BT-Drucksache 16/5700

zu 27 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen

Vom 21. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5700
16. Wahlperiode 21. 06. 2007

Fünfte Beschlussempfehlung und Bericht
des Wahlprüfungsausschusses

zu 27 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
eingegangenen Wahleinsprüchen

A. Problem

Gemäß Artikel 41 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ist die Wahlprüfung
Sache des Deutschen Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmungen des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) auf der Grundlage von Beschlussempfehlun-
gen des Wahlprüfungsausschusses über die Einsprüche gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag zu entscheiden. Insgesamt sind 195 Wahl-
einsprüche eingegangen. Über 168 hat der Deutsche Bundestag bereits am
30. März, 29. Juni und 14. Dezember 2006 sowie 18. Januar 2007 (vgl. Plenar-
protokolle 16/29, S. 2370, 16/43, S. 4022, 16/73, S. 7259, 16/76, S. 7580) ent-
sprechend den Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses (vgl.
Bundestagsdrucksachen 16/900, 16/1800, 16/3600 und 16/3900) entschieden.
Die jetzt zur Beschlussfassung vorgelegten Entscheidungen behandeln die letz-
ten 27 Einsprüche.

Darüber hinaus ist es ständige Praxis des Deutschen Bundestages, auf der
Grundlage der im Rahmen der Wahlprüfung gemachten Erfahrungen die Bun-
desregierung um Prüfung zu bitten, ob und ggf. durch welche Maßnahmen das
geltende Wahlrecht oder seine Anwendung verbessert werden könnte.

B. Lösung

– Zurückweisung von 27 Wahleinsprüchen ohne mündliche Verhandlung wegen
offensichtlicher Unbegründetheit (§ 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG) oder wegen
Unzulässigkeit (§ 6 Abs. 1a Nr. 1 und 2 WPrüfG) – vgl. Nummer 1 der
Beschlussempfehlung;

– Bitte an die Bundesregierung um Prüfung bestimmter Wahlvorschriften bzw.
Verfahrensweisen sowie um Abgabe eines Berichts an den Deutschen Bun-
destag – vgl. Nummer 2 der Beschlussempfehlung.

Offensichtlich unbegründet sind Einsprüche, die

a) einen Sachverhalt vortragen, der einen Fehler bei der Vorbereitung und
Durchführung der Wahl nicht erkennen lässt;
b) sich auf die Behauptung der Verfassungswidrigkeit von Rechtsvorschriften
stützen (nach ständiger Praxis des Deutschen Bundestages in Wahlprüfungs-
angelegenheiten bleibt die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit dem
Bundesverfassungsgericht vorbehalten);

c) mangels ausreichender Angabe von Tatsachen nicht erkennen lassen, auf
welchen Tatbestand der Einspruch gestützt wird;

Drucksache 16/5700 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

d) sich auf nachprüfbare Mängel bei der Vorbereitung oder Durchführung der
Wahl stützen, ohne dass diese Mängel aber einen Einfluss auf die Mandats-
verteilung haben können.

C. Alternativen

Keine hinsichtlich der Ergebnisse der Entscheidungen.

Der Wahlprüfungsausschuss ist entsprechend seinem Selbstverständnis und sei-
ner ständigen Praxis allen behaupteten Wahlmängeln nachgegangen, auch wenn
sie keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung im 16. Deutschen Bundestag hat-
ten. Diese Art der Behandlung soll dafür Sorge tragen, dass sich festgestellte
Wahlmängel bei künftigen Wahlen möglichst nicht wiederholen.

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5700

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. die aus den Anlagen 1 bis 27 ersichtlichen Beschlussempfehlungen zu Wahl-
einsprüchen anzunehmen,

2. die Bundesregierung um Prüfung zu bitten,

– ob durch gesetzgeberische oder andere Maßnahmen die Ausübung des
Wahlrechts für sich im Ausland aufhaltende Wahlberechtigte – etwa
durch eine stärkere Einbindung der deutschen Auslandsvertretungen in
die Vorbereitung und Durchführung der Wahl – vereinfacht werden kann;

– ob das Wahlrecht dahin gehend geändert werden sollte, dass bei Wahlen
infolge einer Auflösung des Bundestages für einen Wahlvorschlag weni-
ger Unterstützungsunterschriften beigebracht werden müssen als bei
Wahlen nach dem regulären Ablauf der Wahlperiode;

– ob das Wahlrecht dahin gehend geändert werden sollte, dass die Aufnah-
me von Parteifremden in Wahlvorschläge einer Partei ausgeschlossen
oder stärker eingeschränkt wird oder zumindest ihre Grenzen klarer defi-
niert werden;

– ob gesetzgeberische oder andere Maßnahmen angezeigt sind, um den in
Wahleinsprüchen deutlich gewordenen Vorbehalten in Bezug auf den
Einsatz von elektronischen Wahlgeräten Rechnung zu tragen;

– ob zukünftig unter Berücksichtigung der derzeitigen Sach- und Rechts-
lage auch in elektronischer Form eingehende Wahleinsprüche als zulässig
erachten werden sollten;

– ob und ggf. wie die Schulung der Wahlvorstände über den ordnungsge-
mäßen Ablauf der Urnenwahl und die anschließende Ermittlung des
Wahlergebnisses verbessert werden könnte.

Die Bundesregierung wird um Vorlage eines Berichts zu den in Nummer 2
dieser Beschlussempfehlung und in Nummer 2 der zweiten Beschluss-
empfehlung des Wahlprüfungsausschusses (Bundestagsdrucksache 16/1800)
enthaltenen Prüfbitten unter Einbeziehung der im Rahmen des Erfahrungs-
austausches mit den Ländern und dem Bundeswahlleiter zur Bundestags-
wahl 2005 gewonnenen Erkenntnisse bis Mai 2008 gebeten.

Berlin, den 21. Juni 2007

Der Wahlprüfungsausschuss

Thomas Strobl (Heilbronn)
Vorsitzender und Berichterstatter

Dr. Wolfgang Götzer
Berichterstatter

Bernhard Kaster
Berichterstatter

Klaus Uwe Benneter
Berichterstatter

Dr. Carl-Christian Dressel
Berichterstatter

Petra Merkel (Berlin)
Berichterstatterin

Ernst Burgbacher
Berichterstatter

Dr. Dagmar Enkelmann
Berichterstatterin

Silke Stokar von Neuforn
Berichterstatterin

Dr. Wolfgang Götzer
Berichterstatter

Klaus Uwe Benneter
Berichterstatter
S. 3) der Bundesregierung bereits einige Prüfbitten in Bezug
auf mögliche Änderungen des Wahlrechts bzw. seiner An-
wendung vorgelegt. Die bisherige Wahlprüfung hat jedoch
weitere mögliche Defizite des geltenden Wahlrechts bzw.
seiner Anwendung aufgezeigt. Diese sind Anlass für die in
der vorliegenden fünften Beschlussempfehlung des Wahl-
prüfungsausschusses enthaltenen Prüfbitten.

1. Hintergrund der ersten Prüfbitte ist, dass bei einer Reihe
von Einsprüchen von im Ausland lebenden Deutschen
moniert wurde, dass im Unterschied zu vielen anderen
Staaten die Wahlteilnahme für sie zu umständlich sei
(vgl. z. B. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlagen 51,
52). Insbesondere wurde die Frage aufgeworfen, wes-
halb die Wahlunterlagen nicht direkt von den deutschen
Auslandsvertretungen versendet würden und weshalb
das Wahlrecht nicht im Wege der Urnenwahl in deut-
schen Auslandsvertretungen ausgeübt werden könne.

2. Die zweite Prüfbitte geht auf die zahlreichen Einsprüche
zurück, die Wahlvorschläge betrafen, welche zurückge-
wiesen bzw. erst gar nicht eingereicht wurden, weil die
gesetzlich vorgeschriebene Anzahl von Unterstützungs-
unterschriften nicht beigebracht werden konnte (vgl.
Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 15; 16/1800,
Anlagen 39 bis 43, 16/3900, Anlagen 10 und 11). Hier
stellt sich die Frage, ob für vorgezogene Neuwahlen
niedrigere Unterschriftenquoren gelten sollten als für
Wahlen nach dem regulären Ablauf der Wahlperiode, bei
denen mehr Zeit für die Wahlvorbereitung und das Sam-
meln von Unterstützungsunterschriften zur Verfügung
steht. Der Bundeswahlausschuss hat sich gegenüber dem
Deutschen Bundestag für solch eine differenzierende
Regelung, wie sie derzeit bereits im Landtagswahlrecht
von Schleswig-Holstein (vgl. § 26 Abs. 4 Satz 4, § 35
Nr. 1 des Landeswahlgesetzes von Schleswig-Holstein,
GVBl. 1991, S. 442) zu finden ist, ausgesprochen.

3. Anlass für die dritte Prüfbitte sind die Einsprüche, wel-
che die Zulässigkeit der Kandidatur von Mitgliedern der
WASG auf Listen der Linkspartei zum Gegenstand hat-
ten (vgl. z. B. Bundestagsdrucksache 16/3900, Anlagen 1
bis 9). Das geltende Bundestagswahlrecht verbietet nicht
von vornherein die Aufnahme parteifremder Bewerber
auf die Liste einer Partei. Die Grenze des Zulässigen ist
erst dann erreicht, wenn die Liste durch die Aufnahme

nahme Parteifremder unter Umständen zur Umgehung
der Fünf-Prozent-Klausel oder anderer wahlrechtlicher
Erfordernisse, etwa der Einreichung von Unterstüt-
zungsunterschriften, führen kann und die über die Zulas-
sung von Wahlvorschlägen entscheidenden Wahlorgane
innerhalb eines bestimmten Zeitraumes entscheiden
müssen, stellt sich daher die Frage, ob die Aufnahme
von Parteifremden – vergleichbar den Landtagswahl-
rechten von Schleswig-Holstein (§ 26 Abs. 5 Nr. 2
des Landeswahlgesetzes von Schleswig-Holstein) und
Mecklenburg-Vorpommern (§ 22 Abs. 6 Nr. 2 des
Landeswahlgesetzes von Mecklenburg-Vorpommern,
GVBl. 2002, S. 2) – ausgeschlossen oder beschränkt
werden sollte oder zumindest ihre rechtlichen Grenzen
klarer definiert werden sollten. Auch der Bundesrat sieht
hier Prüfungsbedarf (vgl. Bundesratsdrucksache 789/1/05,
S. 2; Bundesratsplenarprotokoll 819, S. 5).

4. Den Hintergrund der vierten Prüfbitte bilden die Ein-
sprüche, die den Einsatz von elektronischen Wahlgeräten
betreffen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlagen
1 bis 4). Diese Einsprüche zeugen nämlich – ebenso wie
zwei zurzeit anhängige öffentliche Petitionen, die von
mehr als 45 000 Petenten unterzeichnet wurden, – von
Vorbehalten gegenüber dieser Form der Abgabe und
Zählung der Stimmen (vgl. zum Problem auch Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/5194).
Diese resultieren insbesondere daraus, dass die Zählung
der abgegebenen Stimmen im Innern des Gerätes erfolgt
und damit nicht in demselben Maße transparent ist wie
die öffentliche Auswertung der Stimmzettel durch den
Wahlvorstand bei der Urnenwahl.

5. Hintergrund der fünften Prüfbitte ist, dass die Zahl der
Einsprüche, die per E-Mail eingelegt werden, zunimmt
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/900, Anlagen 31, 32;
vorliegende Beschlussempfehlung, Anlage 11).

6. Einige Wahleinsprüche haben die Frage aufgeworfen, ob
die Schulung der Wahlvorstände über den ordnungs-
gemäßen Ablauf der Urnenwahl einschließlich der an-
schließenden Auszählung der Stimmen verbessert werden
könnte (vgl. z. B. Anlage 8 der vorliegenden Beschluss-
empfehlung). Dies ist Anlass für die sechste Prüfbitte.

Berlin, den 21. Juni 2007
Drucksache 16/5700 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Wolfgang Götzer, Klaus Uwe Benneter,
Dr. Carl-Christian Dressel und Dagmar Enkelmann

Mit Beschluss vom 29. Juni 2006 (Plenarprotokoll 16/43,
S. 4022) hat der Deutsche Bundestag auf Empfehlung des
Wahlprüfungsausschusses (Bundestagsdrucksache 16/1800,

Parteifremder ihre Zurechenbarkeit zur einreichenden
Partei verliert, wobei es insoweit aber an einem prakti-
kablen Maßstab fehlt. Angesichts dessen, dass die Auf-
Dr. Carl-Christian Dressel
Berichterstatter

Dagmar Enkelmann
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5700

Inhaltsverzeichnis zum Anlagenteil

Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Wahleinsprüchen

Akten-
zeichen Betreff

Berichterstatter
Berichterstatterin Anlage Seite

WP 103/05 Wahlvorschläge von CDU und CSU Abg. Benneter 1 7

WP 100/05
Einspruch ohne Kontaktdaten des
Einspruchsführers

Abg. Burgbacher 2 9

WP 112/05 Allgemeine Gründe Abg. Burgbacher 3 11

WP 127/05 Allgemeine Gründe Abg. Burgbacher 4 13

WP 134/05 Ausgestaltung des Wahlsystems Abg. Burgbacher 5 15

WP 62/05 Allgemeine Gründe Abg. Burgbacher 6 17

WP 58/05 Nichtzulassung Landesliste u. a. Abg. Burgbacher 7 19

WP 167/05 Ablauf der Urnenwahl u. a. Abg. Burgbacher 8 21

WP 140/05 Meinungsfreiheit im Vorfeld der Wahl Abg. Burgbacher 9 29

WP 84/05 Vorwurf der Wählertäuschung Abg. Burgbacher 10 31

WP 186/05 Vorwurf der Wählertäuschung Abg. Burgbacher 11 33

WP 159/05 Behinderung einer Kandidatur u. a. Abg. Burgbacher 12 35

WP 187/05
Überhangmandate, Fünf-Prozent-
Klausel u. a.

Abg. Dr. Dressel/Abg. Stokar von
Neuforn

13 37

WP 14/05 Dortmunder Briefwahl u. a. Abg. Kaster/Abg. Dr. Enkelmann 14 45

WP 168/05 Einspruchsfrist, allgemeine Gründe Abg. Dr. Enkelmann 15 59

WP 94/05 Unterschriftenquoren u. a. Abg. Dr. Enkelmann 16 65

WP 158/05 Unterschriftenquoren u. a. Abg. Dr. Enkelmann 17 81

WP 137/05 Vertrauensfrage u. a. Abg. Dr. Enkelmann 18 93

WP 98/05 Zählung der Stimmen Abg. Merkel (Berlin) 19 107

WP 28/05 Ausgabe vorgefalteter Stimmzettel Abg. Merkel (Berlin) 20 111

WP 60/05 Gestaltung des Stimmzettels u. a. Abg. Merkel (Berlin) 21 113

WP 64/05 Identitätskontrolle im Wahllokal Abg. Merkel (Berlin) 22 115

WP 73/05 Wählen in JVA u. a. Abg. Strobl 23 117

WP 71/05 Auslandsdeutsche Abg. Stokar von Neuforn 24 129

WP 116/05 Auslandsdeutsche Abg. Stokar von Neuforn 25 131

WP 123/05 Auslandsdeutsche Abg. Stokar von Neuforn 26 133

WP 126/05 Wählen in JVA Abg. Stokar von Neuforn 27 135

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/5700

dem in den übrigen 15 Bundesländern.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
tagsdrucksache 16/1800, Anlage 26, S. 188 mit weiteren
Nachweisen). Darüber hinaus sind die verfassungsrecht-
BWG in jedem Wahlkreis nur einen Kreiswahlvorschlag
und in jedem Land nur eine Landesliste einreichen, sie muss

unterworfen sind (vgl. Morlok, in: Dreier, Grundgesetz-
Kommentar, 2. Aufl., 2004, Artikel 38 Rn. 129 f.).
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass Kandidaten
der CSU nur in Bayern wählbar waren, solche der CDU nur
in den anderen 15 Bundesländern.

Ob und ggf. in welchen Wahlkreisen bzw. Ländern Parteien
Kreiswahlvorschläge bzw. Landeslisten einreichen, wird
durch § 18 ff. des Bundeswahlgesetzes (BWG) in ihr Er-
messen gestellt. Jede Partei „kann“ gemäß § 18 Abs. 5

lichen Einwände des Einspruchsführers aber auch nicht
überzeugend. Die Formulierung „Vertreter des ganzen Vol-
kes“ in Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG bezieht sich auf die
Abgeordneten in ihrer Gesamtheit und verlangt nicht, dass
jeder Abgeordnete für jeden Wähler wählbar gewesen (oder
gar von jedem Wähler gewählt worden) sein muss. Der Sinn
von Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG liegt vielmehr darin klar-
zustellen, dass die Abgeordneten – obwohl nicht jeder Ab-
geordnete von jedem Wähler gewählt worden ist – gleich-
wohl nicht Vertreter partikularer Gruppen, ihrer Partei, der
Bürger ihres Wahlkreises oder ihrer Wähler sind, sondern
im Bundestag für das gesamte vertretene Volk gleicherma-
ßen entscheiden, allen gegenüber gleichermaßen verant-
wortlich sind und damit auch keiner Bindung an Aufträge
und Weisungen unterliegen, sondern nur ihrem Gewissen
Tatbestand

Mit einem am 24. Oktober 2005 beim Wahlprüfungsaus-
schuss des Deutschen Bundestages eingegangenen Schrei-
ben hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. Sep-
tember 2005 eingelegt. Der Einspruchsführer moniert, dass
die CSU nur in Bayern Wahlvorschläge einreichte, die CDU
nur in den anderen 15 Bundesländern.

Nach Auffassung des Einspruchsführers widersprach dies
den Artikeln 38 und 20 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG).
Hiernach seien die Abgeordneten Vertreter des „ganzen“
Volkes und die Staatsgewalt gehe vom „ganzen“ Volk aus.
Beides sei bei den Abgeordneten der CDU und CSU nicht
der Fall. Denn die Abgeordneten der CSU seien nur durch
ein Votum der bayerischen Wähler legitimiert, die der CDU
nur durch eines der Wähler der übrigen 15 Bundesländer. Es
bestehe diesbezüglich keine repräsentative Vertretung des
ganzen deutschen Volkes. Hierfür hätte sich die CDU auch
dem Wählervotum in Bayern stellen müssen, die CSU auch

aber nicht in jedem Wahlkreis und in jedem Land einen
Kreiswahlvorschlag bzw. eine Landesliste einreichen (vgl.
Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 39).

Im Übrigen wäre den Ansprüchen des Einspruchsführers
auch dann nicht Genüge getan gewesen, wenn CDU und
CSU jeweils im ganzen Bundesgebiet mit Kreiswahlvor-
schlägen und Landeslisten zur Wahl gestanden hätten. Denn
auf jedem Kreiswahlvorschlag und auf jeder Landesliste ei-
ner Partei stehen andere Personen (§ 20 Abs. 1 Satz 2, § 27
Abs. 4 Satz 1 BWG), so dass nie ein Kandidat im ganzen
Bundesgebiet wählbar ist.

Soweit der Einspruchsführer verfassungsrechtliche Beden-
ken an dieser einfachgesetzlichen Rechtslage hat, ist zu-
nächst darauf zu verweisen, dass sich der Deutsche Bundes-
tag im Rahmen der Wahlprüfung nicht dazu berufen sieht,
die Verfassungswidrigkeit von Rechtsvorschriften festzu-
stellen. Diese Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsge-
richt vorbehalten worden (ständige Spruchpraxis des Bun-
destages in Wahlprüfungsangelegenheiten, vgl. nur Bundes-

Anlage 1

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn W. S., 64754 Hesseneck
– Az.: WP 103/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/5700

führers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und

Anlage 2
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Die Gültigkeit der Bundestagswahl kann nur durch
Rechtsverstöße in Zusammenhang mit der Vorbereitung
oder Durchführung der Wahl berührt werden. Der Vortrag
des Einspruchsführers lässt aber keinerlei Bezug zur Vor-
bereitung oder Durchführung der Bundestagswahl 2005 er-
kennen.
Tatbestand

Mit einem durch die Landeswahlleiterin des Landes Nord-
rhein-Westfalen weitergeleiteten Schreiben, das beim Wahl-
prüfungsausschuss am 13. Oktober 2005 eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September
2005 eingelegt.

Zur Begründung trägt er vor, dass er als „Vertriebener und
Bürger durch Geburt und Erbe des Deutschen Reiches“ mit
der „derzeitigen Staatsführung“ und der „fortführenden
Politik der Anerkennung von Enteignungen des Deutschen
Volkes nicht einverstanden“ sei. Die heutige Bundesrepub-
lik Deutschland sei „immer noch Besatzungsgebiet der Alli-
ierten“, habe kein Hoheitsgebiet und „keinerlei Bezug zum
Deutschen Recht“. Die Bundesregierung betreibe „den Aus-
verkauf der alten BRD und des Deutschen Reiches ohne
Anteilsscheine zu vergeben“ und ohne die Bevölkerung
über die Verwendung der erzielten Erlöse zu informieren.
Im Hinblick auf die Einzelheiten des Vortrags des Einspruchs-

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. P. T., 40472 Düsseldorf
– Az.: WP 100/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/5700

Anlage 3

spruchen nach wie vor ihren Platz im Deutschen Reichstag
2005. I. A. H. meldet sich selbst!“

Verhandlungstermin mindestens eine Woche vorher zu
laden ist (§ 6 Abs. 2 WPrüfG) oder der Beschluss des

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. des Herrn H. G. H.
2. des Herrn C. G. H.
Das Schreiben enthält den Vermerk: „Postverkehr/Faxemp-
fang ist zur Zeit nicht möglich!“ Eine Wohnanschrift, ein
Postfach oder auch nur eine Telefonnummer werden nicht
angegeben.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a des Wahl-
prüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen Verhand-
lung abzusehen.

Bundestages über den Einspruch zuzustellen ist (§ 13 Abs. 3
WPrüfG).

Im Übrigen wäre der Einspruch aber auch offensichtlich un-
begründet. Denn die Gültigkeit der Bundestagswahl kann
nur durch Rechtsverstöße im Zusammenhang mit der Vor-
bereitung oder Durchführung der Wahl berührt werden. Der
Vortrag der Einspruchsführer lässt indes keinerlei Bezug zur
Vorbereitung oder Durchführung der Bundestagswahl 2005
erkennen.
Tatbestand

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2005, das per Telefax am
18. Oktober 2005 beim Wahlprüfungsausschuss des Deut-
schen Bundestages eingegangen ist, hat der Einspruchsfüh-
rer zu Nummer 1 im eigenen Namen sowie im Namen der
Einspruchsführer zu den Nummern 2 und 3 Einspruch ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005 eingelegt.

Zur Begründung trägt er Folgendes vor: „Hiermit machen
wir für uns als auch für H. G. H. […], C. G. H. […] als auch
für I. A. H. […] die Nichtigkeit der 2005 durchgeführten
Bundestagswahlen geltend. Rund 1 500 000 000 000 Euro
Schulden können weder uns, noch das Deutsche Reich noch
die vorher drei aufgeführten Personen vertreten. Dies geht
steuerrechtlich nicht und wird von uns auch geltend ge-
macht. Sowohl Herr H. G. H. als auch Herr C. G. H. bean-

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist unzulässig. Denn unbeschadet der bislang
im Wahlprüfungsverfahren offen gelassenen Frage, ob die
zulässige Einlegung eines Wahleinspruchs zwingend die
Angabe der Wohnungsanschrift des Einspruchsführers vor-
aussetzt (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 58,
S. 280; 16/3600, Anlage 27, S. 128), kann doch kein Zwei-
fel daran bestehen, dass ein Einspruch jedenfalls dann unzu-
lässig ist, wenn – wie hier – überhaupt keine Kontaktdaten
der Einspruchsführer angegeben werden. Zwar wird solch
ein Zulässigkeitserfordernis im Wahlprüfungsgesetz nicht
ausdrücklich statuiert. Jedoch wird es stillschweigend als
selbstverständlich vorausgesetzt, wenn etwa davon die Rede
ist, dass der Ausschussvorsitzende dem Einspruchsführer
eine Frist zur Beseitigung von Begründungsmängeln setzt
(§ 6 Abs. 1a Nr. 2 WPrüfG), der Einspruchsführer zu einem

3. der Frau I. A. H.
– Az.: WP 112/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

spruchsführer der Auffassung, dass die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über die Organklagen gegen die

Dies entsprach im Gegenteil dem geltenden Recht. Denn
nach Artikel 39 Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes (GG) hat
rers nicht ersichtlich.

I.

16/1800, Anlage 52, S. 268 f.). Im Übrigen sind dem Deut-
schen Bundestag keine Umstände bekannt, die darauf
schließen ließen, dass das Bundesverfassungsgericht sich
Auflösung des 15. Deutschen Bundestages (BVerfGE 114,
121 ff.) „im Prinzip manipuliert“ gewesen sei, da das Bun-
desverfassungsgericht angesichts der bereits in Gang gesetz-
ten Wahlvorbereitungen unter „Zugzwang“ gestanden habe.
Im Hinblick auf die weiteren Ausführungen des Einspruchs-
führers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Wahlfehler werden aus dem Vortrag des Einspruchsfüh-

im Falle einer Auflösung des Bundestages innerhalb von
60 Tagen eine Neuwahl stattzufinden. Da gemäß Artikel 68
Abs. 1 Satz 1 GG der Bundespräsident über die Auflösung
zu entscheiden hat, beginnt die 60-Tage-Frist mit seiner
Entscheidung zu laufen. Der Umstand, dass diese vorlie-
gend im Wege des Organstreits nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 1
GG, § 13 Nr. 5, § 63 ff. des Bundesverfassungsgerichtsge-
setzes (BVerfGG) vor dem Bundesverfassungsgericht ange-
griffen wurde, änderte hieran nichts und vermochte den
Fortgang der Wahlvorbereitungen nicht zu hemmen. Denn
anders als z. B. die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen
einen Verwaltungsakt hat die Einleitung eines Organstreit-
verfahrens als solche keine aufschiebende Wirkung. Eine
dem § 80 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) entsprechende Regelung fehlt nämlich im Bun-
desverfassungsgerichtsgesetz (vgl. Bundestagsdrucksache
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 19. September 2005 und einem weiteren
Schreiben vom 11. Oktober 2005, die – weitergeleitet durch
das Bundespräsidialamt – am 31. Oktober 2005 beim Wahl-
prüfungsausschuss des Deutschen Bundestages eingegan-
gen sind, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am
18. September 2005 eingelegt.

Zur Begründung trägt er vor, dass er nicht an der Wahl habe
teilnehmen können, weil er „weder Kriminelle, noch Ah-
nungslose oder die letzte Garnitur“ habe wählen wollen.
Dies sei auch die „offizielle Begründung für alle bewussten
Nichtwähler“ gewesen. Deutschland werde von einer „Be-
amten- und Juristenmafia“ regiert. Was in der Ökonomie
fachlich richtig sei, werde durch Juristen „umbewertet und
zerstört“. Als Beleg für seine Auffassung führt der Ein-
spruchsführer an, dass der Petitionsausschuss des Landes-
tages von Mecklenburg-Vorpommern nicht auf eine von ihm
eingereichte Petition reagiert habe. Ferner ist der Ein-

Verhältnissen vermag die Gültigkeit der Bundestagswahl
nicht zu berühren. Auch wenn der Deutsche Bundestag sich
nicht veranlasst sieht, die z. T. beleidigenden Äußerungen
des Einspruchsführers zu kommentieren, weist er doch da-
rauf hin, dass es dem Einspruchsführer freistand, seine per-
sönliche Bewertung der politischen Situationen seiner Wahl-
entscheidung zugrunde zu legen und dabei auch – wie er es
getan hat – von einer Wahlteilnahme bewusst Abstand zu
nehmen. Er hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass die
Mehrheit der Wähler seine Auffassung teilt oder anderen-
falls die Wahl für ungültig erklärt wird.

II.

Es stellt auch keinen Wahlfehler dar, dass die Wahlvorberei-
tungen bereits angelaufen waren, bevor das Bundesverfas-
sungsgericht am 25. August 2005 über die gegen die Auflö-
sung des 15. Deutschen Bundestages und die Anordnung
von Neuwahlen gerichteten Organklagen entschieden hatte.

Anlage 4

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn M. G., 18211 Börgerende
– Az.: WP 127/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Die in den Unmutsbekundungen des Einspruchsführers zum
Ausdruck kommende Unzufriedenheit mit den politischen

durch die laufenden Wahlvorbereitungen in seinen Ent-
scheidungen sachwidrig hätte beeinflussen lassen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/5700

Wahlen oder von Volksabstimmungen zu untersagen, um so
eine Überforderung der Wähler zu vermeiden und ihre Kon-

Landeslisten (vgl. §§ 4, 6 BWG) ebenfalls verfassungs-
rechtlich unbedenklich ist und es kein verfassungsrecht-

Anlage 5
zentration auf die Bundestagswahl zu fördern.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Das folgt schon daraus, dass der Einspruchsführer aus-
schließlich die Verfassungsmäßigkeit des geltenden Wahl-

liches Gebot einer Wahl nach Bundeslisten gibt. Schließlich
lässt sich dem Grundgesetz auch keine Verpflichtung ent-
nehmen, die gleichzeitige Durchführung von Bundestags-
und anderen Wahlen oder Abstimmungen zu verbieten
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Aufl., 2002, § 16
Rn. 3).

Die Frage, ob im Rahmen des dem Bundesgesetzgeber
durch Artikel 38 Abs. 3 GG eingeräumten weiten Gestal-
tungsspielraumes bei der Ausgestaltung des Wahlrechts
(vgl. BVerfGE 95, 335, 349) auch andere, insbesondere die
vom Einspruchsführer vorgeschlagenen Regelungen denk-
bar und zweckmäßig wären, ist nicht Gegenstand des Wahl-
prüfungsverfahrens.
Tatbestand

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2005, das am 1. November
2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Wahl zum 16. Deut-
schen Bundestag am 18. September 2005 eingelegt. Der
Einspruchsführer leitet aus Artikel 38 des Grundgesetzes
(GG) und dem Grundsatz der Chancengleichheit der Par-
teien eine Reihe von Vorgaben für die Ausgestaltung des
Wahlrechts ab, denen das geltende Wahlrecht seiner Ansicht
nach nicht genügt.

Wegen der von den Parteien nachhaltig betriebenen Wahl-
werbung für ihre bundesweit auftretenden Spitzenpolitiker
müssten 15 Abgeordnete über personenbezogene Bundeslis-
ten gewählt werden, wobei dem Wähler fünf Stimmen zur
Auswahl von fünf Listenbewerbern einzuräumen seien. Die
Fünf-Prozent-Klausel sei nur auf den „Landesebenen“ ver-
tretbar. Die Sitzverteilung sei so zu regeln, dass keine Über-
hangmandate anfallen. Schließlich müsse es möglich sein,
am Tag der Bundestagswahl die Durchführung anderer

rechts in Frage stellt. Denn der Deutsche Bundestag ist im
Rahmen der Wahlprüfung nicht dazu berufen, die Verfas-
sungswidrigkeit von Rechtsvorschriften festzustellen. Diese
Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehal-
ten worden (ständige Spruchpraxis des Bundestages in
Wahlprüfungsangelegenheiten, vgl. Bundestagsdrucksache
16/1800, Anlage 26, S. 188, mit weiteren Nachweisen).

Unabhängig davon sind die verfassungsrechtlichen Beden-
ken des Einspruchsführers aber auch nicht überzeugend. So
ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts geklärt, dass sowohl die Fünf-Prozent-Klausel des § 6
Abs. 6 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) als auch die
das Entstehen von Überhangmandaten ermöglichende Re-
gelung des § 6 Abs. 5 BWG verfassungskonform sind (vgl.
BVerfGE 95, 335, 357 ff., 366; ferner Bundestagsdruck-
sache 16/900, Anlagen 11 und 14). Ebenso wenig ist es aus
Sicht des Bundesverfassungsgerichts zu beanstanden, dass
der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts auf
die bundesstaatliche Gliederung Rücksicht nimmt (vgl.
BVerfGE 95, 335, 349). Daraus folgt, dass die Wahl nach

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. V., 91058 Erlangen
– Az.: WP 134/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/5700

Der Einspruchsführer hat sich zu der ihm bekannt gegebe-

Anlage 6
vorausgesetzt, dass DIE GRAUEN einen entsprechenden
Wahlvorschlag eingereicht hätten. Ausweislich der Stel-
lungnahme des Landeswahlleiters reichten sie aber weder
nen Stellungnahme nicht mehr geäußert.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Es stand mit den Vorgaben des Wahlrechts im Einklang,
dass kein Kandidat der Partei DIE GRAUEN auf dem
Stimmzettel des Wahlkreises 19 (Hamburg-Mitte) zur Wahl
stand. Dies hätte nach § 19 des Bundeswahlgesetzes (BWG)
Wahlperiode – 17 – D

Tatbestand

Mit Schreiben vom 18. September 2005, das der Landes-
wahlleiter der Freien und Hansestadt Hamburg an den Deut-
schen Bundestag weitergeleitet hat und das am 29. Septem-
ber 2005 beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist, hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Wahl zum
16. Deutschen Bundestag eingelegt.

Zur Begründung trägt er vor, dass die Partei DIE GRAUEN
– Graue Panther nicht auf dem Stimmzettel aufgeführt ge-
wesen sei und er daher sein Wahlrecht nicht habe ausüben
können.

Der Landeswahlleiter der Freien und Hansestadt Hamburg
weist in seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2006 zu
dem Einspruch darauf hin, dass die Partei DIE GRAUEN
weder eine Landesliste für Hamburg noch einen Kreiswahl-
vorschlag für den Wahlkreis 19 (Hamburg-Mitte) einge-
reicht hätten. Aus diesem Grunde habe kein Wahlvorschlag
dieser Partei auf dem Stimmzettel des Einspruchsführers ab-
gedruckt werden können.

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn D. N., 20359 Hamburg
– Az.: WP 62/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
eine Landesliste für Hamburg noch einen Kreiswahlvor-
schlag für den Wahlkreis 19 (Hamburg-Mitte) ein.

Außerdem seien DIE GRAUEN Teil einer „Allianz Freier
Wähler Sachsens (AFW)“, zu der z. B. auch die Parteien

Vergleich zu regulären Wahlen verkürzten Zeitrahmens sei
es durchaus möglich gewesen, die erforderlichen Unterstüt-
zungsunterschriften zu sammeln. So hätten in Sachsen sechs
Sächsischen Landesbank, deren Ergebnisse dem Wähler
vorenthalten würden.

Der Bundeswahlleiter, der unter Einbeziehung eines Be-

tagswahl 2004 in Sachsen öffentlich in Erscheinung ge-
treten und habe auch keine Wahlvorschläge eingereicht.
Soweit der Einspruchsführer darunter eine Verbindung von
BÜSO, Aufbruch, Tierfreunde und Bibelforscher gehörten
und auf die zusammengerechnet mehr als 3 000 Unterstüt-
zungsunterschriften entfallen seien. Gleichwohl sei der Vor-
schlag, diese Unterschriften zusammenzuzählen und DIE
GRAUEN stellvertretend für die „Allianz Freier Wähler“
zur Wahl zuzulassen, ignoriert worden.

Darüber hinaus sei durch die vorsätzliche Unterlassung der
Verfolgung von Straftaten bei Wahlen, Straftaten im Amt
sowie Korruption im Amt bewirkt worden, dass die sächsi-
schen Wähler bei der Stimmabgabe über den Inhalt ihrer Er-
klärung geirrt und gegen ihren Willen nicht oder nicht gültig
gewählt hätten. Beispiele hierfür seien ein Ermittlungsver-
fahren gegen den Dresdner Oberbürgermeister sowie die
aus Sicht des Einspruchsführers vertuschten Untersuchun-
gen im Sächsischen Landtag über „Mauscheleien“ bei der

Parteien die erforderliche Anzahl von Unterstützungsunter-
schriften beigebracht und in elf anderen Bundesländern sei
dies auch den GRAUEN gelungen. In Sachsen habe die
Mitgliederversammlung der GRAUEN für die Aufstellung
der Landesliste aber erst am 12. Juli 2005 stattgefunden, so
dass nur noch vier Wochen für die Sammlung der 2 000 Un-
terstützungsunterschriften zur Verfügung gestanden hätten.

Die Behauptung des Einspruchsführers, DIE GRAUEN
seien im Internet als wählbar bezeichnet worden, könne
nicht nachvollzogen werden. Weder der Bundeswahlleiter
noch die Landeswahlleiterin hätten auf Ihren Internetseiten
Derartiges behauptet.

Eine Vereinigung mit dem Namen „Allianz Freier Wähler“
sei weder bei der Bundestagswahl 2005 noch bei der Land-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 22. September 2005, das am 28. Sep-
tember 2005 beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt und dessen Begründung in einer Reihe
weiterer Schreiben vertieft.

Der Einspruchsführer moniert, dass die Partei DIE
GRAUEN in Sachsen nicht habe gewählt werden können,
obwohl sie im Internet als wählbare Partei genannt worden
sei und in anderen Bundesländern habe gewählt werden
können. Er sieht hierin eine Verletzung von Artikel 3 Abs. 1
des Grundgesetzes (GG) und einen „fortgesetzten Wahlbe-
trug“. Bereits zur Landtagswahl 2004 in Sachsen habe es
Unregelmäßigkeiten gegeben und eine Anfechtung der
Landtagswahl sei rechtswidrig verdunkelt und verschleppt
worden. Dadurch sei es den GRAUEN nicht möglich gewe-
sen öffentlich aufzutreten, Wahlvorbereitungen zu treffen
oder ausreichend Unterstützungsunterschriften zu sammeln.

GRAUEN am 12. August 2005 zwar vom Bundeswahlaus-
schuss als Partei im Sinne von § 18 Abs. 4 Nr. 2 des Bun-
deswahlgesetzes (BWG) anerkannt worden seien, ihre am
3. August 2005 eingereichte Landesliste für Sachsen jedoch
vom Landeswahlausschuss am 19. August 2005 zurück-
gewiesen worden sei, weil die erforderliche Anzahl von
Unterstützungsunterschriften nicht habe beigebracht werden
können. Da es bei der Bundestagswahl 2002 3 571 995
Wahlberechtigte in Sachsen gegeben habe, hätten gemäß
§ 27 Abs. 1, § 18 Abs. 2 BWG 2 000 Unterstützungsunter-
schriften eingereicht werden müssen. DIE GRAUEN hätten
bis zum Fristende am 15. August 2005, 18 Uhr, jedoch
lediglich 1 443 Unterschriften eingereicht, von denen 1 435
gültig gewesen seien. Aus diesem Grunde habe auch ihre
gegen die Zurückweisung beim Bundeswahlausschuss erho-
bene Beschwerde keinen Erfolg haben können.

Es gebe nach Ansicht des Bundeswahlleiters keine Anhalts-
punkte für eine vom Einspruchsführer behauptete verfas-
sungswidrige Diskriminierung der GRAUEN. Trotz des im

Anlage 7

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. M., 01277 Dresden
– Az.: WP 58/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
richts der Landeswahlleiterin des Freistaates Sachsen zu
dem Einspruch Stellung genommen hat, bestätigt, dass DIE

zurückgewiesenen Landeslisten verschiedener Parteien ver-
stehen sollte, werde darauf hingewiesen, dass eine derartige

Drucksache 16/5700 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Verbindung nach dem geltenden Wahlrecht ausgeschlossen
sei. Gemäß § 7 BWG gebe es lediglich die Verbindung von
Landeslisten derselben Partei.

Der Einspruchsführer hat sich zu der ihm zugänglich ge-
machten Stellungnahme nicht geäußert.

Im Hinblick auf den Sach- und Streitstand im Übrigen wird
auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Wahlfehler werden aus dem vorgetragenen Sachverhalt
nicht ersichtlich.

Die sächsische Landesliste der GRAUEN wurde, wie der
Bundeswahlleiter dargelegt hat, zu Recht nicht zur Wahl zu-
gelassen. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2, § 18 Abs. 2 BWG hätte
es hierfür der Beibringung von 2 000 Unterstützungsunter-
schriften bedurft. Beigebracht wurden aber nur 1 435 gül-

lich auf eine bestimmte Landesliste einer bestimmten Partei
und können daher nicht der Landesliste einer anderen Partei
zugerechnet werden.

Aus dem Umstand, dass in anderen Bundesländern Landes-
listen der GRAUEN zugelassen worden waren, kann entge-
gen der Auffassung des Einspruchsführers nicht auf eine Ver-
letzung von Artikel 3 Abs. 1 GG oder sonstiger verfassungs-
rechtlicher Gleichbehandlungsgebote geschlossen werden.
Denn das – seinerseits verfassungsgemäße (vgl. Bundestags-
drucksache 16/1800, Anlage 39, S. 230) – Unterschriften-
quorum des § 27 Abs. 1 Satz 2 BWG galt bundesweit. Die
Entscheidung über die Zulassung der Landeslisten der
GRAUEN richtete sich somit überall nach denselben Krite-
rien.

Soweit der Einspruchsführer seinen Einspruch auf die an-
geblich verschleppte Anfechtung der Landtagswahl in Sach-
sen sowie die in seinen Augen unzureichende Aufklärung
von Straftaten und Korruptionsvorwürfen stützt, ist kein
ausreichender Bezug zur Vorbereitung oder Durchführung
der Bundestagswahl 2005 erkennbar. Die Gültigkeit der
Bundestagswahl kann aber nur durch Rechtsverstöße bei der
Vorbereitung oder Durchführung der Bundestagswahl be-
rührt werden. Der erforderliche Bezug zur Bundestagswahl
tige Unterstützungsunterschriften.

Eine Berücksichtigung von Unterstützungsunterschriften,
die für ebenfalls zurückgewiesene Landeslisten anderer Par-
teien abgegeben wurden, wie sie dem Einspruchsführer, der
diese Parteien oder zumindest einige von ihnen als Teil
einer „Allianz Freier Wähler Sachsens“ betrachtet, offenbar
vorschwebt, kommt nicht in Betracht. Wie sich aus § 27
Abs. 1 Satz 2 BWG ergibt und wie durch die Anlage 21 zu
§ 39 Abs. 3 der Bundeswahlordnung (BWO) bestätigt wird,
beziehen sich die Unterstützungsunterschriften ausschließ-

wird auch nicht dadurch hergestellt, dass der Einspruchs-
führer behauptet, durch die angeblich verschleppte Anfech-
tung der Landtagswahl seien keine öffentlichen Auftritte
und keine hinreichenden Wahlvorbereitungen möglich ge-
wesen und die unzureichende Aufklärung von Straftaten
habe dazu geführt, dass die sächsischen Wähler gegen ihren
wirklichen Willen nicht oder nicht gültig gewählt hätten.
Diese behaupteten Kausalzusammenhänge werden weder
durch die Angabe der Überprüfung zugänglicher Tatsachen
belegt, noch sind sie aus sich heraus nachvollziehbar und
plausibel.

München. Hierfür benutzte er das Formular, das sich auf der
Rückseite seiner Wahlbenachrichtigung befand. Auf diesem

„den“ Grund selbst glaubhaft mache. Zum anderen hätte der
Wahlschein auch deshalb nicht erteilt werden dürfen, weil
Beeinträchtigung oder ein sonstiger körperlicher Zu-
stand, so dass der Wahlraum nicht oder nur unter nicht
zumutbaren Schwierigkeiten aufgesucht werden kann.“

keine Reaktion, und der Wahlschein wurde nicht für ungültig
erklärt. Daraufhin legte der Einspruchsführer am 15. Sep-
tember 2005 beim Wahlamt „Beschwerde gemäß § 22 Abs. 5
Antragsformular, das dem Wahlprüfungsausschuss vorliegt,
war unter anderem der folgende Text abgedruckt:

„Es wird versichert, dass einer der nachstehend aufgeführ-
ten Gründe für die Erteilung eines Wahlscheins gegeben ist:

1. Abwesenheit am Wahltag aus wichtigem Grund,

2. Verlegung der Wohnung ab dem 15. August 2005 in
einen anderen Wahlbezirk

– innerhalb der Landeshauptstadt München,

– außerhalb der Landeshauptstadt München, wobei die
Eintragung in das Wählerverzeichnis am Ort der
neuen Wohnung nicht beantragt ist,

3. berufliche Gründe, Krankheit, hohes Alter, körperliche

alle vorgegebenen Gründe von ihm durchgestrichen gewe-
sen seien. Um eine verfassungsmäßige Durchführung der
Briefwahl, die grundsätzlich das durch Artikel 38 Abs. 1
Satz 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Wahlgeheimnis
gefährde, zu gewährleisten, sei jedoch eine strikte Befolgung
der in der Bundeswahlordnung aufgestellten Anforderungen
geboten. Zu seinen Beweggründen führte der Einspruchsfüh-
rer aus, dass er die Übersendung von Briefwahlunterlagen
„zur Maximierung der Kosten einer ungerechtfertigten Bun-
destagswahl und somit zur Vermeidung ähnlicher Entschei-
dungen in der Zukunft“ gewünscht habe.

Um dieses erklärte Ziel des Einspruchsführers, der für die
Bescheidung seines Einspruchs gegen die Erteilung des
Wahlscheines eine Frist bis zum 13. September 2005 gesetzt
hatte, nicht zu fördern, erfolgte vonseiten des Wahlamtes
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/5700

Anlage 8

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn A. S., 81541 München
– Az.: WP 167/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit Schreiben vom 16. November
2005, das am 17. November 2005 beim Wahlprüfungsaus-
schuss eingegangen ist, Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September
2005 eingelegt. Der Einspruchsführer moniert die Bearbei-
tung seines Wahlscheinantrags (I.), die Gestaltung des ihm
übersandten Stimmzettels (II.) und das Verhalten verschie-
dener Münchener Wahlvorstände bei den Versuchen des
Einspruchsführers, an der Urnenwahl teilzunehmen (III.).
Darüber hinaus rügt er generell die unterschiedliche Be-
handlung von Wahlscheininhabern und Nicht-Wahlschein-
inhabern bei der Urnenwahl im Hinblick auf Ausweiskont-
rollen (IV.) und zweifelt an der Rechtmäßigkeit der Brief-
wahl (V.).

I.

Der Einspruchsführer stellte am 6. September 2005 einen
Antrag auf Ausstellung eines Wahlscheins und Übersen-
dung von Briefwahlunterlagen beim Wahlamt der Stadt

nem Antrag am 8. September 2005 stattgegeben, weil die
Streichung übersehen wurde. Wahlschein und Briefwahl-
unterlagen gingen dem Einspruchsführer am 9. September
2005 zu.

Noch am selben Tage legte der Einspruchsführer hiergegen
Einspruch beim Wahlamt der Stadt München ein mit dem
Ziel, dass der Wahlschein für ungültig erklärt und der Wahl-
scheinvermerk im Wählerverzeichnis gestrichen werde. Als
Begründung führte der Einspruchsführer an, dass die Vor-
aussetzungen für die Erteilung eines Wahlscheines nicht
vorgelegen hätten. Zum einen sei das zur Antragstellung
verwendete Formular hierfür schon nicht geeignet gewesen.
Es weiche nämlich vom Muster der Anlage 4 zu § 19 Abs. 2
der Bundeswahlordnung (BWO) und den Vorgaben des § 27
Abs. 2 BWO insoweit ab, als der Antragsteller nicht ange-
ben müsse, welcher der in dem Formular genannten Gründe
für die Erteilung eines Wahlscheines vorliege. Die Bundes-
wahlordnung verlange aber, dass der Antragsteller nicht nur
glaubhaft mache, dass „ein“ Grund vorliege, sondern dass er
Der Einspruchsführer unterschrieb diese Versicherung,
strich aber alle drei Punkte durch. Gleichwohl wurde sei-

BWO in Verbindung mit § 31 BWO“ gegen die „faktische
Ablehnung“ seines Einspruchs ein. Auch hierauf wurde

Drucksache 16/5700 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nicht reagiert. Vielmehr findet sich auf der Beschwerde-
schrift der handschriftliche Vermerk: „Vorerst nichts veran-
lassen.“

Der Einspruchsführer ist aufgrund der bereits in seinem Ein-
spruchsschreiben an das Wahlamt der Stadt München vor-
getragenen Argumente der Auffassung, dass ihm der Wahl-
schein zu Unrecht ausgestellt wurde und seinem Einspruch
und seiner Beschwerde hätte stattgegeben werden müssen.

Das Kreisverwaltungsreferat der Stadt München, das zu
dem Einspruch Stellung genommen hat, ist der Ansicht, das
vom Einspruchsführer verwendete Antragsformular habe
den Vorgaben der Anlage 4 zu § 19 Abs. 2 BWO entspro-
chen. Auf die „Ankreuzbarkeit“ eines Grundes sei verzich-
tet worden, weil dies in der Vergangenheit von vielen Wäh-
lern übersehen worden sei, was wiederum erheblichen Ver-
waltungsaufwand nach sich gezogen habe. Die Möglichkeit
des Einspruchs und der Beschwerde gebe es gemäß § 31
BWO nur gegen die Versagung des Wahlscheines.

Der Einspruchsführer bekräftigt in seiner Erwiderung auf
die Stellungnahme seine Auffassung, dass die Antragsfor-
mulare nicht den Vorgaben der Bundeswahlordnung ent-
sprochen hätten. Alle in München ausgestellten Wahl-
scheine seien damit rechtswidrig erteilt worden. Dieser Feh-
ler sei „klar mandatsrelevant“. § 31 BWO sei auf seinen
Einspruch und seine Beschwerde zwar in der Tat nicht
direkt, wohl aber analog anwendbar gewesen. Die bewusste
Nichtreaktion bedeute jedenfalls, einen Wahlfehler erkannt
zu haben, aber darauf zu verzichten, ihn rechtzeitig zu kor-
rigieren. Der Kern des Problems seien letztlich nicht die
fehlenden Antwortschreiben, sondern das Fehlen jeglicher
Reaktion in der Sache selbst.

II.

Der Einspruchsführer moniert darüber hinaus, dass sich auf
dem ihm übersandten Stimmzettel links oben ein Loch be-
fand, dessen Funktion sich ihm nicht erschlossen habe.
Sollte es sich um ein Unterscheidungsmerkmal im Sinne des
§ 5 Abs. 2 Satz 1 des Wahlstatistikgesetzes (WStatG) ge-
handelt haben, sei er nicht gemäß § 3 Satz 5 WStatG darauf
hingewiesen worden, dass sein Briefwahlbezirk in die re-
präsentative Wahlstatistik einbezogen worden sei. Da er
vonseiten der Wahlbehörden keine Erläuterungen zu dem
Loch erhalten habe, könne er nicht ausschließen, dass es
sich um ein „subtiles Unterscheidungsmerkmal“ gehandelt
habe.

Das Kreisverwaltungsreferat der Stadt München erklärt
hierzu, dass es sich bei dem Loch um eine Orientierungs-
hilfe für blinde Wähler gehandelt habe, die sich auf jedem
Stimmzettel befunden habe.

III.

Der Einspruchsführer geht ferner davon aus, dass Wähler,
die mittels Vorlage eines Wahlscheines in den Münchener
Wahlkreisen 219, 220, 221 und 222 an der Urnenwahl hät-
ten teilnehmen wollen, in großem Umfange durch schlecht
geschulte Wahlvorstände an der Ausübung ihres Stimm-
rechts gehindert worden seien. Diese Auffassung stützt er
auf folgende Erfahrungen, die er mit den Wahlvorständen

Er habe sich am Wahltag gegen 15.40 Uhr in das Wahllokal
des auf seiner Wahlbenachrichtigung angegebenen Wahl-
bezirks 1706 begeben, um an der Urnenwahl teilzunehmen.
Seinen Wahlschein habe er nicht mitgebracht. Denn er sei
davon ausgegangen, dass seine Rechtsmittel gegen dessen
Erteilung Erfolg gehabt hätten und er hierüber lediglich
nicht informiert worden sei. Als er seine Wahlbenachrichti-
gung, die er für die Beantragung seines Wahlscheines be-
nutzt hatte, nicht habe vorlegen können, habe ihn der Wahl-
vorstand aufgefordert, sich auszuweisen. Daraufhin habe
der Einspruchsführer zunächst auf § 56 BWO hingewiesen,
wonach das Ausweisen erst nach dem Ausfüllen des Stimm-
zettels verlangt werden könne. Dann habe er sich aber doch
dazu überreden lassen, seine Personalien anzugeben. Darauf-
hin habe ihm der Wahlvorstand mitgeteilt, dass er schon ge-
wählt habe, weil sich im Wählerverzeichnis ein Wahlschein-
vermerk befinde. Dem Hinweis des Einspruchsführers, dass
sein Wahlschein in der Liste der für ungültig erklärten
Wahlscheine vermerkt sein müsse, so dass eine Zurückwei-
sung nach § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BWO ausscheide, sei der
Wahlvorstand offenbar nicht nachgegangen. Da seine
Schlagfertigkeit und Konfliktfreudigkeit nicht besonders
hoch seien, habe er sich schließlich dazu überreden lassen,
seinen Wahlschein zu holen, ohne vorher zu klären, ob dies
überhaupt notwendig sei. Soweit ihm das ersichtlich gewe-
sen sei, habe der Wahlvorstand nicht, wie in § 56 Abs. 7
BWO an sich vorgesehen, einen Beschluss über seine Zu-
rückweisung gefasst.

