BT-Drucksache 16/5940

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/3945, 16/5862- Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts

Vom 4. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5940
16. Wahlperiode 04. 07. 2007

Änderungsantrag
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Petra Pau, Ulla Jelpke, Kersten Naumann,
Jan Korte, Wolfgang Neskovic und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/3945, 16/5862 –

Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) § 5 Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Hat der Versicherer die Verpflichtungen nach Absatz 2 nicht er-
füllt, kann der Versicherungsnehmer wählen, ob der Vertrag als mit dem
Inhalt seines Antrags oder als mit dem Inhalt des Versicherungsscheins
geschlossen gilt. Trifft der Versicherungsnehmer nach einer Aufforde-
rung des Versicherers innerhalb eines Monats keine Wahl, gilt der Vertrag
als mit dem Inhalt des Antrags des Versicherungsnehmers geschlossen.
Dies gilt nur, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer mit der
Aufforderung einen den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 entspre-
chenden Versicherungsschein übermittelt und ihn zugleich schriftlich auf
die Rechtsfolgen nach diesem Absatz hinweist.“

b) § 6 wird wie folgt geändert:

aa) In Absatz 1 Satz 1 werden nach dem Wort „und“ die Wörter „ , auch
unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen
Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden
Prämien,“ gestrichen.

bb) In Absatz 3 wird nach den Wörtern „Absätzen 1 und 2“ das Wort
„nur“ eingefügt.

c) In § 9 Satz 2 werden die Wörter „das erste Jahr“ durch die Wörter „die
ersten fünf Jahre“ ersetzt.

d) In § 28 Abs. 2 Satz 2 wird der zweite Halbsatz gestrichen.

e) In § 61 Abs. 2 wird nach dem Wort „Absatz 1“ das Wort „nur“ eingefügt.
f) In § 82 Abs. 3 Satz 2 wird der zweite Halbsatz gestrichen.

g) In § 86 Abs. 2 Satz 3 wird der zweite Halbsatz gestrichen.

Drucksache 16/5940 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. In Artikel 2 Nr. 2 wird Artikel 4 Abs. 2 wie folgt gefasst:

„(2) Die §§ 165, 166 und 169 des Versicherungsvertragsgesetzes sind auf
Altverträge ab dem 1. Januar 2008 anzuwenden; § 11c des Versicherungs-
aufsichtsgesetzes bleibt unberührt.“

Berlin, den 3. Juli 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe a

Die bisherige Regelung des § 5 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes
(VVG), nach der bei einem Verstoß des Versicherers gegen seine Verpflichtun-
gen nach Absatz 2 der Vertrag ausnahmslos als mit dem Inhalt des Antrags der
Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers geschlossen gilt, führt
in der Regel zu angemessenen Rechtsfolgen. Sie beruht auf dem Grundgedan-
ken, dass die Pflichtverletzung des Versicherers nicht zu ungünstigen Folgen
für die Versicherungsnehmerin oder den Versicherungsnehmer führen soll und
erklärt daher in diesen Fällen Abweichungen vom Antrag der Versicherungs-
nehmerin oder des Versicherungsnehmers für unwirksam. Indes sind durchaus
Fälle denkbar, in denen diese starre Regelung zu Rechtsfolgen führt, die der
verbraucherfreundlichen Intention der Norm widersprechen. Hat die Versiche-
rungsnehmerin oder der Versicherungsnehmer über die gesamte Vertragslauf-
zeit etwa die höheren Prämien nach den Vorgaben des Versicherungsscheins ge-
zahlt, die nach diesem auch zu einer höheren Leistungspflicht des Versicherers
führen würden, so bewirkt der bestehende § 5 Abs. 3 VVG, dass die Versiche-
rungsnehmerin oder der Versicherungsnehmer trotz Zahlung der höheren Prä-
mie nur die niedrigere Versicherungsleistung verlangen kann. Diese unbillige
Rechtsfolge wird durch die vorgeschlagenen Änderungen vermieden, ohne dass
dem Versicherer ein inadäquates Risiko aufgebürdet wird. Er kann sich jeder-
zeit durch eine dahingehende Aufforderung unter Nachholung seiner Hinweis-
pflicht nach Absatz 2 Satz 2 Rechtssicherheit über die Wahl des Versicherungs-
nehmers verschaffen.

Zu Buchstabe b

Durch die Änderungen wird klargestellt, dass allein eine geringe Prämienhöhe
den Versicherer nicht dazu berechtigt, wegen einer vermeintlichen Unverhält-
nismäßigkeit des Beratungsaufwandes auf eine umfassende Beratung der Versi-
cherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer zu verzichten. Diese Klarstel-
lung ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil beispielsweise im Rahmen von
Haftpflichtversicherungen, die in der Regel niedrige Prämien aufweisen, eine
mangelhafte Beratung existentielle Folgen für die Versicherungsnehmerinnen
und Versicherungsnehmer haben kann.

Die Einfügung des Wortes „nur“ stellt klar, dass § 6 Abs. 3 VVG eine Schutz-
vorschrift zu Gunsten der Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsneh-
mer ist und sich ihre Wirkung darauf beschränkt, eine Formvorschrift für den
nach allgemeinen Grundsätzen bestehenden Beratungsverzicht aufzustellen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5940

Zu Buchstabe c

Durch die Änderung wird festgelegt, dass die Versicherer bei unterbliebener oder
fehlerhafter Belehrung über das Widerrufsrecht der Versicherungsnehmerinnen
und Versicherungsnehmer die ersten fünf Jahresprämien zurückzahlen müssen,
wenn die Versicherungsnehmerinnen oder Versicherungsnehmer ihr Widerrufs-
recht ausüben.

Zu Buchstabe d

Durch die Änderung wird den allgemeinen Beweislastregeln auch für den Fall
Geltung verschafft, dass der Versicherer eine grobe Fahrlässigkeit der Versiche-
rungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers behauptet. Es ist nicht ersicht-
lich, warum die grobe Fahrlässigkeit einer Obliegenheitsverletzung der Versi-
cherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers vermutet werden soll.
Hierdurch werden Versicherer geradezu ermutigt, pauschal grobe Fahrlässig-
keit der Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers zu behaupten.

Zu Buchstabe e

Insoweit gilt das unter Buchstabe b zu § 6 Abs. 3 VVG Gesagte entsprechend.

Zu den Buchstaben f und g

Insoweit gilt das unter Buchstabe d Gesagte entsprechend.

Zu Nummer 2

Durch die Änderung wird die in dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundes-
regierung vorgesehene Erstreckung der neuen Regelung über Rückkaufwerte
(§ 169 VVG) auf Altverträge beibehalten, welche nunmehr in der Formulie-
rungshilfe (Ausschussdrucksache 16(6)145) ohne nähere Begründung nicht
mehr enthalten ist. Es ist nicht ersichtlich, warum entgegen der Begründung des
ursprünglichen Regierungsentwurfs eine Gleichbehandlung von Neu- und Alt-
verträgen nicht mehr geboten sein soll. Vielmehr erscheint ein Ausgleich der un-
angemessenen Benachteiligung der Versicherungsnehmer (BGH, VersR 2005,
S. 1565; BVerfG 1 BvR 1317/96) auch für die Altfälle erforderlich und angemes-
sen.

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