BT-Drucksache 16/5900

IKT 2020: gezielte Forschungsförderung für zukunftsträchtige Innovationen und Wachstumsfelder im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)

Vom 4. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5900
16. Wahlperiode 04. 07. 2007

Antrag
der Abgeordneten Johann-Henrich Krummacher, Ilse Aigner, Dorothee Bär,
Michael Kretschmer, Katherina Reiche (Potsdam), Axel E. Fischer (Karlsruhe-
Land), Eberhard Gienger, Monika Grütters, Anette Hübinger, Hartmut Koschyk,
Carsten Müller (Braunschweig), Dr. Norbert Röttgen, Uwe Schummer, Marcus
Weinberg, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Jörg Tauss, René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
Nicolette Kressl, Ute Kumpf, Willi Brase, Ulla Burchardt, Dieter Grasedieck, Gesine
Multhaupt, Thomas Oppermann, Renate Schmidt (Nürnberg), Heinz Schmitt
(Landau), Olaf Scholz, Swen Schulz (Spandau), Dr. Peter Struck und der Fraktion
der SPD

IKT 2020: gezielte Forschungsförderung für zukunftsträchtige Innovationen und
Wachstumsfelder im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien
(IKT)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) durchdringen alle Le-
bens- und Arbeitsbereiche. Sie prägen den gesellschaftlichen Wandel hin zu
einer globalen Wissensgesellschaft. Sie sind der Innovationsmotor Nr. 1 und da-
mit für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft der
entscheidende Treiber. Investitionen in die IKT-Forschungsförderung entfalten
eine große Wirkung auf Wertschöpfungsketten, auf die Schaffung von Beschäf-
tigung und Arbeitsplätzen und erreichen somit einen hohen Return-on-Invest-
ment.

Aber auch das alltägliche Leben, der gesellschaftliche Bereich, wird durch die
vielfältige Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechniken
maßgeblich beeinflusst und verändert. Schon ist die Rede von einer drohenden
„digitalen Zweiklassengesellschaft“. War es einst die Gutenbergsche Buch-
druckkunst, die die Welt revolutionierte, so ist dies heute die Digitaltechnik bzw.
die darauf basierenden IKT.

In einer zunehmend globalisierten Welt sind bei diesen Schlüsseltechnologien
Spitzenleistungen erforderlich. Nur damit lässt sich die rasante Entwicklung in

den Informations- und Kommunikationstechnologien aktiv mit gestalten und der
starke internationale Wettbewerb erfolgreich bestehen.

Die Bundesregierung hat mit dem ersten nationalen IT-Gipfel am 18. Dezember
in Potsdam ein gemeinsames Signal von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft
gesetzt, um den IKT-Standort Deutschland auf einem Spitzenplatz zu halten.

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Der Forschung und Entwicklung im IKT-Bereich kommt daher eine außeror-
dentliche Bedeutung zu. Dem trägt die Bundesregierung mit dem Aktionspro-
gramm „Informationsgesellschaft Deutschland 2010“ (kurz: iD2010) und dem
neuen BMBF-Forschungsprogramm „IKT 2020 – Forschung für Innovationen“
Rechnung.

Als Herstellerland von Computern, von Betriebssystemen, Peripheriegeräten
wie Bildschirmen und Druckern spielt Deutschland heute praktisch keine Rolle
mehr. Dagegen ist Deutschland auf dem Sektor der Unternehmenssoftware füh-
rend. Auch bei der Entwicklung von innovativer Anwendungssoftware in der
Automobil-, Automatisierungs- und Medizintechnik nimmt Deutschland eine
führende Position ein. Dies gilt ebenso für den Bereich der Logistik, wo deut-
sche Unternehmen aufgrund ihrer speziellen IKT-Kompetenz führend sind,
wenn es um neue Handels- und Verteilkonzepte geht. Angesichts der immer wei-
teren Durchdringung aller gesellschaftlicher Bereiche durch IKT kommt der
Sicherheit und Zuverlässigkeit von Informations- und Kommunikationstechno-
logien, Computeranwendungen und -netzwerken eine grundlegende Bedeutung
zu. Hier gilt es zu prüfen, ob die bestehenden Rahmenbedingungen für IT-
Sicherheit und vor allem auch für die IT-Sicherheitsforschung ausreichend oder
gegebenenfalls zu erweitern sind, um die hohe Qualität der IT-Sicherheit und der
IT-Sicherheitsforschung in Deutschland bei kommerziellen Produkten für die
Wirtschaft und den privaten Einsatz sicherzustellen.

