BT-Drucksache 16/6455

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/5525- Entwurf eines Gesetzes zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus einschließlich einer Gebäude- und Wohnungszählung 2011 (Zensusvorbereitungsgesetz 2011 - ZensVorbG 2011)

Vom 19. September 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6455
16. Wahlperiode 19. 09. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 16/5525 –

Entwurf eines Gesetzes zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus
einschließlich einer Gebäude- und Wohnungszählung 2011
(Zensusvorbereitungsgesetz 2011 – ZensVorbG 2011)

A. Problem

1. Die letzten Volkszählungen fanden in der Bundesrepublik Deutschland im
Jahre 1987 und in der DDR im Jahre 1981 statt. Da die fortgeschriebenen Be-
völkerungszahlen und die darauf aufbauenden Statistiken mit wachsendem
Abstand zur letzten Volkszählung immer ungenauer werden, ist eine Neujus-
tierung der statistischen Datenbasis durch eine neue Volkszählung erforder-
lich. Nur mit einer neuen Volkszählung („Zensus“) lassen sich verlässliche
Bevölkerungszahlen und weitere Grunddaten für politische und wirtschaftli-
che Entscheidungen und Planungen in Deutschland erreichen.

Die Europäische Union wird gemeinschaftsweite Volks- und Wohnungszäh-
lungen für das Jahr 2011 durch eine Verordnung des Europäischen Parla-
ments und des Rates über Volks- und Wohnungszählungen (Zensusverord-
nung) vorschreiben. Die entsprechende Verordnung wird voraussichtlich
2007 von Rat und Europäischem Parlament erlassen.

2. Um die Belastungen für die Befragten und die Kosten möglichst gering zu
halten, soll die Volkszählung erstmalig nicht mehr im Wege einer Befragung
aller Einwohner, sondern im Wesentlichen „registergestützt“, d. h. im Wege
der Auswertungen der Melderegister und anderer Verwaltungsregister,
durchgeführt werden. Befragungen sollen lediglich ergänzend erfolgen. Auf
diese Weise lassen sich die Kosten im Vergleich zu einer herkömmlichen
Volkszählung auf rund ein Drittel zurückführen.

3. Die Durchführung des registergestützten Zensus im Jahre 2011 bedarf recht-
zeitiger und umfangreicher organisatorischer Vorbereitungen. Vorab muss

ein Anschriften- und Gebäuderegister aufgebaut werden, ohne das der regis-
tergestützte Zensus nicht durchgeführt werden kann. Das Register ist auch für
den Nachweis raumbezogener Zensusergebnisse unterhalb der Gemeinde-
oder Stadtteilebene erforderlich. Der Aufbau des Anschriften- und Gebäude-
registers bedarf einer gesetzlichen Grundlage.

Drucksache 16/6455 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Die Europäische Union wird im Rahmen der Zensusverordnung von den Mit-
gliedstaaten auch Angaben zu den Merkmalen „Geburtsort“ und „Geburts-
staat“ der Einwohnerinnen und Einwohner nach aktuellem Gebietsstand bzw.
Gebietsstand zur Zeit der Geburt fordern. Der Aufbau eines dazu erforderli-
chen Ortsverzeichnisses ist sehr aufwändig und muss daher rechtzeitig vor
der Durchführung des registergestützten Zensus abgeschlossen sein. Für den
Aufbau des Verzeichnisses zum Geburtsort und Geburtsstaat müssen die in
den Melderegistern gespeicherten Geburtsortangaben genutzt werden. Die
dafür erforderliche Datenübermittlung der Meldebehörden bedarf einer ge-
setzlichen Grundlage.

B. Lösung

Mit dem Zensusvorbereitungsgesetz 2011 werden die rechtlichen Voraussetzun-
gen für die rechtzeitige Vorbereitung des für das Jahr 2011 vorgesehenen regis-
tergestützten Zensus gelegt. Das Gesetz regelt den Inhalt des Anschriften- und
Gebäuderegisters sowie des Verzeichnisses zum Geburtsort und Geburtsstaat.
Es legt fest, welche Daten die Landesvermessungsbehörden, die Meldebehör-
den, die Bundesagentur für Arbeit sowie weitere Beteiligte dem Statistischen
Bundesamt und den statistischen Ämtern der Länder zum Aufbau des Registers
sowie des Ortsverzeichnisses zu übermitteln haben.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Erstellung und Führung des Anschriften- und Gebäuderegisters könnten bei den
statistischen Ämtern der Länder statt beim Statistischen Bundesamt erfolgen.
Das Gesetz weist dem Statistischen Bundesamt diese Aufgabe zu, um einen frü-
hen Beginn der Vorarbeiten und einen zeitgerechten Abschluss der Arbeiten zu
ermöglichen.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Keine

