BT-Drucksache 16/6398

Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria stärken

Vom 19. September 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6398
16. Wahlperiode 19. 09. 2007

Antrag
der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, Hartwig
Fischer (Göttingen), Anette Hübinger, Jürgen Klimke, Bernward Müller (Gera),
Dr. Georg Nüßlein, Antje Blumenthal, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und
der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Christel Riemann-Hanewinckel, Dr. Sascha Raabe,
Gabriele Groneberg, Reinhold Hemker, Stephan Hilsberg, Dr. Bärbel Kofler, Walter
Riester, Andreas Weigel, Dr. Wolfgang Wodarg, Elvira Drobinski-Weiß, Detlef
Dzembritzki, Iris Hoffmann (Wismar), Walter Kolbow, Lothar Mark, Heinz Schmitt
(Landau), Olaf Scholz, Frank Schwabe, Dr. Ditmar Staffelt, Jörg Vogelsänger,
Hedi Wegener, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

HIV/Aids, Tuberkulose (TB) und Malaria sind global die drei verheerendsten
behandelbaren Infektionskrankheiten unserer Zeit und kosten zusammenge-
nommen jedes Jahr sechs Millionen Menschen das Leben. Es besteht ein enger
Zusammenhang zwischen den drei Krankheiten: Einerseits verbreiten sich TB
und Malaria schneller, weil es HIV/Aids gibt; andererseits ist die Wahrschein-
lichkeit eines HIV-bezogenen Krankheitsausbruchs sehr viel höher bei Men-
schen, die an TB oder Malaria erkrankt sind.

In den letzten Jahren gab es vielversprechende Entwicklungen bei den welt-
weiten Bemühungen, die Aids-Pandemie zu bekämpfen. Dennoch steigen die
Infektionsraten ebenso wie die Zahl der durch Aids verursachten Todesfälle
weiter an. Allein 2006 verursachte HIV/Aids 2,9 Millionen Todesfälle, davon
waren 530 000 Kinder unter 15 Jahren. Ungefähr 95 Prozent der Menschen, die
unter HIV/Aids leiden, leben in Entwicklungsländern, fast zwei Drittel von
ihnen in Afrika südlich der Sahara.

40 Prozent aller Neuinfektionen betreffen junge Menschen zwischen 15 und
24 Jahren, wobei eine alarmierend hohe Zahl von Neuinfektionen bei jungen
Frauen und Mädchen zu verzeichnen ist. Heute betreffen weltweit 50 Prozent
aller HIV-Infektionen Frauen, in Afrika südlich der Sahara sind es fast 60 Pro-
zent. Es gibt zahlreiche und komplexe Gründe für diesen neuen Trend der

Feminisierung, wobei vor allem soziale, kulturelle und wirtschaftliche Faktoren
eine Rolle spielen. Frauen fehlen oft der Zugang zu Informationen, Präven-
tionsmethoden, Bildung sowie die Möglichkeit zur Teilhabe an politischen Ent-
scheidungsprozessen. Sie haben meist nur einen niedrigen sozialen Status und
tragen einen ungleich höheren Teil der Armutslast. Viele Frauen, die infiziert
werden oder Gefahr laufen, sich zu infizieren, praktizieren kein risikoreiches
Verhalten, sondern sind verheiratet oder leben in einer monogamen Beziehung.

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Sie sind hauptsächlich durch das Verhalten anderer, ihre begrenzte Autonomie
und andere äußere Faktoren, die sie nicht kontrollieren können, gefährdet.

Gerechte und armutsorientierte Gesundheitssysteme, die zugänglich sind und
nachhaltig erschwingliche und qualitativ hochwertige Dienste bieten, sowie gut
ausgebildetes Gesundheitspersonal sind im Kampf gegen die drei Krankheiten
entscheidend. Leider ist die Personalkrise im Gesundheitswesen von globalem
Ausmaß, wobei 75 Länder weniger als 2,5 Mitarbeiter im Gesundheitswesen pro
1 000 Einwohner aufweisen. Afrika ist der Kontinent mit der größten Personal-
knappheit im Gesundheitswesen. Kernprobleme dafür sind mangelhafte Aus-
bildung, mangelnde Kapazitätenentwicklung, schlechte Arbeitsbedingungen, ein
Mangel an Anreizen zum Arbeiten in unterversorgten und von Armut geprägten
Gegenden, das Fehlen sozialer Absicherung, hohe Mobilität des Gesundheits-
personals und besonders der Brain-Drain in entwickelte Länder. Diese Probleme
tragen dazu bei, das Personal aus den Gegenden mit dem höchsten Bedarf in
städtische Gebiete mit besseren Chancen, in reichere Nachbarländer oder in res-
sourcenreiche Länder abzuziehen. Gesundheitsprobleme wie die HIV/Aids-Pan-
demie belasten die Gesundheitssysteme und Gesundheitsversorgung zusätzlich.

Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria
(GFATM) wurde im Jahr 2002 als Public-Private-Partnership gegründet, um
zusätzliche finanzielle Ressourcen im Kampf gegen HIV/Aids, Tuberkulose
und Malaria zu mobilisieren und möglichst wirkungsvoll zu verteilen. Seit sei-
ner Errichtung hat der Globale Fonds sich zu einem der wichtigsten Instru-
mente zur Bekämpfung der drei Krankheiten entwickelt. Von besonderer Be-
deutung für den Fonds wird die vom 26. bis 28. September 2007 in Berlin statt-
findende entscheidende Konferenz der zweiten Wiederauffüllungsrunde sein,
bei der eine deutliche Steigerung der finanziellen Zusagen, auch von deutscher
Seite, erreicht werden soll.

Im Rahmen der deutschen G8-Präsidentschaft ist der Kampf gegen die drei
Krankheiten ein Thema von besonders hoher Bedeutung. Die G8 haben sich
verpflichtet, 60 Mrd. USD (44 Mrd. Euro) zur Bekämpfung von HIV/Aids,
Tuberkulose, Malaria sowie zur Stärkung der Gesundheitssysteme zur Verfü-
gung zu stellen. Deutschland soll hierzu bis 2015 4 Mrd. Euro beitragen. Die
G8 haben sich zudem bereit erklärt, den Globalen Fonds auf der Grundlage der
prognostizierten Nachfragesteigerungen mit berechenbaren und langfristigen
Beiträgen aufzufüllen.

Die G8 haben die besondere Bedeutung der Rechte von Frauen und Mädchen
hervorgehoben und zugesagt, ihrer Situation im Kontext von HIV/Aids in be-
sonderem Maße Rechnung zu tragen, u. a. über den GFATM sowie mittels ge-
zielter Maßnahmen im Bereich der reproduktiven Gesundheit und der Bildung.
Mit diesen Zusagen wie auch durch eine koordinierte Zusammenarbeit mit
WHO, UNAids, GFATM, UNFPA, Weltbank und anderen wichtigen Akteuren
sowie den afrikanischen Partnern gehen die G8 einen wichtigen Schritt hin zur
Umsetzung des Ziels des „Universalen Zugangs zu Prävention, Behandlung
und Pflege bis 2010“. Insbesondere werden die G8 ihre afrikanischen Partner-
länder bei der Entwicklung und Stärkung der Gesundheitssysteme unterstützen,
damit angemessene Gesundheitsdienste, auch für arme und gefährdete Gruppen
wie Frauen und Kinder, verfügbar werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Bemühungen zu intensivieren, um das Ziel des allgemeinen Zugangs zu
HIV/Aids-Prävention, Behandlung, Betreuung und Unterstützung in Afrika
zu erreichen und in den nächsten Jahren durch bilaterale und multilaterale
Anstrengungen weltweit bestehende nationale HIV/Aids-Programme und
zusätzliche Programme für die lebensrettende antiretrovirale Behandlung für

etwa fünf Millionen Menschen zu unterstützen, um 24 Millionen neue Infek-
tionen zu verhindern;

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2. einen erheblichen Beitrag zur Verwirklichung des Zieles zu leisten, bis 2010
eine universelle Abdeckung der PMTCT- Programme (medikamentöse Ver-
hütung der Übertragung von HIV von Mutter auf Kind bei Geburt) zu er-
reichen;

3. einen wesentlichen Beitrag zu leisten, um das Ziel einer pädiatrischen HIV/
Aids-Behandlung im Zusammenhang mit der Verwirklichung des all-
gemeinen Zugangs bis 2010 zu erreichen;

4. die Anstrengungen im Bereich der Mutter-Kind-Gesundheitsfürsorge und
freiwilligen Familienplanung zu intensivieren;

5. ihre Anstrengungen zum Aufbau und zur Stärkung von Gesundheits-
systemen zu verstärken, so dass Gesundheitsdienste, insbesondere Basis-
gesundheitsdienste, nachhaltig und mit gleichberechtigtem Zugang für alle
zur Verfügung stehen;

6. bis zum Jahr 2015 einen Beitrag von vier Mrd. Euro im Kampf gegen HIV/
Aids, Tuberkulose und Malaria zu leisten;

7. einen angemessenen deutschen Beitrag in der aktuellen Wiederauffüllungs-
runde des GFATM zu leisten, deren entscheidende Sitzung vom 26. bis
28. September 2007 in Berlin stattfinden wird, und für eine langfristige
berechenbare Finanzierung zu sorgen;

8. mit den afrikanischen Regierungen daran zu arbeiten, ländergetragene
politische Maßnahmen zu entwickeln, die eine wirksame Koordinierung
von Gesundheitsprogrammen der Geber sicherstellen können, und den Be-
darf an technischer Hilfe zu ermitteln, und zwar mit Unterstützung durch
die WHO, die Weltbank, UNAids, den Globalen Fonds zur Bekämpfung
von Aids, Tuberkulose und Malaria, UNFPA und andere Gremien;

