BT-Drucksache 16/6602

Deutsche Personalpräsenz in internationalen Organisationen im nationalen Interesse konsequent stärken

Vom 10. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6602 (neu)
16. Wahlperiode 10. 10. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Eckart von Klaeden, Dr. Wolf Bauer, Anke
Eymer (Lübeck), Hartwig Fischer (Göttingen), Erich G. Fritz, Dr. Peter Gauweiler,
Hermann Gröhe, Manfred Grund, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
Joachim Hörster, Anette Hübinger, Jürgen Klimke, Hartmut Koschyk,
Eduard Lintner, Bernward Müller (Gera), Dr. Georg Nüßlein, Sibylle Pfeiffer,
Ruprecht Polenz, Dr. Norbert Röttgen, Bernd Schmidbauer, Karl-Georg Wellmann,
Willy Wimmer (Neuss), Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der
CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Detlef Dzembritzki, Gert Weisskirchen (Wiesloch),
Niels Annen, Monika Griefahn, Dr. Reinhold Hemker, Brunhilde Irber, Johannes
Jung (Karlsruhe), Hans-Ulrich Klose, Dr. Bärbel Kofler, Lothar Mark, Markus
Meckel, Ursula Mogg, Dr. Rolf Mützenich, Johannes Pflug, Otto Schily, Olaf Scholz,
Dr. Ditmar Staffelt, Uta Zapf, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Deutsche Personalpräsenz in internationalen Organisationen im nationalen
Interesse konsequent stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Einfluss internationaler Institutionen auf die Innenpolitik der Staaten
nimmt kontinuierlich zu. Zum Teil greifen sie immer tiefer und umfassender
in unser alltägliches Leben ein. Als Beispiele sind auf globaler Ebene die
Welthandelsorganisation (WTO), deren Regelsetzung und Streitschlichtung
den Welthandel auf neue Grundlagen gestellt hat, und der Internationale
Währungsfonds (IWF), der großen Einfluss auf die monetären Bedingungen
der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Schwellenländern und Län-
dern der Dritten Welt hat, zu nennen. Eine überragende Rolle für Deutschland
spielt die Europäische Union, die immer mehr nationale Regelungskompe-
tenzen von den EU-Mitgliedstaaten übertragen bekommt. So sind z. B. mit
der Einführung des Euro wesentliche Aufgaben der Deutschen Bundesbank
von der Europäischen Zentralbank übernommen worden. Auch die OECD,
die NATO und viele weitere internationale Organisationen sind zu berück-
sichtigen.
2. Deshalb ist es für die Mitgliedstaaten von großer Wichtigkeit, die Politik die-
ser Institutionen genau zu verfolgen und mitzugestalten. Die bloße Mitglied-
schaft in den institutionellen Lenkungsgremien reicht hierfür nicht aus. Zum
einen werden die Mechanismen und Inhalte heutiger Politikentscheidungen
auf internationaler Ebene immer komplexer. Ein Wissens- und Erfahrungs-
schatz ist gefordert, der häufig nur in den Institutionen selbst vorhanden ist
oder maßgeblich nur dort aufgebaut werden kann. Zum anderen ist man in-

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nerhalb der Institutionen auf kooperationsbereite Ansprechpartner angewie-
sen, wenn man sich als Mitgliedstaat frühzeitig bei der Vorbereitung und
Ausformulierung der Politik internationaler Organisationen einbringen will.

Dies erfordert erstens die Existenz eines Netzwerks von deutschen Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern in internationalen Organisationen, die im Rahmen
einer umfassenden Personalstrategie der Bundesregierung an ihre internatio-
nalen Aufgaben herangeführt und während ihrer dortigen Laufbahn zielge-
richtet gefördert werden, und zweitens einen Pool an deutschen Experten, die
in internationalen Organisationen abgeordnet werden können.

Dem widerspricht, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern und
insbesondere zu seinen finanziellen Beiträgen in vielen internationalen Orga-
nisationen quantitativ und qualitativ nicht mehr oder noch nicht angemessen
repräsentiert ist. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass vor allem bei
globalen Organisationen wie etwa der UNO der Personalanteil nicht dem
Beitragsanteil gleich gesetzt werden kann, denn sonst wären mehr als zwei
Drittel der Länder dieser Welt wegen ihrer geringen Finanzkraft kaum oder
gar nicht vertreten.