Nachdem er den Wahlschein geholt habe, habe er sich aber
nicht sogleich wieder zum Wahlvorstand des Wahlbezirks
1706 begeben, sondern zunächst nacheinander die im selben
Gebäude untergebrachten Wahlvorstände der Wahlbezirke
1705 und 1704 aufgesucht. Dort habe er unter Vorlage sei-
nes Wahlscheines wählen wollen. Beide Wahlvorstände hät-
ten aber trotz seiner rechtlichen Erläuterungen auf ihrem
Standpunkt beharrt, dass er nur an der Wahl teilnehmen
dürfe, wenn er seine Briefwahlunterlagen, die er nicht dabei
gehabt habe, abgebe. Ein förmlicher Beschluss über seine
Zurückweisung sei nicht gefasst worden. Auch habe er nicht
bemerken können, dass in der Wahlniederschrift etwas ver-
merkt worden sei. Der Wahlvorstand des Wahlbezirks 1705
sei zudem nicht beschlussfähig gewesen, da er zu der frag-
lichen Zeit nur mit zwei Personen besetzt gewesen sei.

Der Einspruchsführer habe sich sodann wieder zum ersten
Wahlvorstand, den des Wahlbezirks 1706, begeben. Dieser
habe ihm nach Abgabe des Wahlscheines einen Stimmzettel
ausgehändigt. Während er sich in der Wahlkabine befunden
habe, habe er eine Diskussion des Wahlvorstandes darüber
verfolgen können, ob sich der Einspruchsführer vor Stimm-
abgabe ausweisen müsse. Fälschlicherweise sei der Wahl-
vorstand zu der Ansicht gelangt, dass dies nicht nötig sei.
Zudem habe der Einspruchsführer nicht bemerkt, dass sein
Wahlschein mit der Liste der für ungültig erklärten Wahl-
scheine abgeglichen worden sei.

Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass aufgrund „der
offenbaren Häufung derartiger Unregelmäßigkeiten“ davon
ausgegangen werden müsse, dass zumindest in München
die Schulung der Wahlvorstände äußerst mangelhaft ge-
wesen sei und deshalb viele Wahlberechtigte an der Abgabe
der Wahlbezirke 1704, 1705 und 1706 in München gemacht
habe.

ihrer Stimmen gehindert worden seien. 10 078 Wahlschein-
inhaber in München hätten nicht an der Wahl teilgenom-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/5700

men. Unklar sei lediglich, ob die 1 760 Wahlscheininhaber,
die an der Urnenwahl teilgenommen hätten, noch von dieser
Zahl abzuziehen seien oder ob diese bereits berücksichtigt
worden seien. Ein großer Teil davon sei vermutlich – wie
der Einspruchsführer in den Wahlbezirken 1704 und 1705 –
von den Wahlvorständen zurückgewiesen worden.

Das Kreisverwaltungsreferat der Stadt München hat nach
schriftlicher Befragung der Wahlvorsteher und Stellvertreter
der Wahlvorstände der Wahlbezirke 1704 und 1705 Zweifel
an der Schilderung des Einspruchsführers. Diese Wahlvor-
stände seien mit wahlerfahrenen Personen besetzt gewesen.

Der Wahlvorstand des Wahlbezirks 1705 könne sich ledig-
lich an jemanden erinnern, der ohne Ausweis und Wahl-
schein habe wählen wollen und provokativ auf die Unfähig-
keit des Wahlgremiums hingewiesen habe. Dass diesem
Herrn wegen fehlender Briefwahlunterlagen die Wahl ver-
weigert worden sei, sei nicht erinnerlich. Der Wahlvorstand
sei im Übrigen vollzählig gewesen. Lediglich einmal sei ein
Rollstuhlfahrer durch einen Mitarbeiter begleitet worden,
der im Anschluss daran wieder auf seinen Platz zurückge-
kehrt sei. Die Uhrzeit sei nicht mehr in Erinnerung. Dieser
Verstoß gegen § 6 Abs. 8 Satz 1 BWO sei aber nicht man-
datsrelevant. Der Vorgang sei so banal gewesen, dass er
nicht protokolliert worden sei.

Auch dem Wahlvorstand des Wahlbezirks 1704 sei lediglich
ein Herr aufgefallen, der provokativ aufgetreten sei und
trotz fehlender Unterlagen habe wählen wollen. Dies sei der
Wahlvorstand jedoch gewohnt und so habe er dem keine
weitere Bedeutung beigemessen. Auch sei es nicht notwen-
dig gewesen, diesen Vorgang beschlussmäßig zu erfassen.

Zum Vorwurf des Einspruchsführers, der Wahlvorstand des
Wahlbezirks 1706 habe keinen Abgleich mit der Liste der
für ungültig erklärten Wahlscheine vorgenommen, führt das
Kreisverwaltungsreferat aus, dass der Wahlschein des Ein-
spruchsführers nicht für ungültig erklärt worden sei. Im
Übrigen weist das Kreisverwaltungsreferat darauf hin, dass
jedem Wahlvorstandsmitglied ein „Handbuch für den Wahl-
vorstand“ übersandt worden sei, in dem auch die Behand-
lung von Wahlscheinwählern thematisiert werde, und dass
die Wahlvorstände in Wahlinformationsveranstaltungen
dementsprechend unterrichtet worden seien. In dem Hand-
buch heißt es unter der Überschrift „Stimmabgabe mit
Wahlschein“:

„Eine Stimmabgabe mit Wahlschein ist nur möglich, wenn

● sich die Person ausweisen kann

● es sich um die Person handelt, für die der Wahlschein
ausgestellt wurde

● wenn die Person in einem Wahllokal des Wahlkreises
abstimmen will, für den der Wahlschein ausgestellt
wurde.

Liegen die Voraussetzungen vor, ist ein Stimmzettel auszu-
händigen (hat die Person bereits einen Stimmzettel dabei, ist
dieser zu vernichten) …“.

Die Behauptung des Einspruchsführers, dass davon ausge-
gangen werden könne, dass andere Wahlscheinwähler an
der Abgabe ihrer Stimme gehindert worden seien, ist nach
Auffassung des Kreisverwaltungsreferats eine bloße Vermu-

In seiner Erwiderung zur Stellungnahme des Kreisverwal-
tungsreferats weist der Einspruchsführer die Zweifel des
Kreisverwaltungsreferats am Wahrheitsgehalt seiner Schil-
derung entschieden zurück. Er sei auch nicht provokativ
aufgetreten, sofern man nicht sein Äußeres (lange Haare
und Vollbart) als Provokation auffasse.

Entgegen der Behauptung des Wahlvorstandes des Wahlbe-
zirks 1705 habe er keineswegs versucht, ohne Wahlschein
und Ausweis zu wählen. Vielmehr habe er unaufgefordert
seinen Wahlschein vorgezeigt und gesagt, dass er wählen
wolle. Daraufhin sei er ausschließlich mit der Forderung
konfrontiert worden, seine Briefwahlunterlagen abzugeben.
Ebenso habe es sich im Wahlbezirk 1704 verhalten. Die für
Wahlscheininhaber einschlägige Anweisung im „Handbuch
für den Wahlvorstand“ („hat die Person bereits einen
Stimmzettel dabei, ist dieser zu vernichten“) sei falsch. Es
stehe jedem Wahlscheininhaber frei, den mit den Briefwahl-
unterlagen übersandten Stimmzettel ins Wahllokal mitzu-
nehmen und später selbst zu vernichten. Die Bundeswahl-
ordnung schließe nicht einmal grundsätzlich aus, dass ein
mitgebrachter Stimmzettel für die Urnenwahl verwendet
werde. Dass der Verzicht auf die Vernichtung des mitge-
brachten Stimmzettels keineswegs die Möglichkeit zur
Doppelwahl eröffnen würde, hätte er den Wahlvorständen
nicht vermitteln können.

Der Einspruchsführer hält ferner an seiner Auffassung fest,
dass der Wahlvorstand des Wahlbezirks 1706 auf jeden Fall
einen Abgleich mit der Liste der für ungültig erklärten
Wahlscheine hätte vornehmen müssen. Die Feststellung,
dass sein Wahlschein gültig sei, wäre ja gerade erst dadurch
möglich gewesen.

Schließlich sei sein Einspruch auch im Hinblick auf andere
Wahlscheininhaber in München hinreichend substantiiert.
Zwar trage er insoweit nur Indizien vor, zwei Zurückwei-
sungen bei drei Versuchen seien aber sehr starke Indizien.
Zudem liege ein Wahlfehler nicht erst dann vor, wenn ein
Wähler endgültig an der Stimmabgabe gehindert werde,
sondern bereits dann, wenn diese erschwert werde, indem
beispielsweise die Abgabe von Briefwahlunterlagen ver-
langt werde. Außerdem seien seines Wissens keine Zahlen
darüber veröffentlicht, wie vielen Münchener Wahlschein-
inhabern überhaupt Briefwahlunterlagen zugesandt worden
seien und wie viele gar keine Möglichkeit gehabt hätten,
solche Unterlagen beizubringen. Deshalb obliege die Sub-
stantiierung dem Münchener Wahlamt. Er neige im Übrigen
dazu, den Vorwurf der mangelnden Substantiierung als Auf-
forderung zur Durchführung eines „größer angelegten Feld-
versuchs“ bei der nächsten Wahl aufzufassen.

IV.

Der Einspruchsführer ist weiterhin der Auffassung, dass bei
der Urnenwahl eine verfassungswidrige Ungleichbehand-
lung zwischen Wahlscheininhabern und Wahlberechtigten,
die unter Vorlage einer Wahlbenachrichtigung wählen könn-
ten, vorliege. Während erstere sich stets ausweisen müssten,
dürften letztere wählen, ohne im Besitz eines Reisepasses
oder Personalausweises sein zu müssen.

Das Kreisverwaltungsreferat teilt die Auffassung des Ein-
spruchsführers nicht, weil auch Inhaber von Wahlbenach-
tung. Insoweit fehle die gebotene Substantiierung des Wahl-
fehlers.

richtigungen sich auf Verlangen des Wahlvorstandes auszu-
weisen hätten.

Drucksache 16/5700 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Einspruchsführer hat hierauf erwidert, dass gleichwohl
„nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch“ eine Un-
gleichbehandlung vorliege, da ihm kein Fall bekannt sei, in
dem ein Münchener Wahlvorstand von dem Inhaber einer
Wahlbenachrichtigung tatsächlich verlangt habe, sich aus-
zuweisen. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbe-
handlung gebe es nicht. Ganz im Gegenteil sei es leichter,
sich eine fremde Wahlbenachrichtigung zu verschaffen, als
einen fremden Wahlschein. Denn erstere werde grundsätz-
lich „ungeschützt“ versandt, während letzterer häufig per-
sönlich abgeholt und dabei schon die Identität geprüft
werde. In der Vergangenheit möge es ein Argument gewe-
sen sein, dass Wähler dem Wahlvorstand des auf der Wahl-
benachrichtigung stehenden Wahlbezirks häufig persönlich
bekannt gewesen seien. Heutzutage sei dies aber selbst im
ländlichen Raum regelmäßig nicht mehr der Fall. Jedenfalls
bestehe kein Grund, die Pflicht sich auszuweisen, an die
Form der Wahl zu binden und für die „normale Wahl“ mit-
tels Wahlbenachrichtigung in das beliebige Ermessen der
Wahlvorstände zu stellen. Eine Identitätskontrolle sollte ent-
weder durchgängig durchgeführt werden oder stets nur von
konkreten Verdachtsmomenten abhängig sein.

V.

Schließlich ist der Einspruchsführer der Ansicht, dass bei
18,7 Prozent Briefwählern nicht mehr davon ausgegangen
werden könne, dass bei der Mehrzahl der Briefwähler tat-
sächlich Gründe vorgelegen hätten, die die mit der Brief-
wahl verbundene Gefährdung des Wahlgeheimnisses recht-
fertigen könnten. Es müsse vielmehr davon ausgegangen
werden, dass das Wahlgeheimnis bei einem großen Teil der
abgegebenen Stimmen nicht mehr existiert habe und damit
auch Wahlberechtigte davon abgehalten worden seien, über-
haupt ihre Stimmen abzugeben. Dies äußere sich auch darin,
dass die Wahlbeteiligung mit der Steigerung der Briefwahl-
quote sinke. Gerade der Fall des Einspruchsführers zeige,
dass eine Prüfung der Gründe für die Übersendung von
Briefwahlunterlagen selbst in der „rudimentären Form“, die
die Bundeswahlordnung vorschreibe, nicht mehr erfolge.

VI.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1 und 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

I.

1. Das vom Einspruchsführer verwendete Formular für sei-
nen Antrag auf Ausstellung eines Wahlscheines entsprach
den Vorgaben der Bundeswahlordnung. Im Unterschied
zur noch für die Wahl zum 15. Deutschen Bundestag
geltenden Fassung der Anlage 4 zu § 19 Abs. 2 BWO
(BGBl. I 2002 S. 634) sah die für die Wahl zum
16. Deutschen Bundestag geltende Fassung (BGBl. I
2005 S. 1951) nämlich keine Kästchen mehr zum An-

2. Das Wahlamt der Stadt München verstieß jedoch gegen
§ 27 Abs. 2 BWO, als es dem Antrag des Einspruchsfüh-
rers auf Erteilung eines Wahlscheines stattgab, obwohl
dieser sämtliche auf dem Formular genannten Gründe
für die Erteilung eines Wahlscheines durchgestrichen
hatte. Denn nach § 27 Abs. 2 BWO hat der Antragsteller
den Grund für die Erteilung eines Wahlscheines glaub-
haft zu machen. Das war hier nicht geschehen. Zwar
hatte der Einspruchsführer den Satz „Es wird versichert,
dass einer der nachstehend aufgeführten Gründe für die
Erteilung eines Wahlscheins gegeben ist.“ nicht durchge-
strichen und diese Erklärung auch unterschrieben. Der
Umstand, dass dann sämtliche nachstehend aufgeführten
Gründe durchgestrichen waren, machte diese „Versiche-
rung“ aber in sich widersprüchlich, so dass sie nicht
mehr zur Glaubhaftmachung von Gründen für die Ertei-
lung eines Wahlscheines geeignet war.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuss und der
Deutsche Bundestag stets angeschlossen haben, können
jedoch nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch er-
folgreich begründen, die auf die Mandatsverteilung von
Einfluss sind oder hätten sein können (vgl. nur BVerfGE
89, 243, 254; Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 20).
Das ist hier nicht der Fall. Denn da der Einspruchsführer
wahlberechtigt war, konnte die unberechtigte Ausstel-
lung des Wahlscheines nicht zu einer unberechtigten
Stimmabgabe führen, sondern lediglich dazu, dass je-
mand, der auf jeden Fall zur Stimmabgabe berechtigt
war, seine Stimme auf eine unberechtigte Art und Weise
– nämlich in einem anderen Wahllokal seines Wahlkrei-
ses oder durch Briefwahl (vgl. § 14 Abs. 3 des Bundes-
wahlgesetzes – BWG) – hätte abgeben dürfen. Eine
rechtswidrige Veränderung der Sitzverteilung im Deut-
schen Bundestag war damit von vornherein ausgeschlos-
sen.

3. Kein Wahlfehler kann darin gesehen werden, dass der
Wahlschein des Einspruchsführers nicht für ungültig er-
klärt wurde, obwohl der Einspruchsführer gegen dessen
Erteilung Einspruch eingelegt hatte. Das Einspruchs-
und Beschwerderecht des § 31 BWO richten sich nur ge-
gen die Versagung eines Wahlscheines. Die Ungültiger-
klärung eines Wahlscheines von Amts wegen ist gemäß
§ 28 Abs. 8 Satz 1 BWO nur für den Fall vorgesehen,
dass der Wahlscheininhaber im Wählerverzeichnis ge-
strichen wird. Beide Tatbestände waren hier nicht ein-
schlägig.

Auch eine analoge Anwendung der genannten Vorschrif-
ten auf die hier in Frage stehende Konstellation kommt
nicht in Betracht. Beide Vorschriften verfolgen den
Zweck, die im Besitz eines Wahlscheins liegende sog.
formelle Wahlberechtigung mit der materiellen Wahlbe-
rechtigung in Einklang zu bringen. § 31 BWO will ver-
hindern, dass ein materiell Wahlberechtigter mangels
Wahlscheines sein Wahlrecht nicht ausüben kann. § 28
Abs. 8 Satz 1 BWO will verhindern, dass ein Wahl-
scheininhaber, der in Wirklichkeit nicht (mehr) materiell
wahlberechtigt ist (und deshalb aus dem Wählerver-
zeichnis gestrichen wurde), eine Stimme abgeben kann.
kreuzen eines der für die Erteilung eines Wahlscheines
in Betracht kommenden Gründe vor.

Die Gefahr des Auseinanderfallens von materieller und
formeller Wahlberechtigung besteht bei der hier in Frage

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/5700

stehenden Konstellation nicht. Vorliegend besteht – wie
gezeigt – nur die Gefahr, dass ein Wahlberechtigter sein
Wahlrecht auf eine Art und Weise ausüben kann (mittels
Wahlschein), zu der er an sich nicht berechtigt ist. Eine
Ungültigerklärung des Wahlscheines bei dieser Konstel-
lation würde die Gefahr des Auseinanderfallens von ma-
terieller und formeller Wahlberechtigung erst herbeifüh-
ren. Denkbar wäre z. B., dass einen Wähler, der von dem
Wahlschein im Wege der Briefwahl bereits Gebrauch ge-
macht hat (vgl. § 28 Abs. 5, § 66 ff. BWO), die Nach-
richt, dass sein Wahlschein für ungültig erklärt wurde
und er deshalb nur noch in dem Wahlbezirk, in dessen
Wählerverzeichnis er geführt wird, an der Wahl teilneh-
men kann (vgl. § 14 Abs. 2 BWG), erst nach der Wahl
erreicht. Sein Wahlbrief mit dem – nunmehr ungültigen –
Wahlschein wäre zurückzuweisen (vgl. § 39 Abs. 4 Nr. 2
BWG), eine Stimmabgabe im Wahllokal seines Wahlbe-
zirks nicht mehr möglich. Damit würde eine analoge An-
wendung der §§ 31, 28 Abs. 8 Satz 1 BWO auf die hier
in Frage stehende Konstellation das genaue Gegenteil
dessen bewirken, was diese Normen an sich bezwecken:
Das Risiko des Auseinanderfallens von materiellem und
formellem Wahlrecht zu minimieren.

II.

Das Loch auf dem Stimmzettel des Einspruchsführers ist
aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Es diente als
Orientierungshilfe für blinde Wähler dem Anlegen der
Stimmzettelschablone im Sinne des § 45 Abs. 5 Satz 1, des
§ 57 Abs. 4 BWO. Da es sich auf allen Stimmzetteln be-
fand, konnte von ihm auch keine Gefährdung für das Wahl-
geheimnis ausgehen.

III.

Auch der Vortrag des Einspruchsführers bezüglich des Ver-
haltens der Wahlvorstände der Wahlbezirke 1704, 1705 und
1706 vermag dem Einspruch nicht zum Erfolg zu verhelfen,
und zwar selbst dann nicht, wenn man seinen zum Teil be-
strittenen Vortrag als wahr unterstellt.

1. Die meisten der vom Einspruchsführer gerügten Verhal-
tensweisen stehen nämlich schon gar nicht im Wider-
spruch zu rechtlichen Vorgaben für die Vorbereitung
oder Durchführung der Wahl.

a) So kann kein Wahlfehler darin gesehen werden, dass
ein Wahlvorstand – wie es der Einspruchsführer hier
im Hinblick auf den Wahlvorstand des Wahlbezirks
1706 vorträgt – einen Wähler vor Ausgabe des
Stimmzettels auffordert, sich auszuweisen. Zwar legt
der Zusammenhang der Absätze 2 und 3 des § 56
BWO in der Tat zunächst die vom Einspruchsführer
vertretene Rechtsauffassung nahe, dass der Wahlvor-
stand erst verlangen kann, dass sich ein Wähler aus-
weist, wenn dieser mit seinem gefalteten Stimmzettel
aus der Wahlkabine tritt und sich zum Einwurf des
Stimmzettels in die Wahlurne zum Tisch des Wahl-
vorstandes begibt. Bei solch einer Auslegung würde
aber § 56 Abs. 1 Satz 2 BWO keinen Sinn mehr erge-
ben, wonach der Wahlvorstand bereits bei der Aus-
händigung des Stimmzettels anordnen kann, dass der
Wähler seine Wahlbenachrichtigung vorzeigt. Denn

kann, keinerlei Konsequenzen ziehen, insbesondere
sich über die Identität des Wählers keine Gewissheit
verschaffen. Es liegt aber im Interesse eines geordne-
ten Wahlablaufs und letztlich auch des Wahlberech-
tigten selbst, dass der Wahlvorstand Zweifelsfragen
unmittelbar und möglichst früh aufklären kann, statt
den Wähler erst einen Stimmzettel ausfüllen zu las-
sen und ihn dann gegebenenfalls zurückweisen zu
müssen. Deshalb ist es dem Wahlvorstand nicht ver-
sagt, den Wähler auch schon vor Ausgabe des
Stimmzettels aufzufordern, sich auszuweisen.

b) Ebenso wenig kann ein Wahlfehler darin gesehen
werden, dass der Wahlvorstand dieses Wahlbezirks
wegen eines im Wählerverzeichnis eingetragenen
Wahlscheinvermerks sich weigerte, den Einspruchs-
führer ohne Wahlschein wählen zu lassen. Denn ge-
mäß § 56 Abs. 6 Nr. 2 BWO hat der Wahlvorstand
einen Wähler zurückzuweisen, der keinen Wahl-
schein vorlegt, obwohl sich im Wählerverzeichnis
ein Wahlscheinvermerk befindet, es sei denn, es wird
festgestellt, dass er nicht im Wahlscheinverzeichnis
eingetragen ist. Diese Voraussetzungen lagen hier
vor. Der Einspruchsführer konnte keinen Wahlschein
vorlegen, im Wählerverzeichnis befand sich ein
Wahlscheinvermerk und es konnte nicht festgestellt
werden, dass er nicht im Wahlscheinverzeichnis ein-
getragen ist. Solch eine Feststellung wäre nämlich
nur dann möglich gewesen, wenn der Wahlschein des
Einspruchsführers für ungültig erklärt worden und
demzufolge gemäß § 28 Abs. 8 Satz 2 BWO nach
Aufnahme in das Verzeichnis der für ungültig erklär-
ten Wahlscheine aus dem Wahlscheinverzeichnis ge-
strichen worden wäre.

Aus dem Umstand, dass der Wahlvorstand nach den
Beobachtungen des Einspruchsführers keinen Ein-
blick in eine Liste der für ungültig erklärten Wahl-
scheine nahm, kann entgegen der Auffassung des
Einspruchsführers noch nicht geschlossen werden,
dass es dem Wahlvorstand entgangen wäre, wenn der
Wahlschein tatsächlich für ungültig erklärt worden
wäre. Ein Wahlvorstand kann nämlich – wie sich aus
§ 28 Abs. 8 Satz 3 BWO ergibt – z. B. schon dann da-
von ausgehen, dass es keine für ungültig erklärten
Wahlscheine gibt, wenn er keine diesbezüglichen In-
formationen vom Kreiswahlleiter erhält. Dann kann
ihm weder eine Liste von für ungültig erklärten
Wahlscheinen vorliegen, noch kann sich im Wahl-
scheinverzeichnis eine Berichtigung befinden.

c) Schließlich hätte der Wahlvorstand des Wahlbezirks
1706 auch nicht eine förmliche Abstimmung über die
Frage, ob der Einspruchsführer von der Stimmabgabe
zurückzuweisen sei, herbeiführen und einen entspre-
chenden Vermerk in der Wahlniederschrift vorneh-
men müssen.

Zweifelhaft ist vorliegend schon, ob es überhaupt zu
einer Zurückweisung im Rechtssinne kam oder ob
der Vorgang nicht als Belehrung des Einspruchsfüh-
rers über die Rechtslage aufgefasst werden muss, die
der Einspruchsführer zum Anlass nahm, von seinem
dann dürfte der Wahlvorstand aus dem Umstand,
dass keine Wahlbenachrichtigung vorgelegt werden

Vorhaben einer Stimmabgabe ohne Wahlschein Ab-
stand zu nehmen und den Wahlschein zu holen. Denn

Drucksache 16/5700 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der Einspruchsführer selbst spricht davon, dass er
sich hat „überreden“ lassen, seinen Wahlschein zu
holen.

Doch selbst wenn von einer Zurückweisung auszuge-
hen sein sollte, so wäre hierfür keine Abstimmung er-
forderlich gewesen, ebenso wenig wie ein Vermerk in
der Wahlniederschrift. Das Wahlrecht regelt die Be-
schlussfähigkeit des Wahlvorstandes (§ 6 Abs. 9
BWO), ferner, welche Mehrheit für einen Beschluss
des Wahlvorstandes erforderlich ist (§ 10 Abs. 1 Satz 2
BWG) und dass er seine Beschlüsse in öffentlicher
Sitzung zu fassen hat (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BWG).
Doch es schreibt ansonsten kein bestimmtes Verfah-
ren vor, wie Beschlüsse von Wahlvorständen zu fas-
sen sind. Deshalb können Beschlüsse durchaus auch
stillschweigend herbeigeführt und müssen förmliche
Abstimmungen grundsätzlich nur durchgeführt wer-
den, wenn es Meinungsverschiedenheiten innerhalb
des Wahlvorstandes gibt (vgl. Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Aufl., 2002, § 40 Rn. 2). Letzteres war
hier auch nach dem Vortrag des Einspruchsführers
nicht der Fall. Ein Vermerk in der Wahlniederschrift
ist nur dann erforderlich, wenn dies gesetzlich vor-
geschrieben ist. Wie oben dargelegt, hätte es sich
vorliegend um eine Zurückweisung nach § 56 Abs. 6
Nr. 2 BWO gehandelt. Bei dieser ist – anders als z. B.
bei einer Zurückweisung nach § 56 Abs. 7 BWO oder
§ 59 Satz 3 BWO (vgl. § 57 Abs. 7 Satz 2, § 59 Satz 3,
§ 72 Abs. 1 Satz 4 BWO) – kein Vermerk in der
Wahlniederschrift vorgesehen.

2. Einen Wahlfehler stellt es allerdings dar, wenn ein Wahl-
vorstand einen Wahlscheinwähler – wie es der Ein-
spruchsführer bezüglich der Wahlvorstände der Wahlbe-
zirke 1704 und 1705 vorträgt – nur dann zur Stimmabgabe
zulässt, wenn er seine Briefwahlunterlagen, namentlich
den Stimmzettel, abgibt, und – wie es der Einspruchsfüh-
rer für seinen zweiten Versuch, vor dem Wahlvorstand des
Wahlbezirks 1706 zu wählen, vorträgt – es unterlässt, sich
ein Ausweispapier zeigen zu lassen. Denn gemäß § 59
Satz 1 BWO muss sich der Inhaber eines Wahlscheines
stets ausweisen. Die Abgabe von Briefwahlunterlagen
wird hingegen in § 59 BWO nicht verlangt. Solch eine
Pflicht ergibt sich auch nicht etwa aus der Notwendig-
keit eine zweifache Stimmabgabe zu verhindern. Denn
sowohl die Teilnahme an der Briefwahl (vgl. § 36 Abs. 1
Satz 1, § 39 Abs. 4 Nr. 2 BWG) als auch an der Urnen-
wahl (vgl. § 56 Abs. 6 Nr. 2 BWO) setzt die Abgabe des
Wahlscheines voraus, über den der Wahlscheininhaber
nur einmal verfügt. Im Übrigen werden nicht jedem
Wahlscheininhaber zwangsläufig Briefwahlunterlagen
übersandt (vgl. § 28 Abs. 3 Satz 1 BWO).

Ferner verstieß es gegen § 6 Abs. 8 Satz 1 BWO, dass
der Wahlvorstand des Wahlbezirks 1705, wenn auch nur
für kurze Zeit, nur mit zwei Personen besetzt war.

3. Die genannten Wahlfehler konnten vorliegend aber kei-
nen Einfluss auf die Sitzverteilung im Deutschen Bun-
destag haben, weil der Einspruchsführer letztlich noch
sein Wahlrecht ausüben konnte.

Soweit der Einspruchsführer diese Wahlfehler sowie den

Urnenwahl von Wahlscheininhabern zulassende – An-
weisung stand, dass ein von einem Wahlscheininhaber
mitgebrachter Stimmzettel zu vernichten sei, als Indizien
dafür betrachtet, dass andere Wahlscheininhaber, die in
München an der Urnenwahl teilnehmen wollten, zu Un-
recht von mangelhaft geschulten Wahlvorständen an der
Ausübung ihres Wahlrechts gehindert worden seien, ist
sein Vortrag zu unsubstantiiert, um ihm im Wahlprü-
fungsverfahren nachgehen zu können. Denn gemäß § 2
Abs. 1 und 3 WPrüfG findet die Wahlprüfung nicht von
Amts wegen statt, sondern nur auf Einspruch, der zu be-
gründen ist. Daraus folgt, dass die Behauptung eines
Wahlfehlers nicht lediglich auf bloße Vermutungen, Ver-
dachtsmomente oder Andeutungen gestützt werden
kann, sondern durch einen substantiierten, der Nachprü-
fung zugänglichen Tatsachenvortrag untermauert werden
muss, und zwar auch dann, wenn dies für den einzelnen
Bürger schwierig sein mag (vgl. Bundestagsdrucksache
16/1800, Anlage 26, S. 186, mit weiteren Nachweisen).
Daran fehlt es hier. Denn der Einspruchsführer spricht
im Hinblick auf andere Wahlscheininhaber in München
selbst nur von Indizien, die in ihm den Verdacht geweckt
hätten, einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von ihnen
könnte zu Unrecht von der Stimmabgabe bei der Urnen-
wahl zurückgewiesen worden sein.

IV.

Es ist kein Wahlfehler, dass bei der Urnenwahl Wahlschein-
inhaber sich stets auszuweisen haben, andere Wähler hinge-
gen nur auf Verlangen des Wahlvorstandes. Diese vom Ein-
spruchsführer gerügte Praxis entspricht den Vorgaben des
§ 56 Abs. 3 Satz 2 und des § 59 Satz 1 BWO.

Soweit der Einspruchsführer hierin eine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung sieht, ist darauf zu verweisen, dass
sich der Deutsche Bundestag im Rahmen der Wahlprüfung
nicht dazu berufen sieht, die Verfassungswidrigkeit von
Rechtsvorschriften festzustellen. Diese Kontrolle ist stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (stän-
dige Spruchpraxis des Bundestages in Wahlprüfungsangele-
genheiten, vgl. nur Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage
26, S. 188, mit weiteren Nachweisen). Im Übrigen trägt die
obligatorische Ausweiskontrolle bei Wahlscheininhabern
dem Umstand Rechnung, dass ein Wahlscheininhaber nicht
nur in dem Wahlbezirk, in dessen Wählerverzeichnis er ein-
getragen ist, wählen darf, sondern in jedem beliebigen
Wahlbezirk des Wahlkreises, für den der Wahlschein ausge-
stellt ist (vgl. § 12 Abs. 1 und 2 BWG). Dies berechtigt zu
der Annahme, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Wahl-
berechtigte dem Wahlvorstand persönlich bekannt ist, bei
Wahlscheininhabern typischerweise geringer ist als bei
Wählern, die nur in dem Wahlbezirk wählen können, in des-
sen Wählerverzeichnis sie eingetragen sind. Keiner Vertie-
fung bedarf dabei die Frage, ob eine Regelung, wie sie dem
Einspruchsführer vorschwebt, wonach eine Ausweiskont-
rolle stets nur durchzuführen ist, wenn es konkrete Zweifel
an der Identität des Wählers – ob Wahlscheininhaber oder
nicht – gibt, den tatsächlichen Verhältnissen ebenso gut oder
gar besser Rechnung tragen würde. Denn die verfassungs-
rechtlichen Gleichbehandlungsgebote verpflichten den Ge-
setzgeber nicht dazu, die zweckmäßigste oder gerechteste
Umstand, dass im „Handbuch für den Wahlvorstand“ die
– falsche Rückschlüsse auf die Voraussetzungen für die

Lösung zu finden. Insbesondere bei der Ordnung von Mas-
senerscheinungen – wie sie auch die Ausübung des Stimm-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/5700

rechts bei der Bundestagswahl darstellt – braucht der Ge-
setzgeber nicht um eine Gleichbehandlung aller denkbaren
Einzelfälle besorgt zu sein. Vielmehr darf er auch im Hin-
blick auf praktische Erfordernisse des Gesetzesvollzugs von
typisierenden Regelungen Gebrauch machen, wenn – wie
hier – die Differenzierung nur eine verhältnismäßig kleine
Zahl von Personen betrifft und nicht sehr intensiv ist (vgl.
BVerfGE 84, 348, 360 f.).

V.

Soweit der Einspruchsführer mit seiner Auffassung, bei
der Mehrzahl der Briefwähler müsse davon ausgegangen

werden, dass keine Gründe vorgelegen hätten, die die mit
der Briefwahl verbundene Gefährdung des Wahlgeheimnis-
ses rechtfertigen könnten, zum Ausdruck bringen will, dass
– über seinen Fall hinaus – Briefwahlunterlagen versandt
worden sind, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen
dafür vorgelegen haben, ist sein Vortrag wiederum zu un-
substantiiert, um ihm im Wahlprüfungsverfahren nachgehen
zu können. Solch eine Annahme kann nämlich nicht allein
darauf gestützt werden, dass in einem einzelnen Fall (dem
des Einspruchsführers) zu Unrecht Briefwahlunterlagen
übersandt worden sind und mehr als 18 Prozent der Stim-
men im Wege der Briefwahl abgegeben wurden.

Soweit der Einspruchsführers mit seinem Vortrag generelle
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Briefwahl in ihrer
konkreten gesetzlichen Ausgestaltung zum Ausdruck brin-
gen will, ist darauf hinzuweisen, dass – abgesehen davon,
dass die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften im Wahlprüfungsverfahren dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten ist – das Bundesverfas-
sungsgericht ausdrücklich von der Verfassungsmäßigkeit
der Briefwahl, namentlich ihrer Vereinbarkeit mit dem
Grundsatz der geheimen Wahl, ausgeht (BVerfGE 21, 200,
204 ff.; 59, 119, 125 ff.). Zwar trifft den Gesetz- und Ver-
ordnungsgeber nach Auffassung des Bundesverfassungsge-
richts die Pflicht, die bisherige Regelung und Handhabung
der Briefwahl ständig in Anbetracht neu auftretender Ent-
wicklungen, die unvorhergesehene Gefahren für die Integri-
tät der Wahl mit sich bringen können, zu überprüfen und
dabei zutage tretenden Missbräuchen, die geeignet sein
können, die Freiheit der Wahl oder das Wahlgeheimnis
mehr als unumgänglich zu gefährden, entgegenzutreten
(BVerfGE 59, 119, 127). Ein Briefwähleranteil von mehr als
18 Prozent oder eine sinkende Wahlbeteiligung bei steigen-
dem Briefwähleranteil lässt aber nicht auf solche Missbräu-
che schließen.

müssen, um dann diese neuen Definitionen sowohl in den
Medien als auch in der Lehre korrekt zu vermitteln. Statt-

Wahl.
geschenkt hätten, wird auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen.

nicht durch staatliche Einwirkungen von einem bereits
vorhandenen Auditorium getrennt wird und dass ein poten-
tielles Auditorium nicht daran gehindert wird, sich zu bil-
dessen hätten weder die Medien noch die politischen Par-
teien etwas unternommen, um den „volkswirtschaftlichen
Jahrhundert-Irrtum“, die Umstellung der Volkswirtschafts-
berechnung „vom 3-Generationen-Modell (Kinder-Aktive-
Alte) zum 2-Generationen-Irrtum“ unter Konrad Adenauer,
aufzuklären. So sei die ARD-Sendung „Ratgeber Geld“ bei
der Angabe von Börsentipps nicht auf das Grundproblem
der Börse in einer Volkswirtschaft und das Währungsprob-
lem eingegangen. Die ZDF-Sendung „Mona Lisa“ habe bei
ihrem Ratgeber Familie nicht auf den Volkswirtschaftsanteil
der Familienarbeit, auf Bruttoinlandsproduktkorrekturen
und eine Petition, die die Berichtigung des genannten „Jahr-
hundertirrtums“ betroffen habe, hingewiesen. Im Hinblick
auf zahlreiche weitere gleichartige von der Einspruchsfüh-
rerin angeführte Beispiele dafür, dass Medien und Politik
den genannten Themen nicht genügend Aufmerksamkeit

Die so genannten Kommunikationsgrundrechte aus Artikel 5
Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleisten den Trägern
dieser Grundrechte die Freiheit, Werturteile und Tatsachen
zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen
zu informieren. Diese Freiheit impliziert auch das Recht,
diese Betätigungen zu unterlassen, also keine Meinung zu
äußern, sich nicht zu informieren, keine Berichterstattung zu
betreiben (vgl. nur Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Artikel 5
Rn. 40 – Stand: Januar 1987). Schon aus diesem Grund
kann aus Artikel 5 Abs. 1 GG ebenso wenig eine Pflicht der
Medien abgeleitet werden, über bestimmte von einem Bür-
ger als wichtig erachtete Themen zu berichten, wie eine
Pflicht des Staates, dem Redenden ein Auditorium zu ver-
schaffen. Artikel 5 Abs. 1 GG gewährleistet insoweit nicht
mehr und nicht weniger, als dass der einzelne, der von sei-
ner Meinungsäußerungsfreiheit Gebrauch machen möchte,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit einem am 6. November 2005 verfassten Schreiben, wel-
ches per Telefax am 7. November 2005 beim Deutschen
Bundestag eingegangen und durch ein weiteres Telefax vom
18. November 2005 ergänzt worden ist, hat die Einspruchs-
führerin Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 eingelegt.

Zur Begründung trägt sie vor, dass im Vorfeld der Wahl
nachweisbar wider besseres Wissen grundlegende „gemein-
wohl-konstituierende“ Argumente und Erfahrungen igno-
riert und bei öffentlichen Diskussionen ausgeklammert wor-
den seien. Diese Vorwürfe beträfen „alle etablierten Mei-
nungsbildner.“ So sei das Hauptthema dieser Wahl, die
Angst des Wählers vor Arbeitslosigkeit und Hartz-IV-
Armut, unseriös und oberflächlich dargestellt worden. Zu-
nächst hätten nämlich die Begriffe Geld, Arbeit und Volks-
wirtschaft seriös und gemeinwohlorientiert, insbesondere
unter Berücksichtigung der Situation von Kindern als „Hilf-
lose“ und der Rolle der Familienarbeit, definiert werden

nannten Themen im Widerspruch zur Meinungs- und Pres-
sefreiheit gestanden habe. Da bei einer sachgerechten Dis-
kussion dieser Fragen viele Wähler möglicherweise anders
gewählt hätten, liege zudem eine Verletzung des Grundsat-
zes der freien Wahl vor.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Der Umstand, dass im Vorfeld der Wahl bestimmte von
der Einspruchsführerin als wichtig erachtete Themen nicht
in dem Maße öffentlich diskutiert wurden, wie es sich die
Einspruchsführerin erhofft hätte, stellt keinen Wahlfehler
dar. Insbesondere liegt darin keine Verletzung der Mei-
nungs- oder Pressefreiheit oder des Grundsatzes der freien

Anlage 9

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau S. G., 13595 Berlin
– Az.: WP 140/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Die Einspruchsführerin ist der Auffassung, dass die aus
ihrer Sicht unzureichende öffentliche Diskussion der ge-

den. Dass die Regierung oder andere staatliche Einrichtun-
gen die Einspruchsführerin daran gehindert hat, ihre Mei-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 30 – Drucksache 16/5700

nung zu äußern, wird von ihr aber nicht vorgetragen. Sie
moniert lediglich, dass die von ihr vertretene und geäußerte
Meinung nicht hinreichend Beachtung gefunden habe.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass auch eine Verletzung
der Wahlfreiheit nicht in Betracht kommt. Der Grundsatz
der freien Wahl aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG besagt,
dass der Akt der Stimmabgabe frei von Zwang und unzuläs-
sigem Druck bleibt und die Wähler ihr Urteil in einem
freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen
und fällen können (Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 44,
125, 139). Das war der Fall. Denn nach ihrem eigenen Vor-
trag war weder die Einspruchsführerin noch sonst jemand
daran gehindert worden, die von der Einspruchsführerin
vertretene Meinung zu äußern und zu verbreiten sowie die
eigene Wahlentscheidung an dieser Meinung auszurichten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/5700

tische Verfassung abzusprechen, den sie auf einer Veranstal-
tung zum 60. Jahrestag der CDU-Gründung im Juni 2005

Wahl schließt, verkennt er, dass ein Einwirken von Parteien,
einzelnen Wahlbewerbern, gesellschaftlichen Gruppen oder
Schließlich sei auch das Wahlergebnis nicht plausibel. SPD,
GRÜNE und CDU hätten unter anderem die schwerwie-
gendsten Maßnahmen gegen die Bevölkerung (Renten-

der Nachprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag untermau-
ert werden (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 26,
S. 186, mit weiteren Nachweisen). Daran fehlt es hier.
ausgeführt habe. Somit stehe sie „nicht auf dem Boden des
Deutschen Grundgesetzes“ und hätte daher „nicht gültig an
der Wahl teilnehmen“ können. Vielmehr hätte sie wegen
„Zuarbeit zum Angriffskrieg“ nach § 80 des Strafgesetz-
buches (StGB) vor Gericht gestellt werden müssen.

In einem weiteren, am 15. November 2005 beim Deutschen
Bundestag eingegangenen Schreiben fordert der Einspruchs-
führer eine Nachzählung der Stimmzettel, weil er den Ver-
dacht hege, dass diese nicht korrekt ausgezählt worden
seien. Indiz dafür sei zum einen, dass die Kanzlerkandidatin
der CDU bereits einige Wochen vor der Wahl in einer Fern-
sehsendung „als feststehende Tatsache“ verkündet habe,
dass sie Bundeskanzlerin werde. Zum anderen habe Ed-
mund Stoiber ebenfalls in einer Fernsehsendung gesagt,
dass die Deutschen das Parlament für zu wichtig hielten.

sonstigen Dritten auf die Bildung des Wählerwillens im
Rahmen des Wahlkampfes nur dann eine Verletzung der
Freiheit oder Gleichheit der Wahl aus Artikel 38 Abs. 1
Satz 1 des Grundgesetzes (GG) darstellt, wenn mit Mitteln
des Zwangs oder Drucks oder in ähnlich schwerwiegender
Art und Weise auf die Wählerwillensbildung eingewirkt
wird (vgl. BVerfGE 103, 111, 132 f.; Bundestagsdrucksache
15/1150 Anlage 41, S. 126).

Auch den Verdacht des Einspruchsführers, dass die Stim-
men nicht korrekt ausgezählt worden seien, weil der Stimm-
anteil der Linkspartei nicht groß genug gewesen sei, vermag
der Wahlprüfungsausschuss nicht nachzuvollziehen. Die
Behauptung eines Wahlfehlers kann nicht lediglich auf
bloße Vermutungen, Verdachtsmomente oder Andeutungen
gestützt werden, sondern muss durch einen substantiierten,
Tatbestand

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2005, das beim Wahlprü-
fungsausschuss des Deutschen Bundestages am 12. Oktober
2005 eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundes-
tag am 18. September 2005 eingelegt.

Zur Begründung trägt er vor, dass die Öffentlichkeit über
„wesentliche Eigenschaften der CDU-Kanzlerkandidatin“
getäuscht worden sei. Diese hätten somit nicht „in die Wah-
lentscheidung des Demokratischen Souveräns eingehen“
können. Die CDU-Kanzlerkandidatin habe „auf US-Befehl
Deutschland in eine Kriegsdiktatur umwandeln und dann
auch [einen] Angriffskrieg führen“ wollen. Sie habe für den
von den USA auf der NATO-Konferenz im Februar 2002 in
München ausgerufenen „III. Weltkrieg“ die Aufhebung der
parlamentarischen Kontrolle der Bundeswehreinsätze gefor-
dert. Außerdem sei ihr von David Rockefeller auf der „Bil-
derberger-Konferenz“ in Rottach im Mai 2005 der Befehl
erteilt worden, den Deutschen das Recht auf eine demokra-

steuer, Gesundheitsreform, Hartz IV) zusammen beschlos-
sen. Die einzig plausible Reaktion des Wählers wäre somit
gewesen, die Linkspartei zu wählen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Aus dem Vortrag des Einspruchsführers ergeben sich
keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen von Wahlfehlern.

Unabhängig davon, dass der Wahlprüfungsausschuss dem
Vortrag des Einspruchsführers in keinster Weise folgen
kann, weist er auf folgende Punkte hin:

Soweit der Einspruchsführer behauptet, die Öffentlichkeit
sei über wesentliche Eigenschaften der CDU-Kanzlerkandi-
datin getäuscht worden, und daraus auf die Ungültigkeit der

Anlage 10

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn Dr. H. G. V., 47802 Krefeld
– Az.: WP 84/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/5700

danke zugrunde, dass Wahlwerbung in ihren unterschied-
lichen Ausprägungen in einer Demokratie für die Durchfüh-
rung einer Wahl unerlässlich ist und dass davon ausgegan-

Anlage 11
Entscheidungsgründe

Es bestehen bereits Bedenken im Hinblick auf die Zulässig-
keit des Einspruchs, die jedoch zurückgestellt werden kön-
nen, da der Einspruch jedenfalls offensichtlich unbegründet
ist.

Der Deutsche Bundestag hat die Frage, ob eine E-Mail mit
der eingescannten Unterschrift des Einspruchsführers – im
Gegensatz zu einer „einfachen“ E-Mail – dem Schriftform-
erfordernis des § 2 Abs. 3 WPrüfG genügt, bislang offen
gelassen (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlagen 31
und 32; 16/1800, Anlage 59). Auch der vorliegende Fall er-
zwingt insoweit keine Entscheidung, da der Einspruch be-
reits auf der Grundlage des Vortrags des Einspruchsführers

gen werden kann, dass die Wählerinnen und Wähler in der
Lage sind, Aussagen von Politikern im Hinblick auf die Be-
sonderheiten von Wahlkämpfen richtig einzuschätzen und
zu bewerten.

Auch die vom Einspruchsführer behauptete „Stasi-Ver-
gangenheit“ von Mitgliedern des 16. Deutschen Bundes-
tages lässt nicht auf einen Rechtsverstoß bei der Vorberei-
tung oder Durchführung der Bundestagswahl schließen.
Denn eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der
Deutschen Demokratischen Republik gehört nicht zu den in
§ 15 Abs. 3 des Bundeswahlgesetzes (BWG) enthaltenen,
zu einem Ausschluss der Wählbarkeit führenden Tatbestän-
den (vgl. auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 21,
S. 54).
Tatbestand

Mit einer am 18. November 2005 beim Deutschen Bundes-
tag eingegangenen E-Mail hat der Einspruchsführer Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag am 18. September 2005 eingelegt. Die Ein-
spruchsschrift befindet sich in eingescannter Form im An-
hang der E-Mail und ist mit der eingescannten Unterschrift
des Einspruchsführers versehen.

Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch stich-
punktartig mit:

„1. Wahlbetrug wegen der Mehrwertsteuererhöhung

2. wegen Bundestagsabgeordnete mit Stasi-Vergangen-
heit im neuen Bundestag.“

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

offensichtlich unbegründet ist. Aus ihm ergeben sich keine
Anhaltspunkte für das Vorliegen von Wahlfehlern.

Für den vom Einspruchsführer im Hinblick auf die im
Wahlkampf geführte Diskussion über eine mögliche Mehr-
wertsteuererhöhung erhobenen Vorwurf des „Wahlbetrugs“
folgt das daraus, dass ein Einwirken von Parteien, einzelnen
Wahlbewerbern, gesellschaftlichen Gruppen oder sonstigen
Dritten auf die Bildung des Wählerwillens im Rahmen des
Wahlkampfes erst dann eine Verletzung der Freiheit oder
Gleichheit der Wahl aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 des Grund-
gesetzes (GG) darstellt, wenn mit Mitteln des Zwangs oder
Drucks oder in ähnlich schwerwiegender Art und Weise auf
die Wählerwillensbildung eingewirkt wird (vgl. – auch zum
Folgenden – BVerfGE 103, 111, 132 f.; Bundestagsdruck-
sache 15/1150, Anlage 41, S. 126). Einwirkungen auf die
Bildung des Wählerwillens, die – wie hier – unterhalb die-
ser Schwelle liegen, verletzen nicht die Freiheit oder die
Gleichheit der Wahl, selbst wenn der Einspruchsführer diese
als unlauter oder gesetzwidrig bewertet. Dem liegt der Ge-

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn H. K., 28239 Bremen
– Az.: WP 186/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

durch den damaligen Wahlsieger „dienstrechtlich existen-
tiell verfolgt“ worden, wogegen er auch schon verwaltungs-

geordnetengesetzes (AbgG), wonach niemand gehindert
werden darf, sich um ein Mandat im Bundestag zu bewerben,
führers sowie die seiner Einspruchsschrift beigefügten An-
lagen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

wird aus dem Vortrag des Einspruchsführers nicht ersicht-
lich, und zwar auch dann nicht, wenn man unterstellt, dass
die in Frage stehenden dienstrechtlichen Maßnahmen nicht
gerichtlichen Rechtsschutz gesucht habe. Unter anderem sei
ein „absurdes Zwangspensionierungsverfahren“ wegen einer
angeblichen Dienstunfähigkeit durchgeführt worden. Hierin
habe nicht nur eine „amtliche Körperverletzung“ gelegen,
die dazu geführt habe, dass er schon aus gesundheitlichen
Gründen nicht habe kandidieren können. Vielmehr seien
ihm auch höhere Ruhestandsbezüge entgangen, die er an-
sonsten in den Wahlkampf hätte investieren können.

Des Weiteren rügt der Einspruchsführer unter Bezugnahme
auf einen Presseartikel, dass der baden-württembergische
Ministerpräsident an einer Wahlkampfveranstaltung der
CDU in Esslingen teilgenommen habe. Er sieht darin eine
unzulässige Vermengung von Staatsamt und Parteimandat.

Im Hinblick auf die weiteren Ausführungen des Einspruchs-

es anzunehmen oder auszuüben (vgl. Schulze-Fielitz, in:
Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., 2004, Artikel 48
Rn. 14, 10; Braun/Jantsch/Klante, AbgG, 2002, § 2 Rn. 7).
Das heißt aber nicht, dass jegliches Verhalten, das einer
Kandidatur irgendwie „hinderlich“ ist, durch die genannten
Normen verboten ist. Erforderlich ist vielmehr ein spezifi-
scher Bezug zur Kandidatur, eine bestimmte Qualität des in
Frage stehenden Verhaltens, die nach Auffassung des Bun-
desverfassungsgerichts darin liegt, dass das Verhalten inten-
tional auf eine Behinderung gerichtet ist (vgl. im Hinblick
auf Artikel 48 Abs. 2 GG bzw. § 2 AbgG BVerfGE 42, 312,
329; Schulze-Fielitz a. a. O. Rn. 15; Braun/Jantsch/Klante
a. a. O. Rn. 17).

Solch ein Bezug der vom Einspruchsführer gerügten dienst-
rechtlichen Maßnahmen zu seiner beabsichtigen Kandidatur
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 15. November 2005, das am 16. No-
vember 2005 beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 Ein-
spruch eingelegt.

Zur Begründung trägt der Einspruchsführer, der bei der
Bundestagswahl 2002 Wahlkreiskandidat der „GRAUEN“
war, vor, dass er auch bei der Wahl zum 16. Deutschen Bun-
destag als Direktkandidat im Wahlkreis 262 (Esslingen)
habe antreten wollen. Diese Absicht habe er aber wegen
einer bis ins Jahr 1997 zurückreichenden „fortgesetzten
Diskriminierung und missbräuchlichen dienstrechtlichen
Unterbindung“ seiner „freien demokratischen Wahl- und
Grundrechte“ seitens der Stadt Esslingen, deren Bedienste-
ter er gewesen sei, nicht verwirklichen können. Ausgangs-
punkt hierfür seien seine Kandidaturen und Wahlanfechtun-
gen bei den Oberbürgermeisterwahlen in Esslingen in den
Jahren 1997 und 1998 gewesen. Seitdem sei er insbesondere

Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften wird aus
dem vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich.

Der Grundsatz der freien Wahl aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 1
des Grundgesetzes (GG) bezieht sich auch auf das passive
Wahlrecht (vgl. Morlok, in: Dreier, Grundgesetz-Kommen-
tar, 2. Aufl., 2004, Artikel 38 Rn. 85) und verbietet inso-
weit, einen Wahlberechtigten durch rechtlichen Zwang oder
sonstigen unzulässigen Druck an einer Kandidatur zu hin-
dern (vgl. BVerfGE 66, 369, 380). Ist der Wahlberechtigte
bereits als Wahlbewerber aufgestellt oder besteht zumindest
eine konkrete objektivierbare Aussicht, in einen Wahl-
vorschlag aufgenommen zu werden, greifen die speziellen
Vorgaben des Artikels 48 Abs. 2 GG, § 2 Abs. 1 des Ab-

Anlage 12

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn D. F. I., 73728 Esslingen
– Az.: WP 159/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des

von den einschlägigen Rechtsvorschriften gedeckt waren
und der Einspruchsführer eine Kandidatur tatsächlich ernst-

Drucksache 16/5700 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

haft beabsichtigte. Denn es ist weder erkennbar, dass die
dienstrechtlichen Maßnahmen darauf abzielten, eine Kandi-
datur des Einspruchsführers bei der Bundestagswahl 2005
zu verhindern. Noch wird im Einzelnen deutlich, inwiefern
die durch sie nach den Behauptungen des Einspruchsführers
verursachten finanziellen und gesundheitlichen Nachteile
eine Kandidatur überhaupt in mehr als nur unerheblichem
Maße erschwerten. Die Frage, ob die gegen den Einspruchs-
führer ergriffenen dienstrechtlichen Maßnahmen rechtmäßig
waren, ist somit nicht im Wahlprüfungsverfahren, sondern
auf Betreiben des Einspruchsführers auf dem Verwaltungs-
rechtsweg zu klären.

