BT-Drucksache 16/6710

Status der serbischen Provinz Kosovo

Vom 12. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6710
16. Wahlperiode 12. 10. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Monika Knoche, Wolfgang Gehrcke, Dr. Norman Paech, Inge
Höger, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Status der serbischen Provinz Kosovo

Seit 1999 nimmt die Bundesrepublik Deutschland mit über 2 000 Soldaten und
Soldatinnen an der UN-mandatierten KFOR-Mission (KFOR – KosovoForce)
in der serbischen Provinz Kosovo teil. Das Kosovo ist entgegen der in UN-
Resolution 1244 formulierten Anforderungen, Zielsetzungen sowie die Ver-
pflichtungen der Internationalen Gemeinschaft nicht befriedet und stabilisiert.
Es bestehen weiterhin massive gesellschaftliche, ökonomische und politische
Verwerfungen. Hinzu kommen fragwürdige strukturelle und administrative
Maßnahmen seitens der UNMIK (Mission der Vereinten Nationen zur Über-
gangsverwaltung des Kosovo), die einer Präjudizierung der Statusfrage in
Richtung Unabhängigkeit gleichkommen: Aushändigung nicht serbischer Iden-
titätsdokumente (UNMIK ID-Card, KFZ-Kennzeichen, spezielle Grüne KFZ-
Versicherungskarte), Grenzkontrollen und Zölle innerhalb des serbischen Terri-
toriums, Grenzkontrollen zwischen serbischem Territorium in der Provinz
Kosovo und den Nachbarstaaten ausschließlich durch die UNMIK und kosovo-
albanischer Institutionen, Ersetzung der serbischen Währung durch die
Deutsche Mark bzw. den Euro, eigenmächtige und entschädigungslose Priva-
tisierung staatlichen serbischen Eigentums etc.

Zugleich wird seit geraumer Zeit seitens einiger westlicher Staaten versucht,
einen anderen rechtlichen Status als den in der UN-Resolution 1244 fixierten
herbeizuführen.

Unter der Zielsetzung einer neuen Statusregelung für das Kosovo verhandelten
im Jahr 2006 bis Anfang 2007 (Wiener Verhandlungen) die unmittelbaren
Konfliktparteien (Serbien und die kosovo-albanischen politischen Repräsentan-
ten) unter Beteiligung der so genannten Kosovo-Kontaktgruppe, der NATO und
der EU.

Die Verhandlungen endeten ohne Ergebnis, da die Vorstellungen zwischen den
Konfliktparteien diametral gegensätzlichen Charakters gewesen sind. Vor die-
sem Hintergrund übergab der UN-Sonderbeauftragte Martti Ahtisaari seinen
Statusentwurf dem UN-Sicherheitsrat, damit dieser einen Entschluss fassen
möge, der jenseits einer gemeinsamen Position der Konfliktparteien läge.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen Erwägungen heraus unterstützt die Bundesregierung den so ge-
nannten Ahtisaari-Plan?

Drucksache 16/6710 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

a) Seit welchem Zeitpunkt unterstützt die Bundesrepublik Deutschland
Positionen, die im Ergebnis die Herauslösung des Kosovo aus Serbien
befürworten?

b) Seit welchem Zeitpunkt unterstützt die Bundesrepublik Deutschland
administrativ Handlungen und Entscheidungen, die die Herauslösung des
Kosovo aus Serbien präjudizieren?

c) Stellt eine Abtrennung des Kosovo von Serbien in den Augen der Bun-
desregierung eine Verschiebung von Grenzen in Südosteuropa dar?

d) Wenn nicht, wie bewertet die Bundesregierung dann die Grenzverände-
rungen?

e) Stellte eine Abtrennung des Kosovo von Serbien in den Augen der Bun-
desregierung einen völkerrechtlichen Präzedenzfall dar?

f) Wenn nicht, was macht diesen Fall einzigartig, und was kennzeichnet
hingegen einen sezessionistischen Präzedenzfall?

2. Aus welchen Erwägungen heraus verfolgt die Bundesregierung eine Posi-
tion, die im Widerspruch zur Empfehlung der Badinter-Kommission und der
Anerkennungspraxis gegenüber den jugoslawischen Nachfolgestaaten steht?

3. Welche Argumente machen eine Föderalisierung (Dezentralisierung) des
Kosovo zu Gunsten der dortigen Minderheiten zu einer sinnvolleren Lösung
als eine Föderalisierung Serbiens (substantielle Autonomie für Kosovo) zu
Gunsten der Kosovo-Albaner?

4. Wie schätzt die Bundesregierung die Rückkehrwilligkeit von Kosovoflücht-
lingen (zumeist Serben, Montenegriner und Roma) in die Nordgemeinden
für den Fall ein, das diese in Serbien verblieben?

5. Verfügt der UN-Sicherheitsrat in der Einschätzung der Bundesregierung
über die rechtliche Kompetenz, die Sezession eines Teilterritoriums eines
souveränen Staates gegen dessen Willen zu beschließen, wenn ja, auf
welcher rechtlichen Grundlage?

6. Verfügt der UN-Sicherheitsrat in der Einschätzung der Bundesregierung
über die rechtliche Kompetenz, die Sezession des zu Serbien völker- und
verfassungsrechtlich gehörenden Territoriums (Kosovo) gegen den Willen
des souveränen Staates Serbien zu beschließen, wenn ja, aufgrund welcher
konkreten rechtlichen Grundlage?

7. Würde die Bundesregierung auch eine Sezession (Ahtisaari-Plan oder andere
Optionen, die eine Sezession im Ergebnis bedeuten würden) des Kosovo von
dem souveränen Staat Serbien und gegen dessen Willen auch dann unterstüt-
zen, wenn der UN-Sicherheitsrat diese nicht beschließen würde?

a) Wenn nein, welche Optionen haben Bundesregierung und EU, gesetzt
den Fall, dass der UN-Sicherheitsrat keine Zustimmung zum Ahtisaari-
Plan oder zu anderen Optionen, die im Ergebnis eine unilaterale Abspal-
tung beinhalten, geben wird?

b) Wenn die Bundesregierung eine Sezession bei Umgehung des UN-
Sicherheitsrates befürworten würde, auf welcher rechtlichen Grundlage
geschähe dies?

c) Kann die Bundesregierung insgesamt eine detaillierte Bewertung der völ-
kerrechtlichen Dokumente UN-Resolution 1244, Militärisch-Technisches
Abkommen und eventuell sonstige Bestimmungen, die der UNMIK weit-
reichende Handlungsspielräume einräumen, vorlegen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6710

d) Kann die Bundesregierung erläutern, warum die Umsetzung des Punktes 4
Annex 2 Punkt 6 in der UN-Resolution 1244 die genannten Rechte der
Bundesrepublik Jugoslawiens bezüglich der Rückkehr jugoslawischer
bzw. serbischer Sicherheitskräfte durch die Internationale Gemeinschaft
bis dato verhindert wird?

e) Kann die Bundesregierung ausführen, auf welcher rechtlichen Grundlage
die UNMIK staatliches Eigentum ohne Zustimmung des serbischen Staates
und ohne Entschädigung gegenüber dem serbischen Staat privatisiert?

8. Wird die Bundesregierung eine Anerkennung des Kosovo nach einer mög-
lichen unilateralen Unabhängigkeitsproklamation aussprechen?

Berlin, den 10. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.