3. Die in internationalen Organisationen tätigen Deutschen müssen besser mit
der Agenda der deutschen Politik vertraut gemacht werden. Ein regelmäßig
stattfindender Dialog zwischen ihnen muss gefördert und ausgebaut werden,
wobei den deutschen Vertretungen hier eine zentrale Funktion zufällt. Nur so
können wir vom deutschen Humankapital in internationalen Organisationen
profitieren. Das schließt auch die zu verbessernde Integration von Rückkeh-
rern aus internationalen Organisationen und ihres Know-how ein.

Diese Kritikpunkte gehen Hand in Hand mit der Beobachtung, dass eine sys-
tematische Personalpolitik der Bundesregierung gegenüber internationalen
Organisationen nicht immer erkennbar ist. Vernünftige Reformansätze, wie
z. B. die Einführung des „Spiralmodells“ in der deutschen Ministerialadmi-
nistration, sind bisher im personalpolitischen Tagesgeschäft stecken geblie-
ben.

4. Dieser Antrag schließt an den Beschluss des Deutschen Bundestages von
1998 an und entwickelt ihn weiter. Die Bundesregierung hat die vom Deut-
schen Bundestag 1998 beschlossenen Forderungen weitgehend umgesetzt.
Die Einrichtung der informellen Staatssekretärsrunde „Deutsches Personal in
internationalen Organisationen“ im Bundeskanzleramt, des Koordinators für
Internationale Personalpolitik im Auswärtigen Amt und eines regelmäßig ta-
genden Ressortkreises unter Einbeziehung der Länder haben die innerdeut-
sche Koordination gestärkt. Die Einführung von Vorbereitungskursen für
Tätigkeiten bei der EU und internationalen Organisationen, die Novellierung
der Entsenderichtlinien und der Bundeslaufbahnverordnung, die Verbesse-
rung der sozialen Absicherung von Rückkehrern, die Ausweitung des Pro-
gramms für die Beigeordneten Sachverständigen, die alljährlich im Rahmen
der Botschafterkonferenz stattfindenden Diskussionen mit den Leitern der
deutschen Ständigen Vertretungen bei internationalen Organisationen („in-
ternationale Personalfragen sind Chefsache“), die Einrichtung zentraler
Datenbanken über freie Stellen („Internationaler Stellenpool“) und des „In-
ternationalen Personalpools“ für mögliche Interessenten und die Schaffung
des „Carlo Schmid Programms“ für Praktikanten haben zu messbaren quan-
titativen und qualitativen Verbesserungen geführt.

5. Diese positiven Maßnahmen müssen aber durch eine integrierte deutsche
Personalstrategie für internationale Organisationen ergänzt werden. Weiter
vorhandene Defizite in der deutschen Personalpolitik gegenüber internatio-
nalen Organisationen müssen identifiziert werden. Die vorhandenen positi-

ven Handlungsansätze sind zu einem System der Personal- und Nachwuchs-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6602 (neu)

förderung weiter zu entwickeln, das die Nutzung des Potentials der Rückkeh-
rer (des Rückkehrerkapitals) mit einbezieht. Diesen dürfen vor allem keine
beruflichen Nachteile entstehen. Am Ende müssen eine quantitativ und qua-
litativ angemessene deutsche Präsenz in internationalen Organisationen und
eine systematische Nutzung des erworbenen Wissens über die Arbeit inter-
nationaler Organisationen stehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. unter Einbeziehung der Länder eine langfristig angelegte deutsche Perso-
nalstrategie für eine verbesserte Positionierung deutschen Personals in inter-
nationalen Organisationen sowohl bezüglich Spitzenpositionen als auch im
Hinblick auf Laufbahn- und Nachwuchsbeamte auszuarbeiten und umzuset-
zen. Die Förderung von deutschen Bewerbern sowohl aus dem öffentlichen
Dienst als auch aus dem nicht öffentlichen Bereich soll weiter ausgebaut wer-
den;