Soweit der Einspruchsführer rügt, dass der baden-württem-
bergische Ministerpräsident bei einer Wahlkampfveranstal-
tung der CDU aufgetreten sei, geht er zu Unrecht davon aus,
dass es Amtsträgern generell nicht erlaubt sei, am Wahl-
kampf teilzunehmen. Zwar ist es Staatsorganen zum Schutz
des Prinzips einer staatsfreien Willensbildung des Volkes
von Verfassungs wegen, namentlich durch den Grundsatz
der freien Wahl und die Wettbewerbs- und Chancengleich-
heit aller Wahlbewerber, untersagt, bestimmte Wahlvor-
schlagsträger, z. B. politische Parteien und deren Wahlbe-
werber, unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder
sie zu bekämpfen, um so die Entscheidung des Wählers zu
beeinflussen. Das bedeutet aber nicht, dass sich Regierungs-

mitglieder und andere Amtsträger jeder politischen Stel-
lungnahme zu enthalten hätten. Sie können außerhalb ihrer
amtlichen Funktion für eine Partei durch Auftritte oder über
die Medien vielmehr in den Wahlkampf eingreifen (vgl. – mit
weiteren Nachweisen – Bundestagsdrucksache 15/2400,
Anlage 8, S. 40, 41). Konkrete Anhaltspunkte für eine unzu-
lässige Wahlbeeinflussung sind bei dem vom Einspruchs-
führer vorgetragenen Sachverhalt nicht erkennbar.

Volk die Beschlussfassung über eine das Grundgesetz ab-
lösende Verfassung zu ermöglichen sei. Der Bundestag igno-

Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht liege schon
lange zurück. So halte ein Großteil der Literatur die Klausel
delte Beurteilung der betreffenden Wahlrechtsbestimmun-
gen und könne, wie in Ausführungen zur Bundestagswahl
2002 dargelegt, zu einem Handlungsauftrag für den Gesetz-

Mit Telefaxschreiben vom 17. Oktober 2006 ist zudem in
der Gestaltung der Stimmzettel bezüglich der Reihenfolge
riere diese Verpflichtung und erhalte somit ein Wahlverfah-
ren aufrecht, das bei einer Festlegung der Wahlregeln im
Rahmen einer Verfassung wesentlich anders aussehen
könnte.

Überhangmandate

Weiterhin werden die entstandenen Überhangmandate, auch
unter Bezugnahme auf den insoweit gegen die Bundestags-
wahl 2002 gerichteten Einspruch, als verfassungswidrig ge-
rügt. Ungeachtet des Urteils des Bundesverfassungsgerichts
von 1997 (BVerfGE 95, 335 ff.) bestehe Anlass für eine er-
neute Überprüfung. Die laut Bundesverfassungsgericht
durch Überhangmandate bewirkte Differenzierung des Ge-
wichts der abgegebenen Stimmen sei nicht unbeschränkt zu-
lässig. Ein Wandel der Verhältnisse rechtfertige eine gewan-

für verfassungswidrig. Die angestrebte Bekämpfung der
Parteienzersplitterung werde unter den aktuellen Bedingun-
gen nicht oder nur unzureichend erzielt. Auch die Funkti-
onsfähigkeit des Parlaments werde nach heutiger Erfahrung
und unter Verweis auf mehrere Gruppen im Deutschen Bun-
destag unterhalb der Fraktionsstärke in jüngeren Wahlperio-
den durch einige kleinere Gruppen nicht gefährdet. Schließ-
lich zeichne sich auch eine Änderung des Wahlverhaltens
ab. Zunehmend häufig bildeten sich neue Parteien, die über
einen gewissen Zeitraum eine erhebliche Stimmenzahl auf
sich vereinigen könnten. Durch das verstärkte Auftreten
derartiger Parteien habe die Zahl der von der Sperrklausel
betroffenen Stimmen erheblich zugenommen und sei bei
den Wahlen 1994, 1998 und 2002 von 3,6 auf 6,8 Prozent
gestiegen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit vier am selben Tag eingegangenen Telefaxschreiben
vom 18. November 2005 hat der Einspruchsführer gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag Ein-
spruch eingelegt und diesen, teilweise unter Bezugnahme
auf sonstige, z. T. beigefügte Unterlagen, auf mehrere Gründe
gestützt. Dabei werden sowohl Ausgestaltungen des gelten-
den Wahlrechts beanstandet als auch in bestimmten Sach-
verhalten ein Wahlfehler gesehen.

Verfassung gemäß Artikel 146 des Grundgesetzes

Der Einspruchsführer geht davon aus, dass das Volk erst über
das Wahlverfassungsrecht gemäß Artikel 146 des Grundge-
setzes (GG) abstimmen müsse, bevor gültig gewählt werden
könne. Zur Begründung verweist er auf seine Beschwerde an
das Bundesverfassungsgericht (2 BvC 4/04) gegen die
Zurückweisung seines gegen die Bundestagswahl 2002 ge-
richteten Einspruchs (Bundestagsdrucksache 15/1850, An-
lage 11). Artikel 146 GG fordere ausdrücklich, dass dem

kreisreform in der 13. Wahlperiode erhöht, deren erklärtes
Ziel die Verhinderung künftiger Überhangmandate gewesen
sei. Hingewiesen wird weiterhin auf die Veränderung der
Faktoren für die Entstehung von Überhangmandaten: unter-
schiedliche Wahlbeteiligung in einzelnen Ländern; zuneh-
mende Stimmabgabe für kleinere, aber erfolgreiche Par-
teien. Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts von 1998, wonach Listenbewerber nicht nachrücken
dürfen, solange für die betreffende Partei im betroffenen
Land noch Überhangmandate gegeben sind (BVerfGE 97,
317 ff.), sowie die Problematik der sog. Berliner Zweitstim-
men vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts von 1988 (BVerfGE 79, 161 ff.) hätten
die verfassungsrechtliche Sichtweise verändert.

Fünf-Prozent-Sperrklausel

Auch die Sperrklausel sei in der Verfassung zu verankern
und hätte vor der Wahl überprüft werden müssen. Ihre letzte

Anlage 13

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn C. M. S., 60327 Frankfurt/Main
– Az.: WP 187/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird, soweit das Verfahren nicht eingestellt wird, zurückgewiesen.
geber führen. So habe sich der Rechtfertigungsbedarf für
Überhangmandate, die weiterhin anfielen, durch die Wahl-

der Wahlvorschläge eine Verschärfung der Sperrklausel ge-
sehen und an ein Losverfahren gedacht worden.

Drucksache 16/5700 – 38 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wahlerfolg unabhängiger Kandidaten

Als verfassungswidrig wird § 6 Abs. 1 Satz 2 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG) bezeichnet, wonach die Zweitstim-
men derjenigen Wähler unberücksichtigt bleiben, die mit ih-
rer Erststimme einem nicht von einer Partei vorgeschlage-
nen Direktkandidaten zum Wahlerfolg verholfen haben.

Listenaufstellung durch Parteien

Das Nominierungsmonopol der Parteien bei der Listenauf-
stellung wird ohne nähere Quellenangaben unter Bezug-
nahme auf Publikationen und eigenen Vortrag in früheren
Wahleinsprüchen als verfassungswidrig gerügt.

Zulassung der Wahlvorschläge durch Gremien

Die Zulassung der Bundestagskandidaten und -kandidatin-
nen durch parteipolitisch besetzte Gremien sei verfassungs-
widrig, weil keine volle Unabhängigkeit sichergestellt sei.

Auflösung des 15. Deutschen Bundestages

Voraussetzung für die Wahl am 18. September 2005 sei die
Neuwahl-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ge-
wesen. Das Bundesverfassungsgericht habe sehr rasch ent-
scheiden müssen und in seiner Mehrheit wohl einiges über-
sehen oder falsch gewichtet, während das Sondervotum des
Bundesverfassungsrichters Hans-Joachim Jentsch am meis-
ten den Vorgaben des GG entsprochen habe. Daher bestehe
Gelegenheit zur Korrektur.

Bereits die Auflösung durch den Bundespräsidenten sei un-
gültig gewesen, da dessen Wahl verfassungswidrig gewesen
sei. Ein insoweit in Bezug genommener Aufsatz (Markus
Fischer, Die verfassungswidrige Wahl des Bundespräsiden-
ten, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2005, S. 416 ff.)
hält angesichts der tatsächlichen Zusammensetzung der
Bundesversammlung Artikel 54 Abs. 3 GG für verletzt. Da-
nach besteht die Bundesversammlung aus den Mitgliedern
des Bundestages und einer gleichen Anzahl von durch die
Länderparlamente Gewählten. Den 603 von den Länderpar-
lamenten Gewählten haben aber nur 602 Bundestagsabge-
ordnete gegenübergestanden, nachdem ein durch Tod frei-
gewordener Sitz wegen Anrechnung von Überhangmanda-
ten nicht nachbesetzt werden durfte.

Täuschung der Wähler

Wie bei der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag sei über die
Haushaltslage getäuscht worden. Erst kurz nach der Wahl
sei von einem 35-Milliarden-Loch gesprochen worden. Zur
Unterstützung des Vortrags hinsichtlich der „Steuer-Lüge“,
der „Haushaltslüge“ und der „Mehrwertsteuer-Lüge“ sind
dem Einspruch Medienmeldungen beigefügt. So habe bei
der Mehrwertsteuer die CDU eine Erhöhung um nur 2 Pro-
zent im Wahlkampf angekündigt. Nun seien es 3 Prozent
und nicht alles diene der Senkung von Lohnnebenkosten.
Die SPD sei im Wahlprogramm strikt dagegen gewesen und
habe verächtlich von einer „Merkel-Steuer“ gesprochen. In
der Koalitionsvereinbarung werde ein Verfassungsbruch an-
visiert (Artikel 115 GG). Die Vereinbarung sei ursprünglich
ohne Geltendmachung einer Störung des gesamtwirtschaft-
lichen Gleichgewichtes zustande gekommen. Erst als FDP,
GRÜNE und Linkspartei eine Verfassungsklage in Erwä-

sachlichen Prüfung nicht stand. So habe der Sachverständi-
genrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage
aufgezeigt, dass es auch verfassungsgemäße Wege gebe und
der Kurs der Koalition Alternativen habe. CDU und SPD
hätten weniger Zustimmung gefunden, wenn die Wähler
und Wählerinnen hiervon gewusst hätten, aber auch, dass
kommende Haushalte gegen das EU-Defizitkriterium (zum
wiederholten Male) verstoßen würden.

Weiterhin trägt der Einspruchsführer vor, dass kurz vor der
Wahl ein Mitglied der Fraktion der CDU/CSU zur verfas-
sungswidrigen Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung
eine Kleine Anfrage gestellt habe, deren Argumentation ge-
teilt werde. Sodann ist – erstmalig mit Faxschreiben vom
19. April 2006 – unter Bezugnahme auf die „Mainzer Tage
der Fernsehkritik“ und die Berichterstattung in der Frank-
furter Allgemeinen Zeitung vom 5. April 2006 der Vorwurf
erhoben worden, die Medien hätten den Wahlausgang durch
ihre Berichterstattung entscheidend beeinflusst.

Vertauschung von Stimmzetteln in Dortmund

Ferner rügt der Einspruchsführer, dass es in Dortmund bei
der Versendung der Briefwahlunterlagen zur Vertauschung
der Stimmzettel der beiden Dortmunder Wahlkreise gekom-
men sei, was etwa 10 500 ungültige Stimmen zur Folge ge-
habt habe.

Die Stadt Dortmund ließ einen Teil der für die Wahlkreise
143 und 144 zu versendenden Briefwahlunterlagen durch
eine Privatfirma verpacken und verschicken, ohne darauf
aufmerksam zu machen, dass die Stimmzettel getrennt nach
den beiden Wahlkreisen den Wahlunterlagen beizufügen
seien (vgl. auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 1).
Deshalb wurden am 2. September 2005 rund 50 000 Brief-
wahlunterlagen in den Postversand gegeben, ohne dass da-
rauf geachtet worden ist, ob jeweils ein der Anschrift des
Briefwählers entsprechender Stimmzettel beigefügt worden
war. Nach Bekanntwerden des Fehlers am 3. September
2005 unterrichtete die Stadt Dortmund die Bevölkerung
über die Versendung möglicherweise falscher Stimmzettel.
Schriftlich wurden dann alle von der Privatfirma mit Brief-
wahlunterlagen Versorgten gebeten, den jeweils erhaltenen
Stimmzettel zu überprüfen. Außerdem wurden sie über die
Möglichkeiten zur korrekten Stimmabgabe informiert und
es wurde auch angeboten, den Stimmzettel auszutauschen
oder den bisherigen Wahlschein für ungültig erklären zu las-
sen und neue Briefwahlunterlagen zu erhalten.

Insgesamt sind laut Angaben der Landeswahlleiterin zwi-
schen 22 000 und 25 000 Stimmzettel ausgetauscht und ins-
gesamt 12 321 Wahlscheine, letztere teilweise auch aus an-
deren Gründen, für ungültig erklärt worden. Im Ergebnis ist
schließlich mit 10 533 vertauschten Stimmzetteln gewählt
worden; davon beruhte in 10 433 Fällen die Ungültigkeit
der Zweitstimme auf der Vertauschung und nicht – wie für
den Rest – auf anderen Gründen. Auf Nachfrage sind die
beiden Zahlenwerte – insgesamt 10 533, aber 10 433 nur
wegen Vertauschung ungültig – von der Landeswahlleiterin
bestätigt worden. Dass zunächst von insgesamt 10 504 un-
gültigen Stimmen ausgegangen und dies später auf 10 533
korrigiert wurde, wird mit möglichen Zählfehlern durch die
gung gezogen hätten, habe man sich auf eine derartige
Störung bezogen. Das sei nicht glaubwürdig und halte einer

Belastung des Wahlabends erklärt. Die wegen Vertauschung
ungültigen Erststimmen liegen mit 10 272 etwas niedriger.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/5700

Laut Stellungnahmen der Landeswahlleiterin und des Bun-
deswahlleiters, die beide dem Einspruchsführer zugänglich
gemacht worden sind, sind die vertauschten Stimmzettel ge-
sondert ausgezählt worden. Nach den dem Wahlprüfungs-
ausschuss vorliegenden Modellrechnungen sowohl des
Bundeswahlleiters als auch des Landesamtes für Datenver-
arbeitung und Statistik, erstellt im Auftrag der Landeswahl-
leiterin, hätte sich auch bei Wertung der ungültigen Zweit-
stimmen keine Veränderung bei der Zuteilung der Sitze er-
geben. So hat der Bundeswahlleiter in einer ersten Modell-
rechnung die Zahl der wegen Vertauschung ungültigen
Zweitstimmen der Parteien SPD, CDU, GRÜNE, FDP, Die
Linke. den jeweiligen Parteien zugerechnet. (Zugerechnet
wurden für SPD: 5 129; CDU: 3 043; GRÜNE: 445; FDP:
648; Die Linke.: 810). Dabei haben sich keine mandatsrele-
vanten Verschiebungen bei der Verteilung der Zweitstim-
men auf die Listenverbindungen („Oberverteilung“) oder
bei der Verteilung der Mandate der Parteien auf ihre Lan-
deslisten („Unterverteilung“) ergeben. In einer zweiten Mo-
dellrechnung wurden die 10 433 Stimmen jeweils insgesamt
einer der genannten Parteien zugerechnet. Auch dies be-
wirkte – abgesehen von der FDP – keine Veränderungen. Im
Falle der FDP würden 8 002 Zweitstimmen als einzige Aus-
wirkung ein FDP-Mandat von Sachsen nach Nordrhein-
Westfalen verschieben. Bezüglich der Erststimmen ist laut
Landeswahlleiterin die Vertauschung angesichts des mit je-
weils über 40 000 Stimmen deutlichen Vorsprungs der in
den beiden Wahlkreisen erfolgreichen Bewerber ohne Be-
deutung.

Weder der Bundeswahlleiter noch die Landeswahlleiterin
des Landes Nordrhein-Westfalen sahen Anlass, in amtlicher
Eigenschaft gemäß § 2 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) Einspruch einzulegen.

Einsatz von Wahlmaschinen

Der Einspruchsführer rügt weiterhin, dass in Köln Wahlma-
schinen die Stimmabgabe ohne Papiersicherung nur elektro-
nisch erfasst hätten.

In einer vom Bundesministerium des Innern (BMI) unter
Einbeziehung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
und des Bundeswahlleiters abgegebenen Stellungnahme
zum Einsatz von Wahlgeräten (vgl. auch Bundestagsdruck-
sache 16/3600, Anlage 1) finden sich insoweit folgende
Ausführungen:

Ein denkbares, bei den verwendeten Geräten aber nicht er-
stelltes Papierprotokoll (englisch: Voter Verifiable Paper
Audit Trail – VVPAT) werde durch das Wahlgerät vor der
endgültigen Stimmabgabe ausgedruckt, dem Wähler hinter
Glas präsentiert und nach Bestätigung durch den Wähler
und damit endgültiger Stimmabgabe in eine angeschlossene
Urne geworfen. Die Verwendung von VVPAT habe Vor-
und Nachteile und sei in der Fachwelt nicht unumstritten.
Insbesondere sei keine unabhängige Verifikation möglich.
So könne der VVPAT wie jedes Papierprodukt manipuliert
werden. Es gebe ungezählte Möglichkeiten, professionell
aussehende Drucksachen herzustellen. Für das zusätzlich
erforderliche Zerstören oder Austauschen von Stimmzetteln
seien keinerlei besondere Fähigkeiten nötig. Im Gegensatz
dazu erfordere das Manipulieren elektronischer Daten spe-

Der VVPAT sei auch nicht unabhängig. Er könne nicht das
mangelnde Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Wahlge-
räts ersetzen, da er vom Wahlgerät erzeugt werde. Nachdem
der Wähler die Wahlkabine verlassen habe, könne das
Wahlgerät z. B. den gerade erzeugten VVPAT als ungültig
markieren und einen neuen drucken. Dies könne zwar mit
Tests entdeckt werden. Der VVPAT solle aber gerade des-
wegen verwendet werden, weil den Tests des Wahlgeräts
kein Vertrauen entgegengebracht werde. Werde der VVPAT
um verschlüsselte Merkmale ergänzt, um das Einfügen zu-
sätzlicher Papierquittungen oder das Ersetzen von Papier-
quittungen zu verhindern, könne er wiederum nicht mehr
durch den Wähler überprüft werden. Der Wähler sei dann
nicht mehr in der Lage zu entscheiden, ob der ihm präsen-
tierte VVPAT korrekt markiert worden sei und später mit-
gezählt werde. Weiter sei für die Realisierung ein Drucker
nötig, der nicht nur ausfallen könne, sondern während des
Wahltages auch kleinere Probleme wie Papierstau, auslau-
fende Tinte usw. verursachen könne. Zudem sei es bei Wah-
len mit vielen Stimmen möglich, dass der Wähler seine
Auswahl teilweise vergesse und fälschlicherweise annehme,
dass der VVPAT nicht korrekt sei. Dies erhöhe unberechtig-
terweise die Zweifel gegenüber dem Wahlgerät und könne
zu einer überflüssigen Nachzählung führen. Schließlich sei
es sehr schwierig, VVPAT so zu gestalten, dass auch behin-
derte Wähler mit ihnen zurecht kämen. So könnten z. B.
Sehschwache wieder auf Hilfe angewiesen sein, um ihren
VVPAT zu kontrollieren. Abschließend verweist das BMI
auf eine Studie des Massachusetts Institute of Technology,
wonach der größte Teil der Testwähler den VVPAT ungele-
sen bestätige oder, wenn er ihn gelesen und als fehlerhaft
empfunden habe, trotzdem bestätige (in der Annahme, dass
das Papier nicht lügen könne).

Das VVPAT könne allerdings u. U. auch Vorteile haben.
Bisher fehlten hiermit jedoch praktische Erfahrungen. In
den nächsten Jahren stünden mehrere Wahlen im Ausland
mit VVPAT bevor, die wissenschaftlich untersucht werden
sollten. Die PTB werde die weitere Entwicklung beobach-
ten.

Nachwahl in Dresden

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 am 8. September 2005 gemäß § 82
Abs. 1 Satz 1 der Bundeswahlordnung (BWO) die Bundes-
tagswahl am 18. September abgesagt und öffentlich bekannt
gemacht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahl-
leiterin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

Der Einspruchsführer hält die Nachwahl für nicht mit dem
Grundgesetz vereinbar und bezieht sich auf ein Urteil des
Hessischen Wahlprüfungsgerichts (Staatsanzeiger für das
Land Hessen 1995 [StAnz. 1995], S. 4018, 4028 ff.), das in
einem vergleichbaren Fall ein verfassungsrechtliches Gebot
zielle Kenntnisse. Aus diesen Gründen sei der VVPAT
grundsätzlich unzuverlässiger als die elektronischen Daten.

abgeleitet habe, das Hauptwahlergebnis nicht vor der Nach-
wahl bekannt zu geben. Im Übrigen wäre die Absage der

Drucksache 16/5700 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wahl in diesem Wahlkreis nicht nötig gewesen, wenn der
Wahlgesetzgeber rechtzeitig das einfache Wahlrecht so ge-
staltet hätte, dass Nachrücker die Absage der Wahl entbehr-
lich machen.

Der Bundeswahlleiter erinnert in einer – dem Einspruchs-
führer zugänglich gemachten – Stellungnahme zunächst da-
ran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines Wahl-
kreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvorschlages,
aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufinden habe.
Zur Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses bis
zur Nachwahl gäben § 37 BWG und § 67 BWO vor, dass
der Wahlvorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das
Ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, d. h.
also unmittelbar nach Schließung der Wahllokale. Der Ge-
setzgeber habe für Nachwahlen weder eine abweichende
Regelung getroffen noch eine Ermächtigungsgrundlage ge-
schaffen, um hiervon absehen zu können. Anhaltspunkte für
eine Regelungslücke bestünden nicht. Die Ermächtigung in
§ 82 Abs. 6 BWO, wonach bei Nachwahlen der Landes-
wahlleiter im Einzelfall Regelungen zur Anpassung an be-
sondere Verhältnisse treffen könne, beziehe sich auf die
Durchführungsmodalitäten der Nachwahl, nicht aber auf die
Hauptwahl. Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatori-
sche Gründe gegen ein Aufschieben der Stimmenauszäh-
lung. Denn dann hätten in den nicht betroffenen 298 Wahl-
kreisen in rund 80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000
Briefwahlvorständen insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und
die Wählerverzeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe
bei der Nachwahl versiegelt, sicher untergebracht und be-
wacht werden müssen. Nach Ende der Nachwahl hätten alle
Wahlvorstände nochmals zusammenkommen müssen, was
in der Zusammensetzung vom Tag der Hauptwahl vielfach
nicht mehr möglich gewesen wäre. Die Gefahr, dass im
Aufbewahrungszeitraum Wahlurnen abhanden kommen,
Unbefugten zugänglich werden oder geöffnet werden könn-
ten, sei nicht von der Hand zu weisen. Das Vertrauen der
Wählerschaft in die Richtigkeit der Ergebnisse würde auf
eine nicht zu rechtfertigende Probe gestellt, wenn nicht
schwerwiegend beeinträchtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Ergebnisses sei
nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, wonach
im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von den Vor-
schriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekanntgabe des
Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO) abgewichen
werden dürfe. Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergeb-
nisses (§§ 37, 41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf al-
len Ebenen verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusam-
menzufassen und auf schnellstem Wege an die nächsten zu-
ständigen Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiter-
zuleiten (§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen
Aufschub der Schnellmeldungen zwischen den Wahlorga-
nen oder eine Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa
zwischen Wahlkreis- und Landesebene bis zum Abschluss
der Nachwahl, um so ein Zusammenrechnen und die Fest-
stellung der Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergeb-
nisse oder des bundesweiten Wahlergebnisses zu verhin-
dern, sähen die Wahlrechtsvorschriften nicht vor. Auch die
Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die Wahlbe-
zirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlgebiet am

den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung nach § 67
BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusammenfassung
der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO) müssten die
jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landesebene sowie der
Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO das jeweilige
vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in geeigneter Form
öffentlich bekannt geben. Daher müssten in jedem Fall die
vorläufigen Ergebnisse für die von der Nachwahl nicht be-
troffenen Wahlkreise und ebenso das zusammengefasste Er-
gebnis für das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben wer-
den. Eine Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis
zum Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen. Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung bis zur
Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewesen.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder wäh-
rend der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelungen
garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlichkeit
der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss der
Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widerspräche
dem Demokratieprinzip. Die Auszählung habe deshalb in
den Wahllokalen und bei den Briefwahlvorständen öffent-
lich zu erfolgen. Das Ergebnis müsse anschließend münd-
lich bekannt gegeben werden. Damit könne jeder Interes-
sierte die Ergebnisse an der „Basis“ erfahren. Die lokale
Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse sam-
meln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen. Zudem ver-
öffentlichten Meinungsforschungsinstitute und Fernsehan-
stalten nach Ende der Wahlzeit am Abend der Hauptwahl
Hochrechnungen des Ergebnisses für das gesamte Wahlge-
biet, die – weil aus sog. Wahlnachbefragungen am Wahltag
stammend – erfahrungsgemäß dem vorläufigen amtlichen
Ergebnis sehr nahe kämen. Diese Hochrechnungen hätten
nicht verhindert werden können, so dass den Wahlberech-
tigten im Wahlkreis Dresden I auch auf diesem Weg das
– wahrscheinliche – Gesamtwahlergebnis aus den übrigen
298 Wahlkreisen nicht unbekannt geblieben wäre.

Sonstige Einwendungen

Soweit sich der Einspruch auch gegen die Zulassung der
Landeslisten der Linkspartei.PDS sowie eine Wahlteil-
nahme trotz möglichen Verlusts der Wahlberechtigung we-
gen Rückerwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit rich-
tete, sind diese Rügen mit Faxschreiben vom 30. November
sowie 1. Dezember 2006 zurückgezogen worden.

Hinsichtlich der die einzelnen Rügen erläuternden Hinweise
und mitgeschickten Unterlagen sowie bezüglich Ausführun-
gen im Zusammenhang mit einer erwogenen Kandidatur für
das Amt des Frankfurter Oberbürgermeisters sowie zu Fra-
gen einer gesetzlichen Parteienfinanzierung für die Freien
Wähler in Hessen wird auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen.

Anträge und Bemerkungen zum Wahlprüfungsverfahren

Nach Ansicht des Einspruchsführers ist die Wahlprüfung

(Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70 Satz 1
BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergebnis für

durch den Bundestag verfassungswidrig, da in eigener Sa-
che entschieden werde.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/5700

Erwartet wird eine öffentliche mündliche Verhandlung, be-
antragt wird aber auch, die Entscheidung über den Ein-
spruch bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
über die noch anhängigen Beschwerden gegen Wahlprü-
fungsentscheidungen zur Bundestagswahl 2002 zurückzu-
stellen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Um
die die Bundestagswahl 2005 betreffenden Einspruchsver-
fahren abzuschließen, ist im Übrigen davon abgesehen wor-
den, zunächst die Entscheidungen des Bundesverfassungs-
gerichts zu den die Bundestagswahl 2002 betreffenden Ver-
fahren abzuwarten.

Entscheidungsgründe

Soweit das Verfahren nicht aufgrund der Rücknahme des
Einspruchs gemäß § 2 Abs. 6 WPrüfG eingestellt wird, ist
der Einspruch zulässig, jedoch offensichtlich unbegründet.

Wahlprüfung durch den Bundestag

Soweit zum Wahlprüfungsverfahren beanstandet wird, dass
die Gewählten in eigener Sache entschieden, begründet dies
keinen Wahlfehler. Nach Artikel 41 GG ist die Wahlprüfung
Sache des Bundestages, gegen dessen Entscheidung die Be-
schwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig ist. Der
Bundestag und der Wahlprüfungsausschuss sind an diese
verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden.

Verfassung gemäß Artikel 146 des Grundgesetzes

Entgegen der Auffassung des Einspruchsführers zwingt Ar-
tikel 146 GG nicht zur Ablösung des Grundgesetzes durch
eine neue Verfassung, sondern überlässt dies der freien
Entscheidung des Volks- und Verfassungssouveräns (vgl.
Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Artikel 146 [Sep-
tember 1991] Rn. 9; Huber, in: Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl.
2002, Artikel 146 Rn. 14). Davon abgesehen wäre es der
Verfassungsgebung überlassen, ob und welche wahlrecht-
lichen Einzelausgestaltungen verfassungsgesetzlich veran-
kert werden sollen. Solange Derartiges nicht geschehen ist,
sind die einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes an-
zuwenden. Für das Wahlrecht maßgeblich ist Artikel 38
GG, der den Gesetzgeber in Absatz 3 beauftragt hat, das
Nähere durch Bundesgesetz zu regeln. Dem ist der Gesetz-
geber durch Erlass des Bundeswahlgesetzes nachgekommen
(vgl. bereits Wahlprüfungsentscheidungen auf Bundestags-
drucksachen 14/1560, Anlage 87, 15/1850, Anlage 11).

Überhangmandate

Die Zuteilung von insgesamt 16 Überhangmandaten beruht
auf einer korrekten Anwendung der §§ 6 und 7 BWG. Diese
Bestimmungen hat das Bundesverfassungsgericht als mit
dem Grundgesetz vereinbar festgestellt und ausdrücklich
ausgeführt, dass die Ermöglichung von Überhangmandaten
ohne Ausgleich für andere Parteien den Anforderungen der
Wahlgleichheit nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG genügt

Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag nicht als beru-
fen ansehen, eine Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmun-
gen festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. nur Bun-
destagsdrucksache 16/900, Anlage 1 – dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden.

Unbeschadet dessen ist darauf aufmerksam zu machen, dass
sich der Bundestag wiederholt mit den durch Überhangman-
date aufgeworfenen Fragen befasst, aber keinen Änderungs-
bedarf ermittelt hat. Bereits vor dem Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts hatte sich der Bundestag intensiv mit den
Regelungen beschäftigt und sie unter Hinzuziehung von
Sachverständigen auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft.
So war in der 13. Wahlperiode die Reformkommission zur
Größe des Bundestages zu dem Ergebnis gekommen, dass
die betreffenden wahlrechtlichen Regelungen verfassungs-
gemäß seien und keine verfassungsrechtliche Notwendig-
keit bestehe, Überhangmandate z. B. durch Ausgleichsman-
date oder eine Verrechnung bei den verbundenen Landes-
listen auszugleichen (vgl. Bundestagsdrucksache 13/4560,
S. 20 ff.). In dem nach dem Urteil des Bundesverfassungs-
gerichts vorgelegten Schlussbericht ist einvernehmlich
keine Änderung des Bundeswahlgesetzes vorgeschlagen
worden (Bundestagsdrucksache 13/7950, S. 16 f.). Auch in
der Folge hat sich der Bundestag wiederholt mit der Frage
der Überhangmandate beschäftigt. Zum einen sind Wahlein-
sprüche gegen die Bundestagswahl 1998 mit 13 Überhang-
mandaten und – mehrheitlich – gegen die Bundestagswahl
2002 mit fünf Überhangmandaten zurückgewiesen worden
(vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, z. B. Anlagen 29, 31
und 32 sowie Bundestagsdrucksache 15/1850 – z. B. An-
lagen 3 bis 5, 7). Zum anderen fanden Gesetzentwürfe der
13. Wahlperiode, die die Kompensation von Überhangman-
daten vorsahen (vgl. Bundestagsdrucksache 13/5750; Plenar-
protokoll 13/129 vom 11. Oktober 1996; S. 11631 ff.)
ebenso wenig eine Mehrheit wie eine Initiative in der
14. Wahlperiode, wobei auch auf die neuen Vorgaben für
die Einteilung der Wahlkreise und deren konkreten
Zuschnitt verwiesen wurde (vgl. Bundestagsdrucksache
14/2150; Plenarprotokoll 14/134 vom 23. November 1999,
S. 12992 ff.).

Für den Gesetzgeber bestand angesichts der Entwicklungen
seit dem Urteil von 1997 kein Anlass, die wahlrechtlichen
Bedingungen für Überhangmandate zu ändern. Soweit laut
Bundesverfassungsgericht der Gesetzgeber darauf zu achten
hat, dass sich die Zahl der Überhangmandate in Grenzen
hält, hat das Gericht bezüglich eines gesetzgeberischen
Handlungsbedarfs auf das Fünf-Prozent-Quorum zurückge-
griffen (BVerfGE 95, 366). Fünf Überhangmandate bei der
Bundestagswahl 2002 blieben jedoch ebenso unter dieser
Grenze wie 13 bei der Wahl 1998. Auch die bei der jetzigen
Bundestagswahl 2005 angefallenen 16 Überhangmandate
verbleiben deutlich unterhalb dieser Grenze.

Bezüglich der Wahlkreisgrößen enthält § 3 BWG Maßgaben
für die Einteilung der Wahlkreise. So soll die Bevölkerungs-
zahl eines Wahlkreises von der durchschnittlichen Bevölke-
rungszahl der Wahlkreise nicht um mehr als 15 Prozent
nach oben oder unten abweichen; beträgt die Abweichung
mehr als 25 Prozent, ist neu abzugrenzen. Diese Regelung
und die Chancengleichheit der Parteien wahrt (BVerfGE 95,
335, 357).

in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BWG hat auch der Neuabgrenzung der
Wahlkreise für die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag zu-

Drucksache 16/5700 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

grunde gelegen (so im Siebzehnten Gesetz zur Änderung
des Bundeswahlgesetzes vom 11. März 2005 – BGBl. I
S. 674).

Ob für kommende Wahlen die Regelungen verändert wer-
den sollen, ist nicht im Wahlprüfungsverfahren, sondern
nach Einbringung entsprechender Initiativen im Gesetzge-
bungsverfahren zu beraten.

Fünf-Prozent-Sperrklausel

Die geltende Sperrklausel, wonach bei der Verteilung der
Sitze der Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden,
die mindestens fünf vom Hundert der im Wahlgebiet abge-
gebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben, ist einfach-
rechtlich in § 6 Abs. 6 Satz 1 BWG verankert. Eine verfas-
sungsgesetzliche Festlegung ist – ebenso wie andere Aus-
prägungen des Wahlrechts – nicht geboten und auch vom
Bundesverfassungsgericht nicht gefordert. Der Einspruchs-
führer trägt keine neuen Gesichtspunkte vor, die angesichts
der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts (vgl. BVerfGE 95, 335, 366) Zweifel an der Verfas-
sungsmäßigkeit begründen könnten. Die Wirkung der Sperr-
klausel bei der Bundestagswahl 2005 ist daher nicht zu
beanstanden (vgl. auch bisherige Wahlprüfungsentschei-
dungen auf Bundestagsdrucksachen 13/2800, Anlage 25,
15/1850, Anlage 47, 16/900, Anlage 414, ebenso für die
Wahl zum Europäischen Parlament 2004 Bundestagsdruck-
sache 15/4750, Anlage 22).

Soweit im Einspruch die Vorgaben für die Reihenfolge der
Wahlvorschläge auf dem Stimmzettel als Verschärfung der
Sperrklausel eingestuft werden, könnte dieser erst im Okto-
ber 2006 geltend gemachte Einwand als verspätet i. S. d. § 2
Abs. 4 WPrüfG anzusehen sein, da Einsprüche binnen zwei
Monaten nach dem Wahltag einzureichen sind. Dies kann
hier aber offen bleiben. § 30 Abs. 3 BWG stellt für die Rei-
henfolge auf die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl ab
und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl.
BVerfGE 29, 154, 164; Bundestagsdrucksache 12/1002,
Anlage 32; Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Aufl.,
2002, § 30 Rn. 8).

Wahlerfolg unabhängiger Kandidaten

Die im Einspruch angegriffene Regelung des § 6 Abs. 1
Satz 2 BWG, wonach die Zweitstimmen derjenigen Wähler
unberücksichtigt bleiben, die mit ihrer Erststimme einem
nicht von einer Partei vorgeschlagenen Direktkandidaten
zum Wahlerfolg verholfen haben, ist 1988 vom Bundesver-
fassungsgericht ausdrücklich als verfassungsgemäß gebil-
ligt worden (BVerfGE 79, 161 ff.).

Listenaufstellung durch Parteien

Soweit sich der Einspruch gegen das sog. Nominierungsmo-
nopol der Parteien bei der Aufstellung von Landeslisten
wendet, ist daran zu erinnern, dass sich laut Bundesverfas-
sungsgericht dieses gemäß § 27 Abs. 1 BWG auf Parteien
beschränkte Vorschlagsrecht „aus der Natur der Sache“ er-
gibt und mit Artikel 38 GG im Einklang steht (BVerfGE 46,
196, 199; 89, 243, 251).

Zulassung der Wahlvorschläge durch Gremien

die Landeswahlausschüsse. Die Wahlausschüsse bestehen
gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 BWG aus dem Wahlleiter und
sechs von ihm berufenen Wahlberechtigten als Beisitzern.
Gemäß Abs. 2 Satz 4 sind bei der Berufung der Beisitzer die
in dem jeweiligen Bezirk vertretenen Parteien nach Mög-
lichkeit zu berücksichtigen. § 10 Abs. 2 BWG verpflichtet
diese Mitglieder der Wahlorgane ausdrücklich zur unpartei-
ischen Wahrnehmung ihres Amtes. Schon aufgrund dieser
Verpflichtung greift ein Befangenheitseinwand nicht durch;
im Übrigen ist die parteipolitischen Gegebenheiten Rech-
nung tragende Zusammensetzung gesetzlich vorgegeben.

Auflösung des 15. Deutschen Bundestages

Das Wahlprüfungsverfahren ist nicht geeignet, die die Ver-
fassungsorgane bindende Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 23. August 2005 zu korrigieren, wonach
die vom Bundespräsidenten angeordnete Auflösung des
15. Deutschen Bundestages sowie die Bestimmung eines
Neuwahltermins verfassungsgemäß waren (BVerfGE 114,
121 ff.). Daher kann aus einer Kritik an diesem Urteil nicht
eine Ungültigkeit der Bundestagswahl abgeleitet werden.
Ebenso wenig ist auf die vom Einspruchsführer gestellte
Vorfrage einzugehen, ob der Bundespräsident selbst wirk-
sam gewählt worden ist. Im Übrigen sieht selbst der Verfas-
ser des vom Einspruchsführer herangezogenen Aufsatzes im
Ergebnis die Wahl als wirksam an, da die gerügte ungleiche
Besetzung der Bundesversammlung angesichts des tatsäch-
lichen Stimmenverhältnisses ohne Bedeutung geblieben ist.

Täuschung der Wähler

Der u. a. vor der Wahl von einer Täuschung über die Haus-
haltslage und von der späteren Koalitionsvereinbarung ab-
weichenden Aussagen über mögliche Erhöhungen der
Mehrwertsteuer ausgehende Vortrag des Einspruchsführers
lässt keine unzulässige Wahlbeeinflussung unter Verletzung
des Grundsatzes der Freiheit der Wahl und auch der Wahl-
gleichheit erkennen. Für eine amtliche Wahlbeeinflussung,
bei der staatliche Stellen oder die Inhaber eines staatlichen
Amtes in amtlicher Eigenschaft oder unter Hinweis auf ih-
ren Amtscharakter im Vorfeld einer Wahl in mehr als nur
unerheblichem Maße unter Verletzung ihrer Neutralitäts-
pflicht parteiergreifend auf die Bildung des Wählerwillens
eingewirkt haben, ist nichts Substantiiertes vorgetragen.
Dies gilt auch im Hinblick auf die nicht näher belegte Be-
zugnahme auf eine Kleine Anfrage.

Die aus der Sicht des Einspruchsführers nicht eingehaltenen
Wahlversprechen bestimmter Parteien z. B. zur Frage einer
Erhöhung der Mehrwertsteuer von SPD-Politikern wären
als ebenfalls überprüfbare private Wahlbeeinflussung unzu-
lässig, wenn sie auf die Wählerwillensbildung mit Mitteln
des Zwangs oder Drucks oder in ähnlich schwerwiegender
Art und Weise eingewirkt hätten, ohne dass eine hinrei-
chende Möglichkeit der Abwehr oder des Ausgleichs, etwa
mit Mitteln des Wahlwettbewerbs, bestanden hätte. Außer-
halb solcher erheblicher Verletzungen der Freiheit oder
Gleichheit der Wahl stellt ein Einwirken von Parteien oder
einzelnen Wahlbewerbern auf die Bildung des Wählerwil-
lens kein Verhalten dar, das den zur Prüfung gestellten
Wahlfehlertatbestand erfüllte, selbst wenn es als unlauter zu
werten sein oder gegen gesetzliche Bestimmungen ver-
Über die Zulassung der Kreiswahlvorschläge entscheiden
die Kreiswahlausschüsse, über diejenige der Landeslisten

stoßen sollte (vgl. BVerfGE 103, 111, 132 f.). Hierfür sind
jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Dabei ist insbeson-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/5700

dere zu berücksichtigen, dass im geltenden Wahlsystem
erfahrungsgemäß nicht eine einzige Partei die absolute
Mehrheit der Sitze erlangt. Vielmehr ergibt sich regelmäßig
und für den Wähler nicht überraschend die Notwendigkeit,
über Koalitionsbildungen zu verhandeln und dabei auch
Kompromisse hinsichtlich einzelner Auffassungen oder
Vorhaben einzugehen.

Ob nach der Wahl im Hinblick auf die Haushaltsgesetzge-
bung für das Jahr 2006 zunächst ein Verstoß gegen Artikel
115 GG geplant war, bleibt wahlprüfungsrechtlich ohne Be-
lang. Ebenso wenig ist hier auf den erst nach Ablauf der
Einspruchsfrist des § 2 WPrüfG erhobenen Einwand eines
unzulässigen Medieneinflusses einzugehen.

Vertauschung von Stimmzetteln in Dortmund

Die Versendung falscher Stimmzettel für die Briefwahl in
den Wahlkreisen Dortmund I und II stellt einen Wahlfehler
dar, der auf eine unterbliebene Information durch die Stadt
Dortmund an die beauftragte Firma zurückgeht. Im Ergeb-
nis hat dieser Fehler dazu geführt, dass wegen Verwendung
des falschen Stimmzettels die betroffenen Erst- und Zweit-
stimmen zutreffend gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 BWG als un-
gültig gewertet wurden. Dennoch führt dieser Fehler nicht
zur Begründetheit des Einspruchs. Nur solche Wahlfehler
können einen Einspruch erfolgreich begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluss sind oder hätten sein kön-
nen. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vornherein
als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370, 372 ständige Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. auch Bun-
destagsdrucksache 15/1850, S. 158). Selbst solche Wahlfeh-
ler, die die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind
dann unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhält-
nisses keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung haben
können. Die oben zitierten Modellrechnungen belegen ein-
deutig, dass die wegen Vertauschung ungültigen Stimmen
ohne Einfluss auf die Mandatsverteilung geblieben sind.
Dies gilt zunächst für die Berücksichtigung der Zweitstim-
men. So belegt z. B. die Modellrechnung des Bundeswahl-
leiters, dass eine Berücksichtigung der vorsorglich ausge-
zählten 10 433 ungültigen Zweitstimmen keine Änderung
bei den einzelnen Parteien bewirken würde. Zugleich wird
erkennbar, dass auch eine hypothetische Zuweisung aller
ungültigen Stimmen jeweils an eine Partei für die Mandats-
verteilung unerheblich wäre. Auch soweit im Falle der FDP
8 002 zusätzliche Stimmen Auswirkungen zeigen würden,
ist dies als fernliegend zu vernachlässigen, da die tatsächli-
che Auszählung nur 648 Zweitstimmen ergeben hat.

Soweit es um die Berücksichtigung der Erststimmen geht,
fehlt es ebenfalls an einer Erheblichkeit. Im Wahlkreis 143
hat der erfolgreiche Bewerber einen Vorsprung von 42 259
Stimmen vor dem Zweitplatzierten, im Wahlkreis 144 be-
trägt dieser Vorsprung 43 842 Stimmen (vgl. Der Bundes-
wahlleiter, Wahl zum Deutschen Bundestag am 18. Septem-
ber 2005, Heft 3: Endgültige Ergebnisse nach Wahlkreisen,
S. 92 ff.).

Außerhalb des Wahlprüfungsverfahrens bleibt gesetzgebe-
risch zu erwägen, bei Vertauschung von Stimmzetteln in

Einsatz von Wahlmaschinen

Der Einsatz von Wahlcomputern ohne Ausdruck eines Pa-
pierprotokolls stellt keinen Wahlfehler dar. Die Stellung-
nahme des BMI macht deutlich, dass es nicht notwendig
dieser Vorkehrung bedarf, um auch eine Stimmgabe mit
Hilfe von Wahlgeräten sicher durchzuführen (vgl. generell
zum Einsatz von Wahlgeräten bereits Bundestagsdruck-
sache 16/3600, Anlage 1).

Nachwahl in Dresden

Es ist schon nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss
an die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind (vgl. generell auch Bundestagsdruck-
sache 16/1800, Anlage 1). Der Auffassung des Bundeswahl-
leiters ist zuzustimmen, dass das geltende Wahlrecht eine
unmittelbare Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse
nach Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.

Auch die Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses un-
mittelbar nach der Hauptwahl stellt keinen Wahlfehler dar.
Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Bekannt-
gabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass für den Fall
einer Nachwahl eine Ausnahme vorgesehen ist. Gemäß § 71
Abs. 6 BWO geben die Wahlleiter nach Durchführung der
ohne Vorliegen der Wahlniederschriften möglichen Über-
prüfungen die vorläufigen Wahlergebnisse mündlich oder in
geeigneter anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in
§ 71 BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststellun-
gen und Schnellmeldungen an das jeweils nächsthöhere
Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im Wahlbezirk festge-
stellt wird. So verpflichtet Absatz 3 die Kreiswahlleiter, das
vorläufige Ergebnis auf schnellstem Wege dem Landes-
wahlleiter mitzuteilen. Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die
Landeswahlleiter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese
Regelungen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke
für den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der schon er-
wähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Daher gibt es auch
schon nach der Hauptwahl ein vorläufiges Ergebnis im
Sinne dieser Bestimmung. Zum anderen ermächtigt § 82
BWO nur für die Nachwahl selbst den zuständigen Landes-
wahlleiter, Anpassungen vorzunehmen; es findet sich aber
keine Anpassungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahl-
leiter oder des Bundeswahlleiters. Im Übrigen wird auch im
wahlrechtlichen Schrifttum von einer durch die Bundes-
wahlordnung vorgegebenen unmittelbaren Bekanntmachung
ausgegangen (Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Aufl., 1976, § 43
Rn. 6; Schreiber, a. a. O., § 43 Rn. 1 Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468).

Auch verfassungsrechtliche Einwände insbesondere wegen
des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl, wonach jede
Stimme den gleichen Zählwert und im Rahmen des vom
Gesetzgeber festgelegten Wahlsystems die gleiche rechtli-
che Erfolgschance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfas-
sungsgericht, BVerfGE 95, 408, 417), greifen nicht durch.
Zwar konnten die Wähler im Wahlkreis 160 in Kenntnis der
Ergebnisse im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter
abgeben, da es z. B. in den Medien und im Internet Hin-
weise für mögliches taktisches Stimmverhalten gab. Ob dies
einem Bundesland jedenfalls die Zweitstimmen als gültig
werten zu können.

auch verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten ist, ist aber nicht eindeutig zu beja-

Drucksache 16/5700 – 44 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
hen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher Eingriff je-
denfalls gerechtfertigt wäre. Der Grundsatz der Gleichheit
der Wahl bedeutet, dass jede Stimme, abgesehen vom hier
nicht betroffenen gleichen Zählwert, im Rahmen der Ver-
hältniswahl den gleichen Einfluss auf die parteipolitische
Zusammensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
BVerfGE 95, 335, 353) bzw. im Rahmen des vom Gesetz-
geber festgelegten Wahlsystems die gleiche rechtliche Er-
folgschance haben muss (BVerfGE 95, 408, 417).

Geht man von der letztgenannten, von der gleichen recht-
lichen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus, ist zu
berücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine gesonder-
ten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr nach denselben
Vorschriften und auf denselben Grundlagen wie die Haupt-
wahl statt (§ 43 Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl
abgegebenen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unterscheidet
sich die Regelung über die Nachwahl von denjenigen Rege-
lungen, die die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundmandats-
klausel festlegen oder Überhangmandate und ein Stimmen-
splitting ermöglichen und sich damit auf manche Stimm-
abgabe rechtlich auswirken. Diese Regelungen sind vom
Bundesverfassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter –
Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335, 357 ff. sowie
367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine unterschied-
liche rechtliche Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entscheidung
aus, die nur auf den gleichen Einfluss auf die parteipoliti-
sche Zusammensetzung des Parlaments abstellt, dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die Wahl-
rechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgesehen könnte
die Bewertung, dass eine mögliche taktische Stimmabgabe
nur eine tatsächlich, nicht aber rechtlich unterschiedliche
Erfolgschance gewährt, den Einwand einer engen und for-
malen Sichtweise der Bedeutung der gleichen rechtlichen
Erfolgschance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahlergebnisses
abstellt, kommt der Stimme des Nachwählers, der denkbare
Auswirkungen kennt, praktisch ein höherer Erfolgswert zu,
zumal die mögliche spätere Stimmabgabe rechtlich durch
§ 43 BWG eingeräumt wird.

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der Wahl ein-
gegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz aber nicht unbe-
grenzt; vielmehr sind Differenzierungen zulässig. Insofern
erkennt das Bundesverfassungsgericht nur einen eng bemes-
senen Spielraum an. Dieser wird unter dem Begriff des
„zwingenden Grundes“ zusammengefasst. Differenzierun-
gen müssen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig sind auch
Gründe, die durch die Verfassung legitimiert sind und ein
Gewicht haben, das der Wahlrechtsgleichheit die Waage
halten kann. Dabei muss die Verfassung nicht gebieten,
diese Zwecke zu verwirklichen. Das Bundesverfassungs-
gericht rechtfertigt auch Differenzierungen durch „zurei-
chende“, „aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der
Volksvertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE 95,
418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist, wie
noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der besonderen,
auch verfassungsrechtlich legitimierten Anforderungen an
die Abwicklung einer Wahl auszugehen, die als zureichende
Differenzierungsgründe eingeordnet werden können. Ein
Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse
der Hauptwahl widerspräche dem Grundsatz, die Auszäh-
lung der Stimmen so transparent wie möglich zu gestalten,
um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die korrekte Feststel-
lung des Wahlergebnisses zu gewährleisten. Dem dient die
Öffentlichkeit der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10
Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die Wahl-
vorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jedermann bei der
Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses Zutritt
zum Wahlraum. Dies bietet zum einen interessierten Wahl-
berechtigten die Grundlage, die wahlrechtlich vorgegebenen
Schritte zu verfolgen und sich von ihrer ordnungsgemäßen
Abwicklung zu überzeugen. Zugleich bietet es insbesondere
aber Medien oder Meinungsforschungsinstituten die Mög-
lichkeit, die Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und
hochzurechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinderung ent-
sprechender Informationen ein taktisches Stimmverhalten
zu verhindern (vgl. auch Schreiber, a. a. O., § 43 Rn. 1 am
Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und die Anwe-
senheit bei der Stimmauszählung bei der Hauptwahl nur den
zuständigen Wahlorganen vorzubehalten, stünde also nicht
im Einklang mit einem auf das Demokratieprinzip zurück-
zuführenden Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorge-
gebenen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich erscheint
überdies, ob entsprechende Regelungen auch angesichts der
großen Zahl der Beteiligten überhaupt geeignet wären, die
Ergebnisse insgesamt oder zumindest repräsentative Resul-
tate geheim zu halten (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Gleiches dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2
BWG hinausgehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstattung mit
Blick auf eine noch bevorstehende Nachwahl zu verzichten.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine Stimm-
abgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbekannt, wie die
Bestimmungen über die Ersatzwahl bei Ausscheiden eines
Wahlkreisabgeordneten ohne Nachrückmöglichkeit (§ 48
Abs. 2 BWG) oder eine Wiederholungswahl bei erfolgrei-
cher Wahlanfechtung (§ 44 BWG) zeigen. Schließlich ist
ein taktisches Stimmverhalten auch in anderen Zusammen-
hängen zu beobachten und nicht als Verstoß gegen den
Grundsatz der Gleichheit der Wahl behandelt worden. Zu
erinnern ist an die Möglichkeit, Erst- und Zweitstimme zu
splitten (vgl. BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Auszählung
der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss der Nachwahl
würde die enge Verbindung zwischen der Wahlhandlung
und der unmittelbar anschließenden Ergebnisermittlung auf-
heben. Dies könnte im Hinblick auf den aus dem Demokra-
tieprinzip abzuleitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der
Wahl Bedenken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Gesichts-
punkte organisatorischer und ergebnissichernder Natur, auf
die auch der Bundeswahlleiter aufmerksam gemacht hat.

eine Privatfirma verpacken und verschicken, ohne darauf
aufmerksam zu machen, dass die Stimmzettel getrennt nach

Zweitstimmen keine Veränderung bei der Zuteilung der Sitze
ergeben. So hat der Bundeswahlleiter in einer ersten Modell-
sen und neue Briefwahlunterlagen zu erhalten.