Für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland mit seiner überwie-
gend mittelständisch strukturierten Softwarebranche ist es zudem wichtig, auch
Interoperabilität und offene Standards anzustreben, nicht zuletzt um den Zugang
dieser Unternehmen zu den entsprechenden Standards ungehindert und diskri-
minierungsfrei zu ermöglichen. Der Einsatz offener Standards in diesem Be-
reich kann Märkte öffnen oder neue Märkte schaffen.

Deutschland ist weltweit der drittgrößte und in Europa mit Abstand der größte
Markt der IKT-Branche. Mehr als jeder zweite Halbleiter aus Europa ist „made
in Germany“, kommt aus Dresden. Damit ist Deutschland Europas Elektronik-
Standort Nr. 1. An der Chipkarten-Technologie halten deutsche Unternehmen
einen Weltmarktanteil von 70 Prozent.

Eine hohe Funknetzabdeckung, ein leistungsfähiges Transportnetz sowie funk-
tionierender Wettbewerb bilden in Deutschland eine ausgezeichnete Kommuni-
kationsinfrastruktur. Wesentliche Voraussetzung für diese Stärken ist die deut-
sche IKT-Forschungslandschaft. Die Fraunhofer-Gesellschaft ist die größte IT-
Forschungseinrichtung Europas. Alle großen IKT-Hersteller unterhalten FuE-
Labore in Deutschland. Die IKT-Branche muss an diese Stärken anknüpfen und
führende Positionen in zukunftsträchtigen Innovations- und Wachstumsfeldern
erreichen.

Vier durch innovative IKT-Technologien getriebene Meta-Trends verändern ge-
genwärtig nachhaltig die deutsche Wirtschaft:

– die Konvergenz der Märkte,

– die Flexibilisierung von Organisationen,

– die Allgegenwärtigkeit von IKT-Technologien,

– die uneingeschränkte Nutzbarkeit digitaler Informationen.

Diese vier Entwicklungen verändern weltweit die Märkte, sie verändern die Un-
ternehmen und sie verändern die Geschäftsmodelle und die Kommunikation.
Deutschland muss sich daher heute Spitzenpositionen in den Schlüsseltechnolo-
gien sichern, die diesen Entwicklungen zugrunde liegen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5900

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

Auf dem ersten nationalen IT-Gipfel am 18. Dezember 2006 in Potsdam wurde
auf der Basis des Aktionsprogramms „Informationsgesellschaft Deutschland
2010“ (kurz iD2010) und der Hightech-Strategie der Bundesregierung in einem
12-Punkte-Programm (sog. Potsdamer Initiative für den IKT-Standort Deutsch-
land) ein erstes Bündel von neuen Maßnahmen und Leuchtturmprojekten auf aus-
gewählten Innovations- und Wachstumsfeldern verabredet, das in gemeinsamer
Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft umgesetzt werden soll.

Mit der Vorlage des neuen BMBF-Förderprogramms „IKT 2020 – Forschung
für Innovationen“ hat die Bundesregierung zügig ein wesentliches Element des
Aktionsprogramms iD 2010 und ihrer Hightech-Strategie realisiert. Angesichts
der Bedeutung dieser Schlüsseltechnologie für Arbeitsplätze in Deutschland ist
die Prioritätensetzung dieses Programms auf anwendungsorientierte strategische
Kooperationen von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik eine wichtige Voraus-
setzung. Das Förderprogramm ist darauf angelegt, gezielt Know-how in zu-
kunftsträchtigen Technologien und Diensten aufzubauen. Es bringt den Innova-
tionsmotor IKT in Schwung! Durch den Brückenschlag zwischen Wirtschaft
und Wissenschaft sollen in Deutschland Leitmärkte für wichtige Zukunftsfelder
entstehen.

