BT-Drucksache 16/6642

Gewährleistung der einheitlichen Betreuung von Arbeitslosen nach einer Kreisgebietsreform

Vom 10. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6642
16. Wahlperiode 10. 10. 2007

Antrag
der Abgeordneten Jan Mücke, Jens Ackermann, Joachim Günther (Plauen), Gisela
Piltz, Cornelia Pieper, Heinz-Peter Haustein, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Hellmut
Königshaus, Heinz Lanfermann, Markus Löning, Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael
Goldmann, Miriam Gruß, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael
Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Detlef Parr, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily,
Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Gewährleistung der einheitlichen Betreuung von Arbeitslosen nach einer
Kreisgebietsreform

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach einer Kreisgebietsreform unter Beteiligung von Landkreisen und kreis-
freien Städten, die am Optionsmodell nach § 6a des Zweiten Buches Sozialge-
setzbuch (SGB II) teilnehmen, ist eine einheitliche Betreuung von Arbeitslosen
innerhalb der neu gebildeten Kreise und kreisfreien Städte nicht mehr gewähr-
leistet, da bei Zusammenlegung von Kreisen und kreisfreien Städten mit unter-
schiedlichen Trägern der Grundsicherung Rechtsunsicherheit bezüglich der
Trägerschaft für den neu gebildeten Kreis oder die neu gebildete kreisfreie Stadt
besteht.

Eine nach Auffassung der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/4967) in
solchen Fällen unausweichlich getrennte Trägerschaft innerhalb eines Kreises
hat zur Folge, dass Kreise entstehen, in denen für die Betreuung der Arbeitslosen
je nach genauem Wohnort teilweise Arbeitsgemeinschaften nach § 44 SGB II
und teilweise nach § 6a SGB II zugelassene kommunale Träger zuständig sind.
Dies führt zu Unsicherheiten bei den betroffenen Arbeitslosen und deutlich er-
höhten Verwaltungskosten durch eine doppelte Trägerschaft innerhalb eines
Kreises.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Bundesregierung ermächtigt, die
Kommunalträger-Zulassungs-Verordnung dergestalt zu ändern, dass nach
einer Kreisgebietsreform der neu gebildete Kreis oder die neu gebildete kreis-
freie Stadt selbst entscheiden kann, ob die Zulassung als kommunaler Träger

Drucksache 16/6642 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nach § 6a SGB II auf das gesamte neu gebildete Gebiet ausgeweitet werden
soll;

2. nach erfolgter Ermächtigung durch den Deutschen Bundestag eine entspre-
chende Änderung der Kommunalträger-Zulassungs-Verordnung vorzuneh-
men.

Berlin, den 10. Oktober 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Begründung

Eine einheitliche Betreuung von Arbeitslosen innerhalb eines Kreises oder einer
kreisfreien Stadt ist grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Eingliede-
rung von Arbeitslosen in Beschäftigung. Derzeit besteht Rechtsunsicherheit be-
züglich der Betreuung von Arbeitslosen nach Kreisgebietsreformen, bei denen
sich Kreise und kreisfreie Städte zusammenschließen, die nach §6a SGB II bzw.
§44 SGB II jeweils unterschiedliche Formen der Betreuung haben.

Bei wörtlicher Auslegung der zugrunde liegenden Kommunalträger-Zulas-
sungs-Verordnung wäre die Frage der Option von der künftigen Bezeichnung
des neuen Kreises oder der neuen kreisfreien Stadt abhängig, da die zugelasse-
nen kommunalen Träger in der Anlage der Verordnung namentlich genannt wer-
den. Nach Auffassung der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/4967,
Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zur Betreuung von Arbeits-
losen in sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten nach der Kreisreform)
gilt die Zulassung dagegen nur im Umfang des Gebietes des bisher zugelassenen
alten Kreises fort.

Für diesen Fall würden nach der aktuell anstehenden Kreisgebietsreform in
Sachsen viele Kreise entstehen, in denen für die Betreuung der Arbeitslosen je
nach genauem Wohnort teilweise Arbeitsgemeinschaften nach § 44 SGB II und
teilweise nach § 6a SGB II zugelassene kommunale Träger zuständig sind.

Eine doppelte Trägerschaft innerhalb eines Kreises führt zwangsläufig zu einem
Interessenskonflikt in der Person der Landrätin oder des Landrats. Sie oder er
muss dann die Interessen zweier im Wettbewerb stehender Träger, etwa in einer
Trägerversammlung, gleichermaßen vertreten. Dies scheint kaum möglich.

Zudem ist eine geteilte Trägerschaft in vielerlei Hinsicht mit deutlich höheren
Kosten verbunden. Dies konterkariert den Sinn einer Kreisgebietsreform, die
sich insbesondere durch eine Reduzierung von Verwaltungskosten auszeichnet.
Bundesländer, die sich für den unbequemen Weg einer Kreisgebietsreform ent-
scheiden, werden durch den bisherigen § 6a SGB II, der diesen Fall nicht vor-
sieht, im Bestreben, ihre Verwaltungsstrukturen schlanker und effizienter zu ge-
stalten, behindert.

In Sachsen-Anhalt werden die ersten Probleme der geteilten Trägerschaft bereits
sichtbar. Neben der beschriebenen Rechtsunsicherheit beschäftigen die Sachsen-
Anhaltinischen Sozialgerichte bereits heute Zuständigkeitsprobleme. Schlimms-
tenfalls könnten sogar zwischenzeitlich ergangene Leistungsbescheide für
rechtswidrig erklärt werden. Die Richter der Sozialgerichte werden durch die
Unfähigkeit der Bundesregierung, klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, zusätz-
lich belastet.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6642

Ein Grund der aktuellen Kreisgebietsreformen in Sachsen-Anhalt und Sachsen
ist der jeweils zu beklagende Bevölkerungsrückgang. Vor diesem Hintergrund
ist es unabdingbar, mit der Vergrößerung der Kreise auch die Einflussbereiche
der Träger der Grundsicherung zu erweitern. Da so für die einzelnen Träger die
Anzahl der zu verwaltenden freien Stellen genauso wie die der zu vermittelnden
Arbeitslosen entsprechend höher wird, können Bildungs- und Beschäftigungs-
maßnahmen besser und das Eingliederungsbudget effizienter genutzt werden.

Nicht nur die Eingliederungskosten, auch die Verwaltungskosten würden durch
die einheitliche Betreuung der Arbeitslosen innerhalb der neu entstandenen
Kreise oder kreisfreien Städte deutlich sinken. Eine Zusammenlegung verschie-
dener Träger der Grundsicherung innerhalb eines Kreises bringt Einsparungen
im Personalbereich durch die Reduzierung doppelter Führungshierarchien,
genutzter Büroflächen, EDV-Systemen und sonstigen Verwaltungs- und Sach-
kosten.

Es ist daher notwendig, Rechtssicherheit zu schaffen und zu gewährleisten, dass
der neu gebildete Kreis oder die neu gebildete kreisfreie Stadt wenn gewünscht
als Ganzes am Optionsmodell teilnehmen kann. So würden die zusätzlichen
Kosten durch doppelte Trägerschaften vermieden und eine effizientere Einglie-
derung von Arbeitslosen ermöglicht.

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