Insgesamt sind laut Angaben der Landeswahlleiterin zwi-
schen 22 000 und 25 000 Stimmzettel ausgetauscht und ins-

über 40 000 Stimmen deutlichen Vorsprungs der in den bei-
den Wahlkreisen erfolgreichen Bewerber ohne Bedeutung.
den beiden Wahlkreisen den Wahlunterlagen beizufügen
seien (vgl. auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 1).
Deshalb wurden am 2. September 2005 rund 50 000 Brief-
wahlunterlagen in den Postversand gegeben, ohne dass dar-
auf geachtet worden ist, ob jeweils ein der Anschrift des
Briefwählers entsprechender Stimmzettel beigefügt worden
war. Nach Bekanntwerden des Fehlers am 3. September
2005 unterrichtete die Stadt Dortmund die Bevölkerung
über die Versendung möglicherweise falscher Stimmzettel.
Schriftlich wurden dann alle von der Privatfirma mit Brief-
wahlunterlagen Versorgten gebeten, den jeweils erhaltenen
Stimmzettel zu überprüfen. Außerdem wurden sie über die
Möglichkeiten zur korrekten Stimmabgabe informiert und
es wurde auch angeboten, den Stimmzettel auszutauschen
oder den bisherigen Wahlschein für ungültig erklären zu las-

rechnung die Zahl der wegen Vertauschung ungültigen
Zweitstimmen der Parteien SPD, CDU, GRÜNE, FDP, Die
Linke. den jeweiligen Parteien zugerechnet. (Zugerechnet
wurden für SPD: 5 129; CDU: 3 043; GRÜNE: 445; FDP:
648; Die Linke.: 810). Dabei haben sich keine mandatsrele-
vanten Verschiebungen bei der Verteilung der Zweitstimmen
auf die Listenverbindungen („Oberverteilung“) oder bei der
Verteilung der Mandate der Parteien auf ihre Landeslisten
(„Unterverteilung“) ergeben. In einer zweiten Modellrech-
nung wurden die 10 433 Stimmen jeweils insgesamt einer
der genannten Parteien zugerechnet. Auch dies bewirkte
– abgesehen von der FDP – keine Veränderungen. Im Falle
der FDP würden 8 002 Zweitstimmen als einzige Auswir-
kung ein FDP-Mandat von Sachsen nach Nordrhein-West-
falen verschieben. Bezüglich der Erststimmen ist laut Lan-
deswahlleiterin die Vertauschung angesichts des mit jeweils
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 19. September und 14. November 2005
hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum
16. Deutschen Bundestag Einspruch eingelegt und diesen
auf mehrere Gründe gestützt.

Vertauschung von Stimmzetteln in Dortmund

Die Wahl in den Dortmunder Wahlkreisen 143 und 144
muss nach Auffassung des Einspruchsführers wiederholt
werden. Aufgrund einer Vertauschung von Stimmzetteln
seien ca. 10 000 Stimmen für ungültig erklärt worden. Bei
ordnungsgemäßer Wahl hätten die beiden CDU-Kandidaten
die Wahlkreise gewinnen und in den Bundestag einziehen
können. Jedenfalls hätte bei Gültigkeit aller Stimmen und
der komplizierten Berücksichtigung der Zweitstimmen der
CDU-Kandidat Cajus Julius Caesar in den Bundestag ein-
ziehen können.

Die Stadt Dortmund ließ einen Teil der für die Wahlkreise
143 und 144 zu versendenden Briefwahlunterlagen durch

schließlich mit 10 533 vertauschten Stimmzetteln gewählt
worden; davon beruhte in 10 433 Fällen die Ungültigkeit
der Zweitstimme auf der Vertauschung und nicht – wie für
den Rest – auf anderen Gründen. Auf Nachfrage sind die
beiden Zahlenwerte – insgesamt 10 533, aber 10 433 nur
wegen Vertauschung ungültig – von der Landeswahlleiterin
bestätigt worden. Dass zunächst von insgesamt 10 504 un-
gültigen Stimmen ausgegangen und dies später auf 10 533
korrigiert wurde, wird mit möglichen Zählfehlern durch die
Belastung des Wahlabends erklärt. Die wegen Vertauschung
ungültigen Erststimmen liegen mit 10 272 etwas niedriger.

Laut Stellungnahmen der Landeswahlleiterin und des Bun-
deswahlleiters, die beide dem Einspruchsführer zugänglich
gemacht worden sind, sind die vertauschten Stimmzettel ge-
sondert ausgezählt worden. Nach den dem Wahlprüfungs-
ausschuss vorliegenden Modellrechnungen sowohl des Bun-
deswahlleiters als auch des Landesamtes für Datenverarbei-
tung und Statistik, erstellt im Auftrag der Landeswahlleite-
rin, hätte sich auch bei Wertung der ungültigen

Anlage 14

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn K. H., 53879 Euskirchen
– Az.: WP 14/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
gesamt 12 321 Wahlscheine, letztere teilweise auch aus an-
deren Gründen, für ungültig erklärt worden. Im Ergebnis ist

Weder der Bundeswahlleiter noch die Landeswahlleiterin
des Landes Nordrhein-Westfalen sahen Anlass, in amtlicher

Drucksache 16/5700 – 46 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Eigenschaft gemäß § 2 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) Einspruch einzulegen.

Ausgabe falscher Stimmzettel in Berlin

Gerügt wird weiterhin, dass in Berlin-Pankow falsche
Stimmzettel ausgegeben worden seien.

Diese Rüge bezieht sich auf die Ausgabe von Stimmzetteln
im Wahllokal des Wahlbezirks 287 des Wahlkreises 84
(Berlin-Friedrichshain – Kreuzberg – Prenzlauer Berg-Ost).
Laut Mitteilung des Landeswahlleiters des Landes Berlin
wurden dort am Wahltag zwischen 8 und 11 Uhr die Stimm-
zettel des Wahlkreises 77 (Berlin-Pankow) statt derjenigen
des Wahlkreises 84 ausgegeben. 57 Wähler benutzten diese
Stimmzettel. Drei von ihnen wiederholten die Stimmabgabe
im Laufe des Wahltages, nachdem das Versehen bemerkt
worden war. Der erstplatzierte Wahlkreisbewerber des
Wahlkreises 84 erhielt 69 988 Stimmen, der zweitplatzierte
33 562.

Nachwahl in Dresden

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 am 8. September 2005 gemäß § 82
Abs. 1 Satz 1 der Bundeswahlordnung (BWO) die Bundes-
tagswahl am 18. September 2005 abgesagt und öffentlich
bekannt gemacht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Lan-
deswahlleiterin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß
§ 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In
der Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor
in Pressemitteilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergeb-
nis für das Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben.

Der Einspruchsführer rügt, dass das Ergebnis bereits am
18. September 2005 bekannt gemacht worden ist, so dass
sich die Wahlberechtigten im betroffenen Wahlkreis hierauf
hätten einstellen können.

Der Bundeswahlleiter erinnert in einer Stellungnahme zu-
nächst daran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 des Bundeswahlge-
setzes (BWG) bei Tod eines Wahlkreisbewerbers nach Zu-
lassung des Kreiswahlvorschlages, aber noch vor der Wahl
eine Nachwahl stattzufinden habe. Zur Ermittlung und Fest-
stellung des Wahlergebnisses bis zur Nachwahl gäben § 37
BWG und § 67 BWO vor, dass der Wahlvorstand im An-
schluss an die Wahlhandlung das Ergebnis ohne Unter-
brechung ermittelt und feststellt, d. h. also unmittelbar nach
Schließung der Wahllokale. Der Gesetzgeber habe für Nach-
wahlen weder eine abweichende Regelung getroffen noch
eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, um hiervon abse-
hen zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke be-
stünden nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wo-
nach bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall
Regelungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse tref-
fen könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten
der Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Zudem sprä-
chen gewichtige wahlorganisatorische Gründe gegen ein
Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann hätten in
den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund 80 000
Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorständen ins-
gesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerverzeich-
nisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nachwahl ver-

mals zusammenkommen müssen, was in der Zusammenset-
zung vom Tag der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich
gewesen wäre. Die Gefahr, dass im Aufbewahrungszeit-
raum Wahlurnen abhanden kommen, Unbefugten zugäng-
lich werden oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der
Hand zu weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die
Richtigkeit der Ergebnisse würde auf eine nicht zu rechtfer-
tigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Ergebnisses sei
nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, wonach
im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von den Vor-
schriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekanntgabe des
Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO) abgewichen
werden dürfe. Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergeb-
nisses (§§ 37, 41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf
allen Ebenen verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusam-
menzufassen und auf schnellstem Wege an die nächsten
zuständigen Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter wei-
terzuleiten (§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Auf-
schub der Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen
oder eine Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwi-
schen Wahlkreis- und Landesebene bis zum Abschluss der
Nachwahl, um so ein Zusammenrechnen und die Feststel-
lung der Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse
oder des bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern,
sähen die Wahlrechtsvorschriften nicht vor. Auch die
Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die Wahlbe-
zirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlgebiet am
(Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70 Satz 1
BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergebnis für
den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung nach § 67
BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusammenfassung
der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO) müssten die
jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landesebene sowie der
Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO das jeweilige
vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in geeigneter Form
öffentlich bekannt geben. Daher müssten in jedem Fall die
vorläufigen Ergebnisse für die von der Nachwahl nicht
betroffenen Wahlkreise und ebenso das zusammengefasste
Ergebnis für das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben wer-
den. Eine Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis
zum Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen. Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung bis zur
Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewesen.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder wäh-
rend der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelungen
garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlichkeit
der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss der
Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widerspräche
dem Demokratieprinzip. Die Auszählung habe deshalb in
den Wahllokalen und bei den Briefwahlvorständen öffent-
lich zu erfolgen. Das Ergebnis müsse anschließend münd-
lich bekannt gegeben werden. Damit könne jeder Interes-
sierte die Ergebnisse an der „Basis“ erfahren. Die lokale
Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse sam-
meln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
siegelt, sicher untergebracht und bewacht werden müssen.
Nach Ende der Nachwahl hätten alle Wahlvorstände noch-

gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen. Zudem ver-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/5700

öffentlichten Meinungsforschungsinstitute und Fernsehan-
stalten nach Ende der Wahlzeit am Abend der Hauptwahl
Hochrechnungen des Ergebnisses für das gesamte Wahlge-
biet, die – weil aus sog. Wahlnachbefragungen am Wahltag
stammend – erfahrungsgemäß dem vorläufigen amtlichen
Ergebnis sehr nahe kämen. Diese Hochrechnungen hätten
nicht verhindert werden können, so dass den Wahlberech-
tigten im Wahlkreis Dresden I auch auf diesem Weg das
– wahrscheinliche – Gesamtwahlergebnis aus den übrigen
298 Wahlkreisen nicht unbekannt geblieben wäre.

Überhangmandate

Weiterhin werden die Überhangmandate als Verletzung des
Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit gerügt. Jede Stimme
müsse den gleichen Erfolgswert besitzen. Die einzige Aus-
nahme in Gestalt der Überhangmandate sei vom Bundesver-
fassungsgericht nur bedingt zugelassen worden. Die früher
zeitweise hohe Zahl von Überhangmandaten habe ihre Ur-
sache in der Wahlkreiseinteilung gehabt. Insoweit habe es
aber einen Neuzuschnitt der Wahlkreise mit Reduzierung
der Mitglieder des Bundestages von 656 auf 598 gegeben.
Trotz alledem seien auch bei der Bundestagswahl Über-
hangmandate angefallen, wobei eine „Pattsituation“ ent-
standen sei. Grundlage der Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts sei jedoch gewesen, dass die Überhangman-
date für die Mehrheitsbildung im Bundestag nicht aus-
schlaggebend sein dürften. Im Weiteren bezieht sich der
Einspruchsführer auf zwei weitere Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts. So sei in § 6 Abs. 1 Satz 2
BWG eine – bisher vom Gesetzgeber nicht ausgefüllte und
bereits für die Bundestagswahl 2002 bedeutsame – Rege-
lungslücke festgestellt worden, da Zweitstimmen derjenigen
Wähler nicht berücksichtigt werden dürften, die mit ihrer
Erststimme Kandidaten zum Erfolg verhelfen, deren Partei
an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert (BVerfGE 79, 161 ff.).
Weiterhin habe das Bundesverfassungsgericht ein Nach-
rücken ausgeschlossen, solange die betreffende Partei im
betroffenen Land noch über Überhangmandate verfügt
(BVerfGE 97, 317 ff.).

Zulassung der Listen der Linkspartei.PDS

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens
der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-
ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale

in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter
Demokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delega-
tionen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung
vorzuschlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein
Parteiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheitere die Gründung einer neuen Partei;
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text
vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene
Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legt am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Auf Parteitagen am 25. März
2007 und bei zwischen dem 30. März und dem 18. Mai
2007 durchgeführten Urabstimmungen der Basis beider Par-
teien wurde dann mehrheitlich für eine Verschmelzung so-
wie Entwürfe programmatischer Eckpunkte, einer Bundes-
satzung und einer Schieds- und Finanzordnung der neuen
Partei „Die Linke.“ gestimmt.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige „Partei des Demokratischen So-
zialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben vom
18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes (PartG)
mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin
sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl aufgrund
eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens
fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Vorausset-
zungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 BWG erfülle. Der Bundes-
wahlausschuss war sich auch darüber einig, dass über die
Parteieigenschaft der WASG nicht zu entscheiden war, da
sie rechtswirksam ihre Beteiligungsanzeige gemäß § 18
BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschiedlicher,
insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nordrhein-
Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg
und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichtender – Fir-
mierung für alle Bundesländer Landeslisten aufgestellt und
bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte, ließen die Lan-
deswahlausschüsse am 19. August 2005 diese Listen gemäß
§ 28 BWG zu.

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
mit dem Bundesministerium des Innern erstellte „Hand-
reichung“ ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger
Landeslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten
Partei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und

mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht

Drucksache 16/5700 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

unzulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste
aufgestellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit ge-
gangen sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei
die Parteimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt
bilden sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben
anderen Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der
Liste wesentlich stärker als durch parteilose Bewerber.
Ebenso werde nicht davon abgesehen werden können, auf
welchen Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entschei-
dend dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es
bei verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich
sei, dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den
unwidersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie
folgt zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20
kein Parteiloser

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

Der Einspruchsführer rügt, dass die Linkspartei, die sich aus
der Partei WASG sowie der SED-Nachfolgepartei PDS zu-
sammengeschlossen habe, zur Bundestagswahl zugelassen
worden ist, und dass beide eine Listenverbindung hätten
eingehen können. Dies wird in 28 Punkten und weiteren
Ausführungen näher erläutert. So hätten die Satzungen
keine Fusion bzw. Verschmelzung vorgesehen, satzungsmä-
ßige Fristen für Verschmelzung und Listenverbindung seien
nicht eingehalten und die entsprechenden Beschlüsse nicht
ordnungsgemäß gefasst worden. Die WASG habe nicht die
für eine Zulassung notwendigen Unterschriften beibringen
müssen und habe durch das „Huckepackverfahren“ die
Fünf-Prozent-Hürde überwinden können. Einziger Zweck
der versteckten und unerlaubten Listenverbindung sei die
Überwindung dieser Hürde für die beiden Parteien gewesen.
Die Wähler seien getäuscht worden, da unter dem Namen
der Linkspartei, der im Übrigen uneinheitlich verwendet
worden sei, viele Mitglieder der WASG angetreten seien.
Wähler, die die PDS hätten wählen wollen, hätten Kandida-
ten der WASG „untergeschoben“ bekommen und umge-
kehrt. Gegen die „Wählerklarheit“ sei auch durch den
Wechsel mehrerer WASG-Mitglieder zur PDS in Nord-
rhein-Westfalen und in Thüringen verstoßen worden. Auch
Doppelmitgliedschaften würden Bedenken aufwerfen, da
dann für den Wähler nicht erkennbar sei, welche Person für
welche Partei antrete. Homogenität sei angesichts von zwei
Wahlprogrammen unterschiedlicher Art nicht gegeben ge-
wesen. Die Parteizentrale der PDS habe die Aufstellung der
Landeslisten geleitet; dabei seien einflussreichen WASG-
Mitgliedern gute Listenplätze gegeben worden.

Der Bundeswahlleiter geht in seiner zu einem anderen Ein-
spruch (WP 165/05) abgegebenen Stellungnahme davon
aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landeslisten der
Linkspartei.PDS zu Recht zugelassen haben, da sie den
durch das Bundeswahlgesetz und die Bundeswahlordnung
aufgestellten Anforderungen entsprochen hätten.
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39
kein Parteiloser

In formeller Hinsicht hätten die 16 Landeslisten den wahl-
rechtlichen Bestimmungen entsprochen. An der geheimen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 49 – Drucksache 16/5700

Wahl der Vertreter für die Vertreterversammlungen und an
der geheimen Wahl der Bewerber für die Listen gemäß § 27
Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 1 und 3 BWG hätten nach den dem
Bundeswahlleiter zur Verfügung stehenden Kenntnissen nur
Mitglieder der die Liste aufstellenden Linkspartei.PDS,
nicht aber Mitglieder der WASG oder Parteilose teilgenom-
men.

Auch in materieller Hinsicht hätten die 16 Landeslisten den
Vorgaben des Bundeswahlgesetzes entsprochen. Dass alle
16 Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Bewerber ent-
hielten, die nicht der Linkspartei.PDS angehörten, sondern
parteilos oder Mitglieder der WASG gewesen seien, habe
bei keiner der eingereichten Landeslisten zur Unzulässigkeit
geführt.

Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur Partei-
zugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu § 22
Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern
oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes Schleswig-Hol-
stein schließe es für Listenbewerber eine Mitgliedschaft in
einer anderen als der einreichenden Partei nicht ausdrück-
lich aus.

Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindungen und -ver-
einigungen bei Bundestagswahlen unzulässig. Da nach § 7
Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus verschiede-
nen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich im Um-
kehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher Parteien
nicht verbunden werden könnten. Die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich über-
winden; eine „Blockbildung“ mehrerer kleiner Parteien, um
gemeinsam die Sperrklausel zu überwinden, gestatte das
Gesetz nicht. Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG – unter Um-
ständen – erforderlichen Unterstützungsunterschriften müsse
die jeweilige Partei beibringen; eine Listenvereinigung oder
-verbindung, die es zwei Parteien ermögliche, die von ihnen
jeweils gesammelten Unterschriften „zusammenzulegen“,
sehe das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch
unterlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Par-
tei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose
Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bisheri-
gen Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr
müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden,
wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze
der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Vorausset-
zungen – die man als Homogenität der Liste bezeichnen
könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben,
wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet –
Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste aufgestellt
seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf,
dass das Bundeswahlgesetz gerade keine Regelungen zur

geprägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis gemäß sei-
nem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwendung seiner
Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der Durchfüh-
rung der Bundestagswahlen stünden für nahezu sämtliche
im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entscheidungen den
Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur kurze Zeiträume
zur Verfügung; es müsse unter großem Zeitdruck gehandelt
werden und man sei auf klare und verständliche Normen mit
eindeutigen Handlungsanweisungen angewiesen. Dies habe
erst recht wegen der verkürzten Fristen vor der jetzigen
Wahl gegolten. Während der Entscheidungszeitraum bei
„regulär“ stattfindenden Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19,
28 Abs. 1 Satz 1 BWG), sei er hier durch Verordnung des
Bundesministeriums des Innern auf vier Tage verkürzt ge-
wesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag vor der
Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern einge-
gangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulassung
hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der Wahl
(19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prüfung
sämtlicher wahlrechtlicher Voraussetzungen für alle einge-
reichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prüfung
der Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die
Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unter-
stützungsunterschriften, umfasst. Daher komme dem Wort-
laut des Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft
der Listenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu.
Dies gelte um so mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder
Bewerber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens
seit Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimatver-
triebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste der
CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das Ge-
setz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz gezo-
gen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine ent-
sprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Bundestages nach dem Demokratieprinzip durch
den Wähler getroffen werden solle. Eine Zulassungspraxis,
die eine Bewertung der hinter einer Liste stehenden politi-
schen Kräfte unternähme, würde die Wahlentscheidung vom
Volk in das Vorfeld der Wahl zu den Wahlausschüssen ver-
lagern. Damit würde der „Souverän“ von vornherein in sei-
ner Wahlmöglichkeit eingeschränkt und der Zulassungsent-
scheidung eine materielle, vom Wahlrecht nach dem Sinn
und Zweck des Demokratieprinzips nicht gewollte politi-
sche Bedeutung verschafft.

Auch aus anderen Wahlrechtsvorschriften sowie Bestim-
mungen zur Parteienfinanzierung folgt für den Bundeswahl-
leiter nicht, dass generell eine Aufstellung von Mitgliedern
anderer Parteien ausgeschlossen sein solle.

Schließlich führten auch verfassungsrechtliche Argumente
zu keinem anderen Ergebnis. Aus Artikel 21 Abs. 1 Satz 1
GG lasse sich für die Parteien kein Verbot ableiten, Mitglie-
der anderer Parteien als Bewerber aufzustellen. Die Demo-
Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landeslisten ent-
halte. Das Bundestagswahlrecht sei von großer Formstrenge

kratie bedürfe der politischen Parteien, um die Wähler zu
aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen

Drucksache 16/5700 – 50 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

so einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen
zu ermöglichen (BVerfGE 69, 92, 110; Sannwald, in:
Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum GG, 10. Aufl.,
2004, Artikel 21 Rn. 21). Parteien bündelten politische Strö-
mungen in der Bevölkerung und formten den politischen
Willen vor. Hieraus resultiere aber kein Gebot, bei einer
Bundestagswahl nur eigene Mitglieder aufzustellen. Die
„Bündelungsfunktion“ werde ausreichend durch das
„Monopol“ der Parteien zur Listenaufstellung erreicht. Die
Aufstellung der jeweiligen Liste durch die Mitglieder der
Partei gewährleiste ausreichend, dass nur die Positionen der
Partei vertretende Personen aufgestellt würden. Werde ein-
gewandt, dass der Wähler nur bei Parteimitgliedern auf den
Listen die Gewähr habe, dass sie für das Programm auch
tatsächlich einträten, zeige die Wirklichkeit, dass sich der
Wähler selbst bei der aufstellenden Partei angehörenden Be-
werbern keineswegs sicher sein könne, dass sie später als
Abgeordnete das Programm ihrer Partei vertreten würden.
Zum einen seien die Gewählten nicht dem Parteiprogramm,
sondern dem ganzen Volk verpflichtet (Artikel 38 Abs. 1
Satz 2 GG). Zum anderen komme es immer wieder vor, dass
Parteiprogramme von einzelnen Abgeordneten später nicht
mehr mitgetragen oder ganz oder in Teilen nicht umgesetzt
würden, etwa weil die Partei und deren Parlamentsfraktion
im Interesse einer Koalitionsbildung oder wegen veränder-
ter wirtschaftlicher Verhältnisse im Programm formulierte
Ziele nicht weiter verfolge. Umgekehrt könnten auch nicht
parteizugehörige Abgeordnete die Ziele einer Partei, die sie
als Listenbewerber aufgestellt habe, mit Überzeugung ver-
treten.

Im Übrigen nimmt der Bundeswahlleiter an, dass ein Verbot
zur Aufstellung Parteifremder auf einer Landesliste verfas-
sungsrechtlich zulässig sein könnte. Ein solches Verbot
müsse jedoch ausdrücklich in das Bundeswahlgesetz aufge-
nommen werden.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das ge-
rade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe, eine
Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer an-
deren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete
und praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine
Liste nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet wer-
den könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet
sei.

Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass „die
Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn sich die auf
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemeinsames
Programm verbunden fühlen“ (BVerfGE 11, 351, 366).
Diese Voraussetzung habe es im konkreten Fall einer örtli-
chen Wählergemeinschaft bzw. Rathauspartei bei einer
Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen als gegeben erach-
tet. Auf die Fragen, wie sich die Verbundenheit mit einem

Kriterien – und welche Konsequenz aus einer fehlenden
Verbundenheit zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung aller-
dings keine Antwort. In einer Wahlprüfungsentscheidung
aus der V. Wahlperiode (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3)
sei gefolgert worden, „dass das Bundesverfassungsgericht
die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei an-
gehörender Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als an
sich verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfas-
sungsgericht geforderte Homogenität der Liste müsse nicht
bereits dann verneint werden, wenn Mitglieder einer frem-
den Partei auf einer anderen Parteiliste erscheinen“. Es
müsse vielmehr auf den konkreten Einzelfall abgestellt wer-
den, wobei es nicht nur auf die politische Richtung des Lan-
desverbandes der fremden Partei, sondern auch auf die poli-
tische Auffassung des parteifremden Kandidaten ankomme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Landes-
wahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht ent-
wickelt worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur
vereinzelt und nicht an prominenter Stelle der Liste auf-
gestellt, sei dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die
Homogenität einer Landesliste sei dagegen nicht mehr ge-
wahrt, wenn etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen
Partei angehörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu be-
stimmen und hänge von den Gesamtumständen ab. Krite-
rien könnten etwa eine Namensergänzung oder das Nomi-
nieren von Führungspersonen der anderen Partei sein
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Aufl., Ergänzungsin-
formation zur Bundestagswahl 2005, Juni 2005, S. 10). Die
teilweise erwogene Berücksichtigung „weicher“ Kriterien,
wie die „Nähe“ der Listenbewerber zu einem bestimmten
Parteiprogramm, sei abzulehnen (so auch König, Anmer-
kungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffentliche Ver-
waltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahlausschüsse,
die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu entscheiden
gehabt hätten, sei die Überprüfung der politischen Haltung
einzelner Bewerber nahezu unmöglich gewesen. Kriterien
zur Bestimmung einer solchen „Nähe“ seien auch kaum ob-
jektivierbar gewesen. Als einzig handhabbares, formales
Kriterium sei die Parteizugehörigkeit der Landeslistenbe-
werber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewer-
bern deshalb eine generalisierende, vorrangig an nummeri-
schen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten
zunächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich
anschließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-
gemeinsamen Programm äußern solle – durch die Partei-
zugehörigkeit der Wahlbewerber oder auch durch andere

trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
„Handreichung“ eine solche Vorgehensweise empfohlen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/5700

Nach den Kriterien der „Handreichung“ seien alle Landes-
listen der Linkspartei.PDS aufgrund der Bewerbersituation
noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11; Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Bundestag (Hessen: 20 Listenplätze, 2 erfolg-
reich; Niedersachsen: 46 Listenplätzen: 3 erfolgreich). Auf
den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen Landeslisten
(nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen seien mit sieben
bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber erfolgreich gewesen)
sei jeweils nur ein Bewerber der WASG platziert gewesen.
Allein in Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz seien auf
den ersten fünf Plätzen zwei WASG-Mitglieder platziert ge-
wesen, was aber die Homogenität dieser Landeslisten nicht
zerstört habe.

Wahlmöglichkeit für Auslandsdeutsche

Gerügt wird weiterhin, dass vielen im Ausland lebenden
Wahlberechtigten die Briefwahlunterlagen nicht zugesandt
worden seien. Ebenso seien sämtliche fehlerhaften Brief-
wahlzettel aus dem Ausland als ungültig bewertet worden;
aufgrund der kurzen Fristen sei keine Feststellung des wah-
ren Wählerwillens erfolgt. Da die betreffenden Wahlberech-
tigten zum großen Teil der CDU/CSU und FDP zuzuordnen
seien, sei insoweit ein erhebliches Wahlpotential verloren
gegangen.

Wegfall der Wahlberechtigung wegen Verlusts der Staats-
angehörigkeit

Schließlich rügt der Einspruchsführer, dass Personen hätten
wählen dürfen, die als zunächst türkische Staatsangehörige
eingebürgert worden seien, sodann aber wieder die türki-
sche Staatsangehörigkeit angenommen hätten. Dasselbe
Verhalten habe es mit entsprechend geringeren Zahlen auch
bei anderen Nationalitäten gegeben.

Rechtlicher Hintergrund dieser Rüge ist § 25 des Staatsan-
gehörigkeitsgesetzes (StAG) in der seit dem 1. Januar 2000
geltenden Fassung. Danach verliert ein Deutscher seine
Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen
Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag
oder auf den Antrag seines gesetzlichen Vertreters erfolgt,
der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorlie-
gen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden
könnte. In der bis zum 1. Januar 2000 geltenden Fassung
ging die deutsche Staatsangehörigkeit hingegen nur verlo-
ren, wenn der Betreffende weder seinen Wohnsitz noch sei-
nen dauerhaften Aufenthalt im Inland hatte (sog. Inlands-
klausel).

Anfang 2005 teilte die türkische Regierung mit, seit dem
Jahre 2000 hätten ca. 50 000 türkischstämmige Deutsche
wieder die türkische Staatsangehörigkeit erlangt. Daraufhin
vereinbarte das Bundesministerium des Innern mit der türki-
schen Regierung Verhandlungen auf Arbeitsebene über die
Übermittlung konkreter Daten zu den von der Türkei einge-
bürgerten Personen. Hierauf hat die türkische Seite laut

Um dennoch verifizieren zu können, welche Personen ge-
mäß § 25 Abs. 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit
verloren haben, führten auf Anregung des Bundesministeri-
ums des Innern alle Länder außer Berlin im Jahre 2005 eine
Fragebogenaktion unter den türkischstämmigen Personen
durch, bei denen wegen denkbarer türkischer Rückeinbürge-
rung nach dem 1. Januar 2000 ein Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit möglich erschien. Die betroffenen Per-
sonen wurden aufgefordert zu erklären, ob sie nach dem
1. Januar 2000 die türkische Staatsangehörigkeit angenom-
men haben. Dabei wurde auf die mögliche Strafbarkeit einer
unberechtigten Wahlteilnahme hingewiesen. Berlin verzich-
tete zwar auf ein individuelles Anschreiben, führte jedoch
eine Informationskampagne durch, die zu ähnlichen Ergeb-
nissen wie die Fragebogenaktion der anderen Länder führte:
Bei 8,4 Prozent der Betroffenen war aus Sicht der Berliner
Behörden von einem Verlust der deutschen Staatsangehörig-
keit auszugehen, der Bundesdurchschnitt lag insoweit bei
8,5 Prozent. In absoluten Zahlen waren bundesweit 251 639
Personen von der Frage- bzw. Informationskampagne be-
troffen, in 21 463 Fällen gingen die Behörden von einem
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit aus. Die nied-
rigste Verlustquote gab es in Thüringen (0 Prozent), die
höchste in Hessen (18,9 Prozent). Die Ergebnisse der
Aktion im Hinblick auf jedes einzelne Land können einer
bei den Akten befindlichen, vom Bundesministerium des
Innern zusammengestellten Tabelle entnommen werden.

Das Bundesministerium des Innern geht in einer Stellung-
nahme davon aus, dass schon kein Fehler bei der Anwen-
dung der für die Wahl geltenden Vorschriften und Rechts-
grundsätze vorliege. Die Fragebogenaktionen bzw. Informa-
tionskampagnen der Länder seien notwendig, aber auch
ausreichend gewesen. Das Recht zur Teilnahme an Wahlen
sei zwar auf Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 GG
beschränkt. Im Wahlrecht sei nach Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Aufl., 2002, § 12 Rn. 8, der Besitz der deut-
schen Staatsangehörigkeit allerdings nur glaubhaft zu
machen. Eine verbindliche Feststellung der Staatsangehörig-
keit im Vorfeld jeder Wahl sei im Hinblick auf die erforder-
liche Praktikabilität der Wahlvorbereitungen nicht möglich.
Nach deutschem Staatsangehörigkeitsrecht lieferten weder
ein Personalausweis oder Reisepass noch ein Staatsange-
hörigkeitsausweis den Nachweis der deutschen Staatsange-
hörigkeit, sondern begründeten nur eine widerlegbare Ver-
mutung. Eine allgemein verbindliche Feststellung der deut-
schen Staatsangehörigkeit sei derzeit nur durch ein rechts-
kräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts möglich, das
jedoch nur eine Aussage über die Staatsangehörigkeit im
Zeitpunkt des Erlasses des Urteils treffe. Aufgrund des mit
einer verbindlichen Feststellung der Staatsangehörigkeit
verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwandes sei ein
solches Verfahren als regelmäßige Überprüfung im Vorfeld
von Wahlen ausgeschlossen. Schon seit jeher habe daher die
Gefahr bestanden, dass nichtdeutsche Personen an bundes-
deutschen Wahlen teilgenommen hätten, ohne dass Maß-
nahmen hiergegen getroffen worden wären oder hätten
getroffen werden müssen. Im Vorfeld der vorgezogenen
Bundestagswahl hätten – anders als vor früheren Bundes-
tagswahlen – jedoch aufgrund der Mitteilung der türkischen
Regierung über die Wiedereinbürgerung von bis zu 50 000
Bundesministerium des Innern bislang allerdings noch nicht
mit konkreten Terminvorschlägen reagiert.

Personen konkrete Hinweise auf einen abgrenzbaren Perso-
nenkreis bestanden, bei dem einem möglichen Verlust der

Drucksache 16/5700 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

deutschen Staatsangehörigkeit nachzugehen gewesen sei.
Die zuständigen Behörden hätten auf diesen Hinweis mit
der erwähnten Informations- bzw. Fragebogenaktion rea-
giert.

Andere rechtliche Möglichkeiten, den Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit zu ermitteln, hätten nicht bestanden.
Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25
StAG sei – wie auch schon bei der Vorgängerregelung
des § 25 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes
(RuStAG) – abhängig von den Einbürgerungsentscheidun-
gen fremder Staaten. Um feststellen zu können, ob und
wann ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit einge-
treten ist, benötigten deutsche Behörden genaue Angaben
und Kenntnisse der ausländischen Einbürgerungspraxis,
was ohne Kooperation der fremden Staaten von jeher
schwierig gewesen sei. Da mit weniger als 20 der 190 in der
UNO vertretenen Staaten Vereinbarungen über den Aus-
tausch von Einbürgerungsmitteilungen bestünden und das
Interesse hieran weltweit gering sei, werde der Verlust der
Staatsangehörigkeit oft nur im Nachhinein bei bestimmten
behördlichen Anlässen bekannt.

Das Bundesministerium des Innern weist im Hinblick auf
die Angabe der türkischen Regierung, dass seit dem Jahr
2000 ca. 50 000 ehemalige Türken wieder die türkische
Staatsangehörigkeit zurückerlangt hätten, darauf hin, dass
nicht bekannt sei, wie viele unter den wieder Eingebürger-
ten ohnehin als Minderjährige nicht wahlberechtigt gewesen
seien und ob darunter auch Personen gewesen seien, deren
deutsche Staatsangehörigkeit durch den Erwerb der türki-
schen Staatsangehörigkeit nicht verloren gegangen sei (etwa
minderjährige Familienmitglieder, auf die sich der Staatsan-
gehörigkeitserwerb durch das Familienoberhaupt erstreckt
habe, oder Personen, die zuvor eine Beibehaltungsgenehmi-
gung erhalten hätten). Wer vor dem 1. Januar 2000 die türki-
sche Staatsangehörigkeit unter Nutzung der damals noch
geltenden Inlandsklausel erworben habe, sei ohnehin deut-
scher Staatsangehöriger und damit wahlberechtigt geblie-
ben.

Alle hier zitierten Stellungnahmen des Bundeswahlleiters
wie von Landeswahlleitern sind dem Einspruchsführer zu-
gänglich gemacht worden. Er hat sich hierzu aber nicht
mehr geäußert.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Vertauschung von Stimmzetteln in Dortmund

Die Versendung falscher Stimmzettel für die Briefwahl in
den Wahlkreisen Dortmund I und II stellt einen Wahlfehler
dar, der auf eine unterbliebene Information durch die Stadt
Dortmund an die beauftragte Firma zurückgeht. Im Ergeb-
nis hat dieser Fehler dazu geführt, dass wegen Verwendung
des falschen Stimmzettels die betroffenen Erst- und Zweit-

zur Begründetheit des Einspruchs. Nur solche Wahlfehler
können einen Einspruch erfolgreich begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluss sind oder hätten sein kön-
nen. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vornherein
als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370, 372 ständige Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. auch Bun-
destagsdrucksache 15/1850, S. 158). Selbst solche Wahlfeh-
ler, die die Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind
dann unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhält-
nisses keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung haben
können. Die oben zitierten Modellrechnungen belegen ein-
deutig, dass die wegen Vertauschung ungültigen Stimmen
ohne Einfluss auf die Mandatsverteilung geblieben sind.
Dies gilt zunächst für die Berücksichtigung der Zweitstim-
men. So belegt z. B. die Modellrechnung des Bundeswahl-
leiters, dass eine Berücksichtigung der vorsorglich ausge-
zählten 10 433 ungültigen Zweitstimmen keine Änderung
bei den einzelnen Parteien bewirken würde. Zugleich wird
erkennbar, dass auch eine hypothetische Zuweisung aller
ungültigen Stimmen jeweils an eine Partei für die Mandats-
verteilung unerheblich wäre. Auch soweit im Falle der FDP
8 002 zusätzliche Stimmen Auswirkungen zeigen würden,
ist dies als fernliegend zu vernachlässigen, da die tatsächli-
che Auszählung nur 648 Zweitstimmen ergeben hat.

Soweit es um die Berücksichtigung der Erststimmen geht,
fehlt es ebenfalls an einer Erheblichkeit. Im Wahlkreis 143
hat der erfolgreiche Bewerber einen Vorsprung von 42 259
Stimmen vor dem Zweitplatzierten, im Wahlkreis 144 be-
trägt dieser Vorsprung 43 842 Stimmen (vgl. Der Bundes-
wahlleiter, Wahl zum Deutschen Bundestag am 18. Septem-
ber 2005, Heft 3: Endgültige Ergebnisse nach Wahlkreisen,
S. 92 ff.).

Außerhalb des Wahlprüfungsverfahrens bleibt gesetzgebe-
risch zu erwägen, durch Änderung von § 39 Abs. 1 Nr. 1
BWG bei Vertauschung von Stimmzetteln in einem Bundes-
land jedenfalls die Zweitstimmen als gültig werten zu kön-
nen.

Ausgabe falscher Stimmzettel in Berlin

Die Ausgabe falscher Stimmzettel in einem Wahllokal des
Wahlkreises 84 widersprach § 30 Abs. 2 Nr. 1 BWG und
§ 45 Abs. 1 Nr. 1 BWO, wonach die Stimmzettel die in dem
betreffenden Wahlkreis zugelassenen Kreiswahlvorschläge
enthalten müssen. Ihre Benutzung führte daher gemäß § 39
Abs. 1 Nr. 1 BWG zur Ungültigkeit der Erst- und Zweit-
stimme. Dieser Wahlfehler hat sich jedoch nicht auf die
Sitzverteilung im Bundestag ausgewirkt. Zwar konnte nur
drei von 57 betroffenen Wählern die erneute Stimmabgabe
ermöglicht werden. Da der Wahlkreis jedoch mit mehr als
36 000 Stimmen Vorsprung gewonnen wurde, konnten sich
die 54 ungültigen Erststimmen nicht auswirken. Ebenso
wenig sind Auswirkungen auf die Verteilung der Mandate
aufgrund der ungültigen Zweitstimmen denkbar.

Nachwahl in Dresden

Es ist schon nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss
an die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind (vgl. generell auch Bundestagsdruck-
stimmen zutreffend gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 BWG als un-
gültig gewertet wurden. Dennoch führt dieser Fehler nicht

sache 16/1800, Anlage 1). Der Auffassung des Bundeswahl-
leiters ist zuzustimmen, dass das geltende Wahlrecht eine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/5700

unmittelbare Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse
nach Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht.

Auch die Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses un-
mittelbar nach der Hauptwahl stellt keinen Wahlfehler dar.
Einfachrechtlich ist eine derartige unmittelbare Bekannt-
gabe nach einer Wahl verpflichtend, ohne dass für den Fall
einer Nachwahl eine Ausnahme vorgesehen ist. Gemäß § 71
Abs. 6 BWO geben die Wahlleiter nach Durchführung der
ohne Vorliegen der Wahlniederschriften möglichen Über-
prüfungen die vorläufigen Wahlergebnisse mündlich oder in
geeigneter anderer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in
§ 71 BWO eine Reihung aufeinander folgender Feststellun-
gen und Schnellmeldungen an das jeweils nächsthöhere
Wahlorgan, sobald das Wahlergebnis im Wahlbezirk festge-
stellt wird. So verpflichtet Absatz 3 die Kreiswahlleiter, das
vorläufige Ergebnis auf schnellstem Wege dem Landes-
wahlleiter mitzuteilen. Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die
Landeswahlleiter gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese
Regelungen sind abschließend; sie enthalten keine Lücke
für den Fall einer Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl
und Nachwahl zwei getrennte Vorgänge, wie der schon er-
wähnte § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Daher gibt es auch
schon nach der Hauptwahl ein vorläufiges Ergebnis im
Sinne dieser Bestimmung. Zum anderen ermächtigt § 82
BWO nur für die Nachwahl selbst den zuständigen Landes-
wahlleiter Anpassungen vorzunehmen; es findet sich aber
keine Anpassungsbefugnis zugunsten anderer Landeswahl-
leiter oder des Bundeswahlleiters. Im Übrigen wird auch im
wahlrechtlichen Schrifttum von einer durch die Bundeswahl-
ordnung vorgegebenen unmittelbaren Bekanntmachung aus-
gegangen (Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Aufl., 1976, § 43
Rn. 6; Schreiber, a. a. O., § 43 Rn. 1 Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005,
S. 1468).

Auch verfassungsrechtliche Einwände insbesondere wegen
des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl, wonach jede
Stimme den gleichen Zählwert und im Rahmen des vom
Gesetzgeber festgelegten Wahlsystems die gleiche recht-
liche Erfolgschance haben muss (vgl. z. B. Bundesverfas-
sungsgericht, BVerfGE 95, 408, 417), greifen nicht durch.
Zwar konnten die Wähler im Wahlkreis 160 in Kenntnis der
Ergebnisse im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme gezielter
abgeben, da es z. B. in den Medien und im Internet Hin-
weise für mögliches taktisches Stimmverhalten gab. Ob dies
auch verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des
Erfolgswerts zu werten ist, ist aber nicht eindeutig zu be-
jahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher Eingriff je-
denfalls gerechtfertigt wäre. Der Grundsatz der Gleichheit
der Wahl bedeutet, dass jede Stimme, abgesehen vom hier
nicht betroffenen gleichen Zählwert, im Rahmen der Ver-
hältniswahl den gleichen Einfluss auf die parteipolitische
Zusammensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
BVerfGE 95, 335, 353) bzw. im Rahmen des vom Gesetz-
geber festgelegten Wahlsystems die gleiche rechtliche Er-
folgschance haben muss (BVerfGE 95, 408, 417).

Geht man von der letztgenannten, von der gleichen recht-
lichen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus, ist zu
berücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine gesonder-
ten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr nach denselben

abgegebenen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unterscheidet
sich die Regelung über die Nachwahl von denjenigen Rege-
lungen, die die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundmandats-
klausel festlegen oder Überhangmandate und ein Stimmen-
splitting ermöglichen und sich damit auf manche Stimm-
abgabe rechtlich auswirken. Diese Regelungen sind vom
Bundesverfassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter –
Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit behandelt worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff. sowie
367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine unterschied-
liche rechtliche Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entscheidung
aus, die nur auf den gleichen Einfluss auf die parteipoliti-
sche Zusammensetzung des Parlaments abstellt, dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die Wahl-
rechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgesehen könnte
die Bewertung, dass eine mögliche taktische Stimmabgabe
nur eine tatsächlich, nicht aber rechtlich unterschiedliche
Erfolgschance gewährt, den Einwand einer engen und for-
malen Sichtweise der Bedeutung der gleichen rechtlichen
Erfolgschance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahlergebnisses
abstellt, kommt der Stimme des Nachwählers, der denkbare
Auswirkungen kennt, praktisch ein höherer Erfolgswert zu,
zumal die mögliche spätere Stimmabgabe rechtlich durch
§ 43 BWG eingeräumt wird.

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der Wahl ein-
gegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz aber nicht unbe-
grenzt; vielmehr sind Differenzierungen zulässig. Insofern
erkennt das Bundesverfassungsgericht nur einen eng bemes-
senen Spielraum an. Dieser wird unter dem Begriff des
„zwingenden Grundes“ zusammengefasst. Differenzierun-
gen müssen sich aber nicht von Verfassung wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig sind auch
Gründe, die durch die Verfassung legitimiert sind und ein
Gewicht haben, das der Wahlrechtsgleichheit die Waage
halten kann. Dabei muss die Verfassung nicht gebieten,
diese Zwecke zu verwirklichen. Das Bundesverfassungsge-
richt rechtfertigt auch Differenzierungen durch „zurei-
chende“, „aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der
Volksvertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE 95,
418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist, wie
noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der besonderen,
auch verfassungsrechtlich legitimierten Anforderungen an
die Abwicklung einer Wahl auszugehen, die als zureichende
Differenzierungsgründe eingeordnet werden können. Ein
Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse
der Hauptwahl widerspräche dem Grundsatz, die Auszäh-
lung der Stimmen so transparent wie möglich zu gestalten,
um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die korrekte Feststel-
lung des Wahlergebnisses zu gewährleisten. Dem dient die
Öffentlichkeit der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10
Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die Wahl-
vorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jedermann bei der
Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses Zutritt
zum Wahlraum. Dies bietet zum einen interessierten Wahl-
Vorschriften und auf denselben Grundlagen wie die Haupt-
wahl statt (§ 43 Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl

berechtigten die Grundlage, die wahlrechtlich vorgegebenen
Schritte zu verfolgen und sich von ihrer ordnungsgemäßen

Drucksache 16/5700 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Abwicklung zu überzeugen. Zugleich bietet es insbesondere
aber Medien oder Meinungsforschungsinstituten die Mög-
lichkeit, die Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und
hochzurechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekannt-
machung böte also keine Gewähr, durch Verhinderung ent-
sprechender Informationen ein taktisches Stimmverhalten
zu verhindern (vgl. auch Schreiber, a. a. O., § 43 Rn. 1 am
Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und die Anwe-
senheit bei der Stimmauszählung bei der Hauptwahl nur den
zuständigen Wahlorganen vorzubehalten, stünde also nicht
im Einklang mit einem auf das Demokratieprinzip zurück-
zuführenden Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorge-
gebenen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich erscheint
überdies, ob entsprechende Regelungen auch angesichts der
großen Zahl der Beteiligten überhaupt geeignet wären, die
Ergebnisse insgesamt oder zumindest repräsentative Resul-
tate geheim zu halten (vgl. auch Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Gleiches dürfte für mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG
hinausgehende Verbote an Medien oder Meinungsfor-
schungsinstitute gelten, auf jegliche Berichterstattung mit
Blick auf eine noch bevorstehende Nachwahl zu verzichten.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine Stimm-
abgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbekannt, wie die
Bestimmungen über die Ersatzwahl bei Ausscheiden eines
Wahlkreisabgeordneten ohne Nachrückmöglichkeit (§ 48
Abs. 2 BWG) oder eine Wiederholungswahl bei erfolgrei-
cher Wahlanfechtung (§ 44 BWG) zeigen. Schließlich ist
ein taktisches Stimmverhalten auch in anderen Zusammen-
hängen zu beobachten und nicht als Verstoß gegen den
Grundsatz der Gleichheit der Wahl behandelt worden. Zu
erinnern ist an die Möglichkeit, Erst- und Zweitstimme zu
splitten (vgl. BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Auszählung
der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss der Nachwahl
würde die enge Verbindung zwischen der Wahlhandlung
und der unmittelbar anschließenden Ergebnisermittlung
aufheben. Dies könnte im Hinblick auf den aus dem Demo-
kratieprinzip abzuleitenden Grundsatz der Öffentlichkeit
der Wahl Bedenken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Gesichts-
punkte organisatorischer und ergebnissichernder Natur, auf
die auch der Bundeswahlleiter aufmerksam gemacht hat.

Überhangmandate

Die Zuteilung von insgesamt sechzehn Überhangmandaten
beruht auf einer korrekten Anwendung der §§ 6 und 7
BWG. Diese Bestimmungen hat das Bundesverfassungsge-
richt als mit dem Grundgesetz vereinbar festgestellt und
ausdrücklich ausgeführt, dass die Ermöglichung von Über-
hangmandaten ohne Ausgleich für andere Parteien den
Anforderungen der Wahlgleichheit nach Artikel 38 Abs. 1
Satz 1 GG genügt und die Chancengleichheit der Parteien
wahrt (BVerfGE 95, 335, 357).

Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass sich der Wahl-
prüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag nicht als
berufen ansehen, eine Verfassungswidrigkeit dieser Bestim-
mungen festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. nur
Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 1 – dem Bundesver-
fassungsgericht vorbehalten worden.

date aufgeworfenen Fragen befasst, aber keinen Änderungs-
bedarf ermittelt hat. Bereits vor dem Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts hatte sich der Bundestag intensiv mit den
Regelungen beschäftigt und sie unter Hinzuziehung von
Sachverständigen auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft.
So war in der 13. Wahlperiode die Reformkommission zur
Größe des Bundestages zu dem Ergebnis gekommen, dass
die betreffenden wahlrechtlichen Regelungen verfassungs-
gemäß seien und keine verfassungsrechtliche Notwendig-
keit bestehe, Überhangmandate z. B. durch Ausgleichsman-
date oder eine Verrechnung bei den verbundenen Landes-
listen auszugleichen (vgl. Bundestagsdrucksache 13/4560,
S. 20 ff.). In dem nach dem Urteil des Bundesverfassungs-
gerichts vorgelegten Schlussbericht ist einvernehmlich
keine Änderung des Bundeswahlgesetzes vorgeschlagen
worden (Bundestagsdrucksache 13/7950, S. 16 f.). Auch in
der Folge hat sich der Bundestag wiederholt mit der Frage
der Überhangmandate beschäftigt. Zum einen sind Wahlein-
sprüche gegen die Bundestagswahl 1998 mit 13 Überhang-
mandaten und – mehrheitlich – gegen die Bundestagswahl
2002 mit fünf Überhangmandaten zurückgewiesen worden
(vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, z. B. Anlagen 29, 31
und 32 sowie Bundestagsdrucksache 15/1850 – z. B. Anla-
gen 3 bis 5, 7). Zum anderen fanden Gesetzentwürfe der
13. Wahlperiode, die die Kompensation von Überhang-
mandaten vorsahen (vgl. Bundestagsdrucksache 13/5750;
Plenarprotokoll 13/129 vom 11. Oktober 1996, S. 11631 ff.)
ebenso wenig eine Mehrheit wie eine Initiative in der
14. Wahlperiode, wobei auch auf die neuen Vorgaben für die
Einteilung der Wahlkreise und deren konkreten Zuschnitt
verwiesen wurde (vgl. Bundestagsdrucksache 14/2150; Ple-
narprotokoll 14/134 vom 23. November 1999, S. 12992 ff.).

Für den Gesetzgeber bestand angesichts der Entwicklungen
seit dem Urteil von 1997 kein Anlass, die wahlrechtlichen
Bedingungen für Überhangmandate zu ändern. Soweit laut
Bundesverfassungsgericht der Gesetzgeber darauf zu achten
hat, dass sich die Zahl der Überhangmandate in Grenzen
hält, hat das Gericht bezüglich eines gesetzgeberischen
Handlungsbedarfs auf das Fünf-Prozent-Quorum zurückge-
griffen (BVerfGE 95, 366). Fünf Überhangmandate bei der
Bundestagswahl 2002 blieben jedoch ebenso unter dieser
Grenze wie 13 bei der Wahl 1998. Auch die bei der jetzigen
Bundestagswahl 2005 angefallenen 16 Überhangmandate
verbleiben deutlich unterhalb dieser Grenze.

Bezüglich der Wahlkreisgrößen enthält § 3 BWG Maßgaben
für die Einteilung der Wahlkreise. So soll die Bevölkerungs-
zahl eines Wahlkreises von der durchschnittlichen Bevölke-
rungszahl der Wahlkreise nicht um mehr als 15 Prozent
nach oben oder unten abweichen; beträgt die Abweichung
mehr als 25 Prozent, ist neu abzugrenzen. Diese Regelung
in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BWG hat auch der Neuabgrenzung der
Wahlkreise für die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag zu-
grunde gelegen (so im Siebzehnten Gesetz zur Änderung des
Bundeswahlgesetzes vom 11. März 2005, BGBl. I S. 674).

Entgegen der Auffassung des Einspruchsführers lässt sich
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht entneh-
men, dass Überhangmandate nicht für die Mehrheitsbildung
ausschlaggebend sein dürfen. Vielmehr war dem Bundes-
verfassungsgericht bewusst, dass im Einzelfall Überhang-
Unbeschadet dessen ist darauf aufmerksam zu machen, dass
sich der Bundestag wiederholt mit den durch Überhangman-

mandate sogar über Mehrheit und Minderheit entscheiden
können. So wird die erforderliche gleiche Größe der Wahl-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/5700

kreise gerade aus der dem Gesetzgeber zuerkannten Rege-
lungsbefugnis gefolgert, dass nicht alle errungenen Direkt-
mandate nach dem Zweitstimmenproporz verrechnet wer-
den, sondern dann nicht ausgleichfähige Wahlkreismandate
die Gesamtzahl des Bundestages erhöhen und damit die
Frage von Mehrheit und Minderheit beeinflussen können
(BVerfGE 95, 363).

