BT-Drucksache 16/6097

zu dem Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Michael Kauch, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/3138- Klimawandel ernst nehmen - Kernenergielaufzeiten verlängern

Vom 18. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6097
16. Wahlperiode 18. 07. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(16. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Michael Kauch, Angelika
Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/3138 –

Klimawandel ernst nehmen – Kernenergielaufzeiten verlängern

A. Problem

Mit dem Antrag soll die Bundesregierung vor dem Hintergrund der national und
international festgelegten Kohlendioxideinsparziele zur Verringerung des Klima-
wandels aufgefordert werden,

– schnellstmöglich ein nationales Energieprogramm vorzulegen, das eine
sichere, umweltverträgliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung
gewährleistet sowie zu Energieeffizienz und Energieeinsparung beiträgt,
wobei kein Energieträger diskriminiert werden soll;

– eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel zu ergreifen, die zulässige Betriebsdauer
der Kernenergieanlagen zu verlängern.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 16/6097 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/3138 abzulehnen.

Berlin, den 4. Juli 2007

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Petra Bierwirth
Vorsitzende

Dr. Maria Flachsbarth
Berichterstatterin

Christoph Pries
Berichterstatter

Michael Kauch
Berichterstatter

Eva Bulling-Schröter
Berichterstatterin

Hans-Josef Fell
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6097

Bericht der Abgeordneten Dr. Maria Flachsbarth, Christoph Pries, Michael Kauch,
Eva Bulling-Schröter und Hans-Josef Fell

I.
Der Antrag auf Drucksache 16/3138 wurde in der 101. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 25. Mai 2007 zur feder-
führenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an den
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie überwiesen.

II.
Mit dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert wer-
den,

– ein nationales Energieprogramm schnellstmöglich vorzu-
legen, das eine sichere, umweltverträgliche und wettbe-
werbsfähige Energieversorgung gewährleistet, zu Ener-
gieeffizienz und Energieeinsparung beiträgt sowie den
internationalen Erfordernissen entspricht. Es soll keinen
Energieträger diskriminieren, insbesondere vor dem Hin-
tergrund der national und international festgelegten Koh-
lendioxideinsparziele zur Verringerung des Klimawan-
dels;

– das Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernener-
gie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) zu
novellieren mit dem Ziel, die zulässige Betriebsdauer der
Kernenergieanlagen zu verlängern, da die Nutzung der
Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizi-
tät als Übergangstechnologie als Beitrag zur Kohlendio-
xidreduktion und damit zur Verringerung des Klimawan-
dels anzusehen sei. Die Kernenergieanlagen sollen sich
an den nach Stand von Wissenschaft und Technik erfor-
derlichen Sicherheitskriterien orientieren.

III.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag auf Drucksache
16/3138 abzulehnen.

IV.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Antrag auf Drucksache 16/3138 in seiner
43. Sitzung am 4. Juli 2007 abschließend beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU wies darauf hin, dass die Bun-
desregierung derzeit mit Nachdruck ein Energiekonzept für
die Zukunft erarbeite, bei dem alle Primärenergieträger be-
rücksichtigt werden sollen. Innerhalb der Koalition von
CDU, CSU und SPD gebe es keine Einigkeit zur friedlichen
Nutzung der Kernenergie. Die Fraktion der CDU/CSU ver-
trete die Auffassung, dass die Nutzung der Kernenergie für
eine Übergangszeit notwendig sei, um den Ausstieg aus
CO2-emittierender Primärenergie zu ermöglichen. Nach
dem Koalitionsvertrag habe der sog. Atomkonsens über den
Ausstieg aus der Kernenergie Bestand, solange keine andere
Vereinbarung zwischen den Koalitionspartnern getroffen
werde. Aus diesem Grund könne dem Antrag nicht zuge-

stimmt werden. Gleichwohl sei – wie dies auch in dem An-
trag zum Ausdruck komme – eine ideologiefreie Diskussion
über die Thematik wünschenswert.

Die Fraktion der SPD hob hervor, dass in dem Antrag die
Risiken der Kernenergie, die u. a. durch die kürzlich erfolg-
ten Störfälle in den Kernkraftwerken Krümmel und Bruns-
büttel zu Tage getreten seien, außer Betracht blieben. In-
soweit müssten sich die Antragsteller den Vorwurf der
Einseitigkeit gefallen lassen. Die Fraktion der SPD stehe zu
der im Jahr 2000 getroffenen Vereinbarung über den schritt-
weisen Ausstieg aus der Atomenergie. Durch ein Festhalten
an der Kernenergie würden wichtige Investitionen in erneu-
erbare Energien und im Bereich der Energieeffizienz verhin-
dert. Die Kernenergie könne somit weltweit keinen entschei-
denden Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Studien zur
Vorbereitung des Energiegipfels am 3. Juli 2007 hätten ge-
zeigt, dass Atomenergie weder zur Versorgungssicherheit
noch zur Erreichung der Klimaschutzziele erforderlich sei.

