschaften der Bundeswehr
betrieben werden solle?

16. Trifft sich die Möldersvereinigung in Liegenschaften der Bundeswehr, und
wenn ja, wie häufig und wo?

17. Nutzt die Möldersvereinigung Räume in Bundeswehrliegenschaften, und
wenn ja, welche, wo und zu welchem Zweck?

18. Inwiefern wird eine Ehrung des Werner Mölders der Vorgabe des Tradi-
tionserlasses gerecht, „das Grundgesetz und die der Bundeswehr übertra-
genen Aufgaben und Pflichten“ als Maßstab zu nehmen?

19. Inwiefern berücksichtigt die Bundeswehr bei ihren Überlegungen die War-
nung des Militärhistorikers Detlev Bald, das Mölders-Engagement führen-
der Politiker sei eine „Bestärkung des Rechtsradikalismus in der Bundes-
wehr … Wenn ein Staatssekretär nun eine Politik der Wehrmachtsglättung,
der Säuberung der Wehrmacht aufgreift, dann fördert er diese Elemente“
(kontraste, 7. Juni 2007)?

20. Welchen Stellenwert haben Mölders-Ehrungen für die Bundeswehr, und
welche Bedeutung kommt ihnen für die Erfüllung des Dienstauftrages der
Soldaten zu?

Berlin, den 16. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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