2. Vollzugsaufwand

Nach einer mit den statistischen Ämtern der Länder abgestimmten Kostenkalku-
lation des Statistischen Bundesamtes entstehen bei Bund und Ländern für die
Durchführung dieses Gesetzes Gesamtkosten in Höhe von 176,276 Mio. Euro;
davon entfallen auf den Bund 39,276 Mio. Euro, auf die Länder 137 Mio. Euro.

E. Sonstige Kosten

Durch das Gesetz entstehen für die Versorgungs- und die Entsorgungsbetriebe
geringfügige Kosten. Im Übrigen entstehen für die Wirtschaft, insbesondere für
mittelständische Unternehmen, keine Kosten.

Auswirkungen auf die Einzelpreise und auf das Preisniveau, insbesondere das
Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6455

F. Bürokratiekosten

1. Informationspflichten für die Wirtschaft

Es wird eine Informationspflicht gemäß § 10 Abs. 2 für die Versorgungs- und
die Entsorgungsbetriebe eingeführt. Diese haben den statistischen Landes-
ämtern auf Anforderung Namen und Anschriften der Wohnungseigentümer zu
übermitteln. Die Versorgungs- und die Entsorgungsbetriebe gehören nach § 10
Abs. 2 zu den Stellen, die neben anderen Stellen aus der öffentlichen Verwaltung
diese Daten liefern können. Aufgrund der Erfahrungen im Zensustest ist damit
zu rechnen, dass ein Drittel der Bundesländer diese Quellen wegen der Qualität
und Aktualität der Daten nutzen wird, im Übrigen aber auf andere Stellen zu-
rückgreifen wird.

Bei den Informationspflichten kann seitens der betroffenen Unternehmen auf
vorhandene Daten zurückgegriffen werden. Da es sich um eine einmalige Über-
mittlung handelt, ist nur mit geringen Kosten zu rechnen. Die Kosten der An-
schriftenbeschaffung können wie folgt geschätzt werden:

Der Aufwand der Versorgungs- bzw. Entsorgungsbetriebe (drei Stunden Ar-
beitsaufwand bei einem Stundensatz von 18,16 Euro für jeweils 20 833 Un-
ternehmen, davon 11 847 Versorgungsbetriebe und 8 986 Entsorgungsbetriebe)
beträgt vermutlich insgesamt ca. 190 000 Euro unter der Annahme, dass nur ein
Drittel der Länder die Quellen bei einem Versorgungs- oder Entsorgungsbetrieb
nutzen wird.

2. Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger

Keine

3. Informationspflichten für die Verwaltung

Es werden Datenübermittlungspflichten der Vermessungsbehörden (§ 4), der
Meldebehörden (§ 5), der Bundesagentur für Arbeit (§ 6) sowie der für die
Grundsteuer, für die Führung der Grundbücher und die Führung der Liegen-
schaftskataster nach Landesrecht zuständigen Stellen und der Finanzbehörden
(§ 10) begründet.

Drucksache 16/6455 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/5525 mit folgenden Maßgaben, im Übri-
gen unverändert anzunehmen:

1. § 5 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 2 wird das Wort „Gemeindeeigener“ durch die Wörter „Sofern
vorhanden, der gemeindeeigene“ ersetzt.

b) In Nummer 7 wird das Wort „Staatsangehörigkeit“ durch „Staatsangehö-
rigkeiten“ ersetzt.