9. in Zusammenarbeit mit den Partnerregierungen den Bedürfnissen von
Frauen und Mädchen bei der HIV/Aids-Prävention und der Behandlung
und Versorgung Infizierter mehr Aufmerksamkeit zu schenken und durch
den Fonds entsprechende Maßnahmen zu finanzieren. Gleichzeitig sollen
die Partnerregierungen ermutigt und darin unterstützt werden, in den Schu-
len und Bildungseinrichtungen allen Jugendlichen verständliche, grund-
legende Informationen über die Prävention und die Behandlungsmöglich-
keiten von HIV/Aids, Malaria, Tuberkulose und anderen Infektionskrank-
heiten für ihr Alltagsleben (life skills) an die Hand zu geben;

10. die Integration von Dienstleistungen der sexuellen und reproduktiven Ge-
sundheit in die Programme des GFATM zu forcieren;

11. konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Bildungsprogramme insbesondere
für Mädchen zu unterstützen, die Wissen über Sexualität und sexuelle und
reproduktive Gesundheit und die Verhütung sexuell übertragbarer Infektio-
nen vermitteln;

12. darauf hinzuwirken, dass der GFATM verstärkte Anstrengungen unter-
nimmt, um Aufklärung und Prävention zu verbessern, wobei Präventions-
möglichkeiten für Frauen, einschließlich des Kondoms für Frauen und
Mikrobiziden eine zentrale Rolle spielen;

13. auf eine weitere Integration der Bemühungen gegen TB und HIV/Aids und
die Integration der direkt überwachten Kurzzeittherapie (DOTS) und anderen
umfassenden Maßnahmen, die erforderlich sind, um die TB einzudämmen,
in unsere Programme und Aktivitäten hinzuarbeiten, um die Belastungen

durch die Ko-Pandemie zu verringern;

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14. daran zu arbeiten, die 30 Länder Afrikas mit den höchsten Malariaraten,
in denen mindestens 80 Prozent der weltweiten Malariatodesfälle auf-
treten, in die Lage zu versetzen, eine mindestens 85-prozentige Abdeckung
der gefährdetsten Bevölkerungsgruppen mit wirksamen Maßnahmen zur
Vorbeugung und Behandlung von Malaria zu erzielen und eine 50-prozen-
tige Absenkung der Malariatodesfälle zu erreichen, indem man den Privat-
sektor, sein Fachwissen und seine Ressourcen mobilisiert, das öffentliche
Bewusstsein verbessert, öffentlich-private Partnerschaften fördert und an-
dere Staaten auffordert, dasselbe zu tun;

15. mit den afrikanischen Staaten daran zu arbeiten, die unterschiedlichen
Ursachen für den Mangel an menschlichen Ressourcen im Gesundheits-
wesen anzugehen, einschließlich Arbeitsbedingungen und Gehälter, mit
dem Ziel, zusätzliche Kräfte anzuwerben, auszubilden und zu behalten, jene
afrikanischen Länder zu unterstützen, die darauf hinweisen, dass sie tech-
nische Unterstützung und Programme zum Kapazitätenaufbau benötigen,
um ihren Zugang zu preiswerten, sicheren, wirksamen und qualitativ hoch-
wertigen Generika und innovativen Medikamenten zur Behandlung von
HIV/Aids zu verbessern, und zwar in einer Weise, die mit den WTO-Be-
stimmungen im Einklang steht;

16. in Zusammenarbeit mit anderen EU-Staaten den akuten Mangel an Ge-
sundheitsfachkräften in Entwicklungsländern zu bekämpfen und mitzuwir-
ken, dass keine gezielte Abwerbung von Gesundheitspersonal durch die In-
dustrieländer stattfindet;

17. sich beim GFATM dafür einzusetzen, dass die Zivilgesellschaft in den
Empfängerländern durch verstärkte Information in die Lage versetzt wird,
ihre Rolle im GFATM wahrzunehmen;

18. sich dafür zu engagieren, dass die Unsicherheiten der Vertriebskanäle, die
zu hohen Preisen für antiretrovirale Medikamente beitragen, beseitigt und
in allen Ländern Kondome zum Schutz vor HIV/Aids in ausreichendem
Maße zur Verfügung stehen;

19. mit internationalen Organisationen und Gebern daran zu arbeiten, auch
weiterhin Investitionen in Forschung und Entwicklung neuer Medika-
mente, Mikrobizide und Impfstoffe zu unterstützen, auch durch die Förde-
rung einer Politik, die Innovation begünstigt; mit der pharmazeutischen
Industrie daran zu arbeiten, weitere Initiativen zu erforschen, um erweiter-
ten Zugang zu HIV-Medikamenten zu bezahlbaren Preisen zu bieten und
die Preispolitik betreffend antiretroviraler Zweitlinienmedikamente zu prü-
fen.

Berlin, den 19. September 2007

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