2. die Koordination der Internationalen Personalpolitik innerhalb der Bundes-
regierung weiter auszubauen, damit der zukünftige Personalbedarf und die
Personalentwicklung in internationalen Organisationen fortlaufend analysiert
und die Informationsgrundlage zur stetigen Aktualisierung der unter erstens
erwähnten Personalstrategie geschaffen werden kann;

3. die Aufnahme auch von befristeter Arbeit in internationalen Organisationen
für deutsches Personal attraktiver zu machen und eine verbesserte Reintegra-
tion zurückkehrender deutscher Bediensteter aus internationalen Organisa-
tionen zu erreichen mittels

– einer konsequenteren Anwendung des „Spiralmodells“ im Bereich des öf-
fentlichen Dienstes. Die Bundesregierung wird aufgefordert aufzuzeigen,
welche Maßnahmen sie in diesem Zusammenhang zu ergreifen beabsich-
tigt, und welche Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des Models
erfüllt sein müssen;

– einer verbesserten Durchlässigkeit zwischen öffentlichem Dienst und pri-
vater Wirtschaft. Hierzu muss angestrebt werden, dass sich insbesondere
der politische und ministerielle Bereich deutlich stärker auch für solche
Rückkehrer aus internationalen Organisationen öffnet, die zuvor nicht im
öffentlichen Dienst tätig waren;

– der Entwicklung eines Konzepts zur systematischeren Nutzung der Erfah-
rung von Rückkehrern bei der Besetzung wichtiger Inlandspositionen mit
internationalem Bezug;

– einer Überprüfung, ob durch die künftige Besteuerung von Renten in
Deutschland Fälle von Doppelbesteuerung für bestimmte deutsche Per-
sonengruppen in internationalen Organisationen auftreten könnten, so
dass eine entsprechende Tätigkeit für die Betroffenen künftig weniger
attraktiv erscheinen würde;

4. in Zusammenarbeit mit den Ländern und deutschen Hochschulen eine Initia-
tive zu starten mit dem Ziel, Regelstudiengänge, postuniversitäre Kurse und
Praktika an deutschen Hochschulen stärker auf eine Tätigkeit in internationa-
len Organisationen auszurichten;

5. über das Auswärtige Amt und die Ständigen Vertretungen Deutschlands bei
internationalen Organisationen und unter Beteiligung der betreffenden Res-
sorts ein Intranetgestütztes Netzwerk mit den Deutschen in den internatio-
nalen Organisationen aufzubauen, das die Kommunikation der deutschen
Bediensteten in internationalen Organisationen untereinander, aber auch den

Dialog mit der Bundesregierung und den gegenseitigen Informationsfluss

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fördern soll, und über das beispielsweise Informationen zum zukünftigen
Personalbedarf aus der jeweiligen Organisation abgefragt werden können;

6. das Programm für beigeordnete Sachverständige als strategisches Personal-
instrument der Bundesregierung zur Erleichterung des Einstiegs deutscher
Nachwuchskräfte in internationalen Organisationen deutlich auszuweiten;

7. auch bei der NATO, besonders im NATO-Rat, bei der OECD, der EU und den
Vereinten Nationen (einschließlich der WHO) bei denen das Missverhältnis
zwischen dem deutschen Beitragsanteil und dem Personalanteil seit Jahren
wächst, auf eine bessere und hochrangige deutsche Personalpräsenz nach-
drücklich zu drängen;

8. eine stärker inhaltlich ausgerichtete Schwerpunktsetzung deutscher Politik in
internationalen Organisationen und europäischen Institutionen sicherzustel-
len, die ihrerseits Voraussetzung für eine strategisch angelegte internationale
Personalpolitik ist;

9. dem Deutschen Bundestag demnächst einen Bericht und dann folgend alle
zwei Jahre jeweils einen weiteren Bericht vorzulegen, in dem unter Berück-
sichtigung der inhaltlichen Schwerpunktsetzungen über die aktuellen Ent-
wicklungen beim deutschen Personal in internationalen Organisationen im
Vergleich zu unseren Partnerländern, bei den Rückkehrern aus internationa-
len Organisationen in die Bundes- oder Landesadministration, bei der Förde-
rung des deutschen Nachwuchses für internationale Organisationen sowie
beim Aufbau von Netzwerken mit Deutschen in internationalen Organisatio-
nen berichtet wird.

Berlin, 10. Oktober 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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