2. § 10 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 2 werden nach dem Wort „Angaben“ die Wörter „, soweit
möglich elektronisch,“ eingefügt.

b) Dem Absatz 2 wird folgender Satz 2 angefügt:

„Das Steuergeheimnis nach § 30 der Abgabenordnung steht der Auskunft
nicht entgegen.“

Berlin, den 19. September 2007

Der Innenausschuss

Sebastian Edathy
Vorsitzender

Kristina Köhler (Wiesbaden)
Berichterstatterin

Maik Reichel
Berichterstatter

Christian Ahrendt
Berichterstatter

Jan Korte
Berichterstatter

Silke Stokar von Neuforn
Berichterstatterin

tember 2007 den Gesetzentwurf abschließend beraten.
Verwaltung nicht dazu führen dürfe, „den Bürger in seiner
ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren“
Als Ergebnis der Beratungen wurde der Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 16/5525 in der
Fassung des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf
Ausschussdrucksache 16(4)239 mit den Stimmen der Frak-

(a.a.O. S. 57). Dem ebenfalls im Volkszählungsurteil von
1983 aufgestellten Gebot der strikten Trennung von statis-
tischer Erhebung und Verwaltungsvollzug soll dadurch
Rechnung getragen werden, dass auch bei auftauchenden
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/6455

Bericht der Abgeordneten Kristina Köhler (Wiesbaden), Maik Reichel, Christian
Ahrendt, Jan Korte und Silke Stokar von Neuforn

I. Zum Verfahren

1. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/5525 wurde am
14. Juni 2007 in der 103. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages an den Innenausschuss federführend sowie an den
Rechtsausschuss, den Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung und den Haushaltsausschuss gemäß § 96
GO-BT zur Mitberatung überwiesen.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Rechtsausschuss hat in seiner 73. Sitzung am 19. Sep-
tember 2007 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs in der
Fassung des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen der
CDU/CSU und SPD empfohlen.

Der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP wurde mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
abgelehnt.

Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
hat in seiner 45. Sitzung am 19. September 2007 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des Ände-
rungsantrags der Koalitionsfraktionen empfohlen.

Der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP wurde mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion DIE
LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abge-
lehnt.

Der Haushaltsausschuss wird seinen Bericht gemäß § 96
GO-BT gesondert abgeben.

3. Beratungen im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat in seiner 46. Sitzung am 4. Juli 2007
einstimmig die Durchführung einer öffentlichen Anhörung
beschlossen. Die öffentliche Anhörung mit acht Sachver-
ständigen hat der Innenausschuss in seiner 48. Sitzung am
17. September 2007 durchgeführt. Hinsichtlich des Ergeb-
nisses wird auf das Protokoll der 48. Sitzung des Innenaus-
schusses vom 17. September 2007 verwiesen.

Der Innenausschuss hat in seiner 49. Sitzung am 19. Sep-

und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen. Zuvor
wurde der Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache
16(4)239 mit demselben Stimmergebnis angenommen.

Der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Aus-
schussdrucksache 16(4)261 wurde mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die
Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN abgelehnt.

Der Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag anerkennt die Notwendigkeit einer
neuen Volkszählung. Die letzten Volkszählungen fanden
1987 bzw. in der DDR 1981 statt. Seitdem haben sich die
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingun-
gen erheblich geändert. Die fortgeschriebenen Volkszäh-
lungszahlen und die darauf aufbauenden Statistiken sind mit
zunehmendem zeitlichem Abstand immer ungenauer gewor-
den. Genaue Zahlen sind jedoch für ein planmäßiges und
nachvollziehbares staatliches Handeln unverzichtbar. Das
gilt namentlich für den Finanzausgleich und für Planungs-
entscheidungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem
Bau neuer Schulen, Krankenhäuser und Einrichtungen für
ältere Menschen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Entscheidung für einen
registergestützten Zensus. Bei dieser Art der Erhebung von
Daten auf der Grundlage von Verwaltungsregistern werden
der Datenschutz und das Statistikgeheimnis besser gewahrt
als bei einer herkömmlichen Volkszählung in Form einer
Vollerhebung. Hinzu kommt die Entlastung der Bevölkerung
von Auskunftspflichten und eine erhebliche Kostenreduzie-
rung gegenüber einer Totalerhebung, da nur ein Teil der Ein-
wohner befragt wird.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass sich das Verfahren
auf wenige Merkmale und wenige Register beschränkt und
insbesondere ohne ein Personenkennzeichen auskommt. Auf
diese Weise trägt der Gesetzentwurf dem Volkszählungsurteil
von 1983 Rechnung. Seinerzeit hatte das Bundesverfas-
sungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert, sich bei künfti-
gen Entscheidungen über derartige Erhebungen „mit dem
dann erreichten Stand der Methodendiskussion“ auseinan-
der zu setzen, um festzustellen, ob und in welchem Umfang
die herkömmlichen Methoden der Informationserhebung
und -verarbeitung beibehalten werden können (BVerfGE 65,
S. 1 ff, S. 55). Zugleich hatte es festgestellt, dass die Über-
nahme von Daten aus bereits vorhandenen Registern der
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP

Unstimmigkeiten keine Einzeldaten aus dem Bereich der sta-
tistischen Ämter an die Meldebehörden gegeben werden dür-

Drucksache 16/6455 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

fen. Vielmehr sieht das Gesetz vor, dass nur „Anschriftenbe-
reiche“, zu denen Anhaltspunkte auf unvollständige oder
fehlerhafte Daten vorliegen, übermittelt werden. Ein Ab-
gleich oder Nachforschungen der Meldebehörden vor Ort
sind ausgeschlossen. Der Deutsche Bundestag begrüßt in
diesem Zusammenhang den Verzicht auf die vom Bundesrat
geforderte Möglichkeit, Einzelprüfungen durchzuführen, um
die Richtigkeit der Meldedaten zu gewährleisten. Eine sol-
che Möglichkeit wäre im Hinblick auf das Trennungsgebot
datenschutzrechtlich bedenklich. Einzelprüfungen sind dar-
über hinaus auch statistikfachlich nicht erforderlich, worauf
die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellung-
nahme des Bundesrates zu Recht hinweist.

Der Deutsche Bundestag nimmt die gegen die im Gesetzent-
wurf vorgesehene so genannte Georeferenzierung der Ge-
bäude im Adress- und Gebäuderegister vorgebrachten da-
tenschutzrechtlichen Bedenken ernst. Der Gesetzentwurf
sieht vor, dass in das Adress- und Gebäuderegister auch
Koordinatenwerte einschließlich Qualitätskennzeichen (Ge-
bäudekoordinaten) aufgenommen werden können. Auf diese
Weise sollen die Voraussetzungen für eine kleinräumige Aus-
wertung geschaffen werden. Hierin sehen Sachverständige
die Gefahr einer Personenbeziehbarkeit bzw. individuellen
Profilbildung sowie die Gefahr der Nutzung der Daten zu
Score- und Ratingverfahren. Insofern ergibt sich die Not-
wendigkeit, die Interessen der Nutzer amtlicher Statistiken
an detaillierten statistischen Informationen einerseits und
das grundrechtlich geschützte Recht des Einzelnen auf Pri-
vatheit und Anonymität andererseits zu einem gerechten
Ausgleich zu führen.

Der Deutsche Bundestag betont die Notwendigkeit einer ein-
heitlichen Vorgehensweise bei Vorbereitung und Durchfüh-
rung des Zensus in Bund, Ländern und Gemeinden. Nur
wenn der Zensus in allen Bundesländern nach einheitlichem
Verfahren und in gleicher Qualität durchgeführt wird, wer-
den belastbare und vor allem gerichtsfeste Ergebnisse zu er-
zielen sein. Dies ist unverzichtbar, da der Zensus – wie schon
die Volkszählung 1987 – zu erheblichen Veränderungen beim
Länderfinanzausgleich und beim kommunalen Finanzaus-
gleich führen wird. Es ist deshalb davon auszugehen, dass
eine Reihe von Gemeinden die Ergebnisse des Zensus 2011
angreifen werden. Auch bei der Volkszählung 1987 gab es
eine Vielzahl von Widersprüchen und Klagen der Gemein-
den, die allerdings in nahezu allen Fällen wegen des Nach-
weises der Einheitlichkeit des Zählverfahrens abgewiesen
wurden.

Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass auch der vorliegen-
de Gesetzentwurf die Frage eines möglichen Verstoßes ge-
gen das Verbot der Übertragung von Aufgaben auf die
Gemeinden gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 7 des Grundgesetzes
aufgeworfen hat. So wurde vorgebracht, der Gesetzentwurf
verstoße gegen das Aufgabenübertragungsverbot, da be-
stimmte Aufgaben von den nach Landesrecht für das Melde-
wesen zuständigen Stellen (Meldebehörden) wahrzunehmen
seien. In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bun-
desrates stellte sich die Bundesregierung auf den Stand-
punkt, dass kein Verstoß gegen das Aufgabenübertragungs-
verbot vorliege. Zwar würden bestimmte Pflichten für die
nach Landesrecht für das Meldewesen zuständigen Stellen

desrecht zuweisen, gerade nicht bundesrechtlich vorgege-
ben; sie erfolge allein durch Landesrecht. Die Regelung
knüpfe lediglich an die landesrechtliche Aufgabenverteilung
an. Insofern finde die Aufgabenübertragung durch den je-
weiligen Landesgesetzgeber, nicht aber durch den Bundes-
gesetzgeber statt. Diese erneute Diskussion zeigt, dass das
mit der Föderalismusreform eingeführte Aufgabenübertra-
gungsverbot immer wieder zu Auslegungsfragen führt und
sich ganz offensichtlich in der Praxis nicht bewährt. Es ist
deshalb durch eine Konnexitätsregelung abzulösen, die si-
cherstellt, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber Bestim-
mungen über die Deckung der Kosten zu treffen hat, wenn er
die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder
auf Grund eines Gesetzes zur Erfüllung bestimmter Aufga-
ben verpflichtet.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. im weiteren Verlauf der Zensusvorbereitung das Zensus-
vorbereitungsgesetz 2011 fortlaufend daraufhin zu evalu-
ieren, inwieweit es geeignet ist, das Ziel, Statistik und
Verwaltung strikt zu trennen, zu erreichen;

2. im Entwurf eines Zensusanordnungsgesetzes das System
der so genannten Georeferenzierung so zu regeln, dass
eine Verwendung der georeferenzierten statistischen Er-
gebnisse für Zwecke der individuellen Profilbildung und
ihrer Nutzung zu Score- und Ratingverfahren ausge-
schlossen und ein vernünftiger Ausgleich zwischen den
Interessen der Nutzer amtlicher Statistiken an möglichst
detaillierten statistischen Informationen und dem grund-
rechtlich geschützten Recht des Einzelnen auf Privatheit
und Anonymität herbeigeführt wird;

3. die Verwaltungspraxis fortlaufend auf ihre Einheitlich-
keit hin zu beobachten und erforderlichenfalls im Ent-
wurf eines Zensusanordnungsgesetzes Regelungen vor-
zusehen, die die Einheitlichkeit der Durchführung des
Zensus sicherstellen;

4. einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den das grund-
gesetzliche Verbot der Übertragung von Aufgaben durch
Bundesgesetz auf Gemeinden und Gemeindeverbände
durch eine Konnexitätsregelung ersetzt wird, die sicher-
stellt, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber Bestim-
mungen über die Deckung der Kosten zu treffen hat, wenn
er die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz
oder auf Grund eines Gesetzes zur Erfüllung bestimmter
Aufgaben verpflichtet.

II. Begründung
1. Zur Begründung allgemein wird auf Bundestagsdruck-
sache 16/5525 hingewiesen. Die vom Innenausschuss auf
Grundlage des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen
auf Ausschussdrucksache 16(4)239 vorgenommenen Ände-
rungen begründen sich im Wesentlichen wie folgt:

Der Änderungsantrag übernimmt die in der Stellungnahme
des Bundesrates vom 11. Mai 2007 (Bundesratsdrucksache
222/07) enthaltenen Änderungsvorschläge 2, 3, 8 und 9.

Zu Nummer 1a (Änderung § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2)
(Meldebehörden) aufgestellt, doch sei die Frage, ob die Län-
der den Gemeinden die Aufgabe Meldebehörde durch Lan-

Die Änderung stellt klar, dass entsprechende Angaben nur zu
übermitteln sind, sofern sie bei den Meldebehörden vorliegen.