Soweit der Einspruchsführer moniert, dass gesetzgeberisch
in § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG eine Regelungslücke bezüglich
bestimmter Zweitstimmen noch nicht geschlossen sei, ist
zunächst daran zu erinnern, dass diese Frage Gegenstand
mehrerer, teilweise im Beschwerdewege beim Bundesver-
fassungsgericht noch anhängiger Wahlprüfungsentschei-
dungen zur Bundestagswahl 2002 ist (vgl. Bundestags-
drucksache 15/1850, Anlagen 1 bis 7). Bei der Bundestags-
wahl 2005 hat die Frage, ob auch für dritte Parteien abgege-
bene Zweitstimmen berücksichtigt werden dürfen, die von
Wählern stammen, die mit ihrer Erststimme Kandidaten
einer an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiterten Partei zum
Erfolg verholfen habe, keine praktische Bedeutung erlangt.

Ob für kommende Wahlen die Regelungen verändert wer-
den sollen, ist nicht im Wahlprüfungsverfahren, sondern
nach Einbringung entsprechender Initiativen im Gesetzge-
bungsverfahren zu beraten.

Zulassung der Listen der Linkspartei.PDS

Ein Wahlfehler lässt sich weder bezüglich der Zulassung der
Linkspartei zur Bundestagswahl noch bezüglich der Zulas-
sung der von der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslis-
ten feststellen.

Nicht eindeutig ist zunächst, ob der Einspruchsführer be-
reits die oben im Tatbestand berichtete Feststellung des
Bundeswahlausschusses rügen will, dass die Linkspar-
tei.PDS die Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 1 BWG
erfüllte. Jedenfalls fehlte es insoweit an einem erforderli-
chen substantiierten Vortrag. Ebenso wenig ist der Frage
nachzugehen, ob bei den Entscheidungen der PDS und
WASG zum Vorgehen bei der Bundestagswahl und zur Ver-
schmelzung Satzungsbestimmungen verletzt worden sind.
Zum einen ist insoweit nichts Näheres vorgetragen worden.
Zum anderen führen Satzungsverstöße nur dann zu einem
Wahlfehler, wenn die betreffenden Bestimmungen zum
Kernbestand derjenigen Verfahrensgrundsätze zu zählen
sind, ohne die laut Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE
89, 243, 252) ein Vorschlag schlechterdings nicht Grund-
lage eines demokratischen Wahlvorgangs sein kann. Hierfür
gibt es aber keine Anhaltspunkte.

Bezüglich der Zulassung von Landeslisten ist zunächst da-
von auszugehen, dass eine solche zwar nur von einer Partei
eingereicht werden kann. Es besteht aber kein Verbot, in
eine Liste auch Mitglieder einer anderen Partei oder Partei-
lose aufzunehmen (nachfolgend unter Buchstabe a). Zum
anderen lässt sich bei den angegriffenen Zulassungsent-
scheidungen der Landeswahlausschüsse keine Umgehung
des Grundsatzes feststellen, dass eine Landesliste jeweils
nur von einer Partei eingereicht werden darf (nachfolgend
unter Buchstabe b).

wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

a) Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Be-
stimmung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mit-
glieder einer anderen Partei als der einreichenden oder
Parteilose aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprü-
fungspraxis des Deutschen Bundestages geht in Ent-
scheidungen aus der 13. und V. Wahlperiode nicht von
einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der
die Landesliste oder den Kreiswahlvorschlag einrei-
chenden Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen
13/2800, S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestim-
mungen des Bundeswahlgesetzes und des Parteiengeset-
zes führen nicht zu der notwendigen Annahme, dass dem
Bundeswahlgesetz ein ungeschriebenes Prinzip zu-
grunde liegt, wonach nur Mitglieder der betreffenden
Partei nominiert werden dürfen. Insoweit ist der Stel-
lungnahme des Bundeswahlleiters in seinen Ausführun-
gen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum Schweigen des
Gesetzgebers angesichts des Wissens um parteifremde
Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine Parteimit-
gliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist, wird im
Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf Bundese-
bene – anders als in den beiden vom Bundeswahlleiter
zitierten Bundesländern – keine wahlrechtlichen Bestim-
mungen gibt, wonach bei Einreichung von Listen gegen-
über dem Landeswahlleiter eidesstattliche Angaben über
die jeweilige Parteizugehörigkeit oder Parteilosigkeit zu
machen sind. Ebenso wenig führen verfassungsrecht-
liche Ansatzpunkte zu einem gegenteiligen Ergebnis.
Bereits in der Wahlprüfungsentscheidung der V. Wahl-
periode ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts entnommen worden, dass es die Aufnahme par-
teifremder bzw. einer anderen Partei angehörender Be-
werber nicht als an sich verfassungswidrig ansieht. Auf
die sodann in der Wahlprüfungsentscheidung erörterte
Frage der Homogenität der Liste wird selbstverständlich
später noch (nachfolgend unter Buchstabe b) einzugehen
sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob
die Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung
einer Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B.
Meyer, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parla-
mentspraxis, 1989, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust
des Fraktionsstatus, Neue Zeitschrift für Verwaltungs-
recht 2006, S. 176, 177; Demmler, Der Abgeordnete im
Parlament der Fraktionen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl
und Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 331 f.,
ausdrücklich sowohl für Parteilose als auch für Mitglie-
der anderer Parteien, sofern diese nicht miteinander kon-
kurrieren; vgl. grundsätzlich auch Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Aufl., Ergänzungsinformation zur Bundes-
tagswahl 2005, S. 10). Einschränkungen finden sich erst
mit Blick auf die nähere Zusammensetzung einer Liste
oder die Art des zugrunde liegenden Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber
gemeinsam von zwei oder mehr Parteien eingereicht
werden darf. Dieses Verbot einer zumeist so genannten
Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-

Listenvereinigung wird u. a. in den Bestimmungen des
§ 27 Abs. 2 und des § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren

Drucksache 16/5700 – 56 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wortlaut jeweils nur von einer Partei ausgeht. Bestätigt
wird dieses Verbot dadurch, dass im Anschluss an ein
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Septem-
ber 1990 (BVerfGE 82, 322, 346 f.), das die erste ge-
samtdeutsche Wahl am 2. Dezember 1990 betraf, durch
eine Übergangsregelung nur für diese Wahl Listenverei-
nigungen konkurrierender Parteien und Vereinigungen
mit Sitz auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen
waren (vgl. Schreiber, a. a. O., § 7 Rn. 1).

b) Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einparteii-
ger Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das Vor-
gehen von Linkspartei.PDS und WASG, die Aufstellung
der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS unter
Einbeziehung von Mitgliedern der WASG bzw. Parteilo-
sen und die anschließende Zulassung der Listen durch
die jeweils zuständigen Landeswahlausschüsse umgan-
gen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip,
dass eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden
darf, nicht notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter
Parteien oder Parteilose aufzunehmen, da zwischen der
Verantwortung bzw. Zurechnung einer Liste und deren
Zusammensetzung zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahlvor-
schlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland
verwendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Um-
gehung der wahlrechtlichen Anforderungen an die Lis-
tenaufstellung und -zusammensetzung lässt sich nicht
feststellen. Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen,
auf äußere Merkmale abstellenden Maßstab zur Beant-
wortung der Frage, wann durch Aufnahme von Par-
teifremden oder Parteilosen eine Liste ihre Zurechenbar-
keit zur einreichenden Partei verliert und Vorgaben des
§ 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der „Handreichung“ des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem Ab-
stellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einreichen-
den Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maßstab.
Dabei überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die Ge-
samtheit einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden
kann, ob die Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der
einreichenden Partei besetzt wird. Einem derartigen An-
satzpunkt könnte nahezu immer entsprochen werden,
indem – an welchen Stellen auch immer – genügend
eigene Parteimitglieder nominiert würden. Vielmehr ist
auch auf mögliche Erfolgsaussichten für die jeweiligen
Bewerber auf Einzug in den Bundestag zu achten, die
sich danach bemessen, wo und in welcher Zahl sich
eigene und fremde Bewerber jeweils finden. Diesem
Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vorgeschla-
genen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich auf den
ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel beson-
ders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei und
Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke erwartet
werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in der
Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht. Wer-

sie zu keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglieder
der Linkspartei.PDS auf jeder Landesliste im ersten Fün-
ferblock die Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt, mit
einer Ausnahme, auch für alle folgenden Blöcke aller
Listen. Soweit in Hessen unter den Plätzen 16 bis 20 drei
WASG-Mitglieder erscheinen, lässt dies diese Liste an-
gesichts der hinteren Platzierung und der 14 Linkspar-
tei.PDS-Mitglieder auf einer insgesamt 20 Personen um-
fassenden Liste nicht unzulässig werden. Dass sich ver-
einzelt, so z. B. in Nordrhein-Westfalen, auf dem ersten
Platz ein WASG-Mitglied befand, ist im hier geprüften
Zusammenhang unerheblich.

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung
abstellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der
hier angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf
materielle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitäts-
prüfung keine Einwände gegen die Zulassung der Listen.
Ungeklärt sind zunächst – auch angesichts fehlender
Aussagen im Bundeswahlgesetz – die Geltung und der
Bedeutungsgehalt einer auf inhaltliche Aspekte abstel-
lenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der V. Wahl-
periode im Anschluss an eine das nordrhein-westfälische
Kommunalwahlrecht betreffende Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.)
von einem auch materielle Aspekte umfassenden Homo-
genitätsbegriff ausgegangen worden. Dabei sei im Falle
der Kandidatur eines parteifremden Bewerbers auf den
konkreten Einzelfall abzustellen, wobei es nicht nur auf
die politische Richtung des Landesverbandes der frem-
den Partei ankommen sollte, sondern auch auf die politi-
sche Auffassung des auf der Landesliste kandidierenden
parteifremden Kandidaten. Im Weiteren ist die Homoge-
nität dann bejaht worden, da die Bewerber, die einer
nicht selbst zur Wahl antretenden Partei angehörten, mit
ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze der die Liste
aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außerdem sei die
aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber auf ihre
Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich bei ih-
ren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen der
aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von
Linkspartei.PDS und WASG nicht als Umgehung des
Bundestagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im
Vorfeld der Wahl beide jeweils über je ein eigenes Pro-
gramm. Inwieweit diese Programme in wesentlichen
Punkten Unterschiede aufweisen oder sogar im Wider-
spruch zueinander stehen, muss hier jedoch angesichts
der spezifischen Bedingungen des Vorgehens von Links-
partei.PDS und WASG nicht geprüft werden, zumal die
Möglichkeit einer derartigen Prüfung und Bewertung
durch die Landeswahlausschüsse auch angesichts des je-
weils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei
„Kooperationsabkommen“ vor der Bundestagswahl er-
sichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick
auf die Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bil-
dung einer neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren
bereits mit der Formulierung gewisser erster program-
den unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tatbe-
stand bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, geben

matischer Aussagen verbunden. Diese Planungen waren
auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehmbar.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 57 – Drucksache 16/5700

Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formal-technisches Zusammengehen
zur Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls parla-
mentsrechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit
kann nicht von einer Irreführung der Wähler ausgegan-
gen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemein-
same Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach die Auf-
stellung einer Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemeinsa-
mes Programm verbunden fühlen“. Abgesehen davon,
dass der Begriff „sinnvoll“ möglicherweise nur erläu-
ternder Natur war, nicht aber eine rechtliche Anforde-
rung verdeutlichen wollte, kann der Entscheidung ange-
sichts insoweit fehlender Erörterung nicht eine abschlie-
ßende Aussage entnommen werden, dass es nur auf das
Vorhandensein eines Programms in einem formell ver-
standenen Sinne ankommen könne.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von
Listen verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlan-
gung ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit
oder Chancengleichheit der Parteien zuwiderlaufender
Vorteile bezüglich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw.
die zumindest für eine Seite entbehrliche Beibringung
von Unterstützungsunterschriften, greifen angesichts der
Unterschiedlichkeit der Sachlagen im Vergleich konkur-
rierender Parteien einerseits und des hier interessieren-
den Vorgehens andererseits nicht durch. Während bei ei-
nem als verfassungswidrig eingestuften „Huckepackver-
fahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei Parteien,
die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt kooperie-
ren, dass die eine der anderen sichere Wahlkreise über-
lässt, um die Überwindung der Grundmandatsklausel zu
ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an, die zudem mit
der anderen nicht nur wahltaktisch zusammenarbeiten,
sondern einen Zusammenschluss erreichen will. Zu erin-
nern ist in diesem Zusammenhang auch daran, dass laut
Bundesverfassungsgericht im Falle einer Listenvereini-
gung, bei der in verfestigter Form des Zusammenwir-
kens mehrere Parteien eine gemeinsame Liste aufstellen,
die gleichmäßige Wirkung der Fünf-Prozent-Sperrklau-
sel gerade nicht aufgehoben wird (BVerfGE 82, 322,
346; vgl. z. B. Roth, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz,
Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber auch Graßhof/Klein, Die
Wahl wäre ungültig, Frankfurter Allgemeine Zeitung
vom 6. August 2005: Sinnverfehlung der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu
verstehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des
Vorgehens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrens-
mäßiger und programmatischer Hinsicht erkennbar ist.
In diesem Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass
die Listen nicht einheitlich unter einem einzigen Namen
firmierten. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler
schon angesichts der Medienbegleitung der Abläufe im
Vorfeld der Bundestagswahl der Gesamtzusammenhang
bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künfti-

ten Listen zu erreichen und damit möglicherweise ange-
sichts der Fünf-Prozent-Hürde die Erfolgschancen je
nach Wahlgebiet zu erhöhen, waren nicht ersichtlich.
Auch im Nachhinein sind – ungeachtet einzelner kon-
kurrierender Antritte bei Landtagswahlen – insbesondere
angesichts der auf Parteitagen und in Urabstimmungen
beider Parteien beschlossenen Fusion keine derartigen
Anhaltspunkte erkennbar geworden.

Wahlmöglichkeit für Auslandsdeutsche

Bezüglich der im Ausland lebenden Wahlberechtigten fehlt
es an einer näheren Substantiierung möglicher Wahlfehler.
Ein pauschaler Vortrag, wonach Briefwahlunterlagen nicht
zugesandt worden seien oder fehlerhafte Briefwahlzettel als
ungültig bewertet worden seien, reicht für das Wahlprü-
fungsverfahren nicht aus. Im Übrigen ist darauf hinzuwei-
sen, dass der Bundeswahlleiter schon frühzeitig Hinweise
für Auslandsdeutsche im Internet gegeben hat und dort auch
das erforderliche Antragsformular zur Eintragung in das
Wählerverzeichnis derjenigen Gemeinde angeboten worden
ist, in der man zuletzt gemeldet gewesen ist.

Wegfall der Wahlberechtigung wegen Verlusts der Staats-
angehörigkeit

Zwar läge in der Wahlteilnahme von Personen, die durch
Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit gemäß § 25 Abs.
1 StAG in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fassung die
deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, ein Wahlfeh-
ler. Denn ihre Stimmabgabe würde gegen § 12 Abs. 1 BWG
verstoßen, wonach nur Deutsche im Sinne des Artikels 116
Abs. 1 GG wahlberechtigt sind. Es kann jedoch nicht fest-
gestellt werden, dass solche Personen tatsächlich an der
Wahl teilgenommen haben.

Dass nicht wahlberechtigte Personen an der Wahl teilge-
nommen haben, ergibt sich nämlich keineswegs bereits
zwangsläufig aus dem Umstand, dass nach Angaben der tür-
kischen Regierung seit Anfang 2000 ca. 50 000 Personen
mit deutscher Staatsangehörigkeit die türkische Staatsange-
hörigkeit erworben haben, während aufgrund einer 2005
von den Ländern zur Gewährleistung der Richtigkeit der
Wählerverzeichnisse durchgeführten Frage- und Infor-
mationskampagne lediglich in 21 463 Fällen von einem
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25 StAG
auszugehen war. Denn abgesehen davon, dass im Hinblick
auf § 25 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 StAG die Erlangung
der türkischen Staatsangehörigkeit nicht in allen Fällen zum
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt haben
muss, ist zu berücksichtigen, dass für eine Eintragung ins
Wählerverzeichnis ohnehin nur derjenige in Betracht
kommt, der zum Zeitpunkt der Wahl volljährig und damit
wahlberechtigt ist (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BWG), und dass
eine „automatische“ Eintragung von Amts wegen auf der
Grundlage der Melderegister einen Wohnsitz in Deutsch-
land voraussetzt (vgl. § 16 Abs. 1 BWO). Auf wie viele der
50 000 Personen das zutraf, ist – mangels Angaben der tür-
kischen Seite – nicht bekannt. Damit kann die Differenz
zwischen den 50 000, die die türkische Seite genannt hat,
und den 21 463, welche die Länder ermittelt haben, nicht
ohne weiteres mit falschen Angaben der Befragten erklärt
werden. Selbst wenn man aber unterstellt, dass die Diskre-
gen Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war,
um eine Zulassung der allein von einer Partei eingereich-

panz zwischen der Zahl 50 000 und der Zahl 21 463 – zu-
mindest zum Teil – auf wahrheitswidrige Angaben der Be-

Drucksache 16/5700 destag – 16. Wahlperiode
– 58 – Deutscher Bun

fragten zurückzuführen ist und zur Eintragung von nicht
wahlberechtigten Personen ins Wählerverzeichnis geführt
hat, ist damit noch nicht gesagt, dass diese Personen sich
auch an der Wahl beteiligt haben. Das gilt umso mehr, als
sie aufgrund der Frage- und Informationskampagnen der
Länder um die Strafbarkeit einer unbefugten Wahlteilnahme
wussten.

Alles, was sich damit feststellen lässt, ist, dass es wegen
§ 25 StAG nicht ausgeschlossen werden kann, dass Perso-
nen, die nicht (mehr) wahlberechtigt waren, in die Wähler-
verzeichnisse eingetragen worden sind und von der dadurch
eröffneten faktischen Möglichkeit, eine Stimme abzugeben,
auch Gebrauch gemacht haben. Dass sich diese Gefahr auch
tatsächlich realisiert hat, ist hingegen lediglich eine zwar
schlüssige, aber in den entscheidenden Punkten auf bloßen
Vermutungen basierende Annahme des Einspruchsführers.

Damit der Wahlprüfungsausschuss einem behaupteten
Wahlfehler nachgehen – geschweige denn sein Vorliegen
feststellen – kann, reicht es aber nicht aus, dass dargelegt
wird, dass die Gefahr von Wahlfehlern bestand. Vielmehr
muss ebenso – unter Angabe konkreter, der Überprüfung
zugänglicher Tatsachen (vgl. BVerfGE 85, 148 [160]) – dar-
gelegt werden, dass sich diese Gefahr auch realisiert hat,
dass ein Wahlfehler nicht nur passieren konnte, sondern
auch passiert ist (vgl. BVerfGE 59, 119 [123]). Das folgt
daraus, dass gemäß § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprü-
fung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einspruch, der
zu begründen ist, erfolgt (vgl. BVerfGE 66, 369 [378 f.];
vgl. ferner Bundestagsdrucksache 15/1150, Anlagen 283,
284, 285; 15/1850, Anlage 25, S. 107; 15/2400, Anlage 9;
Schreiber, a. a. O., § 49 Rn. 17 f.). Da aber nur Wahlfehler,
die passiert sind, die Gültigkeit der Wahl beeinflussen kön-
nen, müssen auch die in der Begründung vorgetragenen Tat-
sachen mehr als nur die Gefahr von Wahlfehlern substanti-
ieren. Das gilt selbst dann, wenn die Substantiierung für den
einzelnen Bürger schwierig oder gar unmöglich ist (vgl.
BVerfGE 66, 369 [379]). Würde man es genügen lassen,
dass Einspruchsführer – wie hier – lediglich die Gefahr
von Wahlfehlern darlegen, könnte beispielsweise jede Wahl
– und zwar flächendeckend – allein mit der Begründung
angefochten werden, es habe eine bestimmte Zahl von Wäh-
lern mittels Briefwahl gewählt und es sei nicht auszuschlie-
ßen, dass diese „in großer Zahl“ ihren Stimmzettel anderen
Personen zum Ausfüllen überlassen hätten. Solch ein Ein-
spruch wäre unter Umständen sogar noch substantiierter als
der vorliegende, da die Zahl der Briefwähler und damit der
potentiellen Wahlfehler exakt angegeben werden könnte.

Aus den vorgenannten Erwägungen kann auch nicht der Be-
hauptung nachgegangen werden, dass es ein vergleichbares
Verhalten auch bei Angehörigen anderer Nationalitäten ge-
geben habe.

51. des Herrn H. W.
52. des Herrn H. B.
53. des Herrn B. H.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 59 – Drucksache 16/5700

Anlage 15

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. des Herrn Dr. J.-M. W., 38678 Clausthal-Zellerfeld
2. des Herrn L. B., 13125 Berlin
3. des Herrn G. B., 67071 Ludwigshafen
4. des Herrn R. D., 68647 Biblis
5. des Herrn G. G., 37539 Windhausen
6. des Herrn M. G., 69126 Heidelberg
7. des Herrn G. J., 01979 Lauchhammer
8. des Herrn W. K., 42655 Solingen
9. des Herrn D. K., 32139 Spenge

10. des Herrn E. R. L., 20249 Hamburg
11. des Herrn R. R., 25795 Weddingstedt
12. des Herrn H. A. V., 67549 Worms
13. des Herrn M. V., 02747 Rennersdorf
14. des Herrn K.-H. O. B., 39590 Tangermünde
15. des Herrn E. W. A. P., 16356 Seefeld
16. des Herrn J. P., 22415 Hamburg
17. des Herrn R. R., 08393 Meerane
18. des Herrn S. G. W., 55546 Hackenheim
19. des Herrn R. W. J., 73092 Heinigen
20. des Herrn P. J., 06502 Thale
21. des Herrn R. L., 39108 Magdeburg
22. des Herren T. T., 63500 Seligenstadt
23. der Frau I. B., 26122 Oldenburg
24. des Herrn S. W. H., 89191 Nellingen
25. des Herrn U. S., 39175 Biederitz
26. des Herrn K. W., 10709 Berlin
27. des Herrn W. D.
28. des Herrn C. H.
29. der Frau C. S.
30. des Herrn J. S.
31. des Herrn K.-T. S.
32. des Herrn J. G.
33. des Herrn K.-D. S. F.
34. des Herrn E. H. K.
35. des Herrn W. G.
36. des Herrn G. K.
37. des Herrn R. B.
38. des Herrn R. S.
39. des Herrn K. F.
40. des Herrn M. G.
41. des Herrn E. G.
42. der Frau H. G.
43. der Frau R. B.
44. des Herrn D. S.
45. des Herrn W. U.
46. des Herrn V. M.
47. des Herrn E. W.
48. des Herrn H. B.
49. der Frau H. M.
50. des Herrn A. W. M.
54. der Frau S. B.
55. des Herrn W.-D. G.

nach dem 18. November 2005. Die Beitrittserklärung des
Einspruchsführers zu Nummer 46 enthält statt einer eigen-

vom 23. Mai 1949 (BGBl. I S. 1) bereits mit Wirkung zum
29. September 1990 aufgehoben worden. Folglich habe es
am 3. Oktober 1990 keine Rechtsgrundlage mehr für den
händigen Unterschrift den Hinweis, dass das Schriftstück

elektronisch erstellt und auch ohne Unterschrift gültig sei.
Die Beitrittserklärungen der Einspruchsführer zu den Num-
mern 27 bis 60 lassen deren Anschriften nicht erkennen. Im
Hinblick auf die Berechnung der Einspruchsfrist vertreten
die Einspruchsführer die Ansicht, dass maßgebend nicht der
Tag der Hauptwahl, der 18. September 2005, sondern der
Tag der Nachwahl im Wahlkreis 160 (Dresden I), also der
2. Oktober 2005, sei.

Ungültig ist die Bundestagswahl in den Augen der Ein-
spruchsführer vor allem deshalb, weil es für ihre Durchfüh-
rung keine Rechtsgrundlage gegeben habe. Denn der
Bundesrepublik Deutschland hätten „spätestens seit dem
29. September 1990 jegliche gesetzliche Grundlagen für die
Legitimation von Exekutive, Legislative und Judikative“
gefehlt. Das Grundgesetz sei keine Verfassung, sondern
lediglich ein „Ordnungsrecht der Siegermächte“, da die
Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Gründung ein „rei-
nes Besatzungskonstrukt“ gewesen sei. Hieran habe auch
die sog. Wiedervereinigung nichts geändert. Denn sie habe
lediglich zu einer Zusammenfassung „der Besatzungskonst-
rukte der BRD und DDR zu einem neuen Scheinstaat und

Beitritt gegeben. Im Hinblick auf die weiteren Ausführun-
gen der Einspruchsführer zu diesem Punkt wird auf den In-
halt der Akten Bezug genommen.

Abgesehen davon, dass es für die Bundestagswahl 2005
keine wirksame Rechtsgrundlage gegeben habe, sind nach
Ansicht der Einspruchsführer alle bisherigen Bundestags-
wahlen auch deshalb ungültig, weil sich Ausländer und
Staatenlose daran beteiligt hätten. Denn da sowohl die Bun-
desrepublik Deutschland als auch die DDR lediglich „Be-
satzungskonstrukte“ bzw. „Organisationsformen einer Mo-
dalität der Fremdherrschaft“ seien und nicht mit dem bis
heute fortbestehenden Deutschen Reich identisch seien, hät-
ten sie auch nicht wirksam die deutsche Staatsangehörigkeit
verleihen können. Sämtliche von ihnen vorgenommenen
Einbürgerungen seien daher nichtig.

Die Einspruchsführer sind darüber hinaus der Auffassung,
dass das Bundeswahlgesetz (BWG) nicht den Bestimmun-
gen des Grundgesetzes entspreche. Nach Artikel 38 Abs. 1
Satz 1 GG seien die Abgeordneten des Deutschen Bundesta-
ges nämlich in unmittelbarer Wahl zu wählen. Dies sei im
Hinblick auf die Zweitstimme aber nicht der Fall. Indem der
Drucksache 16/5700 – 60 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

56. des Herrn J. B.
57. des Herrn K.-D. J.
58. des Herrn D. F.
59. des Herrn P. P.
60. der Frau M. P.
61. des Herrn D. A. W. W., 22179 Hamburg
62. des Herrn E. P., 13086 Berlin
63. des Herrn B. R. P., 13125 Berlin
64. des Herrn B. K., 13053 Berlin
– Az.: WP 168/05 –

Bevollmächtigter:
Einspruchsführer zu Nummer 1

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird teilweise als unzulässig, teilweise als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer zu Nummer 1 hat mit Schreiben vom
11. November 2005, das am 15. November 2005 beim Deut-
schen Bundestag eingegangen ist, im eigenen und im Na-
men der Einspruchsführer zu den Nummern 2 bis 12 Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag eingelegt. Die übrigen Einspruchsführer sind
dem Einspruch jeweils mit per Telefax übermittelten Schrei-
ben beigetreten, wobei die Beitrittserklärungen der Ein-
spruchsführer zu den Nummern 13 bis 58 am 17. und 18.
November 2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen
sind, die der Einspruchsführer zu den Nummern 59 bis 64

ses der „geografische Erstreckungsbereich“ und damit allen
auf das GG gestützten Gesetzen die Rechtsgrundlage entzo-
gen worden. Daher gelte das Grundgesetz „seit spätestens
dem 29. September 1990 nicht mehr auf dem Gebiet der
Bundesländer in der BRD“. Zum einen hätten nämlich die
Länder, die laut Einigungsvertrag vom 31. August 1990
(BGBl. 1990 II S. 885) am 3. Oktober 1990 hätten beitreten
sollen, zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existiert. Denn
das Ländereinführungsgesetz der DDR vom 22. Juli 1990
(GBl. I Nr. 51 S. 955) habe die Bildung dieser Länder erst
mit Wirkung vom 14. Oktober 1990 vorgesehen. Zum ande-
ren sei Artikel 23 des Grundgesetzes (GG) in der Fassung
Besatzungskonstrukt BRD“ geführt. Darüber hinaus sei
dem Grundgesetz im Zuge des Wiedervereinigungsprozes-

Wähler diese Stimme für eine Landesliste abgeben müsse,
wähle er mit ihr nicht mehr unmittelbar einen Abgeordne-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/5700

ten, sondern eine Partei. In diesem Zusammenhang kritisie-
ren die Einspruchsführer zudem, dass die politischen Par-
teien „ein rechtliches oder faktisches Monopol“ bei der
Nominierung von Kandidaten hätten.

Des Weiteren habe die Bundesregierung den Wahlkampf be-
hindert. Der Einspruchsführer zu Nummer 1 habe den Bun-
desminister des Innern in einem offenen Brief aufgefordert,
schriftlich zu erklären, dass die Verwendung des deutschen
Reichsadlers im Wahlkampf nicht als illegal verfolgt werde.
Anlass für diesen Brief sei gewesen, dass das Bundesver-
waltungsamt in der Vergangenheit zahlreiche Bußgeldbe-
scheide gegen „Staatsangehörige des Deutschen Reiches“
erlassen habe, weil diese auf ihren selbst gefertigten Identi-
tätsausweisen den Reichsadler abgebildet hätten. Das Schrei-
ben sei jedoch nicht beantwortet worden. Auch der Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, eine
Beschlagnahme von Gegenständen mit dem Abbild des
Reichsadlers im Wahlkampf zu verhindern, habe keinen
Erfolg gehabt. Daher habe der Einspruchsführer zu Num-
mer 1 Wahlkampfinvestitionen in Höhe von ca. 10 000 Euro
nicht mehr nutzen können.

Ferner rügen die Einspruchsführer, dass durch die Verkür-
zung der Wahlkampfperiode aufgrund einer „vorgeschobe-
nen und täuschenden Behauptung eines nicht vorhandenen
Vertrauensverlustes durch den Bundeskanzler G. Schröder“
die Wahlteilnahme von Wahlberechtigten im Ausland in
vielen Fällen nicht möglich gewesen sei.

Die Einspruchsführer lehnen schließlich alle Mitglieder des
Deutschen Bundestages als befangen ab. Diese würden im
Widerspruch zu § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO), der
gemäß § 9 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) auch im
Wahlprüfungsverfahren anwendbar sei, in eigener Sache
entscheiden wollen. Es liege „eine ausgeprägte politische
Gegnerschaft der BRD-Bundestagsabgeordneten zum gel-
tenden Reichsgesetz nach Weimarer Verfassung und zu den
Einsprechenden als Staatsangehörige des Deutschen Rei-
ches vor, welche jegliche Beteiligung an der Einspruchs-
entscheidung“ ausschließe. Das Wahlprüfungsgesetz sei in-
soweit grundgesetzwidrig. Der Bundestag sei daher nach
den Artikeln 126 und 100 GG verpflichtet, den Einspruch
direkt an das Bundesverfassungsgericht weiterzureichen.

Im Hinblick auf den Sach- und Streitstand im Übrigen wird
auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 1 und 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

A.

Der gemeinschaftliche Einspruch ist, soweit er die Ein-
spruchsführer zu den Nummern 59 bis 64 betrifft, unzuläs-
sig. Denn gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG hätten die Bei-
trittserklärungen dieser Einspruchsführer binnen einer Frist
von zwei Monaten nach dem Wahltag, also spätestens am
18. November 2005, beim Deutschen Bundestag eingehen
müssen. Die Beitrittserklärungen der Einspruchsführer zu

gegen der Ansicht der Einspruchsführer ist Wahltag im
Sinne des § 2 Abs. 4 Satz 1 GG auch im Falle einer Nach-
wahl nach § 43 BWG grundsätzlich der Tag der Hauptwahl.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Einspruch gerade die
Vorbereitung oder Durchführung der Nachwahl zum Gegen-
stand hat. Das ist hier nicht der Fall.

B.

Ob der Einspruch auch – soweit er die Einspruchsführer zu
den Nummern 27 bis 58 betrifft – wegen der fehlenden An-
gabe einer ladungsfähigen Anschrift (vgl. dazu Beschluss-
empfehlung des Wahlprüfungsausschusses, Bundestags-
drucksache 16/1800, Anlage 57, S. 280), im Falle des Ein-
spruchsführers zu Nummer 46 zudem wegen der fehlenden
eigenhändigen Unterschrift (vgl. dazu Bundestagsdrucksache
16/1800, Anlage 58, S. 283) unzulässig ist, kann dahinge-
stellt bleiben. Denn der Einspruch ist jedenfalls offensicht-
lich unbegründet.

I.

Die grundsätzlichen Erwägungen der Einspruchsführer zur
völkerrechtlichen Situation der Bundesrepublik Deutsch-
land, zum Charakter des Grundgesetzes und zum Prozess
der Wiedervereinigung können dem Einspruch nicht zum
Erfolg verhelfen. Das folgt schon daraus, dass sie ein Anlie-
gen verfolgen, das sich mit Hilfe des Wahlprüfungsverfah-
rens nicht erreichen lässt.

Ziel des Wahlprüfungsverfahrens ist es, die richtige Zusam-
mensetzung des Bundestages zu gewährleisten (BVerfGE
40, 11, 29). Zu diesem Zwecke prüft der Bundestag auf der
Grundlage des Artikels 41 Abs. 1 GG, ob bei der Vorberei-
tung oder Durchführung der Wahl gegen rechtliche Vorga-
ben verstoßen wurde. Ist dies der Fall und wirkt sich der
Wahlfehler auf die Sitzverteilung im Bundestag aus, sind
die Wahl insoweit für ungültig zu erklären und – soweit der
Fehler nicht auf andere Weise bereinigt werden kann – eine
Wiederholungswahl durchzuführen. Notwendige Vorausset-
zung für eine solche Fehlerbereinigung ist aber, dass Wah-
len zum Bundestag als solche überhaupt rechtlich zulässig
sind. Das setzt wiederum voraus, dass das Grundgesetz, das
die Wahl des Bundestages und seine Befugnisse – unter an-
derem die zur Wahlprüfung – regelt, gültig ist.

Eben dies stellen die Einspruchsführer jedoch in Abrede, in-
dem sie behaupten, dass „jegliche gesetzliche Grundlagen
für die Legitimation von Exekutive, Legislative und Judika-
tive“ fehlten und Wahlen zum Bundestag daher überhaupt
nicht stattfinden könnten. Es ist widersprüchlich, einerseits
die Kompetenz des Bundestages zur Wahlprüfung in An-
spruch nehmen zu wollen, andererseits aber die Gültigkeit
der Rechtsnormen, aus denen sich diese Kompetenz ergibt,
zu bestreiten (vgl. zu einer ähnlichen Argumentation auch
schon Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses,
Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 71, S. 190).

Abgesehen davon bestehen für den Deutschen Bundestag
und dessen Wahlprüfungsausschuss aber auch keine Zweifel
an der Gültigkeit des Grundgesetzes und der im Einklang
mit dessen Vorgaben erlassenen Gesetze. Damit kann auch
die Rüge der Einspruchsführer, es hätten Ausländer und
Staatenlose, die nur scheinbar eingebürgert worden seien,
unberechtigt an der Bundestagswahl teilgenommen, dem
den Nummern 59 bis 64 sind aber erst nach dem 18. No-
vember 2005 beim Deutschen Bundestag eingegangen. Ent-

Einspruch nicht zum Erfolg verhelfen. Sie fußt auf der un-
zutreffenden Prämisse, dass sämtliche auf der Grundlage

Drucksache 16/5700 – 62 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

des Grundgesetzes erlassenen Rechtsnormen – mithin auch
die Bestimmungen über die Einbürgerung – ungültig seien.

II.

Soweit die Einspruchsführer behaupten, dass das Bundes-
wahlgesetz im Widerspruch zum Grundsatz der Unmittel-
barkeit der Wahl aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG stehe,
weil es vorsehe, dass mit der Zweitstimme eine von einer
Partei aufgestellte Landesliste gewählt werde, ist daran zu
erinnern, dass der Deutsche Bundestag sich im Rahmen der
Wahlprüfung nicht dazu berufen sieht, die Verfassungswid-
rigkeit von Vorschriften des Wahlrechts festzustellen. Dies
ist entsprechend seiner ständigen Spruchpraxis in Wahl-
prüfungsangelegenheiten dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten (vgl. nur Bundestagsdrucksache 16/1800, An-
lage 26, S. 188, mit weiteren Nachweisen).

Abgesehen davon ist durch die Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts aber auch geklärt, dass in dem Um-
stand, dass der Wähler mit der Zweitstimme die von einer
Partei auf einer Liste im Voraus festgelegten Kandidaten
wählt – sog. starre oder gebundene Listenwahl (vgl. §§ 4, 6
Abs. 4 Satz 2, § 27 Abs. 3 BWG) –, weder ein Verstoß ge-
gen die Unmittelbarkeit der Wahl noch gegen sonstige
Wahlgrundsätze des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 GG gesehen
werden kann (vgl. – auch zum Folgenden – BVerfGE 7, 63,
68 ff.). Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl ver-
langt, dass das Wahlverfahren so geregelt ist, dass jede ab-
gegebene Stimme bestimmten oder bestimmbaren Wahlbe-
werbern zugerechnet werden muss, ohne dass erst nach der
Stimmabgabe noch eine Zwischeninstanz nach ihrem Er-
messen die Abgeordneten endgültig auswählt. Das ist bei
der Listenwahl der Fall. Jede auf eine Liste entfallende
Stimme ist den auf ihr stehenden Wahlbewerbern „in der
dort festgelegten Reihenfolge“ (§ 6 Abs. 4 Satz 2 BWG)
eindeutig zurechenbar. Eine Instanz, die nach der Stimm-
abgabe etwas an dieser Reihenfolge ändern und damit die
endgültige Auswahl der mit der Zweitstimme gewählten
Abgeordneten vornehmen könnte, gibt es nicht.

Das von den Einspruchsführern kritisierte rechtliche Mono-
pol politischer Parteien im Hinblick auf die Einreichung von
Listenvorschlägen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 BWG) ist – wie das
Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt hat –
ebenfalls mit Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar. Denn
der Ausschluss von Landeslisten parteiloser Kandidaten
ergibt sich aus der Natur der Sache, da die Listenwahl Grup-
pen mit einem gemeinsamen Programm, d. h. praktisch
politische Parteien, voraussetzt (vgl. BVerfGE 5, 77, 82; 46,
196, 199).

Soweit die Einspruchsführer mit ihrer Kritik an einem fakti-
schen Monopol der Parteien im Hinblick auf die Nominie-
rung von Kandidaten monieren wollen, dass auch Kreis-
wahlvorschläge erfahrungsgemäß überwiegend von politi-
schen Parteien eingereicht werden, obwohl insoweit partei-
lose Wahlvorschläge rechtlich zulässig sind (vgl. § 20 Abs. 3
BWG), sind verfassungsrechtliche Vorgaben schon gar nicht
berührt. Der Grundsatz der gleichen Wahl aus Artikel 38
Abs. 1 Satz 1 GG fordert nämlich lediglich, dass die Rechts-
ordnung jeder Partei, jeder Wählergruppe und jedem ihrer
Wahlbewerber grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im
Wahlkampf und im Wahlverfahren und damit die gleiche

die sich aus der verschiedenen Größe oder Leistungsfähig-
keit oder aus unterschiedlichen Zielsetzungen der Wahlvor-
schlagsträger und ihrer Bewerber ergeben können, auszu-
gleichen sind, um eine totale Wettbewerbsgleichheit herzu-
stellen (vgl. BVerfGE 78, 350, 358; Schreiber, Kommentar
zum BWG, 7. Aufl., 2002, § 1 Rn. 22 f. mit weiteren Nach-
weisen).

III.

Unbegründet ist auch die Rüge der Einspruchsführer, das
Bundesministerium des Innern habe rechtswidrig den Wahl-
kampf behindert, indem es nicht auf den offenen Brief des
Einspruchsführers zu Nummer 1 reagiert und nicht dessen
Wunsch entsprechend erklärt habe, dass die Verwendung
des deutschen Reichsadlers im Wahlkampf nicht als illegal
verfolgt werde. Es gibt keine Vorschrift im Wahlrecht, der
sich eine Pflicht zur Erteilung einer solchen „Unbedenklich-
keitsbescheinigung“ entnehmen ließe.

IV.

Soweit die Einspruchsführer rügen, dass aufgrund der vor-
gezogenen Neuwahl vielen im Ausland lebenden Wahlbe-
rechtigten eine Wahlteilnahme nicht möglich gewesen sei,
kann ihrem Vortrag ebenfalls kein Wahlfehler entnommen
werden.

Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Zeitrahmen, der im
Ausland lebenden Wahlberechtigten zur Verfügung stand,
erheblich kleiner war als bei „normalen“ Bundestagswah-
len. So hatten sie von der Festsetzung des Wahltages durch
den Bundespräsidenten am 21. Juli 2005 (BGBl. I S. 2170)
an nur wenig mehr als einen Monat, nämlich bis zum
28. August 2005, Zeit, um ihren Antrag auf Eintragung ins
Wählerverzeichnis zu stellen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1, § 16
Abs. 2 Nr. 2 BWO). Bei „normalen“ Wahlen, bei denen der
Wahltag in der Regel ein halbes Jahr vorher festgesetzt
wird, stehen hiefür mehrere Monate zur Verfügung. Dem-
entsprechend kleiner war auch das Zeitfenster für die Über-
sendung von Briefwahlunterlagen (vgl. § 27 Abs. 5, § 28
Abs. 3 BWO) und die Rücksendung des Wahlbriefs mit dem
Stimmzettel, der spätestens am Wahltag bei der Wahlbe-
hörde eingehen musste (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 1 BWG). Das
gilt umso mehr, als Wahlscheine selbst bei frühzeitiger An-
tragstellung im günstigsten Falle frühestens am 30. Tag vor
der Wahl, dem Tag, an dem über die Zulassung der Wahl-
vorschläge zu entscheiden war, ausgestellt werden durften
(vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 BWO, § 26 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 1 Nr. 3 Buchstabe a, Nr. 4 Buchstabe a der
Verordnung über die Abkürzung von Fristen im Bundes-
wahlgesetz für die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag vom
21. Juli 2005, BGBl. I S. 2179). Bei normalen Wahlen ist
dies hingegen bereits 28 Tage früher möglich, da hier über
die Zulassung von Wahlvorschlägen bereits am 58. Tag vor
der Wahl entschieden werden muss (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1,
§ 28 Abs. 1 Satz 1 BWG). Im ungünstigsten Falle, nämlich
soweit Beschwerden über die Nichtzulassung von Wahlvor-
schlägen anhängig waren, konnte es sogar sein, dass die
Stimmzettel erst ab dem 24. Tag vor der Wahl, dem Tag, an
dem über solche Beschwerden spätestens zu entscheiden
war (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 5, § 28 Abs. 2 Satz 5 BWG, § 1
Nr. 3 Buchstabe b, Nr. 4 Buchstabe b der Verordnung vom
21. Juli 2005) gedruckt und verschickt werden konnten. Bei
Chance im Wettbewerb um die Wählerstimmen offen hält.
Er verlangt hingegen nicht, dass vorgegebene Unterschiede,

einer normalen Wahl ist hingegen spätestens am 52. Tag vor
der Wahl über solche Beschwerden zu entscheiden (vgl. § 26

Deutscher Bundestag – 16 rucksache 16/5700
. Wahlperiode – 63 – D

Abs. 2 Satz 5, § 28 Abs. 2 Satz 5 BWG). Es kann daher
nicht ausgeschlossen werden, dass – je nach Zielort – die
zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreichte, um einen
rechtzeitigen Zugang der Wahlunterlagen zu gewährleisten,
auch wenn die Einspruchsführer konkrete Fälle insoweit
nicht vortragen.

Dass bei vorgezogenen Neuwahlen weniger Zeit für die Ab-
läufe im Vorfeld der Wahl zur Verfügung steht als bei „nor-
malen“ Wahlen, folgt indes zwangsläufig aus dem Umstand,
dass gemäß Artikel 39 Abs. 1 Satz 4 GG im Falle einer Auf-
lösung des Bundestages die Neuwahl innerhalb von 60 Ta-
gen stattzufinden hat. Diese 60-Tage-Frist wurde hier auch
ausgeschöpft. Denn der 18. September 2005 war der letzte
Sonntag (vgl. § 16 Satz 2 BWG), der innerhalb der Sechzig-
Tage-Frist nach Auflösung des 15. Deutschen Bundestages
am 21. Juli 2005 (BGBl. I S. 2169) als Wahltag zur Verfü-
gung stand.

Soweit die Einspruchsführer in diesem Zusammenhang die
Verfassungsmäßigkeit der Auflösung des 15. Deutschen
Bundestages und damit der Anordnung vorgezogener Neu-
wahlen als solche in Frage stellen wollen, indem sie die zur
Auflösung führende Vertrauensfrage des Bundeskanzlers
vom 27. Juni 2005 (Bundestagsdrucksache 15/5825) als
„vorgeschoben und täuschend“ bezeichnen, ist darauf zu
verweisen, dass das Bundesverfassungsgericht am 25. Au-
gust 2005 entschieden hat, dass die Auflösung des 15. Deut-
schen Bundestages und die Ansetzung von Neuwahlen für
den 18. September 2005 mit dem Grundgesetz in Einklang
stand (vgl. BVerfGE 114, 121 ff.). An diese Entscheidung
sind nach § 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgeset-
zes (BVerfGG) alle Verfassungsorgane, also auch der Deut-
sche Bundestag, gebunden (vgl. auch schon Bundestags-
drucksache 16/3600, Anlage 41, S. 158).

V.

Soweit die Einspruchsführer alle Mitglieder des Deutschen
Bundestages als befangen ablehnen, weil diese im Wider-
spruch zu § 42 ZPO, § 9 WPrüfG in eigener Sache entschei-
den würden, wenn sie über den Wahleinspruch befänden,
verkennen sie, dass die Aufgabe der Wahlprüfung dem
Deutschen Bundestag durch Artikel 42 Abs. 1 GG zugewie-
sen ist. Damit ist eine Entscheidung „in eigener Sache“ un-
umgänglich und verfassungsrechtlich gewollt, wenn – wie
hier – die Wahl als Ganzes angefochten wird (vgl. auch
schon Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlage 31, S. 126;
16/3900, Anlage 5, S. 59).

lich und handschriftlich unterzeichneten Kreiswahlvor-
schlag mit dem Kennwort „Wahlrecht“ beim Kreiswahllei-

man auch im Wege einer Artikel 38 GG berücksichtigenden
verfassungskonformen Auslegung zu einem Anwendungs-
Fall einer Auflösung des Deutschen Bundestages nach Arti-
kel 68 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und der Festsetzung
von Neuwahlen innerhalb der 60-Tage-Frist des Artikels 39

er in der 5 318 Einwohner zählenden Stadt knapp 80 Unter-
stützungsunterschriften habe sammeln können. Berück-
sichtige man, dass die Bevölkerung von Amöneburg nur
ter des Wahlkreises 173 (Marburg) ein und benannte sich als
Vertrauensperson des Wahlvorschlages. Weiterhin teilte er
mit Schreiben vom 18. August 2005 dem Kreiswahlaus-
schuss mit, dass das in § 20 Abs. 3 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) verankerte Quorum von 200 Unterstützungsunter-
schriften im Falle einer Auflösung des Deutschen Bundes-
tages nicht gelte. Der Kreiswahlausschuss wies den Kreis-
wahlvorschlag am 19. August 2005 wegen fehlender Unter-
stützungsunterschriften zurück. Die hiergegen erhobene Be-
schwerde blieb erfolglos.

Nach Auffassung des Einspruchsführers zu Nummer 2 stellt
die Nichtzulassung des Wahlvorschlages einen mandatsrele-
vanten Wahlfehler dar. Die in § 20 Abs. 3 BWG für „an-
dere“, d. h. nicht von Parteien eingereichte, Kreiswahlvor-
schläge geregelte Obliegenheit, den Wahlvorschlägen 200
Unterstützungsunterschriften beizufügen, gelte nicht für den

verbot der Vorschrift bei einer auf Artikel 68 Abs. 1 GG ge-
stützten Bundestagsauflösung. Es sei Einzelbewerbern näm-
lich schon deshalb nicht möglich, in der kurzen Zeit die er-
forderlichen Unterstützungsunterschriften zu sammeln, weil
die Wahlberechtigung jedes Unterzeichners von der Gemein-
deverwaltung bescheinigt werden müsse. Der Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 23. August 2005 (BVerfGE
114, 107 ff.) stehe dieser Auslegung des Wahlrechts nicht
entgegen. Das Bundesverfassungsgericht habe es lediglich
aus formalen Gründen abgelehnt, die Ungültigkeit der
Unterschriftenquoren festzustellen, aber nicht ausdrücklich
deren Gültigkeit festgestellt.

Ohne Auflösung des Bundestages wäre es dem Wahlkreis-
bewerber möglich gewesen, die Unterstützungsunterschrif-
ten beizubringen. Dies beweise bereits dessen Bürgermeis-
terkandidatur in der Stadt Amöneburg im Juli 2005, für die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2005, das am 13. Oktober
2005 beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer zu Nummer 2 im eigenen Namen und im
Namen der Einspruchsführerin zu Nummer 1 Einspruch ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005 eingelegt. Trotz Aufforderung hat
der Einspruchsführer zu Nummer 2 keine von der Ein-
spruchsführerin zu Nummer 1 ausgestellte, sich auf das
Wahlprüfungsverfahren beziehende Vollmacht vorgelegt.

I.

Zur Begründung wird zunächst vorgetragen, dass im Wahl-
kreis 173 (Marburg) der mit dem Kennwort „Wahlrecht“
versehene Wahlvorschlag rechts- und verfassungswidrig
zurückgewiesen worden sei. Dem liegt folgender Sachver-
halt zugrunde: Der Wahlkreisbewerber reichte unter dem
15. August 2005 einen von drei Wahlberechtigten persön-

eine Regelungslücke, weil es über keine mit der in § 52
Abs. 3 BWG geregelten Ermächtigung zur Abkürzung von
Fristen und Terminen vergleichbare Regelung für die Bei-
bringung der Unterstützungsunterschriften verfüge. Dieses
gesetzgeberische Versäumnis könne jedoch im Wege der
systematischen Auslegung geschlossen werden. Das Bun-
deswahlgesetz enthalte keine Regelung darüber, ab wel-
chem Zeitpunkt Unterstützungsunterschriften für „andere
Kreiswahlvorschläge“ gesammelt werden dürften. § 21 Abs. 3
Satz 4 BWG schreibe aber vor, dass Parteibewerber frühes-
tens 32 Monate nach Beginn der Wahlperiode gewählt wer-
den dürften. Diese Regelung sei erkennbar unsinnig, wenn
der Bundestag beispielsweise schon nach 24 Monaten vor-
zeitig aufgelöst werde. Damit werde deutlich, dass diese Re-
gelung nur für die „reguläre Beendigung“ der Wahlperiode
gelte. Weil eine Anwendung von § 20 Abs. 3 BWG in Fäl-
len eines vorzeitigen Endes der Wahlperiode außerdem zu
einer „Aufhebung“ des passiven Wahlrechts führe, gelange

Anlage 16

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. der Frau M. K., 35315 Homberg
2. des Herrn E. E., 35315 Homberg

– Az.: WP 94/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes (GG). Nach Ansicht der
Einspruchsführer enthält das Bundeswahlgesetz insoweit

einen Anteil von ca. 2 Prozent der Bevölkerung des Wahl-
kreises 173 habe, könne in Anlehnung an die Entscheidung

Drucksache 16/5700 – 66 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Oktober 1990
(BVerfGE 82, 353 ff.) kein ernsthafter Zweifel daran beste-
hen, dass es sich um einen ernst zu nehmenden Wahlvor-
schlag gehandelt habe. Es könne dem Wahlkreisbewerber
in diesem Zusammenhang nicht vorgeworfen werden, dass
er zu spät mit dem Sammeln der Unterstützungsunterschrif-
ten begonnen habe. So ergebe sich aus dem Gleich-
behandlungsgrundsatz, dass auch Einzelbewerber mit der
Sammlung der Unterstützungsunterschriften erst zu dem
gemäß § 21 Abs. 3 Satz 4 BWG für die Kreiswahlvor-
schläge der Parteien maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich frü-
hestens 32 Monate nach Wahlperiodenbeginn – also ab
dem 18. Juni 2005 –, beginnen dürften. Überdies habe aus
Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten bis zum 21.
Juli 2005 nicht von einer Bundestagsauflösung ausgegan-
gen werden können. Auch das Bundesverfassungsgericht
habe in seiner Entscheidung vom 15. Juni 2005 (BVerfGE
113, 114 ff.), die das Verfahren des 2. Untersuchungsaus-
schusses der 15. Wahlperiode betraf, festgestellt, dass bis
zu diesem Zeitpunkt nicht von einer Bundestagsauflösung
auszugehen sei. Schließlich habe es infolge der gegen die
Auflösungsentscheidung des Bundespräsidenten erhobenen
Organklagen auch der Respekt vor dem Bundesverfas-
sungsgericht verboten, vor der Entscheidungsverkündung
am 25. August 2005 von Neuwahlen auszugehen.

