BT-Drucksache 16/6502

Ausleihe der Büste der Nofretete nach Ägypten

Vom 21. September 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6502
16. Wahlperiode 21. 09. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Sevim Dag˘delen, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Monika Knoche, Dr. Diether Dehm, Dr. Norman Paech und der Fraktion DIE LINKE.

Ausleihe der Büste der Nofretete nach Ägypten

Im April 2007 hatte die Kampagne „Nofretete geht auf Reisen“ den Kultur-
staatsminister Bernd Neumann in einem Brief aufgefordert, dem mehrfach von
ägyptischer Seite geäußerten Wunsch zu entsprechen und die Büste der Nofre-
tete für eine temporäre Ausstellung nach Ägypten auszuleihen. Der Kultur-
staatsminister lehnte eine Ausleihe mit der Begründung ab, Fachleute hätten
„ernstzunehmende konservatorische und restauratorische Bedenken gegen einen
längeren Transport“ geäußert (Presse- und Informationsamt der Bundesregie-
rung: Pressemitteilung Nr. 127).

Unterdessen nährten Äußerungen des Direktors des Ägyptischen Museums,
Prof. Dr. Dietrich Wildung, Zweifel daran, dass tatsächlich die von Kulturstaats-
minister Bernd Neumann in o. g. Zusammenhang vorgetragenen Bedenken aus-
schlaggebend waren, um eine Ausleihe abzulehnen. Gegenüber der ARD erläu-
terte er, dass die temporäre Ausleihe der Nofretete-Büste dazu angetan sei, in
Ägypten, „die Emotionen der Massen zu wecken. Dass sie Reaktionen auslösen
könnte, die sich schwer kontrollieren lassen.“ (in: Titel, Thesen, Temperamente
vom 6. Mai 2007). Die „Süddeutsche Zeitung“ zitierte den Direktor mit der Ein-
schätzung, die Büste könne im Ägyptischen Museum in Kairo eine „nicht annä-
hernd so gute Figur machen, wie das hier bei uns der Fall ist“ (SZ, 16. April
2007).

Um Zweifel auszuräumen, forderte der ägyptische Botschafter in Berlin,
S. E. Mohamed Al-Orabi, in einem Interview in der „Hauptstadtdepesche“ im
Juli eine erneute Prüfung der Transportfähigkeit der Nofretete-Büste durch eine
ägyptisch-deutsche Expertenkommission: „Wenn es um die Frage der Trans-
portfähigkeit der Büste geht, könnte man doch eine ägyptisch-deutsche
Kommission bilden. Es gibt sowohl hier als auch in Ägypten sehr gute Wissen-
schaftler. Sie könnten sich zusammensetzen und gemeinsam beraten.“ (Haupt-
stadtdepesche, Nr. 08, Juli 2007).

Unter Hinweis auf die Ausstellung „Ägyptens versunkene Schätze“, die 2006 im
Berliner Martin-Gropius-Bau gezeigt worden war, erläuterte der ägyptische
Botschafter: „Erzählen Sie mir nicht, dass [die Nofretete-Büste] zu zerbrechlich
sei. […] Ich glaube, das ist nur ein Vorwand, hinter dem sich die deutsche Re-

gierung versteckt, um sie nicht an Ägypten schicken zu müssen. Erinnern Sie
sich an die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau im letzten Jahr? Die Ausstel-
lungsstücke wurden von riesigen Flugzeugen transportiert und lagen vorher
4 000 Jahre im Wasser. Aber wir haben sie sicher hierher und auch nach Paris
und Bonn gebracht. Das bedeutet, dass durch die modernen Technologien alles
so transportiert werden kann, als wäre es kostbares Kristall. Wir transportieren

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alles von Ort zu Ort – ich glaube nicht, dass das der Grund ist, und dass manche
sagen, die Ägypter würden sie nicht wieder hergeben, ist nicht akzeptabel.“
(Hauptstadtdepesche, Nr. 08, Juli 2007).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welche konkrete Expertise beruft sich der Kulturstaatsminister Bernd
Neumann, wenn er argumentiert, Fachleute hätten „ernstzunehmende kon-
servatorische und restauratorische Bedenken gegen einen längeren Trans-
port“ geäußert?

2. Wie präzisiert die Bundesregierung die angeführten konservatorischen und
restauratorischen Bedenken?

3. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Zusiche-
rung des Direktors der Ägyptischen Antikenverwaltung in Kairo, Zahi
Hawass, die ägyptische Regierung werde „alle Garantien abgeben: sowohl
für die Rückkehr der Büste als auch für ihre Sicherheit.“ (Titel, Thesen,
Temperamente, 6. Mai 2007)?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung des ägyptischen Bot-
schafters bezüglich der technischen Möglichkeiten, die einen sicheren
Transport der Nofretete-Büste nach Ägypten ermöglichen könnten, und den
vergleichenden Verweis auf den Transport der „versunkenen Schätze“?

5. Wird die Bundesregierung dem Wunsch der ägyptischen Regierung folgen
und die Transportfähigkeit der Nofretete-Büste erneut von einer Experten-
kommission unter Beteiligung von Experten aus Ägypten prüfen lassen?

6. Wenn ja, wann ist eine solche Prüfung geplant?

Welche konkreten Vorbereitungen gibt es dazu?

7. Wenn nein, warum lehnt die Bundesregierung eine solche Prüfung ab?

8. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Direktors des Ägyptischen
Museums Prof. Dr. Dietrich Wildung, der Besuch der Nofretete-Büste könn-
te in der ägyptischen Bevölkerung Reaktionen auslösen, die sich nur schwer
kontrollieren ließen (bitte mit Begründung)?

9. Hielte die Bundesregierung gegebenenfalls dies für einen zureichenden
Grund, die Ausleihe der Büste an Ägypten abzulehnen?

10. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die ägyptische Bevölkerung, un-
abhängig aller technischen Erwägungen und restauratorischen und konser-
vatorischen Bedenken, einen historisch begründeten Anspruch auf eine leih-
weise temporäre Überlassung der Nofretete-Büste hat (mit Begründung),
und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zur Realisierung
eines solchen Anspruchs zu unternehmen?

Berlin, den 19. September 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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