Mit „KMU-Offensive IKT“ des Bundesministeriums für Bildung und For-
schung (BMBF), die anlässlich der CeBIT 2007 im März vorgestellt wurde, wer-
den die bereits bestehenden Maßnahmen des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Technologie (BMWi) sinnvoll ergänzt. Die „KMU-Offensive IKT“ schafft
die notwendigen Voraussetzungen, die kleinen und mittleren Unternehmen
(KMU) mit einzubinden. Hierzu zählen allein im Softwarebereich mehr als
90 Prozent aller Unternehmen.

Das BMBF hat mit der „KMU-Offensive IKT“ eine „Überholspur“ für innova-
tive KMU geschaffen, wie dies von der Hightech-Strategie gefordert wird. Er-
folg versprechen wir uns insbesondere von der themenoffenen Förderung von
KMU, aber auch von dem geplanten vereinfachten und beschleunigten Bewilli-
gungsverfahren und von der Einrichtung einer speziellen Anlaufstelle für KMU.

Das Forschungsprogramm IKT 2020 ist Teil einer IKT-Innovationspolitik aus
einem Guss, die ebenso die Förderaktivitäten des BMWi im Bereich der Ent-
wicklung und Erprobung neuer Multimedia- und Internettechnologien ein-
schließt. Ein wichtiges Element dieser IKT-Politik ist auch die Förderung der
universitären Spitzenforschung im Rahmen der Exzellenzinitiative der Bundes-
regierung. Mit Bezug zur Informations- und Kommunikationstechnologie
zählen dazu die Graduiertenschulen in Aachen, Karlsruhe und Erlangen sowie
die Exzellenzcluster in Aachen und München.

Der Verzahnung der Fachprogramme des BMBF mit der Förderprogrammatik
der Forschungsrahmenprogramme der EU kommt eine immer größere Bedeu-
tung zu. Im Vollzug des 7. Forschungsrahmenprogramms werden voraussicht-
lich im IKT-Bereich jährlich annähernd so viele EU-Fördermittel für deutsche
Antragsteller zur Verfügung stehen wie in IKT 2020. Die EU-Förderung wird in
diesem Kontext als konstitutiver Baustein des nationalen IKT-Förderprogramms
verstanden, da sie mehr und mehr an „Grundlast“ in der IKT-Förderung schul-
tern und damit Spielräume für eine Fokussierung der nationalen Förderung
schaffen wird.

Angesichts der Bedeutung der gemeinsamen strategischen Ansätze und der
Höhe der europäischen Fördergelder werden BMBF und BMWi kontinuierlich
darauf hinwirken, dass sich die EU-Förderung und die nationale Förderung im
IKT-Bereich zukünftig noch besser ergänzen.

Drucksache 16/5900 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. angesichts der herausragenden Bedeutung moderner Informations- und
Kommunikationstechnologien für den IKT-Standort Deutschland die Be-
schlüsse des IT-Gipfels – insbesondere die Potsdamer Initiative für den IKT-
Standort Deutschland – gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft umzu-
setzen;

2. das Forschungsprogramm IKT 2020 zügig umzusetzen und dabei den neuen
Ansatz der Ausrichtung der Forschungsförderung auf IKT-innovations-
orientierte Zielbranchen und Anwendungsfelder mit Wertschöpfung entlang
der gesamten Innovationskette innerhalb Deutschlands von der Invention
bis zur Innovation konsequent zu verfolgen – Beispiele dafür sind Auto-
mobiltechnik/Automatisierung, Gesundheitsbranche/Medizintechnik, Logis-
tik/Dienstleistungen, Energietechnik und -management/Klima, Ressourcen-
management;

3. Die E-Government Programme Deutschland-Online und E-Government 2.0
zügig umzusetzen, um die Potentiale durch eine Modernisierung der eige-
nen Verfahren und Systeme zu realisieren. Auch als Nachfrager von innova-
tiven Produkten und Dienstleistungen fördert die öffentliche Hand For-
schung und Entwicklung in Deutschland und stärkt die Position der
deutschen IT-Branche. Sie wird somit auch in dieser Hinsicht zum Impuls-
geber für den Forschungs- und Technologiestandort Deutschland;