Es verletze die Chancengleichheit und das passive Wahl-
recht des Wahlkreisbewerbers aus Artikel 38 GG, wenn ihm
eine Kandidatur zum Deutschen Bundestag wegen des Fest-
haltens an dem Erfordernis der Unterstützungsunterschrif-
ten faktisch unmöglich gemacht werde, während dies ge-
mäß § 20 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 18 Abs. 2 BWG nicht für
Parteien gelte, die im Deutschen Bundestag oder einem
Landtag mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten wa-
ren.

Da der Wahlkreisbewerber ein Direktmandat hätte erringen
können, sei auch ein Einfluss der rechts- und verfassungs-
widrigen Nichtzulassung des Wahlvorschlages auf die Man-
datsverteilung nicht ausgeschlossen. Gleiches gelte für an-
dere Wahlkreisbewerber, deren Wahlkreisvorschläge aus
denselben Gründen nicht zugelassen worden seien.

II.

Für zahlreiche Landeslisten von Parteien, die nicht zur Wahl
zugelassen worden seien, gelte im Hinblick auf die kurze
Vorbereitungszeit und die Unterschriftenquoren sinngemäß
das Gleiche wie für die nicht zur Wahl zugelassenen Einzel-
bewerber. Im Einzelnen handele es sich um Landeslisten
folgender Parteien, die rechtswidrig durch die jeweiligen
Landeswahlausschüsse nicht zur Bundestagswahl zugelas-
sen worden seien:

– Partei Allianz für Gesundheit, Frieden und soziale
Gerechtigkeit (AGFG) in Baden-Württemberg, Bremen,
Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein
und Thüringen,

– Partei Deutsche Gemeinschaft für Gerechtigkeit (DGG)
in Baden-Württemberg und Sachsen,

– Deutsche Zentrumspartei (ZENTRUM) in Baden-

– Republikaner (REP) in Bremen, Niedersachsen und
Saarland,

– FAMILIEN-PARTEI DEUTSCHLANDS (FAMILIE)
in Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen und
Thüringen,

– Partei bibeltreuer Christen (PBC) in Hessen und Schles-
wig-Holstein,

– Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförde-
rung und basisdemokratische Initiative (DIE PARTEI) in
Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-West-
falen und Rheinland-Pfalz,

– Partei Pro Deutsche Mitte – Initiative Pro D-Mark (Pro
DM) in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Branden-
burg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sach-
sen, Schleswig-Holstein und Thüringen,

– Partei Rechtsstaatlicher Offensive (Offensive D) in Ber-
lin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schles-
wig-Holstein und Thüringen,

– PARTEI UNABHÄNGIGE KANDIDATEN … für
Direkte Demokratie + bürgernahe Lösungen (UNAB-
HÄNGIGE) in Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpom-
mern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-
Pfalz und Sachsen.

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Falle
der Zulassung dieser Parteien eine andere Mandatsvertei-
lung ergeben hätte.

III.

Zur Begründung des Einspruchs wird darüber hinaus vor-
getragen, dass „mehrere Hunderttausend Türken mit deut-
schem Pass“ rechtswidrig an der Bundestagswahl teil-
genommen hätten. Es habe sich herausgestellt, dass viele
Türken nach Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft er-
neut die türkische Staatsbürgerschaft erhalten hätten. Hier-
durch hätten sie die deutsche Staatsbürgerschaft auto-
matisch verloren. Durch die unberechtigte Wahlteilnahme
eines so großen Personenkreises sei ein Einfluss auf die
Mandatsverteilung sehr wahrscheinlich.

Dieser Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Anfang
2005 teilte die türkische Regierung mit, dass seit dem Jahre
2000 ca. 50 000 türkischstämmige Deutsche wieder die tür-
kische Staatsangehörigkeit erlangt hätten. Um verifizieren
zu können, welche Personen dadurch gemäß § 25 Abs. 1 des
Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) die deutsche Staatsan-
gehörigkeit verloren haben, führten auf Anregung des Bun-
desministeriums des Innern alle Länder außer Berlin im
Jahre 2005 eine Fragebogenaktion unter den türkischstäm-
migen Personen durch, bei denen wegen denkbarer türki-
scher Rückeinbürgerung nach dem 1. Januar 2000 ein Ver-
lust der deutschen Staatsangehörigkeit möglich erschien.
Die betroffenen Personen wurden aufgefordert zu erklären,
ob sie nach dem 1. Januar 2000 die türkische Staatsangehö-
rigkeit angenommen haben. Dabei wurde auf die mögliche
Strafbarkeit einer unberechtigten Wahlteilnahme hingewie-
sen. Berlin verzichtete zwar auf ein individuelles Anschrei-
ben, führte jedoch eine Informationskampagne durch, die zu
Württemberg und Hessen,

– Die Grauen – Graue Panther (GRAUE) in Sachsen,
ähnlichen Ergebnissen wie die Fragebogenaktion der ande-
ren Länder führte: Bei 8,4 Prozent der Betroffenen war aus

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/5700

Sicht der Berliner Behörden von einem Verlust der deut-
schen Staatsangehörigkeit auszugehen; der Bundesdurch-
schnitt lag insoweit bei 8,5 Prozent. In absoluten Zahlen
waren bundesweit 251 639 Personen von der Frage- bzw.
Informationskampagne betroffen; in 21 463 Fällen gingen
die Behörden von einem Verlust der deutschen Staatsange-
hörigkeit aus.

Das Bundesministerium des Innern geht in einer Stellung-
nahme zu einem anderen denselben Gegenstand betreffen-
den Einspruch (WP 102/05) davon aus, dass schon kein
Fehler bei der Anwendung der für die Wahl geltenden Vor-
schriften und Rechtsgrundsätze vorliege. Die Fragebogen-
aktionen bzw. Informationskampagnen der Länder seien
ausreichend gewesen. Das Recht zur Teilnahme an Wahlen
sei zwar auf Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 GG
beschränkt. Im Wahlrecht sei der Besitz der deutschen
Staatsangehörigkeit allerdings nur glaubhaft zu machen.
Eine verbindliche Feststellung der Staatsangehörigkeit im
Vorfeld jeder Wahl sei im Hinblick auf die erforderliche
Praktikabilität der Wahlvorbereitungen nicht möglich. Nach
deutschem Staatsangehörigkeitsrecht seien weder ein Perso-
nalausweis oder Reisepass noch ein Staatsangehörigkeits-
ausweis ein ausreichender Nachweis der deutschen Staats-
angehörigkeit, sondern begründeten nur eine widerlegbare
Vermutung. Eine allgemein verbindliche Feststellung der
deutschen Staatsangehörigkeit sei derzeit nur durch ein
rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts möglich,
das jedoch nur eine Aussage über die Staatsangehörigkeit
im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils treffe. Aufgrund des
mit einer verbindlichen Feststellung der Staatsangehörigkeit
verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwandes sei ein sol-
ches Verfahren als regelmäßige Überprüfung im Vorfeld
von Wahlen ausgeschlossen. Schon seit jeher habe daher die
Gefahr bestanden, dass nichtdeutsche Personen an bundes-
deutschen Wahlen teilgenommen hätten, ohne dass Maß-
nahmen hiergegen hätten getroffen werden müssen. Im Vor-
feld der vorgezogenen Bundestagswahl hätten – anders als
vor früheren Bundestagswahlen – jedoch aufgrund der Mit-
teilung der türkischen Regierung über die Wiedereinbürge-
rung von bis zu 50 000 Personen konkrete Hinweise auf einen
abgrenzbaren Personenkreis bestanden, bei dem einem mög-
lichen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nachzu-
gehen gewesen sei. Die zuständigen Behörden hätten auf
diesen Hinweis mit der erwähnten Informations- bzw. Frage-
bogenaktion reagiert.

Andere rechtliche Möglichkeiten, den Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit zu ermitteln, hätten nicht bestanden.
Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25
StAG sei abhängig von den Einbürgerungsentscheidungen
fremder Staaten. Um feststellen zu können, ob und wann ein
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eingetreten ist,
benötigten deutsche Behörden genaue Angaben und Kennt-
nisse der ausländischen Einbürgerungspraxis, was ohne Ko-
operation der fremden Staaten von jeher schwierig gewesen
sei. Da mit weniger als 20 der 190 in der UNO vertretenen
Staaten Vereinbarungen über den Austausch von Einbürge-
rungsmitteilungen bestünden, werde der Verlust der Staats-
angehörigkeit oft nur im Nachhinein bei bestimmten be-
hördlichen Anlässen bekannt.

bekannt sei, wie viele unter den ca. 50 000 wieder Einge-
bürgerten ohnehin als Minderjährige nicht wahlberechtigt
gewesen seien und ob darunter auch Personen gewesen
seien, deren deutsche Staatsangehörigkeit durch den Erwerb
der türkischen Staatsangehörigkeit nicht verloren gegangen
sei (etwa minderjährige Familienmitglieder, auf die sich der
Staatsangehörigkeitserwerb durch das Familienoberhaupt
erstreckt habe oder Personen, die zuvor eine Beibehaltungs-
genehmigung erhalten hätten). Wer vor dem 1. Januar 2000
die türkische Staatsangehörigkeit unter Nutzung der damals
noch geltenden Regelungen erworben habe, sei ohnehin
deutscher Staatsangehöriger und damit wahlberechtigt ge-
blieben.

IV.

Der Einspruchsführer zu Nummer 2 ist weiterhin der Auf-
fassung, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG verfassungswidrig sei,
da er unzulässig auf das Wahlverhalten der Wähler Einfluss
nehme. Es verstoße gegen die Grundsätze der Wahlgleich-
heit und Wahlfreiheit, dass bei der Verteilung der nach Lan-
deslisten zu besetzenden Sitze die Zweitstimmen derjenigen
Wähler nicht berücksichtigt würden, die ihre Erststimme
für einen im Wahlkreis erfolgreichen Bewerber abgegeben
hätten, der keiner „Vereinigung“ angehöre, für die eine Lan-
desliste zugelassen sei. Im Wahlkampf sei dies besonders
deutlich im Wahlkreis 176 (Fulda) geworden. Dort sei als
Argument gegen eine Stimmabgabe für den unabhängigen
Bewerber H. vorgetragen worden, dass im Falle seiner Wahl
alle Zweitstimmen von Wählern, die ihn mit ihrer Erst-
stimme gewählt hätten, ungültig seien. Der Durchschnitts-
wähler kenne jedoch die Unterschiede zwischen Erst- und
Zweitstimme nicht. Er gehe vielmehr davon aus, dass er tat-
sächlich zwei Stimmen habe, mit denen er auf die Sitzver-
teilung im Bundestag Einfluss nehme. Den Wählern sei
weitgehend unbekannt, dass eine Partei durch die Erst-
stimme nur bei Überhangmandaten zusätzliche Sitze er-
halte. Darüber hinaus akzeptiere der Durchschnittswähler
nicht, dass beim Erfolg seiner Erststimme die Zweitstimme
ungültig werde. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses wähle
er dann lieber keinen unabhängigen Kandidaten. Dies werde
am Beispiel des gescheiterten Kandidaten H. deutlich, der
bei der vorangegangenen Bundestagswahl das Direktman-
dat noch mit deutlicher Mehrheit gewonnen habe. Das An-
liegen, eine doppelte Gewichtung von Stimmen zu vermei-
den, könne nicht zur Rechtfertigung des § 6 Abs. 1 Satz 2
BWG angeführt werden, da diese ja auch bei den Überhang-
mandaten hingenommen werde. Da der Wahlkreisbewerber
H. ohne Anwendung des verfassungswidrigen § 6 Abs. 1
Satz 2 BWG gewählt worden wäre, habe der Wahlfehler
auch einen Einfluss auf die Mandatsverteilung.

V.

Die Wahl sei außerdem deshalb ungültig, weil eine unzuläs-
sige Listenverbindung von WASG und Linkspartei vorgele-
gen habe. Es seien nur scheinbar einzelne Kandidaten der
WASG auf die Liste der Linkspartei gesetzt worden. Tat-
sächlich sei die gemeinsame Liste absprachegemäß durch
die Parteitage der Linkspartei „gewählt“ worden.

Dieser Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im Som-
mer 2005 vereinbarten die Partei des Demokratischen Sozi-
Das Bundesministerium des Innern weist im Hinblick auf
die Angabe der türkischen Regierung darauf hin, dass nicht

alismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit
– Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf die vorge-

Drucksache 16/5700 – 68 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zogene Bundestagswahl und angesichts einer angestrebten
Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames Vorgehen
dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl antreten,
sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der PDS –
bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – berück-
sichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens der
WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebilligt;
seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a.
die Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter De-
mokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin waren sich die beiden Delegationen
einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheiterte die Gründung einer neuen Partei;
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text
vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene Na-
mensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten ge-
meinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legt am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Auf Parteitagen am 25. März
2007 und bei zwischen dem 30. März und dem 18. Mai
2007 durchgeführten Urabstimmungen der Basis beider Par-
teien wurde dann mehrheitlich für eine Verschmelzung so-
wie für Entwürfe programmatischer Eckpunkte, einer Bun-
dessatzung und einer Schieds- und Finanzordnung der
neuen Partei „Die Linke“ gestimmt.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige „Partei des Demokratischen So-
zialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben vom
18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes (PartG)
mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin
sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl aufgrund
eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens
fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Vorausset-
zungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 BWG erfülle. Der Bundes-
wahlausschuss war sich auch darüber einig, dass über die
Parteieigenschaft der WASG nicht zu entscheiden war, da
sie rechtswirksam ihre Beteilungsanzeige gemäß § 18 BWG
zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschiedlicher,

und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichtender – Fir-
mierung für alle Bundesländer Landeslisten aufgestellt und
bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte, ließen die Lan-
deswahlausschüsse am 19. August 2005 diese Listen gemäß
§ 28 BWG zu.

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
mit dem Bundesministerium des Innern erstellte „Handrei-
chung“ ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger Lan-
deslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten Par-
tei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht
unzulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste
aufgestellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit ge-
gangen sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei
die Parteimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt
bilden sollte. Werde die Liste für Mitglieder einer bestimm-
ten anderen Partei geöffnet, beeinträchtige dies die Homo-
genität der Liste wesentlich stärker als eine Öffnung für par-
teilose Bewerber. Ebenso werde nicht davon abgesehen
werden können, auf welchen Plätzen die Parteifremden plat-
ziert seien. Entscheidend dürfte es laut Handreichung darauf
ankommen, ob es bei verständiger Würdigung aller Um-
stände offensichtlich sei, dass es sich nicht mehr um eine
Liste der den Wahlvorschlag tragenden Partei handele.
Überwiegend müssten die Bewerber der einreichenden Par-
tei angehören. Die Homogenität dürfte dann gewahrt sein,
wenn sich unter den ersten fünf Bewerbern, die nach § 30
Abs. 2 Nr. 2 BWG auf den Stimmzetteln aufgeführt werden,
überwiegend Mitglieder der einreichenden Partei befänden.
Das Gleiche sollte für die folgenden Listenplätze, jeweils
betrachtet in Fünfer-Blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzah-
lenverhältnis sei dagegen nicht abzustellen, da eine Liste
beliebig viele Bewerber enthalten könne. In Zweifelsfällen
werde eine „geöffnete“ Liste nicht als unzulässig angesehen
werden können, da dem Wahlrecht keine konkreten Quoren
für ein Übermaß an parteifremden Bewerbern zu entnehmen
seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den An-
gaben des Bundeswahlleiters wie folgt zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)

insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nordrhein-
Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg

WASG-Mitglied auf Platz 6
Parteiloser auf Platz 4

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/5700

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20
kein Parteiloser

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

Der Bundeswahlleiter geht in einer zu einem anderen den-
selben Gegenstand betreffenden Einspruch (WP 165/05) ab-
gegebenen Stellungnahme davon aus, dass die Landeswahl-
ausschüsse die Landeslisten der Linkspartei.PDS zu Recht
zugelassen haben, da sie den durch das Bundeswahlgesetz
und die Bundeswahlordnung aufgestellten Anforderungen
entsprochen hätten.

In formeller Hinsicht hätten die 16 Landeslisten den wahl-
rechtlichen Bestimmungen entsprochen. An der geheimen
Wahl der Vertreter für die Vertreterversammlungen und an
der geheimen Wahl der Bewerber für die Listen gemäß § 27
Abs. 5 i. V. m. § 21 Abs. 1 und 3 BWG hätten nach den dem
Bundeswahlleiter zur Verfügung stehenden Kenntnissen nur
Mitglieder der die Liste aufstellenden Linkspartei.PDS,
nicht aber Mitglieder der WASG oder Parteilose teilgenom-
men.

Auch in materieller Hinsicht hätten die 16 Landeslisten den
Vorgaben des Bundeswahlgesetzes entsprochen. Dass alle
16 Landeslisten der Linkspartei.PDS auch Bewerber ent-

bei keiner der eingereichten Landeslisten zur Unzulässigkeit
geführt. Das Bundeswahlgesetz enthalte keine Vorgaben zur
Parteizugehörigkeit von Listenbewerbern. Im Gegensatz zu
§ 22 Abs. 6 des Landeswahlgesetzes Mecklenburg-Vorpom-
mern oder § 26 Abs. 5 des Landeswahlgesetzes Schleswig-
Holstein schließe es für Listenbewerber eine Mitgliedschaft
in einer anderen als der einreichenden Partei nicht ausdrück-
lich aus. Allerdings seien mehrparteiige Listenverbindun-
gen und -vereinigungen bei Bundestagswahlen unzulässig.
Da nach § 7 Abs. 1 BWG Landeslisten derselben Partei aus
verschiedenen Ländern als verbunden gelten, ergebe sich im
Umkehrschluss, dass Landeslisten unterschiedlicher Parteien
nicht verbunden werden könnten. Die Fünf-Prozent-Sperr-
klausel des § 6 Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich über-
winden; eine „Blockbildung“ mehrerer kleiner Parteien, um
gemeinsam die Sperrklausel zu überwinden, gestatte das
Gesetz nicht. Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG – unter Um-
ständen – erforderlichen Unterstützungsunterschriften müsse
die jeweilige Partei beibringen; eine Listenvereinigung oder
-verbindung, die es zwei Parteien ermögliche, die von ihnen
jeweils gesammelten Unterschriften „zusammenzulegen“,
sehe das Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch un-
terlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich schon dann vorliege, wenn Bewerber aufge-
stellt würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden
Partei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne partei-
lose Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bis-
herigen Partei eine neue politische Heimat suchten. Viel-
mehr müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen
werden, wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell
in Gänze der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese
Voraussetzungen – die man als Homogenität der Liste be-
zeichnen könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für
gegeben, wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten be-
trachtet – Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste
aufgestellt seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammen-
hang darauf, dass das Bundeswahlgesetz gerade keine Re-
gelungen zur Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den
Landeslisten enthalte. Das Bundestagswahlrecht sei von
großer Formstrenge geprägt. Deshalb werde das Gesetz in
der Praxis gemäß seinem Wortlaut angewendet; eine ana-
loge Anwendung seiner Regelungen verbiete sich grund-
sätzlich. Bei der Durchführung der Bundestagswahlen stün-
den für nahezu sämtliche im Vorfeld einer Wahl zu treffen-
den Entscheidungen den Wahlbewerbern und den Wahlor-
ganen nur kurze Zeiträume zur Verfügung; es müsse unter
großem Zeitdruck gehandelt werden und man sei auf klare
und verständliche Normen mit eindeutigen Handlungsan-
weisungen angewiesen. Dies habe erst recht wegen der ver-
kürzten Fristen vor der jetzigen Wahl gegolten. Während
der Entscheidungszeitraum bei „regulär“ stattfindenden
Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19, 28 Abs. 1 Satz 1 BWG),
hielten, die nicht der Linkspartei.PDS angehörten, sondern
parteilos oder Mitglieder der WASG gewesen seien, habe

sei er hier durch Verordnung des Bundesministeriums des
Innern vom 21. Juli 2005 (BGBl. I S. 2179) auf vier Tage

Drucksache 16/5700 – 70 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

verkürzt gewesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag
vor der Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern
eingegangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulas-
sung hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der
Wahl (19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prü-
fung sämtlicher wahlrechtlicher Voraussetzungen für alle
eingereichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prü-
fung der Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die
Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unter-
stützungsunterschriften, umfasst. Daher komme dem Wort-
laut des Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft
der Listenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu.
Dies gelte um so mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder
Bewerber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens
seit Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimatver-
triebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste der
CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das Ge-
setz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz gezo-
gen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine ent-
sprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter darauf hin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Bundestages nach dem Demokratieprinzip durch
den Wähler getroffen werden solle. Eine Zulassungspraxis,
die eine Bewertung der hinter einer Liste stehenden politi-
schen Kräfte unternähme, würde die Wahlentscheidung vom
Volk in das Vorfeld der Wahl zu den Wahlausschüssen ver-
lagern. Damit würden der „Souverän“ von vornherein in
seiner Wahlmöglichkeit eingeschränkt und der Zulassungs-
entscheidung eine materielle, vom Wahlrecht nach dem
Sinn und Zweck des Demokratieprinzips nicht gewollte po-
litische Bedeutung verschafft.

Auch aus anderen Wahlrechtsvorschriften sowie Bestim-
mungen zur Parteienfinanzierung folgt für den Bundeswahl-
leiter nicht, dass generell eine Aufstellung von Mitgliedern
anderer Parteien ausgeschlossen sein solle.

Schließlich führten auch verfassungsrechtliche Argumente
zu keinem anderen Ergebnis. Aus Artikel 21 Abs. 1 Satz 1
GG lasse sich für die Parteien kein Verbot ableiten, Mitglie-
der anderer Parteien als Bewerber aufzustellen. Die Demo-
kratie bedürfe der politischen Parteien, um die Wähler zu
aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen so
einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen zu
ermöglichen (BVerfGE 69, 92, 110; Sannwald, in: Schmidt-
Bleibtreu/Klein, Kommentar zum GG, 10. Aufl., 2004, Arti-
kel 21 Rn. 21). Parteien bündelten politische Strömungen in
der Bevölkerung und formten den politischen Willen vor.
Hieraus resultiere aber kein Gebot, bei einer Bundestags-
wahl nur eigene Mitglieder aufzustellen. Die „Bündelungs-
funktion“ werde ausreichend durch das „Monopol“ der Par-
teien zur Listenaufstellung erreicht. Die Aufstellung der je-
weiligen Liste durch die Mitglieder der Partei gewährleiste
ausreichend, dass nur die Positionen der Partei vertretende
Personen aufgestellt würden. Werde eingewandt, dass der

zeige die Wirklichkeit, dass sich der Wähler selbst bei der
aufstellenden Partei angehörenden Bewerbern keineswegs
sicher sein könne, dass sie später als Abgeordnete das Pro-
gramm ihrer Partei vertreten würden. Zum einen seien die
Gewählten nicht dem Parteiprogramm, sondern dem ganzen
Volk verpflichtet (Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Zum ande-
ren komme es immer wieder vor, dass Parteiprogramme von
einzelnen Abgeordneten später nicht mehr mitgetragen oder
ganz oder in Teilen nicht umgesetzt würden, etwa weil die
Partei und deren Parlamentsfraktion im Interesse einer Koa-
litionsbildung oder wegen veränderter wirtschaftlicher Ver-
hältnisse im Programm formulierte Ziele nicht weiterver-
folge. Umgekehrt könnten auch nicht parteizugehörige Ab-
geordnete die Ziele einer Partei, die sie als Listenbewerber
aufgestellt habe, mit Überzeugung vertreten.

Im Übrigen nimmt der Bundeswahlleiter an, dass ein Verbot
zur Aufstellung Parteifremder auf einer Landesliste verfas-
sungsrechtlich zulässig sein könnte. Ein solches Verbot
müsse jedoch ausdrücklich in das Bundeswahlgesetz aufge-
nommen werden.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz, das ge-
rade keine Regelungen zur Parteimitgliedschaft treffe, eine
Zurückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.

Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer an-
deren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete
und praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine
Liste nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet wer-
den könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet
sei.

Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass „die
Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn sich die auf
ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemeinsames
Programm verbunden fühlen“ (BVerfGE 11, 351, 366).
Diese Voraussetzung habe es im konkreten Fall einer ört-
lichen Wählergemeinschaft bzw. Rathauspartei bei einer
Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen als gegeben erach-
tet. Auf die Fragen, wie sich die Verbundenheit mit einem
gemeinsamen Programm äußern solle – durch die Partei-
zugehörigkeit der Wahlbewerber oder auch durch andere
Kriterien – und welche Konsequenz aus einer fehlenden
Verbundenheit zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung aller-
dings keine Antwort. In einer Wahlprüfungsentscheidung
aus der V. Wahlperiode (Bundestagsdrucksache V/1115,
S. 3) sei gefolgert worden, „dass das Bundesverfassungsge-
richt die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei
angehörender Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als
an sich verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfas-
sungsgericht geforderte Homogenität der Liste müsse nicht
bereits dann verneint werden, wenn Mitglieder einer frem-
den Partei auf einer anderen Parteiliste erscheinen“. Es
müsse vielmehr auf den konkreten Einzelfall abgestellt
Wähler nur bei Parteimitgliedern auf den Listen die Gewähr
habe, dass sie für das Programm auch tatsächlich einträten,

werden, wobei es nicht nur auf die politische Richtung des
Landesverbandes der fremden Partei, sondern auch auf die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/5700

politische Auffassung des parteifremden Kandidaten an-
komme.

In der Literatur seien eindeutige und damit für die Landes-
wahlausschüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht ent-
wickelt worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur
vereinzelt und nicht an prominenter Stelle der Liste auf-
gestellt, sei dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die
Homogenität einer Landesliste sei dagegen nicht mehr ge-
wahrt, wenn etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen
Partei angehörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu be-
stimmen und hänge von den Gesamtumständen ab. Krite-
rien könnten etwa eine Namensergänzung oder das Nomi-
nieren von Führungspersonen der anderen Partei sein
(Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Aufl., Ergänzungsin-
formation zur Bundestagswahl 2005, Juni 2005, S. 10). Die
teilweise erwogene Berücksichtigung „weicher“ Kriterien,
wie die „Nähe“ der Listenbewerber zu einem bestimmten
Parteiprogramm, sei abzulehnen (so auch König, Anmer-
kungen zu der Bundestagswahl 2005, Die Öffentliche Ver-
waltung 2006, S. 423, 424). Für die Landeswahlausschüsse,
die kurzfristig und unter großem Zeitdruck zu entscheiden
gehabt hätten, sei die Überprüfung der politischen Haltung
einzelner Bewerber nahezu unmöglich gewesen. Kriterien
zur Bestimmung einer solchen „Nähe“ seien auch kaum ob-
jektivierbar gewesen. Als einzig handhabbares, formales
Kriterium sei die Parteizugehörigkeit der Landeslistenbe-
werber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewer-
bern deshalb eine generalisierende, vorrangig an nummeri-
schen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten zu-
nächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf den
Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich an-
schließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-
trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
„Handreichung“ eine solche Vorgehensweise empfohlen.

Nach den Kriterien der „Handreichung“ seien alle Landes-
listen der Linkspartei.PDS aufgrund der Bewerbersituation
noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11; Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Bundestag (Hessen: 20 Listenplätze, 2 erfolg-

(nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen seien mit sieben
bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber erfolgreich gewesen)
sei jeweils nur ein Bewerber der WASG platziert gewesen.
Allein in Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz seien auf
den ersten fünf Plätzen zwei WASG-Mitglieder platziert ge-
wesen, was aber die Homogenität dieser Landeslisten nicht
zerstört habe.

VI.

Weiterhin trägt der Einspruchsführer vor, dass die Grund-
sätze der gleichen und geheimen Wahl dadurch verletzt
worden seien, dass der Bundeswahlleiter bereits in der
Wahlnacht vom 18. September 2005 ein vorläufiges Wahl-
ergebnis bekannt gegeben hatte, bevor am 2. Oktober 2005
im Wahlkreis 160 (Dresden I) eine infolge des Todes der
Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. September 2005 not-
wendig gewordene Nachwahl stattgefunden habe. Hier-
durch seien die Wähler unzulässig beeinflusst und in die
Lage versetzt worden, ihre Stimme taktisch einzusetzen.
Die taktische Stimmvergabe lasse sich anhand der in Dres-
den erzielten Wahlergebnisse nachweisen. Im Besonderen
habe die CDU hierdurch auf Kosten anderer Parteien und
Kandidaten ein weiteres Überhangmandat erlangen können,
so dass ein Einfluss auf die Mandatsverteilung gegeben sei.

Der Bundeswahlleiter, der sich zu dieser Frage im Zusam-
menhang mit einem anderen, denselben Gegenstand betref-
fenden Einspruch geäußert hat (WP 09/05), erinnert zu-
nächst daran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines
Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvor-
schlages, aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufin-
den habe. Zur Ermittlung und Feststellung des Wahlergeb-
nisses bis zur Nachwahl gäben § 37 BWG und § 67 der
Bundeswahlordnung (BWO) vor, dass der Wahlvorstand im
Anschluss an die Wahlhandlung das Ergebnis ohne Unter-
brechung ermittelt und feststellt, d.h. also unmittelbar nach
Schließung der Wahllokale. Der Gesetzgeber habe für Nach-
wahlen weder eine abweichende Regelung getroffen noch
eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, um hiervon abse-
hen zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke be-
stünden nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wo-
nach bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall
Regelungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse tref-
fen könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten
der Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Zudem sprä-
chen gewichtige wahlorganisatorische Gründe gegen ein
Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann hätten in
den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund 80 000
Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorständen ins-
gesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerverzeich-
nisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nachwahl ver-
siegelt, sicher untergebracht und bewacht werden müssen.
Nach Ende der Nachwahl hätten alle Wahlvorstände noch-
mals zusammenkommen müssen, was in der Zusammenset-
zung vom Tag der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich
gewesen wäre. Die Gefahr, dass im Aufbewahrungszeit-
raum Wahlurnen abhanden kommen, Unbefugten zugäng-
lich werden oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der
Hand zu weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die
Richtigkeit der Ergebnisse würde auf eine nicht zu rechtfer-
reich; Niedersachsen: 46 Listenplätze: 3 erfolgreich). Auf
den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen Landeslisten

tigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Drucksache 16/5700 – 72 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Ergebnisses sei
nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, wonach
im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von den Vor-
schriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekanntgabe des
Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO) abgewichen
werden dürfe. Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergeb-
nisses (§§ 37, 41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf
allen Ebenen verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusam-
menzufassen und auf schnellstem Wege an die nächsten
zuständigen Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter wei-
terzuleiten (§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Auf-
schub der Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen
oder eine Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwi-
schen Wahlkreis- und Landesebene bis zum Abschluss der
Nachwahl, um so ein Zusammenrechnen und die Feststel-
lung der Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse
oder des bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern,
sähen die Wahlrechtsvorschriften nicht vor. Auch die Be-
kanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die Wahlbezirke,
Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlgebiet am
(Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70 Satz 1
BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergebnis für
den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung nach § 67
BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusammenfassung
der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO) müssten die
jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landesebene sowie der
Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO das jeweilige
vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in geeigneter Form
öffentlich bekannt geben. Daher müssten in jedem Fall die
vorläufigen Ergebnisse für die von der Nachwahl nicht be-
troffenen Wahlkreise und ebenso das zusammengefasste Er-
gebnis für das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben wer-
den. Eine Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis
zum Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen. Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung bis zur
Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewesen.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder wäh-
rend der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelungen
garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlichkeit
der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss der
Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widerspräche
dem Demokratieprinzip. Die Auszählung habe deshalb in
den Wahllokalen und bei den Briefwahlvorständen öffent-
lich zu erfolgen. Das Ergebnis müsse anschließend münd-
lich bekannt gegeben werden. Damit könne jeder Interes-
sierte die Ergebnisse an der „Basis“ erfahren. Die lokale
Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse sam-
meln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen. Zudem ver-
öffentlichten Meinungsforschungsinstitute und Fernseh-
anstalten nach Ende der Wahlzeit am Abend der Hauptwahl
Hochrechnungen des Ergebnisses für das gesamte Wahlge-
biet, die – weil aus sog. Wahlnachbefragungen am Wahltag
stammend – erfahrungsgemäß dem vorläufigen amtlichen
Ergebnis sehr nahe kämen. Diese Hochrechnungen hätten
nicht verhindert werden können, so dass den Wahlberechtig-
ten im Wahlkreis Dresden I auch auf diesem Weg das –

VII.

Schließlich – so der Einspruchsführer zu Nummer 2 – sei
die Bundestagswahl auch wegen der Verfassungswidrigkeit
der vorangegangenen Bundestagsauflösung ungültig. Bun-
deskanzler Gerhard Schröder habe noch das Vertrauen der
Mehrheit des Bundestages besessen, so dass in der geschei-
terten Vertrauensfrage eine „offensichtlich absichtlich fal-
sche Abstimmung“ zur Herbeiführung vorgezogener Neu-
wahlen zu sehen sei. Im Hinblick auf die weiteren Ausfüh-
rungen des Einspruchsführers zu dieser Frage wird auf den
Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Ein-
spruchs, soweit er im Namen der Einspruchsführerin zu
Nummer 1 eingelegt worden ist. Die Frage, ob insoweit ent-
sprechend den im Zivil- und Verwaltungsgerichtsprozess
geltenden Regelungen (vgl. § 80 Abs. 1 der Zivilprozess-
ordnung, § 67 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsord-
nung) eine schriftliche Vollmacht hätte vorgelegt werden
müssen, kann indes dahingestellt bleiben, da der Einspruch
jedenfalls offensichtlich unbegründet ist.

I.

Die auf § 26 BWG gestützte Zurückweisung des Kreis-
wahlvorschlags durch den Kreiswahlausschuss war recht-
mäßig und stellt daher keinen Wahlfehler dar. Anders als
der Einspruchsführer zu Nummer 2 annimmt, enthält das
Bundeswahlgesetz hinsichtlich der Frage, ob „andere
Kreiswahlvorschläge“ i. S. d. § 20 Abs. 3 BWG auch im
Falle einer vorzeitigen Bundestagsauflösung der Beibrin-
gung von 200 Unterstützungsunterschriften bedürfen, keine
durch ein unbewusstes Unterlassen des Gesetzgebers ent-
standene Regelungslücke, die der Schließung im Wege
einer verfassungskonformen Auslegung bedürfte.

Das Erfordernis der Beibringung von – damals 500 – Unter-
stützungsunterschriften für Kreiswahlvorschläge findet sich
bereits in § 15 Abs. 3 des Reichswahlgesetzes in der Fas-
sung vom 13. März 1924 (RGBl. I S. 173) und wurde durch
§ 11 Abs. 1 des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur
ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland
vom 15. Juni 1949 (BGBl. I S. 21) für Wahlvorschläge unab-
hängiger Kandidaten übernommen (vgl. hierzu BVerfGE 3,
19 ff.). In der Folge hat der Bundesgesetzgeber das Beibrin-
gungserfordernis im Hinblick auf die Anzahl der erforder-
lichen Unterstützungsunterschriften und eine Differenzie-
rung nach den Trägern des Wahlvorschlagsrechts mehrfach
geändert. Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlge-
setzes vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593) und dem Gesetz
zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 8. März 1985
(BGBl. I S. 521) hat der Bundesgesetzgeber weiterhin zum
Ausdruck gebracht, an dem Erfordernis eines Unterschrif-
tenquorums ausnahmslos – und damit auch im Falle der
Wahlvorbereitung nach einer Auflösung des Deutschen
wahrscheinliche – Gesamtwahlergebnis aus den übrigen
298 Wahlkreisen nicht unbekannt geblieben wäre.

Bundestages – festhalten zu wollen (vgl. hierzu BVerfGE
114, 107, 119). Durch die Einführung des heutigen § 21

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/5700

Abs. 3 Satz 4 BWG hat der Gesetzgeber nämlich eine Son-
derregelung in Bezug auf die Frist des § 21 Abs. 3 Satz 4
Halbsatz 1 BWG für den Fall der vorzeitigen Beendigung
der Wahlperiode geschaffen. Danach gelten die Fristen,
nach deren Ablauf die Parteien frühestens mit der Aufstel-
lung von Parteibewerbern beginnen dürfen, nicht im Fall
des vorzeitigen Endes der Wahlperiode. Mit dieser auch auf
den Auflösungsfall nach Artikel 68 GG anzuwendenden
Sonderregelung (vgl. Bundestagsdrucksache VII/2873,
S. 39) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die
wahlrechtlichen Folgen einer Bundestagsauflösung nach
Artikel 68 GG, die aus der Fristverkürzung des Artikels 39
Abs. 1 Satz 4 GG resultieren, bedacht hat. Dabei hat er da-
von abgesehen, entsprechende Ausnahmetatbestände zum
Erfordernis der Unterstützungsunterschriften – z. B. in
Form einer Absenkung oder Suspendierung des Quorums –
zu schaffen.

Der Wahlprüfungsausschuss ist der Auffassung, dass § 20
Abs. 3 BWG in der oben dargestellten Auslegung mit dem
Grundgesetz im Einklang steht (vgl. Bundestagsdrucksache
16/1800, Anlage 39, S. 228 ff.; ferner Anlagen 40 bis 43).
Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtspre-
chung anerkannt, dass Zulassungsbedingungen zur Bundes-
tagswahl aufgestellt werden dürfen. Im Hinblick auf das
Unterschriftenquorum hat es festgestellt, dass dieses unter
bestimmten Voraussetzungen mit den Grundsätzen der for-
malen Wahlrechtsgleichheit, der Allgemeinheit der Wahl,
der Geheimhaltung der Wahl, der Wettbewerbschancen-
gleichheit der Parteien sowie der Garantie des passiven
Wahlrechts vereinbar ist (vgl. u. a. BVerfGE 1, 208, 248; 3,
19, 25 ff.; 71, 81, 96 f.; 85, 264, 293 sowie Schreiber, a. a. O.,
§ 20 Rn. 8, 9, 16 m. w. N.). Bei der zahlenmäßigen Festle-
gung des Quorums steht dem Gesetzgeber ein Ermessens-
spielraum zu (zum Ermessenspielraum BVerfGE 3, 19, 24;
59, 119, 124; 95, 335, 349). Das auf 200 Unterstützungs-
unterschriften abgesenkte Quorum hat das Bundesverfas-
sungsgericht als verfassungskonform bestätigt (BVerfGE
24, 260, 265; 60, S. 162, 168 f., 172, 175; 67, 369, 380).
Das Unterschriftenquorum dient dem Nachweis der Ernst-
haftigkeit der Bewerbung und dem Ausscheiden nicht ernst-
haft gemeinter oder von vornherein aussichtsloser Wahl-
vorschläge. Durch das Quorum soll im Interesse der
Durchführbarkeit der Wahlen gewährleistet werden, dass
nur solche Wahlvorschläge zugelassen werden, von denen
zumindest vermutet werden kann, dass hinter ihnen eine
ernst zu nehmende politische Gruppe steht, die sich mit die-
sem Wahlvorschlag am Wahlkampf zu beteiligen wünscht,
oder dass politisch Interessierte ihm ernsthaft die Chance
einräumen wollen, die in der Beteiligung am Wahlkampf
liegt (BVerfGE 4, 375, 381 f.). Neben dem Kriterium der
Ernsthaftigkeit ist damit eine in einem Mindestmaß an poli-
tischem Rückhalt in der Wählerschaft begründete potenti-
elle Erfolgsaussicht als Zulassungsbedingung beschrieben,
die politisch kurzlebige Zufallsbildungen von einer Teil-
nahme am Wahlkampf ausschließt. Dem Erfordernis der
Unterstützungsunterschriften liegt damit das Motiv der „Si-
cherung des Charakters der Wahl als eines auf die Bildung
funktionsfähiger Verfassungsorgane gerichteten Integrati-
onsvorganges“ zugrunde (BVerfGE 14, 121, 135). Indem
das Unterschriftenquorum indirekt bereits vor der Wahl der

ler Mehrheitsverhältnisse und handlungsfähiger sowie die
wesentlichen politischen Anschauungen widerspiegelnder
Verfassungsorgane zu ermöglichen (Schreiber, a. a. O., § 20
Rn. 8, 9, 16 m. w. N.).

Auch aus der Anwendbarkeit des Quorums auf den Fall ei-
ner Auflösung des Deutschen Bundestages nach Artikel 68
Abs. 1 GG und die Festsetzung von Neuwahlen innerhalb
der 60-Tage-Frist des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG ergeben
sich keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit
von § 20 Abs. 3 BWG. Wie das Bundesverfassungsgericht
bereits zu der ersten gesamtdeutschen Wahl festgestellt hat,
kommt es nach dem Zweck des Quorums gerade nicht dar-
auf an, ob den an einer Kandidatur Interessierten genügend
Zeit für die Vorbereitung der Kandidatur verbleibt oder sie
an der Einreichung von Wahlvorschlägen nur deswegen ge-
hindert sind, weil es ihnen aufgrund organisatorischer
Schwierigkeiten in der Kürze der Zeit nicht gelingt, die Un-
terstützungsunterschriften zu sammeln (BVerfGE 82, 353,
364). Der Ausschluss ihrer Wahlbewerbung entspreche auch
in diesen Fällen gerade dem oben dargestellten Sinn des Un-
terschriftenquorums. Die mit der Beibringung der Unter-
stützungsunterschriften verbundene Vermutung, dass hinter
dem Wahlvorschlag eine ernst zu nehmende politische
Gruppe steht, die sich mit diesem Wahlvorschlag am Wahl-
kampf zu beteiligen wünscht, oder dass politisch Interes-
sierte ihm ernsthaft die Chance einräumen wollen, die in der
Beteiligung am Wahlkampf liegt, sei gerade nicht begrün-
det, wenn die Unterstützungsunterschriften nicht beige-
bracht würden. In seiner zur ersten gesamtdeutschen Wahl
ergangenen Entscheidung bezog sich das Bundesverfas-
sungsgericht zwar lediglich auf die kurzfristige Ausdehnung
des Wahlgebietes auf die neuen Bundesländer und somit auf
einen besonderen Aspekt der Kurzfristigkeit. Wenn aber be-
reits die mit der Sondersituation der Vollziehung der deut-
schen Einheit verbundene Tatsache, dass die an einer Kan-
didatur interessierten Parteien, die zuvor lediglich auf dem
Gebiet der sog. alten Bundesländer tätig waren und damit
über keinerlei organisatorische Strukturen und Bekanntheit
in den Beitrittsländern verfügten, für die uneingeschränkte
Anwendbarkeit des Quorums ohne rechtlichen Belang war,
so wird dies erst recht für den vorliegenden Fall gelten, in
dem die an einer Kandidatur Interessierten in keiner Weise
gehindert waren, sich rechtzeitig des notwendigen politi-
schen Rückhalts in der Wählerschaft zu vergewissern. We-
gen der Ausrichtung des Quorums auf einen objektiven
Rückhalt des Wahlvorschlages in der Wählerschaft kommt
es gerade nicht auf den Zeitpunkt an, ab wann der poten-
tielle Wahlbewerber frühestens von der Auflösung des
Bundestages ausgehen kann. Gerade wegen der im Grund-
gesetz vorgesehen Möglichkeiten einer vorgezogenen Bun-
destagswahl orientieren sich die Regelungen des Bundes-
wahlgesetzes daran, ob die in einem Mindestmaß an politi-
schem Rückhalt in der Wählerschaft begründete potentielle
Erfolgsaussicht tatsächlich vorliegt, und nicht daran, ob sie
theoretisch vorliegen und nach einiger Zeit erreicht werden
könnte. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in
der zitierten Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass
„äußerst knappe Zeiträume“ hinzunehmen seien, „wenn sie
– wie etwa bei vorzeitiger Auflösung des Bundestages – für
alle betroffenen Parteien im gesamten Wahlgebiet in glei-
Stimmenzersplitterung entgegenwirkt, verfolgt es – wie die
Fünf-Prozent-Sperrklausel – den Zweck, die Bildung stabi-

cher Weise gelten“ (BVerfGE 82, 353, 368). Diese Voraus-
setzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Somit bestehen

Drucksache 16/5700 – 74 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

an der Vereinbarkeit von § 20 Abs. 3 BWG mit den Wahl-
rechtsgrundsätzen und der Garantie des passiven Wahl-
rechts keine Zweifel.

Weil der Kreiswahlvorschlag damit den gesetzlichen Anfor-
derungen nicht entsprach, waren die Wahlorgane zu dessen
Zurückweisung verpflichtet. Gleiches gilt auch für andere,
ähnlich liegende Fälle. Auf die Einlassung des Einspruchs-
führers zu Nummer 2, dem Wahlkreisbewerber wäre es
ohne Auflösung des Bundestages möglich gewesen, die
erforderlichen Unterstützungsunterschriften beizubringen,
kommt es nach der eindeutigen Rechtslage ebenso wenig an
wie auf die Gründe, die er für den späten Beginn der Unter-
schriftensammlung benennt.

Die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber bei der Ausge-
staltung des Quorums seinen Ermessensspielraum auch an-
ders hätte ausüben können bzw. wie er diesen noch ausüben
könnte, ist nicht Gegenstand der Wahlprüfung.

II.

Die Zurückweisung der benannten Landeslisten durch die
zuständigen Landeswahlausschüsse war gemäß § 28 Abs. 1
Nr. 2 i. V. m. § 27 Abs. 1 BWG rechtmäßig und stellt daher
keinen Wahlfehler dar.

§ 27 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BWG bestimmt, dass Landes-
listen von dem Vorstand des Landesverbandes der Partei
oder, wenn ein Landesverband oder eine einheitliche Lan-
desorganisation nicht besteht, von den Vorständen der
nächstniedrigen Gebietsverbände, die im Bereich des Lan-
des liegen, persönlich und handschriftlich zu unterzeichnen
sind. Landeslisten „neuer“ Parteien i. S. d. § 18 Abs. 2
BWG müssen nach dem in § 27 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2
BWG verankerten Unterschriftenquorum darüber hinaus zu-
sätzlich zu diesen Unterschriften zum Nachweis eines
Rückhalts in der Wählerschaft und der Ernsthaftigkeit des
Wahlvorschlages noch von 1 vom Tausend der Wahlberech-
tigten des Landes bei der letzten Bundestagswahl, jedoch
von höchstens 2 000 Wahlberechtigten des Landes, persön-
lich und handschriftlich unterzeichnet sein.

An der Verfassungskonformität des für die Einreichung
von Landeslisten geltenden Unterschriftenquorums bestehen
schon deswegen keine Zweifel, weil das Bundesverfassungs-
gericht die Verfassungsmäßigkeit bereits 1953 festgestellt
hat (BVerfGE 3, 19, 29 ff. – zum damals maßgeblichen hö-
heren Quorum von 2 500 Unterschriften – sowie BVerfGE
67, 369, 380; 82, 353 ff.). Danach verstößt das Unterschrif-
tenquorum weder gegen die Grundsätze der Allgemeinheit
und Gleichheit der Wahl noch gegen das Prinzip der
Geheimhaltung der Wahl. Diesen Entscheidungen liegt zwar
lediglich der Fall eines „regulären“ Wahlperiodenwechsels
– und somit kein Auflösungsfall – zugrunde.

Aus den oben zu § 20 Abs. 3 BWG dargestellten Erwägun-
gen ergibt sich jedoch auch die uneingeschränkte Anwend-
barkeit des in § 27 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BWG veranker-
ten Quorums auf den Fall einer Auflösung des Deutschen
Bundestages. So gilt insbesondere auch in diesem Zusam-
menhang, dass der Gesetzgeber die wahlrechtlichen Folgen
einer Bundestagsauflösung nach Artikel 68 GG, die aus der
Fristverkürzung des Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG resultie-

stützungsunterschriften – z. B. in Form einer Absenkung
oder Suspendierung des Quorums – zu schaffen. Wie oben
bereits dargelegt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht
in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass im Vor-
feld der Wahl „äußerst knappe Zeiträume“ hinzunehmen
seien, „wenn sie – wie etwa bei vorzeitiger Auflösung des
Bundestages – für alle betroffenen Parteien im gesamten
Wahlgebiet in gleicher Weise gelten“ (BVerfGE 82, 353,
368).

Auch im Hinblick auf das für die Landeslisten maßgebliche
Quorum gilt, dass die Frage, in welcher Weise der Gesetz-
geber den ihm eingeräumten Ermessensspielraum noch aus-
üben könnte, nicht Gegenstand der Wahlprüfung sein kann.

Landeslisten, die den gesetzlichen Anforderungen nicht ent-
sprachen, waren damit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 BWG durch
die Wahlorgane zurückzuweisen.

III.

Auch soweit geltend gemacht wird, es hätten „mehrere
Hunderttausend Türken mit deutschem Pass“ rechtswidrig
an der Bundestagswahl teilgenommen, ist kein Wahlfehler
feststellbar. Zwar läge in der Wahlteilnahme von Personen,
die durch Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit gemäß
§ 25 Abs. 1 StAG in der seit 1. Januar 2000 geltenden
Fassung die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben,
ein Wahlfehler. Denn ihre Stimmabgabe würde gegen § 12
Abs. 1 BWG verstoßen, wonach nur Deutsche im Sinne des
Artikels 116 Abs. 1 GG wahlberechtigt sind. Es kann jedoch
– wie der Deutsche Bundestag bereits anlässlich anderer
ähnlich begründeter Wahleinsprüche entschieden hat (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 26, S. 185 ff.; fer-
ner Anlage 27 f.) – nicht festgestellt werden, dass solche
Personen tatsächlich an der Wahl teilgenommen haben.

Dass nicht wahlberechtigte Personen an der Wahl teilge-
nommen haben, ergibt sich nämlich keineswegs bereits
zwangsläufig aus dem Umstand, dass nach Angaben der tür-
kischen Regierung seit Anfang 2000 ca. 50 000 Personen
mit deutscher Staatsangehörigkeit die türkische Staatsange-
hörigkeit erworben haben, während aufgrund einer 2005
von den Ländern zur Gewährleistung der Richtigkeit der
Wählerverzeichnisse durchgeführten Frage- und Informa-
tionskampagne lediglich in 21 463 Fällen von einem Verlust
der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 25 StAG aus-
zugehen war. Denn abgesehen davon, dass im Hinblick auf
§ 25 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 StAG die Erlangung der
türkischen Staatsangehörigkeit nicht in allen Fällen zum
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt haben
muss, ist zu berücksichtigen, dass für eine Eintragung ins
Wählerverzeichnis ohnehin nur derjenige in Betracht
kommt, der zum Zeitpunkt der Wahl volljährig und damit
wahlberechtigt ist (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BWG), und dass
eine „automatische“ Eintragung von Amts wegen auf der
Grundlage der Melderegister einen Wohnsitz in Deutsch-
land voraussetzt (vgl. § 16 Abs. 1 BWO). Auf wie viele der
50 000 Personen das zutraf, ist – mangels Angaben der tür-
kischen Seite – nicht bekannt. Damit kann die Differenz
zwischen den 50 000, die die türkische Seite genannt hat,
und den 21 463, welche die Länder ermittelt haben, nicht
ohne weiteres mit falschen Angaben der Befragten erklärt
ren, bedacht hat. Dabei hat er davon abgesehen, entspre-
chende Ausnahmetatbestände zum Erfordernis der Unter-

werden. Selbst wenn man aber unterstellt, dass die Diskre-
panz zwischen der Zahl 50 000 und der Zahl 21 463 – zu-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/5700

mindest zum Teil – auf wahrheitswidrige Angaben der Be-
fragten zurückzuführen ist und zur Eintragung von nicht
wahlberechtigten Personen ins Wählerverzeichnis geführt
hat, ist damit noch nicht gesagt, dass diese Personen sich
auch an der Wahl beteiligt haben. Das gilt umso mehr, als
sie aufgrund der Frage- und Informationskampagnen der
Länder um die Strafbarkeit einer unbefugten Wahlteilnahme
wussten. Alles, was sich damit feststellen lässt, ist, dass es
wegen § 25 StAG nicht ausgeschlossen werden kann, dass
Personen, die nicht (mehr) wahlberechtigt waren, in die
Wählerverzeichnisse eingetragen worden sind und von der
dadurch eröffneten faktischen Möglichkeit, eine Stimme ab-
zugeben, auch Gebrauch gemacht haben. Dass sich diese
Gefahr auch tatsächlich realisiert hat, ist hingegen lediglich
eine zwar schlüssige, aber in den entscheidenden Punkten
auf bloßen Vermutungen basierende Annahme des Ein-
spruchsführers zu Nummer 2. Damit der Wahlprüfungsaus-
schuss einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – ge-
schweige denn sein Vorliegen feststellen – kann, reicht es
aber nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr von
Wahlfehlern bestand. Vielmehr muss ebenso – unter Angabe
konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen (vgl.
BVerfGE 85, 148, 160) – dargelegt werden, dass sich diese
Gefahr auch realisiert hat, dass ein Wahlfehler nicht nur pas-
sieren konnte, sondern auch passiert ist (vgl. BVerfGE 59,
119, 123). Das folgt daraus, dass gemäß § 2 Abs. 1 und 3
WPrüfG die Wahlprüfung nicht von Amts wegen, sondern
nur auf Einspruch, der zu begründen ist, erfolgt (vgl.
BVerfGE 66, 369, 378 f.; vgl. ferner Bundestagsdruck-
sachen 15/1150, Anlagen 283, 284, 285; 15/1850, Anlage 25;
15/2400, Anlage 9; Schreiber, a. a. O., § 49 Rn. 17 f.). Da
aber nur Wahlfehler, die passiert sind, die Gültigkeit der
Wahl beeinflussen können, müssen auch die in der Begrün-
dung vorgetragenen Tatsachen mehr als nur die Gefahr von
Wahlfehlern substantiieren. Das gilt selbst dann, wenn die
Substantiierung für den einzelnen Bürger schwierig oder gar
unmöglich ist (vgl. BVerfGE 66, 369, 379). Würde man es
genügen lassen, dass Einspruchsführer – wie hier – lediglich
die Gefahr von Wahlfehlern darlegen, könnte beispielsweise
jede Wahl – und zwar flächendeckend – allein mit der Be-
gründung angefochten werden, es habe eine bestimmte Zahl
von Wählern mittels Briefwahl gewählt und es sei nicht aus-
zuschließen, dass diese „in großer Zahl“ ihren Stimmzettel
anderen Personen zum Ausfüllen überlassen hätten. Solch
ein Einspruch wäre unter Umständen sogar noch substan-
tiierter als der vorliegende, da die Zahl der Briefwähler und
damit der potentiellen Wahlfehler exakt angegeben werden
könnte.