2011 erfolge. Dessen Durchführung sei vor allem deshalb
wichtig, da zahlreiche Gesetze auf die amtlichen Einwohner-
zahlen verwiesen, die nur auf diese Weise festgestellt werden
könnten und die dann auch beispielsweise beim Länder- und
kommunalen Finanzausgleich und bei der Wahlkreiseintei-
lung als maßgebliche Bemessungsgrundlagen dienten. In der
Sachverständigenanhörung sei man sich einig gewesen, dass
die neue Methode eines registergestützten Zensus richtig sei,
da sie die Bürger weniger belaste, als eine Vollerhebung und
eine hinreichende Genauigkeit aufweisen werde. Die Sach-
verständigen hätten zudem keine datenschutzrechtlichen
Bedenken gegenüber dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf
geäußert, der sich mit großer Sensibilität an der Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts orientiere. Auf die im
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP angesprochenen
Punkte habe die Bundesregierung im Wesentlichen bereits
reagiert. Einzelfragen der Finanzierung und der Zensus-
durchführung könnten noch zu einem späteren Zeitpunkt
geregelt werden.

dem Entschließungsantrag der FDP seien zwar inhaltlich
richtig, der Antrag gewähre der Regierung aber zu Unrecht
einen Vertrauensvorschuss. Die Fraktion DIE LINKE. müsse
den Gesetzentwurf aus diesen Gründen ablehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht im
Lichte der Sachverständigenanhörung ebenfalls deutliche
Mängel im vorliegenden Entwurf des Zensusvorbereitungs-
gesetzes. Es müsse sichergestellt sein, dass der Zensus im
Ergebnis zu einer gerichtsfesten Bestimmung der Einwoh-
nerzahl Deutschlands führe. Dies sei aber zweifelhaft, da
bislang keine Bundeseinheitlichkeit der Datenerhebung ge-
sichert und zudem die Finanzierung nicht geklärt sei. Mit
dem nicht ausgereiften Gesetzentwurf riskiere man neben
einer Klageflut von betroffenen Ländern und Kommunen
auch schlechte, nicht verwertbare Ergebnisse. Auch wenn
sie dem Zensus grundsätzlich nicht ablehnend gegenüber-
stehe, werde die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
deshalb dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Berlin, den 19. September 2007

Kristina Köhler (Wiesbaden)
Berichterstatterin

Maik Reichel
Berichterstatter

Christian Ahrendt
Berichterstatter

Jan Korte
Berichterstatter

Silke Stokar von Neuforn
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/6455

Zu Nummer 1b (Änderung § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7)

Da nach dem Melderechtsrahmengesetz die Nennung meh-
rerer Staatsangehörigkeiten möglich ist, sollen diese bei Vor-
liegen auch übermittelt werden.

Zu Nummer 2a (Änderung § 10 Abs. 1 Satz 2)

Die Übermittlung der Angaben sollte soweit möglich elek-
tronisch erfolgen.

Zu Nummer 2b (Ergänzung § 10 Abs. 2)

Die Ergänzung stellt klar, dass die Offenbarung von Verhält-
nissen, die vom Steuergeheimnis umfasst sind, zum Zwecke
der Vorbereitung des Zensus ausdrücklich zugelassen ist.

2. Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD be-
tonen, dass mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ein
notwendiger Schritt zur Vorbereitung des Zensus im Jahr

Die Fraktion der FDP verweist einleitend auf ihren Ent-
schließungsantrag und betont, dass die Anhörung der Sach-
verständigen Risiken der Zensusvorbereitung und - durchfüh-
rung aufgezeigt habe. Es sei vor allem zu befürchten, dass
die Datenerhebung in Bund und Ländern nicht einheitlich er-
folgen werde. Der Bundesrat habe insofern Vorschläge zur
Problemlösung gemacht, denen leider nur zum Teil gefolgt
worden sei. Angesichts der Bedeutung des Zensus und der
erheblichen Kosten ergebe es keinen Sinn, übereilt ein Ge-
setz zu beschließen, das Klagen provoziere. Die Fraktion der
FDP könne dem Gesetzentwurf in dieser Form und zu die-
sem Zeitpunkt daher nicht zustimmen.

Die Fraktion DIE LINKE. teilt zwar die Einschätzung,
dass ein registergestützter Zensus sinnvoller sei als eine
Vollerhebung. Auch nach der Sachverständigenanhörung sei
allerdings keineswegs geklärt, dass eine Volkszählung über-
haupt so dringend erforderlich sei, wie dies suggeriert werde.
Entscheidender Kritikpunkt seien die im Gesetzentwurf vor-
gesehene Georeferenzierung und die noch nicht gewährleis-
tete Möglichkeit der Anonymisierung. Die Forderungen aus

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.