Die Fraktion der FDP vertrat die Auffassung, dass auf
Kernenergie für eine Übergangszeit im Hinblick auf einen
wirksamen Klimaschutz und eine wirtschaftliche Energieer-
zeugung nicht verzichtet werden könne. Dies gelte so lange,
wie erneuerbare Energien nicht in ausreichendem Maße im
Grundlastbereich vorhanden seien oder die Kohleverstro-
mung unter Einsatz der CCS-Technologie nicht in großem
Maßstab möglich sei. Im Hinblick auf die Diskussion um die
kürzlich erfolgten Störfälle (Krümmel und Brunsbüttel) sei
festzuhalten, dass eine Laufzeitverlängerung nur bei siche-
ren Kernkraftwerken in Betracht komme. Unsichere Kern-
kraftwerke müssten von den Aufsichtsbehörden stillgelegt
werden.

Die Fraktion DIE LINKE. sprach sich gegen eine Laufzeit-
verlängerung aus, weil das ohnehin unverantwortliche Be-
triebsrisiko durch mögliche Terrorangriffe noch erhöht wer-
de. Außerdem werde durch einen längeren Betrieb eine noch
größere Menge von radioaktivem Abfall erzeugt, für den es
bislang keine Entsorgungsmöglichkeit gebe. Der Brennstoff
Uran sei nicht unbegrenzt vorhanden. U-235 könne nur noch
für einen Zeitraum von etwa 50 Jahren wirtschaftlich sinn-
voll abgebaut werden. Bis zu diesem Zeitpunkt müsse die
Stromversorgung auf regenerative Energien umgestellt sein.
Die CO2-Einsparung durch eine Laufzeitverlängerung sei
minimal und betrage bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr
1990 bezogen auf die Primärenergie lediglich 1,5 Prozent.
Schließlich profitierten von einer Verlängerung der Laufzei-
ten die Kernkraftwerksbetreiber in zweifacher Hinsicht,
nicht jedoch die Stromkunden. Zum einen werde der Grenz-
preis für abgeschriebene Atomkraftwerke an der Börse
durch Kohlekraftwerke bestimmt. Zum anderen verhelfe
beim Emissionshandel die Einpreisung der Zertifikatskosten
in den Grenzpreis an der Börse zu „windfall profits“ in Mil-
liardenhöhe.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teilte das An-
liegen des Antrags insofern, als der Klimawandel ernst ge-
nommen und wirksame Gegenmaßnahmen beschlossen wer-
den müssten. Dies sei bislang nicht geschehen. Die in dem

Drucksache 16/6097 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Berlin, den 4. Juli 2007

Dr. Maria Flachsbarth
Berichterstatterin

Christoph Pries
Berichterstatter

Michael Kauch
Berichterstatter

Eva Bulling-Schröter
Berichterstatterin

Hans-Josef Fell
Berichterstatter

Antrag erhobene Forderung, die Kernenergielaufzeiten zu
verlängern, beruhe jedoch auf falschen Voraussetzungen.
Die Kernenergie sei nicht geeignet, einen wirksamen Beitrag
zur Reduzierung von CO2 zu leisten. Der gesamte Produk-
tionsprozess führe bei der Kernkrafttechnologie in zuneh-
mendem Maße zur Freisetzung von CO2. Um Uran mit
einem hohen Gehalt zu gewinnen, müsse beispielsweise
immer mehr Abraum beiseite geschoben werden. Dies werde
in absehbarer Zeit dazu führen, dass die Energiebilanz eines
Kernkraftwerkes schlechter sein werde als diejenige eines
Kohlekraftwerkes. Die Kernenergie steuere derzeit nur
2,5 Prozent des gesamten Weltenergiebedarfes bei, so dass
diese von vornherein keinen nennenswerten Beitrag zur
CO2-Reduzierung leisten könne. Um in Deutschland eine
CO2-Reduzierung um 50 Prozent zu erreichen, müssten nach
Berechnungen der Enquete-Kommission „Nachhaltige Ener-
gieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung
und der Liberalisierung“ 70 bis 80 neue Kernkraftwerke ge-
baut werden. Außerdem sei Uran inzwischen ein knapper
Rohstoff, wie ein Anstieg von dessen Preis um das Sechs-
fache in den vergangenen drei Jahren zeige.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion der FDP, dem Deutschen
Bundestag zu empfehlen, den Antrag auf Drucksache 16/
3138 abzulehnen.

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