4. die Priorität auf anwendungsorientierte strategische Kooperationen von
Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu setzen und dabei die Fördermittel
so einzusetzen, dass ein Höchstmaß an Nachhaltigkeit und Eigenengage-
ment der Wirtschaft erzielt wird; ein gutes Beispiel hierfür ist die OLED-
Initiative, bei der ein Euro Fördermittel fünf Euro in der Wirtschaft mobili-
sieren;

5. bei der Entwicklung von Standards im Rahmen dieser strategischen Koope-
rationen sowie deren Überführung in Normen verstärkt Interoperabilität und
offene Standards anzustreben;

6. die Strategie zur Fokussierung auf Qualitätsziele weiterzuentwickeln, d. h.
die Stärken in der deutschen IKT-Forschung umzusetzen und das hohe
internationale Ansehen deutscher Ingenieurleistungen auf IKT-Lösungen zu
übertragen; primäre Qualitätsziele für deutsche IKT-Lösungen sind:
Sicherheit und Zuverlässigkeit, Benutzerfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit,
Ressourceneffizienz, um letztlich zu einer Art TÜV-Siegel „IKT made in
Germany“ für deutsche IKT-Systeme zu kommen;

7. die Forschung für Basistechnologien im Bereich der Elektroniksysteme,
Softwaresysteme, Wissenstechnologien, Netztechnologien mit Blick auf die
Innovationstreiber Internet der Dinge und Dienste, eingebettete Systeme,
semantische Modellierung und digitale Simulation, Serviceorientierte Ar-
chitekturen für neue Geschäftsprozesse, Systeme mit Umgebungsintelli-
genz und Realweltzugang zügig in branchenrelevante Leitinnovationen,
Technologieverbünde und Diensteplattformen umzusetzen;

8. neue Impulse für eine direkte Umsetzung von Forschungsergebnissen in
Produkte, Dienstleistungen und Prozesse und deren schnelle Verbreitung zu
geben;

9. dem Thema IKT-Sicherheit und -Verifikation höchste Priorität beizumessen,
da dies eine Grundvoraussetzung für die Nutzung moderner IKT und deren
Akzeptanz in der Wirtschaft wie auch im privaten Leben ist;

10. angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland, insbesondere

der älter werdenden Gesellschaft, das IKT-Anwendungspotential im Ge-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5900

sundheitswesen und im alltäglichen Leben (Stichwort: ambient intelligence)
zu erschließen;

11. als eine der wichtigsten Herausforderungen der künftigen Wissensgesell-
schaft intelligente Technologien für die Mensch-Technik-Interaktion zu er-
forschen und zu entwickeln, damit die deutsche Bevölkerung nicht in eine
digitale „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ zerfällt; jeder, der heute zu Hause
oder unterwegs ein Fernsehgerät, Radio oder Telefon nutzt, muss künftig
eine Technik, die alle diese Funktionen mit einer Vielzahl von anderen nütz-
lichen Informatikdiensten vereint, mit der gleichen Selbstverständlichkeit
einfach und effizient bedienen können: Informatik für den Menschen ist die
größte Herausforderung für die Informatik in den nächsten Jahren;

12. dem Fachkräftemangel technologieübergreifend zu begegnen und ange-
sichts der zz. allein im IKT-Bereich fehlenden rund 20 000 Fachkräfte Stra-
tegien zu entwickeln, wie die Jugend auch für die IKT-Branche gewonnen
werden kann;

13. entsprechend der Ankündigung in der Hightech-Strategie der Bundesregie-
rung zu prüfen, wie weit im Bereich IKT Public-Private-Partnership-
Modelle (PPP) gezielt entwickelt und genutzt werden können als Finanzie-
rungs- und Umsetzungsalternativen für Investitionen in Hightech-Infra-
strukturen; PPP-Modelle bieten z. B. in Form gemeinsam von Wirtschaft
und öffentlicher Hand finanzierter Forschungsinstitute eine gute Möglich-
keit, strategische Forschung in enger Zusammenarbeit zwischen Wissen-
schaft und Wirtschaft durchzuführen;

14. für die Förderung risikoreicher und zukunftsweisender Forschungsarbeiten
in Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Unternehmen einen ange-
messenen Finanzierungskorridor vorzusehen, um Entwicklungen jenseits
einer raschen Verwertung zu unterstützen.

Berlin, den 4. Juli 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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