IV.

Da § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG vom Bundesverfassungsgericht
ausdrücklich als im Hinblick auf die Wahlrechtsgrundsätze
verfassungsgemäß bestätigt worden ist (BVerfGE 79, 161,
166 ff.), kann dem Einspruch auch insoweit kein Erfolg be-
schieden sein. Durch die in § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG veran-
kerte Regelung wird vielmehr ein zwangsläufig doppelter
Erfolgswert beider Stimmen vermieden. Bezüglich der bei
der Bundestagswahl 2002 praktizierten Berücksichtigung
bestimmter Zweitstimmen bei Erfolg von Direktkandidaten
und gleichzeitigem Scheitern ihrer Partei an der Fünf-Pro-
zent-Sperrklausel sei hier auf die einschlägigen Wahlprü-

anderen Fällen ist ein derartiger doppelter Erfolgswert bei
einem Stimmensplitting zwar möglich, tritt aber nicht
zwangsläufig ein (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 4). Sollte
der Einspruchsführer zu Nummer 2 mit seiner Vermutung,
dass Wählerinnen und Wähler zur Vermeidung der Ungül-
tigkeit ihrer Zweitstimme davon Abstand genommen haben
könnten, einen unabhängigen Kandidaten zu wählen, darü-
ber hinaus zum Ausdruck gebracht haben wollen, dass
durch diese Abschreckungswirkung auch das passive Wahl-
recht der entsprechenden Kandidaten verletzt worden sein
könnte, so wäre diese in § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG begründete
Auswirkung als systemimmanent hinzunehmen.

Die vom Einspruchsführer zu Nummer 2 dargestellten Aus-
wirkungen des gegenwärtigen Wahlrechts halten sich im
Rahmen des dem Gesetzgeber eingeräumten und vom Bun-
desverfassungsgericht bekräftigten Gestaltungsspielraums
und der Entscheidung für die personalisierte Verhältnis-
wahl, die Hälfte der Abgeordneten in Wahlkreisen und die
andere Hälfte über Parteilisten zu wählen (vgl. BVerfGE 95,
335, 354). Die Möglichkeit der Vergabe von Erst- und
Zweitstimme gemäß § 4 BWG schließt ein sog. Stimmen-
splitting ein. Dass ein Wähler mit Erst- und Zweitstimme je-
weils Einfluss geltend machen kann, liegt im geltenden
Wahlsystem begründet. Die Zulässigkeit des Stimmensplit-
tings hat das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung der
Überhangmandate ausdrücklich als durch den im Demokra-
tieprinzip wurzelnden Repräsentationsgedanken gerechtfer-
tigt bezeichnet (BVerfGE 95, 335, 367).

V.

Ein Wahlfehler lässt sich auch – wie der Deutsche Bundes-
tag bereits anlässlich anderer, ähnlich begründeter Einsprü-
che entschieden hat (vgl. Bundestagsdrucksache 16/3900,
Anlage 1, S. 14 ff.; ferner Anlage 2 ff.) – nicht bezüglich der
Zulassung der von der Linkspartei.PDS eingereichten Lan-
deslisten feststellen. Zum einen kann eine Liste zwar nur
von einer Partei eingereicht werden, es besteht aber kein
Verbot, in eine Liste auch Mitglieder einer anderen Partei
oder Parteilose aufzunehmen. Zum anderen lässt sich bei
den angegriffenen Zulassungsentscheidungen der Landes-
wahlausschüsse keine Umgehung des Grundsatzes feststel-
len, dass eine Landesliste jeweils nur von einer Partei einge-
reicht werden darf.

Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Bestim-
mung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mitglieder
einer anderen Partei als der einreichenden oder Parteilose
aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprüfungspraxis des
Deutschen Bundestages geht in Entscheidungen aus der
13. und 5. Wahlperiode nicht von einem Grundsatz aus, dass
ein Bewerber Mitglied der die Landesliste oder den Kreis-
wahlvorschlag einreichenden Partei zu sein hat (vgl. Bun-
destagsdrucksachen 13/2800, S. 17; V/1115, S. 3). Auch
sonstige Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes und des
Parteiengesetzes führen nicht zu der notwendigen An-
nahme, dass dem Bundeswahlgesetz ein ungeschriebenes
Prinzip zugrunde liegt, wonach nur Mitglieder der betref-
fenden Partei nominiert werden dürfen. Insoweit ist der
Stellungnahme des Bundeswahlleiters in seinen Ausführun-
gen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum Schweigen des
Gesetzgebers angesichts des Wissens um parteifremde Be-
fungsentscheidungen zur Bundestagswahl 2002 verwiesen
(vgl. Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 1 ff.). In

werber nichts hinzuzufügen. Dass eine Parteimitgliedschaft
rechtlich nicht gefordert ist, wird im Übrigen auch dadurch

Drucksache 16/5700 – 76 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bekräftigt, dass es auf Bundesebene – anders als in den bei-
den vom Bundeswahlleiter zitierten Bundesländern – keine
wahlrechtlichen Bestimmungen gibt, wonach bei Einrei-
chung von Listen gegenüber dem Landeswahlleiter eides-
stattliche Angaben über die jeweilige Parteizugehörigkeit
oder Parteilosigkeit zu machen sind. Ebenso wenig führen
verfassungsrechtliche Ansatzpunkte zu einem gegenteiligen
Ergebnis. Bereits in der Wahlprüfungsentscheidung der
V. Wahlperiode ist der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts entnommen worden, dass es die Aufnahme
parteifremder bzw. einer anderen Partei angehörender Be-
werber nicht als an sich verfassungswidrig ansieht. Auf die
sodann in der Wahlprüfungsentscheidung erörterte Frage
der Homogenität der Liste wird später noch einzugehen
sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob die
Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung einer
Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B. Meyer,
in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis,
1989, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des Fraktionssta-
tus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2006, S. 176,
177; Demmler, Der Abgeordnete im Parlament der Fraktio-
nen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und Besetzung parlamen-
tarischer Gremien, S. 331 f., ausdrücklich sowohl für Partei-
lose als auch für Mitglieder anderer Parteien, sofern diese
nicht miteinander konkurrieren; vgl. grundsätzlich auch
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Aufl., Ergänzungsin-
formation zur Bundestagswahl 2005, S. 10). Einschränkun-
gen finden sich erst mit Blick auf die nähere Zusammenset-
zung einer Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorge-
hens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber gemein-
sam von zwei oder mehr Parteien eingereicht werden darf.
Dieses Verbot einer zumeist so genannten Listenvereini-
gung wird u. a. in den Bestimmungen des § 27 Abs. 2 und
des § 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut jeweils nur
von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird dieses Verbot da-
durch, dass im Anschluss an ein Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 29. September 1990 (BVerfGE 82, 322,
346 f.), das die erste gesamtdeutsche Wahl am 2. Dezember
1990 betraf, durch eine Übergangsregelung nur für diese
Wahl Listenvereinigungen konkurrierender Parteien und
Vereinigungen mit Sitz auf dem Gebiet der ehemaligen
DDR zugelassen waren (vgl. Schreiber, a. a. O., § 7 Rn. 1).

Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einparteiiger
Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch die Aufstellung
der 16 Landeslisten durch die Linkspartei.PDS unter Einbe-
ziehung von Mitgliedern der WASG bzw. Parteilosen und
die anschließende Zulassung der Listen durch die jeweils
zuständigen Landeswahlausschüsse umgangen worden.

Zunächst untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip, dass
eine Liste nur von einer Partei aufgestellt werden darf, nicht
notwendig, in die Liste auch Mitglieder dritter Parteien oder
Parteilose aufzunehmen, da zwischen der Verantwortung
bzw. Zurechnung einer Liste und deren Zusammensetzung
zu trennen ist.

Die betreffenden Listen sind aber auch der jeweils ein-
reichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich also nicht

partei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland verwen-
deten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Umgehung
der wahlrechtlichen Anforderungen an die Listenaufstel-
lung und -zusammensetzung lässt sich nicht feststellen.
Zunächst fehlt es an einem vorgegebenen, auf äußere
Merkmale abstellenden Maßstab zur Beantwortung der
Frage, wann durch Aufnahme von Parteifremden oder Par-
teilosen eine Liste ihre Zurechenbarkeit zur einreichenden
Partei verliert und Vorgaben des § 27 BWG umgangen
werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der „Handreichung“ des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem Ab-
stellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einreichenden
Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maßstab. Dabei
überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die Gesamtheit
einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden kann, ob die
Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der einreichenden
Partei besetzt wird. Einem derartigen Ansatzpunkt könnte
nahezu immer entsprochen werden, indem – an welchen
Stellen auch immer – genügend eigene Parteimitglieder
nominiert würden. Vielmehr ist auch auf mögliche Erfolgs-
aussichten für die jeweiligen Bewerber auf Einzug in den
Bundestag zu achten, die sich danach bemessen, wo und in
welcher Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils fin-
den. Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter
vorgeschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel be-
sonders herausgehobenen Fünferblock abzustellen sei und
Vergleichbares für die folgenden Fünferblöcke erwartet
werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in der
Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht. Werden
unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tatbestand
bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, geben sie zu
keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglieder der Links-
partei.PDS auf jeder Landesliste im ersten Fünferblock die
Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt, mit einer Ausnahme,
auch für alle folgenden Blöcke aller Listen. Soweit in Hes-
sen unter den Plätzen 16 bis 20 drei WASG-Mitglieder auf-
geführt sind, lässt dies diese Liste angesichts der hinteren
Platzierung und der 14 Linkspartei.PDS-Mitglieder auf
einer insgesamt 20 Personen umfassenden Liste nicht unzu-
lässig werden. Dass sich vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-
Westfalen, auf dem ersten Platz ein WASG-Mitglied befand,
ist im hier geprüften Zusammenhang unerheblich.

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung ab-
stellende Kriterium hinaus ergeben sich im Falle der hier
angefochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf materi-
elle Gesichtspunkte abstellenden Homogenitätsprüfung keine
Einwände gegen die Zulassung der Listen. Ungeklärt sind
zunächst – auch angesichts fehlender Aussagen im Bundes-
wahlgesetz – die Geltung und der Bedeutungsgehalt einer
auf inhaltliche Aspekte abstellenden Homogenität.

Zwar ist bei der Wahlprüfungsentscheidung der V. Wahlpe-
riode (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3 f.) im Anschluss
an eine das nordrhein-westfälische Kommunalwahlrecht be-
treffende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von
1960 (BVerfGE 11, 351 ff.) von einem auch materielle As-
pekte umfassenden Homogenitätsbegriff ausgegangen wor-
den. Dabei sei im Falle der Kandidatur eines parteifremden
um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen Wahlvor-
schlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der Links-

Bewerbers auf den konkreten Einzelfall abzustellen, wobei
es nicht nur auf die politische Richtung des Landesverban-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/5700

des der fremden Partei ankommen sollte, sondern auch auf
die politische Auffassung des auf der Landesliste kandidie-
renden parteifremden Kandidaten. Die Homogenität ist
dann im konkreten Fall vom Wahlprüfungsausschuss bejaht
worden, da die Bewerber, die einer nicht selbst zur Wahl an-
tretenden Partei angehörten, mit ihrer Kandidatur die politi-
schen Grundsätze der die Liste aufstellenden Partei aner-
kannt hätten. Außerdem sei die aufstellende Partei bei Auf-
nahme der Bewerber auf ihre Liste davon ausgegangen,
dass die Bewerber sich bei ihren Entscheidungen zu den
politischen Grundsätzen der aufnehmenden Partei bekennen
würden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Vorgehen von Links-
partei.PDS und WASG nicht als Umgehung des Bundes-
tagswahlrechts dar. Zwar verfügten im Vorfeld der Wahl
beide jeweils über ein eigenes Programm. Inwieweit diese
Programme in wesentlichen Punkten Unterschiede aufwei-
sen oder sogar im Widerspruch zueinander stehen, muss
hier jedoch angesichts der spezifischen Bedingungen des
Vorgehens von Linkspartei.PDS und WASG nicht geprüft
werden, zumal die Möglichkeit einer derartigen Prüfung
und Bewertung durch die Landeswahlausschüsse auch an-
gesichts des jeweils verfügbaren Zeitrahmens als fraglich
erscheint.

So wurde, wie u. a. aus den oben beschriebenen zwei „Ko-
operationsabkommen“ vor der Bundestagswahl ersichtlich,
nicht nur ein koordiniertes Vorgehen mit Blick auf die
Wahlteilnahme, sondern darüber hinaus die Bildung einer
neuen Partei angestrebt. Diese Schritte waren bereits mit der
Formulierung gewisser erster programmatischer Aussagen
verbunden. Diese Planungen waren auch für die Öffentlich-
keit ohne weiteres wahrnehmbar. Damit ist eine gemein-
same politische Zielsetzung erkennbar, die über formal-
technisches Zusammengehen zur Erlangung wahlrechtlicher
und gegebenenfalls parlamentsrechtlicher Vorteile qualitativ
hinausgeht. Somit kann nicht von einer Irreführung der
Wähler ausgegangen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemeinsame
Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts entgegen, wonach die Aufstellung einer
Liste nur sinnvoll ist, wenn sich die auf ihr zusammenge-
fassten Bewerber durch ein gemeinsames Programm ver-
bunden fühlen. Dieser Entscheidung kann nämlich nicht
entnommen werden, dass es nur auf das Vorhandensein
eines Programms in einem formell verstandenen Sinne an-
kommt.

Auch Erwägungen, die das Verbot der Verbindung von Lis-
ten verschiedener Parteien tragen, wie z. B. die Erlangung
ungerechtfertigter und der Wahlrechtsgleichheit oder Chan-
cengleichheit der Parteien zuwiderlaufender Vorteile bezüg-
lich der Fünf-Prozent-Sperrklausel bzw. die zumindest für
eine Seite entbehrliche Beibringung von Unterstützungsun-
terschriften, greifen angesichts der Unterschiedlichkeit der
Sachlagen im Vergleich konkurrierender Parteien einerseits
und des hier interessierenden Vorgehens andererseits nicht
durch. Während bei einem als verfassungswidrig eingestuf-
ten „Huckepackverfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7)
zwei Parteien, die beide mit Landeslisten antreten, derge-
stalt kooperieren, dass die eine der anderen sichere Wahl-

zudem mit der anderen nicht nur wahltaktisch zusammen-
arbeiten, sondern einen Zusammenschluss erreichen will.
Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch daran, dass
laut Bundesverfassungsgericht im Falle einer Listenvereini-
gung, bei der in verfestigter Form des Zusammenwirkens
mehrere Parteien eine gemeinsame Liste aufstellen, die
gleichmäßige Wirkung der Fünf-Prozent-Sperrklausel ge-
rade nicht aufgehoben wird (BVerfGE 82, 322, 346; vgl.
z. B. Roth, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, Artikel 38
Rn. 61; vgl. aber auch Graßhof/Klein, Die Wahl wäre un-
gültig, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. August
2005: Sinnverfehlung der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu ver-
stehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des Vorge-
hens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrensmäßiger
und programmatischer Hinsicht erkennbar sind. In diesem
Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass die Listen
nicht einheitlich unter einem einzigen Namen firmierten. Es
ist davon auszugehen, dass dem Wähler schon angesichts
der Medienbegleitung der Abläufe im Vorfeld der Bundes-
tagswahl der Gesamtzusammenhang bekannt gewesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künftigen
Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war, um eine
Zulassung der allein von einer Partei eingereichten Listen
zu erreichen und damit möglicherweise angesichts der Fünf-
Prozent-Hürde die Erfolgschancen je nach Wahlgebiet zu
erhöhen, waren nicht ersichtlich. Auch im Nachhinein sind
– ungeachtet einzelner konkurrierender Antritte bei Land-
tagswahlen – insbesondere angesichts der auf Parteitagen
und in Urabstimmungen beider Parteien beschlossenen
Fusion keine derartigen Anhaltspunkte erkennbar geworden.

VI.

Auch die Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses un-
mittelbar nach der Hauptwahl stellt keinen Wahlfehler dar
(vgl. auch schon Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlagen 1
bis 25). Nach den einschlägigen Regelungen des Bundes-
wahlgesetzes und der Bundeswahlordnung ist eine derartige
unmittelbare Bekanntgabe nach einer Wahl verpflichtend,
ohne dass für den Fall einer Nachwahl eine Ausnahme vor-
gesehen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahlleiter
nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahlnieder-
schriften möglichen Überprüfungen die vorläufigen Wahl-
ergebnisse mündlich oder in geeigneter anderer Form be-
kannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71 BWO eine Reihung
aufeinander folgender Feststellungen und Schnellmeldun-
gen an das jeweils nächsthöhere Wahlorgan, sobald das
Wahlergebnis im Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflich-
tet Absatz 3 die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen. Glei-
ches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahlleiter gegen-
über dem Bundeswahlleiter. Diese Regelungen sind ab-
schließend; sie enthalten keine Lücke für den Fall einer
Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl und Nachwahl zwei
getrennte Vorgänge, wie der schon erwähnte § 43 Abs. 3
BWG verdeutlicht. Daher gibt es auch schon nach der
Hauptwahl ein vorläufiges Ergebnis im Sinne dieser Be-
stimmung. Zum anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die
Nachwahl selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpas-
kreise überlässt, um die Überwindung der Grundmandats-
klausel zu ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an, die

sungen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpassungs-
befugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter oder des Bun-

Drucksache 16/5700 – 78 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

deswahlleiters. Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen
Schrifttum von einer durch die Bundeswahlordnung vorge-
gebenen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen (Sei-
fert, Bundeswahlrecht, 3. Aufl., 1976, § 43 Rn. 6; Schreiber,
a. a. O., § 43 Rn. 1; Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242;
ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468).

Auch verfassungsrechtliche Einwände, insbesondere we-
gen des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl, wonach jede
Stimme den gleichen Zählwert und im Rahmen des vom
Gesetzgeber festgelegten Wahlsystems die gleiche recht-
liche Erfolgschance haben muss (vgl. z. B. BVerfGE 95,
408, 417), greifen nicht durch. Zwar konnten die Wähler im
Wahlkreis 160 in Kenntnis der Ergebnisse im übrigen Bun-
desgebiet ihre Stimme gezielter abgeben, da es z. B. in den
Medien und im Internet Hinweise für mögliches taktisches
Stimmverhalten gab. Ob dies auch verfassungsrechtlich als
Eingriff in die Gleichheit des Erfolgswerts zu werten ist, ist
aber nicht eindeutig zu bejahen, kann aber offen bleiben, da
ein möglicher Eingriff jedenfalls gerechtfertigt wäre. Der
Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass jede
Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen gleichen
Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl den gleichen Ein-
fluss auf die parteipolitische Zusammensetzung des Parla-
ments haben kann (vgl. z. B. BVerfGE 95, 335, 353) bzw.
im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten Wahlsystems
die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss (BVerfGE
95, 408, 417).

Geht man von der letztgenannten, von der gleichen rechtli-
chen Erfolgschance sprechenden Entscheidung aus, ist zu
berücksichtigen, dass es für die Nachwahl keine gesonder-
ten Bestimmungen gibt. Sie findet vielmehr nach denselben
Vorschriften und auf denselben Grundlagen wie die Haupt-
wahl statt (§ 43 Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl
abgegebenen Stimmen nach den für die Hauptwahl gelten-
den Vorschriften berücksichtigt werden. So unterscheidet
sich die Regelung über die Nachwahl von denjenigen Rege-
lungen, die die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundmandats-
klausel festlegen oder Überhangmandate und ein Stimmen-
splitting ermöglichen und sich damit auf manche Stimm-
abgabe rechtlich auswirken. Diese Regelungen sind vom
Bundesverfassungsgericht jeweils als – gerechtfertigter –
Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit bewertet worden
(BVerfGE 95, 408, 419, 421 sowie 95, 335, 357 ff. sowie
367). Dieser Umstand spricht dagegen, eine unterschiedli-
che rechtliche Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entscheidung
aus, die nur auf den gleichen Einfluss auf die parteipoliti-
sche Zusammensetzung des Parlaments abstellt, dürfte die
Chance eines taktischen Wählens als Eingriff in die Wahl-
rechtsgleichheit zu werten sein. Davon abgesehen könnte
die Bewertung, dass eine mögliche taktische Stimmabgabe
nur eine tatsächlich, nicht aber rechtlich unterschiedliche
Erfolgschance gewährt, den Einwand einer engen und for-
malen Sichtweise der Bedeutung der gleichen rechtlichen
Erfolgschance hervorrufen. Sofern man auf denselben prak-
tischen Erfolgswert für die Bemessung des Wahlergebnisses
abstellt, kommt der Stimme des Nachwählers, der denkbare
Auswirkungen kennt, praktisch ein höherer Erfolgswert zu,

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der Wahl ein-
gegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz aber nicht unbe-
grenzt; vielmehr sind Differenzierungen zulässig. Insofern
erkennt das Bundesverfassungsgericht nur einen eng bemes-
senen Spielraum an. Dieser wird unter dem Begriff des
„zwingenden Grundes“ zusammengefasst. Differenzierun-
gen müssen sich aber nicht von Verfassung wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig sind auch
Gründe, die durch die Verfassung legitimiert sind und ein
Gewicht haben, das der Wahlrechtsgleichheit die Waage
halten kann. Dabei muss die Verfassung nicht gebieten,
diese Zwecke zu verwirklichen. Das Bundesverfassungs-
gericht rechtfertigt auch Differenzierungen durch „zurei-
chende“, „aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der
Volksvertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE 95,
408, 418, mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist, wie
noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der besonderen,
auch verfassungsrechtlich legitimierten Anforderungen an
die Abwicklung einer Wahl auszugehen, die als zureichende
Differenzierungsgründe eingeordnet werden können. Ein
Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse
der Hauptwahl widerspräche dem Grundsatz, die Auszäh-
lung der Stimmen so transparent wie möglich zu gestalten,
um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die korrekte Feststel-
lung des Wahlergebnisses zu gewährleisten. Dem dient die
Öffentlichkeit der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10
Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die Wahl-
vorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jedermann bei der
Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses Zutritt
zum Wahlraum. Dies bietet zum einen interessierten Wahl-
berechtigten die Grundlage, die wahlrechtlich vorgegebenen
Schritte zu verfolgen und sich von deren ordnungsgemäßer
Abwicklung zu überzeugen. Zugleich bietet es insbesondere
aber Medien oder Meinungsforschungsinstituten die Mög-
lichkeit, die Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und
diese hochzurechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Be-
kanntmachung böte also keine Gewähr, durch das Vorent-
halten entsprechender Informationen ein taktisches Stimm-
verhalten zu verhindern (vgl. auch Schreiber, a. a. O., § 43
Rn. 1 am Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und
die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei der Haupt-
wahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzubehalten,
stünde also nicht im Einklang mit einem auf das Demokra-
tieprinzip zurückzuführenden Transparenzgebot bei der
wahlrechtlich vorgegebenen Ermittlung der Wahlergeb-
nisse. Fraglich erscheint überdies, ob entsprechende Rege-
lungen auch angesichts der großen Zahl der Beteiligten
überhaupt geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder
zumindest repräsentative Resultate geheim zu halten (vgl.
auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches dürfte für
mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinausgehende Verbote an
Medien oder Meinungsforschungsinstitute gelten, auf jeg-
liche Berichterstattung mit Blick auf eine noch bevorste-
hende Nachwahl zu verzichten.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine Stimm-
abgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbekannt, wie die
Bestimmungen über die Ersatzwahl bei Ausscheiden eines
Wahlkreisabgeordneten ohne Nachrückmöglichkeit (§ 48
zumal die mögliche spätere Stimmabgabe rechtlich durch
§ 43 BWG eingeräumt wird.

Abs. 2 BWG) oder eine Wiederholungswahl bei erfolgrei-
cher Wahlanfechtung (§ 44 BWG) zeigen. Schließlich ist

Drucksache 16/5700 destag – 16. Wahlperiode
– 79 – Deutscher Bun

ein taktisches Stimmverhalten auch in anderen Zusammen-
hängen zu beobachten und nicht als Verstoß gegen den
Grundsatz der Gleichheit der Wahl behandelt worden. Zu
erinnern ist an die Möglichkeit, Erst- und Zweitstimme zu
splitten, um so z. B. einer Partei mit der Erststimme ein
Überhangmandat zu verschaffen und gleichzeitig mit der
Zweitstimme die Sitzzahl eines denkbaren Koalitionspart-
ners dieser Partei zu erhöhen oder diesem das Überschreiten
der Fünf-Prozent-Hürde zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 95,
335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Auszählung
der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss der Nachwahl
würde die enge Verbindung zwischen der Wahlhandlung
und der unmittelbar anschließenden Ergebnisermittlung auf-
heben. Dies könnte im Hinblick auf den aus dem Demokra-
tieprinzip abzuleitenden Grundsatz der Öffentlichkeit der
Wahl Bedenken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch organisatorische
und ergebnissichernde Gesichtspunkte, auf die auch der
Bundeswahlleiter aufmerksam gemacht hat.

VII.

Auch hinsichtlich des Vorbringens der Einspruchsführer,
dass die Bundestagswahl wegen einer Verfassungswidrig-
keit der vorangegangenen Bundestagsauflösung ungültig
sei, liegt ein Wahlfehler nicht vor. Der Wahlprüfungsaus-
schuss und der Deutsche Bundestag sind in ihrer Entschei-
dung nämlich gemäß § 31 des Bundesverfassungsgerichts-
gesetzes an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
25. August 2005 (BVerfGE 114, 121 ff.) und damit an die
Feststellung gebunden, dass die Anordnungen des Bundes-
präsidenten vom 21. Juli 2005, den 15. Deutschen Bundes-
tag aufzulösen und die Wahl auf den 18. September 2005
festzusetzen, nicht gegen das Grundgesetz verstoßen haben.

Ländereinführungsgesetz die Bildung dieser Länder erst mit
Wirkung zum 14. Oktober 1990 vorgesehen. Damit sei mit

schriften auf der Grundlage des § 52 Abs. 3 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG) abgekürzt habe, so dass diese bis zum
II.

Der Einspruchsführer ist darüber hinaus der Auffassung,
dass die Anzahl der Unterstützungsunterschriften, die Par-

III.

Ferner behauptet der Einspruchsführer, in Baden-Württem-
berg habe die Partei Allianz für Gesundheit, Frieden und
dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 und
dem damit verbundenen Ende der DDR die „territoriale
Neugliederung […] faktisch gestoppt“ worden. Eine den im
Ländereinführungsgesetz entsprechende Ziehung der Län-
dergrenzen hätte damit nur noch in dem in Artikel 29 des
Grundgesetzes (GG) geregelten Neugliederungsverfahren
erfolgen können. Da dies nicht geschehen sei, seien die Län-
der Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sach-
sen-Anhalt, Sachsen und Thüringen „noch in den Grenzen
vom 31.8.1990 zu behandeln.“ Der Einspruchsführer legt
dar, welche Grenzziehungen und „Verschiebungen der an-
teiligen Sitze je Bundesland und Partei“ sich daraus seiner
Auffassung nach ergeben. Es wird insoweit auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.

15. August 2005 einzureichen gewesen seien, andererseits
aber nicht die Unterschriftenquoren abgesenkt habe. Es
werde zwar nicht verkannt, dass sich § 52 Abs. 3 BWG
nicht auf die Verringerung der Anforderungen hinsichtlich
der Zahl der beizubringenden Unterstützungsunterschriften
beziehe. Es sei dem Bundesministerium des Innern aber un-
benommen gewesen, eine entsprechende gesetzliche Rege-
lung herbeizuführen. Der Einspruchsführer führt eine Reihe
von Landeslisten an, darunter auch solche der Offensive D,
die nicht zur Wahl zugelassen worden seien, weil nicht die
erforderliche Anzahl von Unterstützungsunterschriften bei-
gebracht worden sei. Im Hinblick auf den weiteren Vortrag
des Einspruchsführers zu diesem Punkt wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Der Einspruchsführer, der sich in der Partei Rechtsstaat-
licher Offensive (Offensive D) engagiert, hat mit Schreiben
vom 15. November 2005, das am 16. November 2005 beim
Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist, Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag ein-
gelegt. Er stützt seinen Einspruch auf eine Reihe von Grün-
den.

I.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass bei der Glie-
derung des Wahlgebietes nicht die richtigen Grenzen der
Bundesländer zugrunde gelegt worden seien. Fälschlicher-
weise sei nämlich von den in § 1 des Ländereinführungsge-
setzes der DDR vom 22. Juli 1990 (BGBl. I S. 955) festge-
legten Grenzziehungen ausgegangen worden. Zwar sei in
Artikel 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages vom 31. August
1990 (BGBl. II S. 885) im Hinblick auf die Bildung und die
Grenzen der neuen Bundesländer auf das Ländereinfüh-
rungsgesetz Bezug genommen worden. Jedoch habe das

fünf Abgeordneten vertreten waren, beibringen mussten, um
Wahlvorschläge einzureichen, unter den Bedingungen einer
vorgezogenen Neuwahl zu hoch gewesen sei. Parteien, die
Unterstützungsunterschriften hätten beibringen müssen,
seien dadurch gegenüber „etablierten“ Parteien, die das
nicht hätten tun müssen, benachteiligt und in ihrem verfas-
sungsrechtlich verankerten Recht auf Chancengleichheit aus
Artikel 3 Abs. 1, Artikel 21 Abs. 1 und Artikel 38 Abs. 1
Satz 1 GG verletzt worden. Zudem seien indirekt dadurch
auch nichtdeutsche EU-Bürger in ihren Rechten aus dem
Europawahlgesetz und der Richtlinie 93/109/EG 1993
(ABl. L 329 vom 30. Dezember 1993, S. 34) verletzt wor-
den.

Der Verkürzung des für die Wahlvorbereitung, insbesondere
für das Sammeln von Unterstützungsunterschriften, zur Ver-
fügung stehenden Zeitraumes, hätte durch eine Absenkung
der Unterschriftenquoren Rechnung getragen werden müs-
sen. Es sei insbesondere unbillig gewesen, dass das Bundes-
ministerium des Innern einerseits die Fristen für die Ein-
reichung der Wahlvorschläge nebst Unterstützungsunter-

Anlage 17

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn P-A. v. d. M., 22115 Hamburg
– Az.: WP 158/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
teien, welche im Deutschen Bundestag oder einem Landtag
seit deren letzter Wahl nicht ununterbrochen mit mindestens

Soziale Gerechtigkeit (AGFG) auch deshalb nicht die für
eine Teilnahme an der Bundestagswahl erforderliche An-

Drucksache 16/5700 – 82 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zahl von Unterstützungsunterschriften beibringen können,
weil die Kommunen in Baden-Württemberg durch unzu-
längliche Öffnungszeiten eine melderechtliche Bestätigung
der Unterschriften gar nicht oder verspätet bearbeitet hätten.
Dieses Bundesland habe 1 110 Städte und Gemeinden. Dies
bedeute, dass 1 110mal keine maximale Ausschöpfung der
Fristen der Wahlordnung stattgefunden habe. Wenn dann
eine Partei nicht an der Wahl teilnehmen könne, obwohl sie
1 558 von 2 000 Unterschriften gesammelt habe, liege die
Ursache im Versagen der Veranstalter dieser Bundestags-
wahl und sei undemokratisch. Auch die Partei Deutsche Ge-
meinschaft für Gerechtigkeit (DGG) habe in einer öffent-
lichen Sitzung des Bundeswahlausschusses durch ihren
Bundesvorsitzenden auf massive Behinderungen durch die
Kommunen hingewiesen, wobei z. B. die Gemeinde Önin-
gen auf der Röhrie genannt worden sei. Leidtragender der
„unsäglichen Vorgänge“ in Baden-Württemberg sei auch die
Deutsche Zentrumspartei gewesen. Schließlich erwähnt der
Einspruchsführer, dass auch die Parteien Partei für Arbeit,
Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokra-
tische Initiative (DIE PARTEI) und Pro Deutsche Mitte –
Initiative Pro D-Mark (Pro DM) nicht die geforderten Un-
terschriften hätten beibringen können.

Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg,
die zu dem Vorbringen des Einspruchsführers Stellung ge-
nommen hat, trägt vor, dass die Gemeinden vor der Wahl
schriftlich darauf hingewiesen worden seien, dass die Be-
scheinigungen des Wahlrechts der Unterzeichner bei Unter-
stützungsunterschriften im Hinblick auf die verkürzten Fris-
ten für die Einreichung der Wahlvorschläge vorrangig und
unverzüglich zu erteilen seien. Konkrete Beschwerden der
Parteien, dass die Gemeinden diesen Hinweis nicht beachtet
hätten, lägen nicht vor. Das Wahlamt der Stadt Stuttgart sei
beispielsweise durchgängig von 7 Uhr bis 17 Uhr geöffnet
gewesen. Sofern in größerem Umfang Unterstützungsunter-
schriften zu bescheinigen gewesen seien, hätten die Partei-
vertreter die Formblätter nach kurzer Wartezeit am gleichen
Tag wieder mitnehmen können. Auch aus Stellungnahmen
weiterer Gemeinden sei zu entnehmen, dass vor allem ge-
gen Ende der Einreichungsfrist alles getan worden sei, um
die Bescheinigungen rechtzeitig auszustellen. Natürlich
könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei 1 110 Städten
und Gemeinden und rund 23 000 Unterstützungsunter-
schriften für die Landeslisten im Einzelnen Verzögerungen
vorgekommen seien. Die angesichts der verkürzten Fristen
und der Ferienzeit erheblich gesteigerten technisch-organi-
satorischen Anforderungen an die Sammlung der Unterstüt-
zungsunterschriften hätten aber nicht zu überhöhten Anfor-
derungen an die Gemeinden führen dürfen, zu denen diese
nicht verpflichtet seien. Die von dem Einspruchsführer an-
gesprochenen verlängerten Öffnungszeiten der Rathäuser
für die Ausstellung der Wahlrechtsbescheinigungen seien
gesetzlich nicht vorgeschrieben.

Auch im Hinblick auf die vom Einspruchsführer benannten
Parteien sei nicht erkennbar, dass diese die für die Einrei-
chung von Landeslisten in Baden-Württemberg erforder-
lichen 2 000 Unterstützungsunterschriften wegen Fehlver-
haltens von Gemeinden nicht haben rechtzeitig sammeln
und einreichen können.

17. August 2005 gültig gewesen seien. Am 18. August 2005
seien noch nachträglich zwei Formblätter mit Unterstüt-
zungsunterschriften eingegangen, bei denen das Bürger-
meisteramt bestätigt habe, dass durch ein Versehen auf-
grund einer Urlaubsvertretung die Formblätter nicht frist-
gerecht weitergeleitet worden seien. Am gleichen Tage sei
noch ein weiteres Formblatt eingegangen, das von der
unterstützenden Wahlberechtigten am 4. August 2005 unter-
zeichnet und am gleichen Tag vom Bürgermeisteramt be-
scheinigt worden sei, von der Post aber wegen der unvoll-
ständigen Anschrift habe nachadressiert werden müssen.
Für die Sitzung des Landeswahlausschusses am 19. August
2005 sei keines dieser drei Formblätter mehr berücksichtigt
worden, obwohl nach Auffassung der Landeswahlleiterin
die wegen der Urlaubsvertretung nicht fristgerecht weiter-
geleiteten Formblätter durchaus hätten anerkannt werden
können. Jedoch sei am 18. August 2005 erkennbar gewesen,
dass die AGFG die geforderten 2 000 Unterstützungsunter-
schriften deutlich verfehlen würde. Nachdem der Landes-
wahlausschuss die Liste nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWG
zurückgewiesen habe, habe die Vertrauensperson am
23. August 2005 gegen die Zurückweisung der Landesliste
Beschwerde eingelegt. In der Begründung habe sie auf un-
zureichende Öffnungszeiten der Ämter, die bei den knappen
personellen Ressourcen eine Anfahrt der Ämter zur Ein-
holung der Wahlrechtsbescheinigung nicht erlaubt hätten,
lange Bearbeitungszeiten sowie die Urlaubszeit und die ver-
kürzten Fristen hingewiesen. Die Vertrauensperson habe
ferner erklärt, dass ihr weitere 46 verspätet zurückgesandte
Formblätter sowie noch nicht bescheinigte 432 Formblätter
vorliegen würden. Sie habe diese Formblätter aber nicht
vorgelegt und auch keine Gemeinden konkret benannt, die
hätten Stellung nehmen können. Es sei daher nicht substan-
tiiert vorgetragen worden, dass die noch notwendigen und
als gültig anzuerkennenden 440 Unterstützungsunterschrif-
ten durch Umstände, die von der AGFG nicht zu vertreten
gewesen seien, nicht hätten erbracht werden können. Der
Bundeswahlausschuss habe deshalb die Beschwerde der
AGFG am 25. August 2005 zurückgewiesen.

Im Hinblick auf die DGG trägt die Landeswahlleiterin vor,
dass deren Landesliste am 17. August 2005, 9.15 Uhr und
damit nach Ablauf der Einreichungsfrist (15. August 2005,
18 Uhr) mit 142 Formblättern für Unterstützungsunter-
schriften bei ihr eingegangen sei. Grund für den verspäteten
Eingang sei die falsche Adressierung durch den Landesvor-
sitzenden der Partei gewesen, der zwar auf dem Umschlag
das richtige Postfach angegeben habe, aber zugleich „Statis-
tisches Landesamt“. Die genaue Anschrift der Landeswahl-
leiterin hätte dem Landesvorsitzenden durch ein ihm über-
mitteltes Informationsblatt zur Bundestagswahl sowie die
Bekanntmachung zur Einreichung der Landeslisten bekannt
gewesen sein müssen. Weitere 19 Formblätter, die am
15. August 2005 gegen 16.30 Uhr in der Geschäftsstelle des
Kreiswahlleiters des Wahlkreises 288 (Konstanz) abgege-
ben worden seien, seien ebenfalls am 17. August 2005 bei
der Landeswahlleiterin eingegangen. Die Landesliste sei am
19. August 2005 vom Landeswahlausschuss zurückgewie-
sen worden, da sie verspätet eingegangen und das Unter-
schriftenquorum von 2 000 Unterstützungsunterschriften
nicht erfüllt gewesen sei (§ 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2
So habe die AGFG 1 577 Unterstützungsunterschriften mit
ihrer Landesliste eingereicht, von denen 1 558 zum Stand

BWG). Hiergegen sei am 19. August 2005 Beschwerde ein-
gelegt worden, die allerdings nicht mit unzureichenden

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 83 – Drucksache 16/5700

Wahlrechtsbescheinigungen durch Gemeinden, insbeson-
dere durch die vom Einspruchsführer genannte Gemeinde
Öningen, begründet worden sei. Der Bundeswahlausschuss
habe die Beschwerde am 25. August 2005 zurückgewiesen.

Die Deutsche Zentrumspartei habe für ihre Landesliste 260
Unterstützungsunterschriften, davon 226 gültige einge-
reicht, worauf der Landeswahlausschuss die Landesliste am
19. August 2005 gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWG zu-
rückgewiesen habe. Die hiergegen eingelegte Beschwerde
sei vornehmlich mit der Verfassungswidrigkeit von Bestim-
mungen des Bundeswahlgesetzes begründet worden. Im Er-
gebnis sei zwar auch darauf hingewiesen worden, dass Ge-
meinden die Aufgabe der Bescheinigung der Unterstüt-
zungsunterschriften nicht in ausreichendem Umfang wahr-
genommen hätten. Gemeinden seien aber nicht konkret
benannt worden. Die Beschwerde sei am 25. August 2005
vom Bundeswahlausschuss zurückgewiesen worden.

Im Hinblick auf die Parteien DIE PARTEI und Pro DM trägt
die Landeswahlleiterin vor, dass deren Landeslisten am
19. August 2005 gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BWG vom
Landeswahlausschuss zurückgewiesen worden seien, weil
erstere nur 1 149 Unterstützungsunterschriften, davon 1 129
gültige, eingereicht gehabt habe, letztere nur 975, davon
971 gültige.

Der Einspruchsführer hat in Erwiderung auf die Stellung-
nahme der Landeswahlleiterin ausgeführt, aus dem Gleich-
heitsgebot des Artikels 3 GG ergebe sich, dass sowohl der
Bürger als auch die Exekutive bei verkürzten Fristen „mehr
zu leisten haben“. Alle Gemeinden in Baden-Württemberg
hätten gleiche Öffnungszeiten vorhalten müssen für die
Handlungen, die für die Einhaltung des Wahlgesetzes erfor-
derlich gewesen seien.

IV.

Die baden-württembergische Landesliste der NPD hätte
nach Auffassung des Einspruchsführers nicht zugelassen
werden dürfen. Sie sei auch zunächst zu Recht vom Landes-
wahlausschuss zurückgewiesen worden. Der Bundeswahl-
ausschuss habe sie dann aber, obwohl er den Beschwerde-
vortrag lebensfremd gefunden habe, aufgrund vermutlich
„getürkter“ Unterlagen zur Bundestagswahl zugelassen.

Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg
trägt in ihrer Stellungnahme hierzu vor, dass die Liste vom
Landeswahlausschuss zurückgewiesen worden sei, weil
nach dessen Auffassung an der Vertreterversammlung zur
Wahl der Listenbewerber entgegen § 21 Abs. 1 BWG auch
nicht gewählte Landesvorstandsmitglieder, die nach der
NPD-Satzung den Status eines Delegierten „kraft Amtes“
gehabt hätten, teilgenommen hätten. Auf die Beschwerde
der NPD habe der Bundeswahlausschuss deren Landesliste
jedoch zugelassen, da ihn Protokolle von Mitgliederver-
sammlungen der Kreisverbände vorgelegt worden seien, aus
denen hervorgegangen sei, dass die fraglichen sieben Perso-
nen alle auch zu Delegierten gewählt worden seien.

In der Niederschrift über die zweite Sitzung des Bundes-
wahlausschusses vom 25. August 2005 heißt es dazu auf
Seite 14: „Der Landeswahlausschuss musste in seiner Sit-
zung vom 19. August 2005 davon ausgehen, dass bei der
Aufstellung der Landeslisten der NPD Baden-Württemberg

hörten. Dies hatte die Vertrauensperson auf mehrfache
Nachfrage der Landeswahlleiterin ausdrücklich bestätigt
[…]. Dem Bundeswahlausschuss stellte sich der Sachver-
halt aufgrund des weiteren Vorbringens der Beschwerdefüh-
rerin vom 23. August 2005 jedoch anders dar. Nach der
glaubhaften und mit Protokollen der betreffenden Mitglie-
derversammlung belegten Darstellung der Vertrauensperson
waren sämtliche sieben Landesvorstandsmitglieder, die sich
an der Bewerberwahl beteiligt hatten, durch Mitgliederver-
sammlungen auch als Delegierte zur Aufstellung der Lan-
desliste gewählt.“

Der Einspruchsführer hat sich zur Zulassung der Landesliste
der NPD nicht erneut geäußert.

V.

Der Einspruchsführer moniert außerdem, dass die geladene
Vertrauensperson der Brandenburgischen Landesliste der
Offensive D nicht an der Sitzung des Bundeswahlausschus-
ses am 25. August 2005 habe teilnehmen können. Dieser sei
der Zutritt zum Gebäude versagt worden. Dies sei ein Ver-
stoß gegen das Grundgesetz, das vorschreibe, dass dem Be-
troffenen grundsätzlich Gehör zu gewähren sei.

Der Bundeswahlleiter, der zu diesem Vorbringen Stellung
genommen hat, teilt mit, dass die Vertrauensperson ebenso
wie die stellvertretende Vertrauensperson mit Schreiben
vom 22. August 2005 per Postexpress ordnungsgemäß nach
§ 42 Abs. 2 der Bundeswahlordnung (BWO) zur zweiten
Sitzung des Bundeswahlausschusses am 25. August 2005 in
das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Deutschen Bundes-
tages geladen worden seien. In diesem Schreiben, dass der
Bundeswahlleiter in Kopie seiner Stellungnahme beigefügt
hat, heißt es: „Nach den Sicherheitsbestimmungen des
Deutschen Bundestages ist es für die Teilnahme an der Sit-
zung erforderlich, sich durch Vorlage eines Personalauswei-
ses auszuweisen.“ Beim Aufruf des Tagesordnungspunktes
„Beschwerde der Offensive D gegen die Zurückweisung
ihrer Landesliste in Brandenburg“ habe der anwesende Bun-
desvorsitzende der Offensive D erklärt, dass die Vertrauens-
person trotz Vorlage ihres Ausweises nicht eingelassen wor-
den sei und sich bereits wieder auf dem Heimweg befinde.
Sofortige Nachforschungen eines Mitarbeiters des Bundes-
wahlleiters bei der Pforte des Marie-Elisabeth-Lüders-Hau-
ses hätten aber ergeben, dass die Vertrauensperson sich ent-
gegen den Aussagen des Bundesvorsitzenden nicht habe
ausweisen können und deshalb abgewiesen worden sei.
Dies habe auch ein in der Sitzung anwesender Vertreter der
Offensive D nach einem Telefongespräch mit der Vertrau-
ensperson bestätigt. Daraufhin habe der Bundesvorsitzende
der Offensive D als deren Vertreter Gelegenheit zur Äuße-
rung in der Beschwerde gegen die Zurückweisung ihrer
Landesliste in Brandenburg erhalten. Die Beschwerde sei
einstimmig als unbegründet zurückgewiesen worden, da die
Offensive D für ihre Brandenburger Landesliste nur 112
gültige Unterstützungsunterschriften beigebracht habe, in
Brandenburg jedoch 2 000 Unterstützungsunterschriften er-
forderlich gewesen wären. Es könne daher ausgeschlossen
werden, dass bei Anwesenheit der Vertrauensperson und
Möglichkeit zur Äußerung eine andere Entscheidung getrof-
fen worden wäre.
Personen mit gewählt hatten, die der Vertreterversammlung
nur kraft ihres Amtes als Landesvorstandsmitglieder ange-

Der Einspruchsführer hat auf die Stellungnahme des Bun-
deswahlleiters mit einem am 4. April 2006 beim Deutschen

Drucksache 16/5700 – 84 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bundestag eingegangenen Telefax erwidert, dass es dem an-
wesenden Vertreter der Offensive D möglich gewesen sei,
ohne Ausweis in das Gebäude zu gelangen, was belege, dass
die für den Eintritt zuständigen Sicherheitskräfte unter-
schiedlich gehandelt hätten. Darüber hinaus habe der Bun-
deswahlleiter die Einladung für einen anderen Vertreter der
Offensive D ohne Angabe einer Hausnummer verschickt.
Hierdurch sei fahrlässig oder bewusst dessen Nichterschei-
nen in Kauf genommen worden.

VI.

Ferner behauptet der Einspruchsführer, dass der Landes-
wahlausschuss der Freien und Hansestadt Hamburg nicht
korrekt besetzt gewesen sei, weil die Offensive D im Ge-
gensatz zur Linkspartei kein Mitglied in den Landeswahl-
ausschuss habe entsenden dürfen. Ein Landeswahlausschuss
habe aus den Mitgliedern der Parteien, die bei der vorheri-
gen Bundestagswahl die meisten Wählerstimmen erhalten
hätten, zu bestehen. Die PDS habe mit 1,4 Prozent aber
deutlich weniger Stimmen bekommen als die Offensive D
mit 4,8 Prozent.

Der Landeswahlleiter der Freien und Hansestadt Hamburg,
der zu dem Einspruch Stellung genommen hat, trägt vor,
dass die Linkspartei keineswegs im Landeswahlausschuss
vertreten gewesen sei. Vielmehr seien dort die SPD mit drei
Sitzen, die CDU mit zwei Sitzen und die GRÜNEN mit
einem Sitz vertreten gewesen. Es seien bei der Auswahl
nämlich nur diejenigen Parteien einbezogen worden, die bei
der Bundestagswahl 2002 mehr als 5 Prozent der Zweitstim-
men in Hamburg erzielt hätten. Dies seien gewesen SPD
(42,0 Prozent), CDU (28,1 Prozent), GRÜNE (16,2 Pro-
zent) und FDP (6,8 Prozent). Von diesen seien nach dem
Zuteilungsverfahren Hare/Niemeyer wiederum nur SPD,
CDU und GRÜNE zum Zuge gekommen. Die Offensive D
habe bei der Bundestagswahl 2002 in Hamburg 4,2 Prozent
der gültigen Zweitstimmen erhalten (nicht 4,8 Prozent, wie
vom Einspruchsführer behauptet) und sei deshalb nicht be-
rücksichtigt worden. Bei der Berufung der Beisitzer des
Landeswahlausschusses sei die Ermessenvorschrift des § 4
Abs. 2 BWO zu beachten gewesen, wonach die Parteien in
der Regel in der Reihenfolge der bei der letzten Bundestags-
wahl in den jeweiligen Gebieten errungenen Zahlen der
Zweitstimmen angemessen berücksichtigt werden sollen.

Der Einspruchsführer räumt in seiner Erwiderung auf die
Stellungnahme des Landeswahlleiters seinen Irrtum bezüg-
lich der Vertretung der PDS im Landeswahlausschuss ein.
Gleichwohl sei § 4 Abs. 2 BWO aber nicht eingehalten wor-
den, weil dieser nicht vorsehe, dass die zu berücksichtigen-
den Parteien mindestens 5 Prozent der gültigen Zweitstim-
men erhalten haben müssten.

VII.

Der Einspruchsführer hat außerdem Zweifel an der Unpar-
teilichkeit des Landeswahlausschusses der Freien und Han-
sestadt Hamburg. Denn bei der Abstimmung im Landes-
wahlausschuss über die Zulassung der Landesliste der NPD
habe es zwei Enthaltungen gegeben, obwohl der Landes-
wahlleiter vorgetragen habe, dass die formellen Anforde-

Der Landeswahlleiter der Freien und Hansestadt Hamburg
vertritt demgegenüber die Auffassung, dass aus der Stimm-
enthaltung zweier Mitglieder des Landeswahlausschusses
noch kein Rückschluss auf die Parteilichkeit dieses Wahl-
organs oder seiner Mitglieder gezogen werden könne. Der
Landeswahlausschuss würde im Übrigen seiner Aufgabe als
kollektives Wahlorgan nicht gerecht werden können, wenn
seine Beisitzer an die Abstimmungsempfehlung des vorsit-
zenden Landeswahlleiters gebunden wären oder sich hin-
sichtlich ihres abweichenden Stimmverhaltens erklären
müssten.

VIII.

Der Einspruchsführer moniert zudem, dass der Landeswahl-
ausschuss die Hamburger Landesliste der Offensive D unter
anderem deshalb nicht zur Wahl zugelassen habe, weil eine
Versicherung an Eides statt über die Kandidatenaufstellung
nicht fristgerecht vorgelegen habe. In Wirklichkeit habe
diese nämlich schon am 7. Juli 2005 vorgelegen, als die
Offensive D die Formblätter für die Unterstützungsunter-
schriften beim Landeswahlleiter abgeholt und hierzu die
Niederschrift über die Wahl der Listenbewerber vorgelegt
habe. Der Landeswahlleiter habe dementsprechend auch nur
auf die fehlende Unterschrift des Versammlungsleiters auf
der Niederschrift hingewiesen sowie darauf, dass ein
Schreiben des Bundesvorstandes der Partei, aus dem sich
die Legitimation der Unterzeichner ergebe, vorgelegt wer-
den müsse, nicht jedoch auf sonstige Mängel. Nachdem die
fehlende Unterschrift des Versammlungsleiters eingeholt
worden sei, sei die Partei daher im Glauben gewesen, alle
Formalien nebst eidesstattlicher Versicherung erfüllt zu ha-
ben. Sie sei daher überrascht gewesen, als der Landeswahl-
leiter nach Einreichung der Landesliste am 15. August 2005
um 12.15 Uhr darauf hingewiesen habe, dass die eidesstatt-
liche Versicherung fehle. Daraufhin habe am 15. August
2005 zwar noch die Unterschrift des Herrn W. erlangt wer-
den können, aber nicht mehr die Unterschrift der Frau W.
Diese sei erst am 16. August 2005 vorgelegt worden, zu-
sammen mit einem ärztlichen Attest, durch das glaubhaft
gemacht worden sei, dass sie am 15. August 2005 an der
Unterschriftsleistung krankheitsbedingt gehindert gewesen
sei.

Der Einspruchsführer meint, der Landeswahlleiter habe
seine Vorprüfungspflicht verletzt, indem er am 7. Juli 2005
nicht das Fehlen der eidesstattlichen Versicherung moniert
habe. Deshalb und weil Frau W. aufgrund höherer Gewalt
an einer Unterschriftsleistung am 15. August 2005 gehin-
dert gewesen sei, hätte im Hinblick auf die Versicherung an
Eides statt „Nachsicht“ gewährt werden müssen. Zwar
schließe § 54 Satz 2 BWG eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand im Hinblick auf die Frist für die Einreichung
von Landeslisten grundsätzlich aus. § 25 Abs. 2 Nr. 2 BWG
enthalte insoweit jedoch eine Ausnahmeregelung. Bei ein-
deutig auf dem Verschulden des Wahlleiters beruhender
Fristversäumung sei daher Nachsichtgewährung angezeigt.
Der Einspruchsführer weist im Übrigen darauf hin, dass
auch dann ein Wahlfehler vorliege, wenn man entgegen sei-
nes Sachvortrages annehme, dass am 7. Juli 2005 noch nicht
die Niederschrift und die eidesstattliche Versicherung vor-
gelegen hätten. Denn dann hätte der Landeswahlleiter nicht
rungen an die von der NPD eingereichte Landesliste erfüllt
seien.

die Formulare für die Unterstützungsunterschriften aushän-
digen dürfen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 85 – Drucksache 16/5700

Der Landeswahlleiter der Freien und Hansestadt Hamburg
tritt in seiner Stellungnahme der Darstellung des Ein-
spruchsführers entgegen.

Am 7. Juli 2005 seien weder die Formblätter für das Sam-
meln der Unterstützungsunterschriften der Offensive D aus-
gehändigt worden, noch seien dem Landeswahlleiter eine
Niederschrift über die Wahl der Bewerber der Offensive D
oder eine Versicherung an Eides statt vorgelegt worden.
Vielmehr sei dem Vertreter der Offensive D an diesem Tag
erst das für die Versicherung an Eides statt erforderliche
Formblatt nach Anlage 24 zu § 39 Abs. 4 Nr. 3 BWO aus-
gehändigt worden. Eine Übergabe der Formblätter zum
Sammeln von Unterstützungsunterschriften nach Anlage 21
zu § 39 Abs. 3 BWO sei deshalb verweigert worden, weil
der Vertreter der Offensive D, der weder im Register nach
§ 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes (PartG) als Vorstandsmit-
glied der Landesvertretung der Offensive D eingetragen ge-
wesen sei, noch erwähnt habe, dass er die stellvertretende
Vertrauensperson für den Wahlvorschlag sei, lediglich
mündlich habe versichern können, dass am Vortag die Kan-
didatenaufstellung seiner Partei stattgefunden habe. Nach
der bisherigen Hamburger Praxis sei aber zumindest die
Vorlage einer schriftlichen Bestätigung eines Mitgliedes des
Landesvorstandes über die Kandidatenaufstellung üblich
gewesen.

Auf Drängen der Offensive D und nach nochmaliger
Rechtsprüfung sei die mündliche Erklärung des Vertreters
der Offensive D dann aber doch als ausreichende Bestätigung
der Aufstellung der Bewerber im Sinne des § 34 Abs. 4
Nr. 1 Satz 4, des § 39 Abs. 3 Satz 5 BWO angesehen und
die Formblätter für die Unterstützungsunterschriften am
12. Juli 2005 ausgehändigt worden. Mit dieser Abweichung
von der bisherigen Praxis habe man dem Umstand Rech-
nung tragen wollen, dass für das Sammeln der Unterstüt-
zungsunterschriften bei einer vorgezogenen Neuwahl nur
wenig Zeit zur Verfügung stehe. Diese Verfahrenserleichte-
rung sei auch deshalb vertretbar gewesen, weil nach dem
Wortlaut des § 34 Abs. 4 Nr. 1 Satz 4, des § 39 Abs. 3 Satz 5
BWO keine besondere Form für die Bestätigung der Auf-
stellung der Bewerber erforderlich sei und vor deren Auf-
stellung geleistete Unterstützungsunterschriften ohnehin ge-
mäß § 34 Abs. 4 Nr. 5 Satz 2, § 39 Abs. 3 Satz 5 BWO
ungültig seien, worauf der Vertreter der Offensive D auch
hingewiesen worden sei.

Die Offensive D sei dann gegenüber dem Landeswahlleiter
erst wieder am 15. August 2005, dem letzten Tag der Frist
für die Einreichung der Wahlvorschläge, in Erscheinung ge-
treten, als sie um 12.15 Uhr den Wahlvorschlag zusammen
mit 170 statt der in Hamburg erforderlichen 1 222 gültigen
Unterstützungsunterschriften vorgelegt habe. Eine Versiche-
rung an Eides statt nach § 21 Abs. 6 Satz 2 BWG, § 39 Abs. 4
Nr. 3 BWO sei jedoch nicht abgegeben worden. Dies sei
gegenüber dem Vertreter der Offensive D sofort gerügt
und diesem ein neuer Vordruck ausgehändigt worden. Um
18 Uhr sei dann die eidesstattliche Versicherung beigebracht
worden, jedoch nur mit zwei von drei erforderlichen Unter-
schriften, nämlich der des Versammlungsleiters und eines
von der Versammlung beauftragten Mitgliedes. Ein Verstoß
gegen eine wahlrechtliche „Vorprüfungspflicht“ des Lan-

erst mit Eingang des Wahlvorschlages, der erst am 15. Au-
gust 2005 um 12.15 Uhr vorgelegt worden sei. Zuvor habe
es aus Sicht des Landeswahlleiters – bis auf die Tatsache der
Aushändigung der Vordrucke für die Unterstützungsunter-
schriften – keine Hinweise darauf gegeben, dass die Offen-
sive D tatsächlich einen Wahlvorschlag habe einreichen
wollen.

IX.

Ein weiterer Wahlfehler ist nach Auffassung des Ein-
spruchsführers in Mecklenburg-Vorpommern unterlaufen.
Dort habe die Offensive D am 12. August 2005 eine Lan-
desliste aufgestellt. Als sie diese am 15. August 2005 beim
Landeswahlleiter eingereicht habe, habe dieser sich jedoch
geweigert, die für die Sammlung von Unterstützungsunter-
schriften erforderlichen Vordrucke zur Verfügung zu stellen,
weil er der Auffassung gewesen sei, dass in der verbleiben-
den Zeit ohnehin nicht mehr genügend Unterschriften ge-
sammelt werden könnten.

Der Landeswahlleiter des Landes Mecklenburg-Vorpom-
mern, der zu dem Einspruch Stellung genommen hat, tritt
dieser Darstellung entgegen. Die am 15. August 2005 um
11.30 Uhr und damit 6,5 Stunden vor Ablauf der Einrei-
chungsfrist nach § 19 BWG eingereichte Landesliste sei so-
fort von Mitarbeitern der Geschäftsstelle des Landeswahl-
leiters gemäß § 40 Abs. 1 BWO auf ihre Vollständigkeit und
auf die Einhaltung der wahlrechtlichen Anforderungen ge-
prüft worden. Als sich dabei herausgestellt habe, dass die
nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BWG in Mecklenburg-Vorpommern
erforderlichen 1 412 gültigen Unterstützungsunterschriften
fehlten, sei dem Vertreter der Offensive D der Vorschlag
unterbreitet worden, mit dem Sammeln der Unterstützungs-
unterschriften noch zu beginnen und diese bis spätestens
18 Uhr bei den zuständigen Meldeämtern zur Überprüfung
der Wahlberechtigung der Unterzeichner vorzulegen. Der
Rücklauf überprüfter Unterstützungsunterschriften von den
Meldeämtern nach Ablauf der Einreichungsfrist wäre nach
§ 25 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BWG möglich und sei auch gängige
Praxis gewesen. Die kurzfristige Bereitstellung von bis zu
2 000 Vordrucken innerhalb von zwei Stunden, darunter der
ersten 500 Vordrucke innerhalb von dreißig Minuten, mit
der hauseigenen Druckerei des Statistischen Landesamtes
wäre ebenfalls problemlos möglich gewesen. Der Vertreter
der Offensive D habe aber seinerseits keine Möglichkeit ge-
sehen, das Sammeln von Unterstützungsunterschriften in
der noch verbleibenden Zeit zu organisieren und habe das
unvollständige Einreichen der Landesliste mit dem erwarte-
ten Erfolg einer Verfassungsklage gegen das Unterschriften-
quorum begründet. Der Vorwurf, dass der Landeswahlleiter
sich geweigert habe, die Vordrucke für die Unterstützungs-
unterschriften zur Verfügung zu stellen, sei erstmals in der
Verhandlung des Bundeswahlausschusses über die gegen
die Zurückweisung der Landesliste erhobenen Beschwerde
am 25. August 2005 erhoben worden. Bis dahin sei in einer
Reihe von Schreiben der Offensive D stets nur das Erforder-
nis der Beibringung von Unterstützungsunterschriften unter
den Bedingungen einer vorgezogenen Neuwahl thematisiert
worden. So habe der Einspruchsführer selbst in seiner
Eigenschaft als „Wahlkampfkoordinator“ der Offensive D
in einem dieser Schreiben, die der Landeswahlleiter in
deswahlleiters sei daher nicht ersichtlich. Denn nach § 25
Abs. 1, § 27 Abs. 5 BWG entstehe die Vorprüfungspflicht

Kopie seiner Stellungnahme beigefügt hat, festgestellt, dass
die Offensive D „innerhalb der verkürzten Fristen nicht die

Drucksache 16/5700 – 86 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

erforderliche Anzahl von Unterstützungsunterschriften ein-
reichen (konnte)“.

Der Einspruchsführer hat auf die Stellungnahme des Lan-
deswahlleiters erwidert, dass dessen Darstellung nicht den
Tatsachen entspreche. Eine Bereitstellung von 500 Vordru-
cken innerhalb von dreißig Minuten sei nicht angeboten
worden. Abgesehen davon dürfte eine Wartezeit von weite-
ren zwei Stunden für die restlichen Formblätter als Verzöge-
rung des Landeswahlleiters angesehen werden. Denn die
Offensive D habe angekündigt, an den Wahlen teilzuneh-
men. Dementsprechend hätte der Landeswahlleiter die
Formblätter schon vorher drucken lassen können.

X.

Der Einspruchsführer macht auch die Versendung von fal-
schen Stimmzetteln an die Briefwähler in den beiden Dort-
munder Wahlkreise 143 und 144 zum Gegenstand seines
Einspruchs. Dort war bei rund 50 000 Briefwahlunterlagen
nicht darauf geachtet worden, ob dem jeweiligen Briefwäh-
ler auch der Stimmzettel seines Wahlkreises geschickt
wurde. Trotz einer Informationskampagne durch die Stadt
Dortmund, in der auf die Versendung möglicherweise fal-
scher Stimmzettel aufmerksam gemacht wurde und Mög-
lichkeiten zur korrekten Stimmabgabe aufgezeigt wurden,
kam es in etwas mehr als 10 000 Fällen zur Abgabe ungülti-
ger Stimmen als Folge der Benutzung vertauschter Stimm-
zettel. Modellrechnungen, die im Rahmen der Prüfung
anderer, denselben Gegenstand betreffender Einsprüche
vorgelegt worden waren (vgl. z. B. Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 1, S. 6), ergaben, dass die Ungültigkeit der
Stimmen keine Veränderung auf die Zuteilung der Sitze
haben konnte.

XI.

Auch in Sachsen hat es nach Auffassung des Einspruchsfüh-
rers „diverse Wahlbehinderungen seitens der Kommunen“
gegeben. Dies habe der Vertreter der Partei DIE GRAUEN
– Graue Panther (GRAUE) in der Sitzung des Bundeswahl-
ausschusses am 25. August 2005 im Einzelnen vorgetragen.

In der Niederschrift dieser Sitzung heißt es, der Vertreter der
GRAUEN habe vorgetragen, dass Meldebehörden, z. B. in
Hoyerswerda und Riesa, die Unterstützungsunterschriften
zu langsam bestätigt hätten, obwohl man die Formulare
rechtzeitig eingereicht habe. Bei der Überprüfung der Un-
terschriften sei es nicht immer rechtsstaatlich zugegangen.
Auch habe man Bürger bei der Abgabe von Unterstützungs-
unterschriften behindert. Weiterhin heißt es in der Sitzungs-
niederschrift, dass der Vertreter der GRAUEN auf Nachfra-
gen des Bundeswahlausschusses, ob er sein Vorbringen
konkretisieren könne, keine konkreteren Einzelfälle benannt
habe. Laut Niederschrift ist der Bundeswahlausschuss zu
dem Ergebnis gekommen, dass der Hinweis auf eine zu
schleppende Bestätigung der Unterstützungsunterschriften
sich nicht erhärtet habe. Vielmehr seien nach den glaubhaf-
ten Stellungnahmen der benannten Meldebehörden alle ein-
gereichten Formblätter bis zum 15. August 2005 bearbeitet
und zurückgereicht worden. Dem weiteren Vortrag habe der
Bundeswahlausschuss mangels ausreichender Substantiie-
rung nicht nachgehen können.

von Sachbearbeitern z. B. der Gemeinde Großrückerswalde
fotokopiert worden seien. Bei den Recherchen zur Klärung
dieser Fälle sei die Offensive D erneut von den Gemeinden
behindert und Termine zur Klärung der Vorfälle seien ab-
sichtlich nicht eingehalten worden. Weiterhin sei inzwi-
schen schriftlich bestätigt worden, dass mittwochs die Ge-
meindebehörde nicht geöffnet gehabt habe. Der Einspruchs-
führer kommt damit zu dem Ergebnis, dass eine einfache
Prüfung der Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland
gezeigt habe, dass Öffnungszeiten nicht im Hinblick auf die
verkürzten Fristen verändert worden seien. Der Gesetzgeber
habe somit nicht alles getan, um den Parteien zu ermög-
lichen, die kurzen Fristen voll zu nutzen. Im Gegenteil, die
Öffnungszeiten der Gemeindebehörden hätten sich seit dem
Inkrafttreten „dieser Wahlverordnung mit den Unterschrifts-
quoren“ – gemeint ist vermutlich die bereits erwähnte Ver-
ordnung des Bundesministeriums des Innern über die Ab-
kürzung von Fristen vom 21. Juli 2005 (BGBl. I S. 2179) –
um bis zu 45 Prozent verringert.

Schließlich sei am 25. August 2005 beim Bundeswahlleiter
auch zu erfahren gewesen, dass ein Landtagsabgeordneter
es einem Mitarbeiter untersagt habe, Unterstützungsunter-
schriften zu leisten. Auch andere Behördenleiter sollen Un-
terschriften von Gemeindeangestellten nicht erlaubt haben.

Die Landeswahlleiterin des Freistaates Sachsen, die zu dem
Vorbringen des Einspruchsführers Stellung genommen hat,
betont, dass gerade unter Berücksichtigung der verkürzten
Fristen bei der Bundestagswahl 2005 von den betreffenden
Behörden sichergestellt worden sei, dass Bescheinigungen
des Wahlrechts von Unterzeichnern von Wahlvorschlägen
im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 3, des § 39 Abs. 3 Satz 5 BWO
termingerecht haben erteilt werden können. Soweit sich der
Einspruchsführer auf die Behauptungen des Vertreters der
GRAUEN in der Sitzung des Bundeswahlausschusses vom
25. August 2005 beruft, verweist die Landeswahlleiterin auf
die oben wiedergegebenen Ausführungen in der Nieder-
schrift dieser Sitzung. Sie ergänzt, dass ähnliche Behaup-
tungen von Seiten der GRAUEN gegenüber der Vertreterin
der Landeswahlleiterin bei der Abgabe der Landesliste der
GRAUEN am 3. August 2005 aufgestellt worden seien.
Doch weder zu diesem Zeitpunkt noch in einem späteren
ausführlichen Telefonat mit der Vertreterin der Landeswahl-
leiterin seien konkrete Angaben zu Vorkommnissen und
Personen gemacht worden. Deshalb hätten insoweit auch
keine weiteren Nachforschungen durch die Landeswahllei-
terin betrieben werden können.

Zutreffend sei, dass in der Gemeinde Großrückerswalde
zwei Kopien von dort zur Bestätigung des Wahlrechts der
Unterzeichner vorgelegten Formblättern nach Anlage 21 zu
§ 39 Abs. 3 BWO angefertigt worden seien. Die Kopien
seien von der Vertreterin der abwesenden zuständigen Mit-
arbeiterin gefertigt worden, um sie dieser nach ihrer Rück-
kehr vorzulegen. Dabei habe es sich nach Aussage der Mit-
arbeiterin um eine Ausnahme gehandelt. Nach Bekanntwer-
den des Vorfalles sei die Vertreterin darüber belehrt worden,
dass das Anfertigen von Kopien von Unterstützungsunter-
schriften nicht zulässig sei. Beide Kopien seien sofort ver-
nichtet worden. Nach Kenntnis der Landeswahlleiterin habe
es sich um einen äußerst bedauerlichen Einzelfall gehandelt.
Der Einspruchsführer trägt darüber hinaus vor, dass mehrere
für die Offensive D geleistete Unterstützungsunterschriften

Dieses Vorkommnis werde zum Anlass genommen, vor
kommenden Bundestagswahlen die Kreiswahlleiter sowie

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 87 – Drucksache 16/5700

die anderen mit der Organisation und Durchführung der
Wahl betrauten Personen eindringlich auf das Verfahren zur
Bestätigung von Unterstützungsunterschriften in den Mel-
debehörden hinzuweisen (§ 34 Abs. 6 BWO).

Nicht bekannt sei der Landeswahlleiterin, dass Wählerinnen
und Wähler an der Abgabe von Unterstützungsunterschrif-
ten gehindert worden seien. Nur die Vertreter der GRAUEN
und der Offensive D hätten derartige Behauptungen aufge-
stellt. Sie hätten diese Vorwürfe jedoch nicht näher begrün-
den können. Der Landeswahlleiterin oder ihren Mitarbei-
tern, die ständig in einem intensiven Kontakt mit den Wahl-
vorschlagsträgern gestanden hätten, seien sowohl im Vor-
feld der Abgabe der Landesliste als auch bei der Abgabe
selbst von den Vertrauenspersonen bzw. Vertretern der an-
deren Parteien auch keine derartigen Verstöße gegen wahl-
rechtliche Vorschriften vorgetragen worden.

XII.

Der Einspruchsführer moniert auch das Verhalten einiger
Gemeinden in Sachsen-Anhalt im Zusammenhang mit der
Erteilung von Bescheinigungen des Wahlrechts von Unter-
zeichnern von Unterstützungsunterschriften. Die Verwal-
tungsgemeinschaft Hohe Börde habe es abgelehnt, hierfür
den Druck von Wahlbenachrichtigungen zu unterbrechen. In
Tangerhütte und der Verwaltungsgemeinschaft Niedere
Börde sowie anderen Kommunen sei es zu Zeitverzögerun-
gen gekommen, weil erst Mitarbeiter hätten herbeigerufen
werden müssen. In Calbe (Saale) und Irxleben sei die Prü-
fung verweigert worden, da der Computer ausgelastet gewe-
sen sei. Auch sei die Zuordnung von Ortsteilen zu den neu
gebildeten Verwaltungsgemeinschaften aufgrund fehlender
Informationen des Landeswahlleiters, z. B. durch Broschü-
ren, nicht möglich gewesen. Dies habe z. B. Cochstedt und
Hohenerxleben betroffen. Der Einspruchsführer bezieht sich
im Hinblick auf seinen Vortrag wiederum auf die Sitzung
des Bundeswahlausschusses am 25. August 2005.

In dieser Sitzung stellte der Bundeswahlausschuss laut Sit-
zungsniederschrift fest, dass die Verwaltungsgemeinschaft
Hohe Börde in der Tat zu Unrecht elf gültige Unterstüt-
zungsunterschriften für die Landesliste der AGFG nicht
bestätigt habe und diese daher zu den bereits eingereichten
1 879 gültigen Unterstützungsunterschriften hinzuzählen
seien. Gleichwohl wurde die Beschwerde der AGFG vom
Bundeswahlausschuss zurückgewiesen, da auch mit den elf
weiteren Unterschriften die für Sachsen-Anhalt erforder-
liche Zahl von 2 000 gültigen Unterstützungsunterschriften
nicht erreicht und die Landesliste damit im Ergebnis zu
Recht zurückgewiesen worden sei.

Der Landeswahlleiter des Landes Sachsen-Anhalt bestätigt
in seiner Stellungnahme zu dem Einspruch, dass die Ver-
waltungsgemeinschaft Hohe Börde mit Sitz in Irxleben es
abgelehnt habe, den Druck von Wahlbenachrichtigungen zu
unterbrechen und die von der AGFG erbetenen elf Bestä-
tigungen von Unterstützungsunterschriften rechtzeitig vor-
zunehmen. In Tangermünde sowie in den Verwaltungsge-
meinschaften Niedere Börde und Calbe (Saale) sei es zwar
zu Verzögerungen bei der Bestätigung von Unterstützungs-
unterschriften gekommen, die Bestätigungen seien aber
gleichwohl noch rechtzeitig erfolgt. Bei der Zuordnung von

len, wie z. B. Cochstedt und Hohenerxleben, sei sie nach
Angaben der Vertrauensperson für die Landesliste der AGFG
in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen. Der Landes-
wahlleiter weist allerdings darauf hin, dass Informationen
über die Wahlkreiseinteilung, Gemeindegebietsveränderun-
gen und die Neuordnung der Verwaltungsgemeinschaften
aktuell über die Internetseite des Landeswahlleiters beim
Statistischen Landesamt Sachsen-Anhalt zur Verfügung ge-
standen hätten. Zwar lag die vom Statistischen Landesamt
herausgegebene Broschüre „Verzeichnis der Verwaltungs-
gemeinschaften und Gemeinden“ aufgrund der laufenden
Gemeindegebietsreform vor der Bundestagswahl leider
nicht in der aktuellen Fassung vor. Es habe jedoch die Mög-
lichkeit bestanden, die entsprechenden Gebietsinformationen
telefonisch in der Geschäftsstelle des Landeswahlleiters
oder direkt beim Statistischen Landesamt abzurufen. Hier-
von sei von anderen Parteien auch Gebrauch gemacht wor-
den.

Der Einspruchsführer hat auf die Stellungnahme des Lan-
deswahlleiters erwidert, dass es nicht ausreichend gewesen
sei, dass die Gemeindegebietsveränderungen lediglich im
Internet zu erfahren gewesen seien. Denn ein Internetzu-
gang aus Fahrzeugen sei selbst in der heutigen Zeit nicht
üblich. Es sei dem Landeswahlleiter möglich gewesen,
diese Internetseiten auszudrucken und als Merkblatt den
Parteien zur Verfügung zu stellen. Selbst wenn dies nicht
möglich gewesen sein sollte, habe auf den Merkblättern der
Hinweis gefehlt, dass der Landeswahlleiter telefonisch zu
Auskünften über die Gemeindegebietsveränderung in der
Lage gewesen sei. Die aufgezeigten Mängel hätten zu einer
Verletzung von Artikel 3 GG bzw. Artikel 38 Abs. 1 Satz 1
GG geführt.

XIII.

Im Hinblick auf den Sach- und Streitstand im Übrigen wird
auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

I.

Bei der Gliederung des Wahlgebietes wurden die amtlichen
Ländergrenzen beachtet. Die Auffassung des Einspruchs-
führers, bei den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklen-
burg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thürin-
gen sei insoweit von falschen Ländergrenzen ausgegangen
worden, ist unzutreffend. Sie beruht auf dem Argument,
dass diese Länder am 3. Oktober 1990, dem Tag des Bei-
tritts der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes,
noch nicht existiert hätten, weil ihre Bildung gemäß § 1
Abs. 1, § 25 Abs. 1 des DDR-Ländereinführungsgesetzes
vom 22. Juli 1990 erst mit Wirkung zum 14. Oktober 1990
vorgesehen war. Hierbei wird aber übersehen, dass dieser
Ortsteilen zu den neu gebildeten Verwaltungsgemeinschaf-
ten habe es in Tat Schwierigkeiten gegeben, in etlichen Fäl-

im DDR-Ländereinführungsgesetz vom 22. Juli 1990 fest-
gelegte Zeitpunkt der Länderbildung knapp zwei Monate

Drucksache 16/5700 – 88 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

später durch das DDR-Gesetz zum Einigungsvertrag vom
20. September 1990 (DDR GBl. I S. 1627) auf den 3. Okto-
ber 1990 vorverlegt wurde (vgl. Artikel 1 Abs. 1 Satz 2
sowie Anlage II, Kapitel II, Sachgebiet A, Abschnitt II des
Einigungsvertrages). Damit konnte sich die Länderbildung
rechtzeitig vor dem Beitritt der DDR zum Bundesgebiet
vollziehen (vgl. Kilian, in: Isensee/Kirchhof [Hrsg.], Hand-
buch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland,
Band VIII, 1995, § 186 Rn. 28; Stern, Das Staatsrecht der
Bundesrepublik Deutschland, Band V, 2000, S. 1966).

II.

Kein Wahlfehler kann ferner darin erblickt werden, dass bei
der vorgezogenen Neuwahl zum 16. Deutschen Bundestag
keine niedrigeren Unterschriftenquoren für Wahlvorschläge
galten als bei regulären Bundestagswahlen.

Im Gegensatz zu Parteien, die im Deutschen Bundestag
oder einem Landtag seit deren letzter Wahl aufgrund eige-
ner Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens fünf
Abgeordneten vertreten waren, müssen Wahlvorschläge von
Parteien, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, gemäß § 20
Abs. 2 Satz 2, § 27 Abs. 1 Satz 2 BWG von einer bestimm-
ten Anzahl von Wahlberechtigten unterzeichnet sein, und
zwar Kreiswahlvorschläge von mindestens 200 Wahlbe-
rechtigten des Wahlkreises, Landeslisten von 1 vom Tau-
send der Wahlberechtigten des Landes bei der letzten Bun-
destagswahl, höchstens jedoch von 2 000 Wahlberechtigten.
Diese Quoren gelten auch für den Fall einer vorgezogenen
Neuwahl infolge einer Auflösung des Bundestages nach Ar-
tikel 68 Abs. 1 Satz 1 GG. Dies wird bestätigt durch § 21
Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 2, § 52 Abs. 3 BWG. Diese Vorschrif-
ten zeigen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers den Be-
sonderheiten bei der Wahlvorbereitung als Folge einer Auf-
lösung des Bundestages durchaus Rechnung getragen wer-
den soll, aber eben nicht durch eine Absenkung von Unter-
schriftenquoren, sondern lediglich durch eine Suspendierung
und Abkürzung von Fristen (vgl. BVerfGE 114, 107, 119;
Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 39, S. 229).

Wie der Deutsche Bundestag bereits anlässlich anderer
Wahleinsprüche (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, An-
lage 39, S. 228 ff.; ferner Anlagen 40 bis 43) dargelegt hat,
bestehen an der Verfassungsmäßigkeit der Unterschriften-
quoren – auch im Hinblick auf deren Geltung bei vorgezo-
genen Neuwahlen – keine Zweifel. Das Bundesverfassungs-
gericht hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass
Zulassungsbedingungen zur Bundestagswahl aufgestellt
werden dürfen. Im Hinblick auf Unterschriftenquoren hat es
festgestellt, dass diese unter bestimmten Voraussetzungen
mit den Grundsätzen der formalen Wahlrechtsgleichheit, der
Allgemeinheit der Wahl, der Geheimhaltung der Wahl, der
Wettbewerbschancengleichheit der Parteien sowie der
Garantie des passiven Wahlrechts vereinbar sind (vgl. u. a.
BVerfGE 1, 208, 248; 3, 19, 25 ff.; 71, 81, 96 f.; 85, 264, 293
sowie Schreiber, a. a. O., § 20 Rn. 8, 9, 16 m. w. N.) und
insbesondere die bei Bundestagswahlen geltenden Quoren
von 200 Unterstützungsunterschriften für Kreiswahlvor-
schläge und höchsten 2 000 für Landeslisten nicht beanstan-
det (vgl. BVerfGE 24, 260, 261; 67, 369, 380; 82, 353, 364).
Unterschriftenquoren dienen dem Nachweis der Ernsthaf-
tigkeit der Bewerbung und dem Ausscheiden nicht ernsthaft

barkeit der Wahlen gewährleistet werden, dass nur solche
Wahlvorschläge zugelassen werden, von denen zumindest
vermutet werden kann, dass hinter ihnen eine ernst zu neh-
mende politische Gruppe steht, die sich mit diesem Wahl-
vorschlag am Wahlkampf zu beteiligen wünscht, oder dass
politisch Interessierte ihm ernsthaft die Chance einräumen
wollen, die in der Beteiligung am Wahlkampf liegt
(BVerfGE 4, 375, 381 f.). Neben dem Kriterium der Ernst-
haftigkeit ist damit eine in einem Mindestmaß an politi-
schem Rückhalt in der Wählerschaft begründete potentielle
Erfolgsaussicht als Zulassungsbedingung beschrieben, die
politisch kurzlebige Zufallsbildungen von einer Teilnahme
am Wahlkampf ausschließt. Dem Erfordernis der Unterstüt-
zungsunterschriften liegt damit das Motiv der „Sicherung
des Charakters der Wahl als eines auf die Bildung funkti-
onsfähiger Verfassungsorgane gerichteten Integrationsvor-
ganges“ zugrunde (BVerfGE 14, 121, 135). Indem die Un-
terschriftenquoren indirekt bereits vor der Wahl der Stim-
menzersplitterung entgegenwirken, verfolgen sie – wie die
Fünf-Prozent-Sperrklausel – den Zweck, die Bildung stabi-
ler Mehrheitsverhältnisse und handlungsfähiger sowie die
wesentlichen politischen Anschauungen widerspiegelnder
Verfassungsorgane zu ermöglichen (Schreiber, a. a. O., § 20
Rn. 8, 9, 16 m. w. N.).

Auch aus der Anwendbarkeit der genannten Quoren auf den
Fall einer Auflösung des Deutschen Bundestages nach Ar-
tikel 68 Abs. 1 GG und die Festsetzung von Neuwahlen
innerhalb der Sechzig-Tage-Frist des Artikels 39 Abs. 1
Satz 4 GG ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Ver-
fassungswidrigkeit der Unterschriftenquoren. Wie das Bun-
desverfassungsgericht bereits zu der ersten gesamtdeut-
schen Wahl festgestellt hat, kommt es nach dem Zweck der
Quoren gerade nicht darauf an, ob den an einer Kandidatur
Interessierten genügend Zeit für die Vorbereitung der Kan-
didatur verbleibt oder sie an der Einreichung von Wahlvor-
schlägen nur deswegen gehindert sind, weil es ihnen auf-
grund organisatorischer Schwierigkeiten in der Kürze der
Zeit nicht gelingt, die Unterstützungsunterschriften zu sam-
meln (BVerfGE 82, 353, 364). Der Ausschluss ihrer Wahl-
bewerbung entspreche auch in diesen Fällen gerade dem
oben dargestellten Sinn der Unterschriftenquoren. Die mit
der Beibringung der Unterstützungsunterschriften verbun-
dene Vermutung, dass hinter dem Wahlvorschlag eine ernst
zu nehmende politische Gruppe steht, die sich mit diesem
Wahlvorschlag am Wahlkampf zu beteiligen wünscht, oder
dass politisch Interessierte ihm ernsthaft die Chance einräu-
men wollen, die in der Beteiligung am Wahlkampf liegt, sei
gerade nicht begründet, wenn die Unterstützungsunter-
schriften nicht beigebracht würden. In seiner zur ersten ge-
samtdeutschen Wahl ergangenen Entscheidung bezog sich
das Bundesverfassungsgericht zwar lediglich auf die kurz-
fristige Ausdehnung des Wahlgebietes auf die neuen Bun-
desländer und somit auf einen besonderen Aspekt der Kurz-
fristigkeit. Wenn aber bereits die mit der Sondersituation der
deutschen Einigung verbundene Tatsache, dass die an einer
Kandidatur interessierten Parteien, die zuvor lediglich auf
dem Gebiet der sog. alten Bundesländer tätig waren und da-
mit über keinerlei organisatorische Strukturen und Bekannt-
heit in den Beitrittsländern verfügten, für die uneinge-
schränkte Anwendbarkeit der Quoren ohne rechtlichen
gemeinter oder von vornherein aussichtsloser Wahlvor-
schläge. Durch die Quoren soll im Interesse der Durchführ-

Belang war, so wird dies erst recht für den vorliegenden Fall
gelten, in dem die an einer Kandidatur Interessierten in kei-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 89 – Drucksache 16/5700

ner Weise gehindert waren, sich rechtzeitig des notwen-
digen politischen Rückhalts in der Wählerschaft zu verge-
wissern. Wegen der Ausrichtung der Quoren auf einen ob-
jektiven Rückhalt des Wahlvorschlags in der Wählerschaft
kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, ab wann der potenti-
elle Wahlbewerber frühestens von der Auflösung des Bun-
destages ausgehen kann. Gerade wegen der im Grundgesetz
vorgesehenen Möglichkeiten einer vorgezogenen Bundes-
tagswahl orientieren sich die Regelungen des Bundeswahl-
gesetzes daran, ob die in einem Mindestmaß an politischem
Rückhalt in der Wählerschaft begründete potentielle Er-
folgsaussicht tatsächlich vorliegt, nicht, ob sie theoretisch
vorliegen und nach einiger Zeit erreicht werden könnte. Im
Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in der zitierten
Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass „äußerst
knappe Zeiträume“ hinzunehmen seien, „wenn sie – wie
etwa bei vorzeitiger Auflösung des Bundestages – für alle
betroffenen Parteien im gesamten Wahlgebiet in gleicher
Weise gelten“ (BVerfGE 82, 353, 368).

Soweit der Einspruchsführer eine besondere Unbilligkeit
darin sieht, dass das Bundesministerium des Innern durch
§ 1 Nr. 2 der auf Artikel 52 Abs. 3 BWG gestützten Verord-
nung über die Abkürzung von Fristen im Bundeswahlgesetz
für die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag vom 21. Juli
2005 (BGBl. I S. 2179) die Frist für die Einreichung der
Wahlvorschläge nebst Unterstützungsunterschriften auf den
34. Tag vor der Wahl verkürzte, so dass die Wahlvorschläge
bis zum 15. August 2005 einzureichen waren, verkennt er
die Wirkung dieser Verkürzung. Denn ohne diese Verkür-
zung hätte noch weniger Zeit für das Sammeln von Unter-
schriften zur Verfügung gestanden. Ohne die Verkürzung
hätten die Wahlvorschläge gemäß § 19 BWG nämlich bis
zum 66. Tag vor der Wahl, also bis zum 14. Juli 2005, ein-
gereicht werden müssen.

Die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber bei der Ausge-
staltung der Quoren seinen Ermessensspielraum auch an-
ders hätte ausüben können bzw. wie er diesen noch ausüben
könnte, ist nicht Gegenstand der Wahlprüfung.

Die vom Einspruchsführer behauptete Verletzung von Rech-
ten aus dem Europawahlgesetz oder der Richtlinie 93/109/EG
kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil beide Normen
die Wahlen zum Europäischen Parlament und nicht zum
Deutschen Bundestag betreffen.

III.

Soweit der Einspruchsführer die Öffnungszeiten der Ge-
meinden in Baden-Württemberg bzw. sonstige seiner Auf-
fassung nach „massive Behinderungen“ von Seiten der
baden-württembergischen Gemeinden moniert, können sei-
nem Vortrag keine hinreichenden Anhaltspunkte für das
Vorliegen von Wahlfehlern entnommen werden. Das folgt
schon daraus, dass er keine hinreichend konkreten, der
Überprüfung zugänglichen Tatsachen vorträgt. Auch dem
Vortrag der Landeswahlleiterin, die den pauschalen Vorwür-
fen des Einspruchsführers nachgegangen ist, lassen sich
keine weiteren Anhaltspunkte für konkrete Behinderungen
seitens der Gemeindebehörden entnehmen, die dazu geführt
hätten, dass die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BWG erforderliche

Soweit der Einspruchsführer annimmt, die Gemeinbehörden
in Baden-Württemberg hätten die gleichen Öffnungszeiten
haben müssen, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass sich
dem Wahlrecht solch eine Verpflichtung nicht entnehmen
lässt. Der Umstand, dass jede Gemeindebehörde gemäß
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 BWO dazu verpflichtet ist, öffentlich be-
kannt zu machen, zu welchen Tagesstunden das Wählerver-
zeichnis eingesehen werden kann, zeigt vielmehr, dass das
Wahlrecht grundsätzlich nicht von gleichen Öffnungszeiten
aller Gemeinden ausgeht, sondern die Regelung der Öff-
nungszeiten als in der Zuständigkeit der Gemeinden liegend
ansieht (vgl. auch Punkt 1 mit Fußnote 1 der Anlage 5 zu
§ 20 Abs. 1 BWO). Aus Artikel 3 Abs. 1 GG ergibt sich
– anders als der Einspruchsführer meint – insoweit nichts
anderes. Artikel 3 Abs. 1 GG gilt nur gegenüber dem
jeweils zuständigen Träger öffentlicher Gewalt und ver-
pflichtet diesen zur Gleichbehandlung innerhalb seines Zu-
ständigkeitsbereichs. Er verbietet nicht sich unterscheidende
Regelungen verschiedener Hoheitsträger (vgl. BVerfGE 21,
54, 68; 76, 1, 73; 79, 127, 158; 93, 319, 351).

IV.

Die Ausführungen des Einspruchsführers sind auch nicht
geeignet, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundes-
wahlausschusses bezüglich der Zulassung der Landesliste
der NPD in Frage zu stellen.

Gemäß § 27 Abs. 5, § 21 Abs. 3 Satz 1 BWG müssen sämt-
liche Mitglieder einer Vertreterversammlung zur Wahl von
Listenbewerbern einer Partei gewählt sein, so dass eine Mit-
gliedschaft „kraft Amtes“ – wie sie hier in Frage stand –
ausgeschlossen ist. Diese Rechtsauffassung lag sowohl der
Entscheidung des Bundeswahlausschusses als auch der des
Landeswahlausschusses zugrunde, nur kam der Bundes-
wahlausschuss aufgrund neuen Sachvortrags und von Proto-
kollen, die dem Landeswahlausschuss noch nicht vorgele-
gen hatten, zu dem Ergebnis, dass die fraglichen Vertreter
„kraft Amtes“ auch gewählt worden waren. Durch die bloße
– durch keinerlei Tatsachenangaben untermauerte – Vermu-
tung des Einspruchsführers, die neu vorgelegten Unterlagen
seien manipuliert gewesen, kann diese Neubewertung des
tatsächlichen Geschehens durch den Bundeswahlausschuss
nicht erschüttert werden. Dies gilt um so mehr, als der
Bundeswahlausschuss bei seiner Entscheidung deutlich vor
Augen hatte, dass die fraglichen Protokolle dem Landes-
wahlausschuss bei seiner Entscheidung noch nicht vorgelegt
worden waren und dieser daher, wie der Bundeswahlaus-
schuss ausdrücklich feststellte, zu keiner anderen Entschei-
dung als zur Zurückweisung der Landesliste kommen
konnte. Die Behauptung des Einspruchsführers, der Bun-
deswahlausschuss habe den neuen Sachvortrag selbst als
lebensfremd empfunden, widerspricht den Angaben in der
Niederschrift der fraglichen Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses, in der die Darstellung der Vertrauensperson aus-
drücklich als glaubhaft bezeichnet wird.

V.

Kein Wahlfehler kann darin gesehen werden, dass die Ver-
trauensperson der Brandenburgischen Landesliste der Of-
fensive D nicht an der Sitzung des Bundeswahlausschusses
am 25. August 2005 über die gegen die Zurückweisung die-
Anzahl von Unterstützungsunterschriften bei bestimmten
Landeslisten nicht erreicht wurde.

ser Landesliste eingelegte Beschwerde teilnehmen konnte.
Denn die Nichtteilnahme der Vertrauensperson beruhte aus-

Drucksache 16/5700 – 90 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schließlich auf ihrem eigenen Verschulden. Obwohl sie in
der Ladung zur Sitzung auf die für das Sitzungsgebäude
geltenden Sicherheitsbestimmungen hingewiesen worden
war, konnte sie sich beim Betreten des Gebäudes nicht aus-
weisen, so dass ihr zu Recht der Zutritt verwehrt wurde.

Soweit der Einspruchsführer in seinem Telefax vom 4. April
2006 rügt, dass der Bundeswahlleiter in der Einladung eines
anderen Vertreters der Offensive D keine Hausnummer an-
gegeben habe, handelt es sich um einen neuen, den Ein-
spruchsgegenstand erweiternden Sachvortrag, der dem Ein-
spruch schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen kann, weil
er nach dem 18. November 2005 und damit nach Ablauf der
Einspruchsfrist (§ 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG) vorgebracht
worden ist (vgl. Schreiber, a. a. O., § 49 Rn. 18 mit weiteren
Nachweisen).

VI.

Die Besetzung des Landeswahlausschusses der Freien und
Hansestadt Hamburg lässt ebenfalls keine Wahlfehler erken-
nen. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 BWG besteht der Landes-
wahlausschuss aus dem Landeswahlleiter und sechs Beisit-
zern, wobei gemäß § 4 Abs. 2 BWO bei der Auswahl der
Beisitzer in der Regel die Parteien in der Reihenfolge der
bei der letzten Bundestagswahl in dem jeweiligen Gebiet er-
rungenen Zahlen der Zweitstimmen angemessen berück-
sichtigt werden sollen. Dies wurde vorliegend getan, indem
der SPD, die bei der Bundestagswahl 2005 42,0 Prozent der
Zweitstimmen in Hamburg erzielt hatte, drei Sitze zuge-
sprochen wurden, der CDU, die 28,1 Prozent der Zweitstim-
men erzielt hatte, zwei Sitze und den GRÜNEN, die 16,2
Prozent erzielt hatten, ein Sitz.

Nicht zu beanstanden ist auch, dass bei der Sitzvergabe von
vornherein nur Parteien berücksichtigt wurden, die mehr als
5 Prozent der Zweitstimmen erzielt hatten. Es ist rechtlich
zulässig, den unbestimmten Rechtsbegriff der „angemesse-
nen Berücksichtigung“ in § 4 Abs. 2 BWO in Anlehnung an
die Wertungen des § 6 BWG und hierbei auch der Fünf-Pro-
zent-Klausel des § 6 Abs. 6 BWG zu konkretisieren. Im Üb-
rigen dürfte angesichts dessen, dass insgesamt nur sechs
Sitze zu vergeben sind, sich die Anwendung der Fünf-Pro-
zent-Klausel bei der Besetzung der Landeswahlausschüsse
ohnehin praktisch nicht auswirken. So konnte vorliegend
die FDP, obwohl sie mit 6,8 Prozent sogar mehr als 5 Pro-
zent der Zweitstimmen bekommen hatte, keinen Sitz im
Landeswahlausschuss erhalten.

VII.

Der Umstand, dass zwei Mitglieder des Landeswahlaus-
schusses der Freien und Hansestadt Hamburg bei der Ab-
stimmung über die Zulassung der Landesliste der NPD sich
der Stimme enthielten, obwohl der Landeswahlleiter vor-
getragen hatte, dass die Liste die formellen Anforderungen
erfülle, lässt nicht den Schluss zu, dass diese Mitglieder
oder gar alle Mitglieder des Landeswahlausschusses ent-
gegen § 10 Abs. 2 BWG ihr Amt nicht unparteiisch wahrge-
nommen hätten. Der Wahlprüfungsausschuss schließt sich
insoweit den Ausführungen des Landeswahlleiters an.

VIII.

Auch im Zusammenhang mit der Zurückweisung der Ham-

Der Landeswahlausschuss musste gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2
BWG die Landesliste schon deshalb zurückweisen, weil die
nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BWG erforderlichen 1 222 Unter-
stützungsunterschriften bei weitem nicht beigebracht wor-
den waren. Damit kommt es nicht auf die vom Einspruchs-
führer problematisierte Frage an, ob die Zurückweisung der
Liste außerdem darauf gestützt werden konnte, dass die
nach § 27 Abs. 5, § 21 Abs. 6 BWG, § 39 Abs. 4 Nr. 3
BWO erforderliche eidesstattliche Versicherung über die
Kandidatenaufstellung nicht am 15. August 2005 einge-
reicht wurde.

Kein Wahlfehler liegt ferner darin, dass der Landeswahllei-
ter nicht bereits am 7. August 2005 das Fehlen der eides-
stattlichen Versicherung rügte. Das liegt auf der Hand, wenn
man die Darstellung des Landeswahlleiters zugrunde legt,
wonach an diesem Tag dem Vertreter der Offensive D über-
haupt erst das Formblatt für die eidesstattliche Versicherung
ausgehändigt wurde. Doch das Ergebnis ist kein anderes,
wenn man der Darstellung des Einspruchsführers folgt,
wonach dem Landeswahlleiter an diesem Tag bereits die
Niederschrift über die Versammlung zur Wahl der Kandida-
ten vorgelegt wurde. Denn gemäß § 27 Abs. 5, § 25 Abs. 1
BWG, § 40 Abs. 1 Satz 2 BWO trifft den Landeswahlleiter
eine entsprechende Prüf- und Hinweispflicht erst nach Ein-
reichung der Landesliste. Eingereicht wurde die Landesliste
der Offensive D aber unstreitig nicht am 7. August 2005,
sondern erst am 15. August 2005. An diesem Tag wurde sie
auch entsprechend den genannten Vorschriften unverzüglich
geprüft und das Fehlen der eidesstattlichen Versicherung so-
fort gerügt.

Entgegen der Auffassung des Einspruchsführers ist es auch
nicht zu beanstanden, dass der Offensive D die Formblätter
zum Sammeln der Unterstützungsunterschriften übergeben
wurden, obwohl weder eine Niederschrift noch eine eides-
stattliche Versicherung über die Wahl der Listenbewerber
vorgelegt worden war. Für die Aushändigung der Formblät-
ter zum Sammeln der Unterstützungsunterschriften hat die
anfordernde Partei gemäß § 39 Abs. 3 Satz 5, § 34 Abs. 4
Nr. 1 Satz 4 BWO die Aufstellung der Bewerber in einer
Mitglieder- oder einer besonderen oder allgemeinen Vertre-
terversammlung nach § 21 BWG lediglich „zu bestätigen.“
Eine besondere Form für diese Bestätigung ist dabei nicht
vorgesehen. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass der
Landeswahlleiter – auch im Hinblick auf den Umstand, dass
für das Sammeln der Unterstützungsunterschriften bei der
vorgezogenen Wahl zum 16. Deutschen Bundestag nur
wenig Zeit zur Verfügung stand – die mündliche Erklärung
des Vertreters der Offensive D hier als ausreichende Bestä-
tigung im Sinne des § 39 Abs. 3 Satz 5, des § 34 Abs. 4 Nr. 1
Satz 4 BWO betrachtete.

IX.

Die Zurückweisung der Landesliste der Offensive D in
Mecklenburg-Vorpommern entsprach § 28 Abs. 1 Nr. 2
i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 2, § 18 Abs. 2 BWG, da keine
der erforderlichen 1 412 Unterstützungsunterschriften ein-
gereicht worden war.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Landeswahllei-
ters kann die Nichterfüllung dieses Unterschriftenquorums
auch nicht darauf zurückgeführt werden, dass sich seine Ge-
burger Landesliste der Offensive D können keine Wahlfeh-
ler festgestellt werden.

schäftsstelle entgegen § 39 Abs. 3 Satz 2 BWO geweigert
hätte, die zum Sammeln der Unterstützungsunterschriften

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91 – Drucksache 16/5700
erforderlichen Formulare auszuhändigen. Doch selbst, wenn
man insoweit die gegenteilige Darstellung des Einspruchs-
führers zugrunde legen würde, könnte der dann anzuneh-
mende Wahlfehler dem Einspruch nicht zum Erfolg verhel-
fen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuss und
der Deutsche Bundestag stets angeschlossen haben, können
nur solche Wahlfehler die Gültigkeit der Wahl berühren, die
auf die Mandatsverteilung von Einfluss sind oder hätten
sein können. Dabei darf es sich nicht nur um eine theoreti-
sche Möglichkeit handeln, sie muss eine nach der allgemei-
nen Lebenserfahrung konkrete und nicht ganz fern liegende
sein (vgl. nur BVerfGE 89, 243, 254; Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 20). Diese sog. Mandatsrelevanz ist hier
nicht gegeben. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die
Offensive D sofort nach der angeblichen Anforderung der
Formulare am 15. August 2005 um 11.30 Uhr mit dem Sam-
meln der Unterschriften begonnen hätte, ist es nach der all-
gemeinen Lebenserfahrung fernliegend, dass sie die erfor-
derliche Anzahl von 1 412 Unterschriften rechtzeitig hätte
beibringen, somit die Zulassung ihrer Landesliste erreichen
und so die Sitzverteilung im Bundestag hätte verändern
können. Denn die Unterstützungsunterschriften hätten
gemäß § 27 Abs. 5, § 25 Abs. 2 Nr. 2, § 19 BWG i. V. m. § 1
Nr. 2 der Verordnung über die Abkürzung von Fristen im
Bundeswahlgesetz für die Wahl zum 16. Deutschen Bundes-
tag bis 18 Uhr desselben Tages vorliegen, also innerhalb
von 6.30 Stunden gesammelt werden müssen. Selbst der
Einspruchsführer ist – wie seine als „Wahlkampfkoordina-
tor“ verfassten Schreiben zeigen – der Auffassung gewesen,
dass dies nicht zu schaffen war.

X.

Im Hinblick auf die vom Einspruchsführer gerügte Versen-
dung von falschen Stimmzetteln an die Briefwähler in Dort-
mund hat der Deutsche Bundestag bereits anlässlich anderer
einschlägiger Wahleinsprüche festgestellt, dass insoweit
zwar ein Wahlfehler unterlaufen ist, dieser aber ohne Ein-
fluss auf die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag geblie-
ben ist. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Wahl-
prüfungsausschuss auf die Bundestagsdrucksache 16/900,
Anlagen 1 bis 10.

XI.

Der Wahlprüfungsausschuss stimmt mit dem Einspruchs-
führer überein, soweit dieser rügt, dass die sächsische Ge-
meindebehörde Großrückerswalde Fotokopien von zwei ihr
zur Bescheinigung des Wahlrechts vorgelegten Formblät-
tern mit Unterstützungsunterschriften machte. Zwar muss
die Gemeindebehörde festhalten, wem sie eine Bescheini-
gung erteilt, da sie gemäß § 39 Abs. 5, § 34 Abs. 6 Satz 2
BWO für jeden Wahlberechtigten das Wahlrecht jeweils nur
einmal für einen Kreiswahlvorschlag und eine Landesliste
bescheinigen darf (vgl. Schreiber, a. a. O., § 20 Rn. 7). Da-
bei darf sie nach § 39 Abs. 5, § 34 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2
BWO jedoch nicht festhalten, für welchen Wahlvorschlag
sie die Bescheinigung erteilt hat. Eben dies tat sie aber, in-
dem sie Fotokopien der Formblätter mit den Unterstüt-
zungsunterschriften fertigte.

Der Wahlfehler ist indes nicht mandatsrelevant. Anhalts-
punkte dafür, dass es sich um eine durchgängig praktizierte
Vorgehensweise handelte, die Wähler davon abgehalten
haben könnte, Unterstützungsunterschriften zu leisten und
damit die Wahlteilnahme bestimmter Wahlvorschlagsträger
vereitelt haben könnte, gibt es nicht. Vielmehr handelte es
sich nach dem Vortrag der Landeswahlleiterin um einen
Ausnahmefall, der auf die vorübergehende Abwesenheit der
an sich für die Bescheinigungen zuständigen Mitarbeiterin
zurückzuführen war.

Keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt es auch für die
weiteren vom Einspruchsführer behaupteten „diversen
Wahlbehinderungen“ in Sachsen (schleppende Erteilung
von Wahlrechtsbescheinigungen; Behinderung von Bür-
gern bei der Abgabe von Unterstützungsunterschriften; un-
zureichende Öffnungszeiten). Der Einspruchsführer bezieht
sich insoweit, ohne selbst hinreichend konkrete, der Über-
prüfung zugängliche Tatsachen vorzutragen, im Wesentli-
chen auf in der 2. Sitzung des Bundeswahlausschusses erho-
bene Vorwürfe, denen – da sie nicht näher konkretisiert
wurden – schon seinerzeit nicht nachgegangen werden
konnte und für deren Berechtigung es – wie sich aus der
Stellungnahme der Landeswahlleiterin ergibt – auch im
Nachhinein keine Hinweise gibt.

XII.

Soweit die Verwaltungsgemeinschaft Hohe Börde bei elf für
die sachsen-anhaltinische Landesliste der AGFG geleisteten
Unterstützungsunterschriften das Wahlrecht der Unterzeich-
ner nicht rechtzeitig bescheinigte, weil sie den Druck von
Wahlbenachrichtigungen nicht unterbrechen wollte, und
diese Unterschriften daher bei der Entscheidung über die
Zulassung der Landesliste nicht berücksichtigt wurden, liegt
zunächst ein Wahlfehler vor. Denn nach § 27 Abs. 5, § 25
Abs. 2 Nr. 2 BWG sind nach Ablauf der für die Einreichung
der Landesliste geltenden Frist vorgelegte Wahlrechtsbe-
scheinigungen noch zu berücksichtigen, wenn der Nachweis
infolge von Umständen, die der Wahlvorschlagsberechtigte
nicht zu vertreten hat, nicht rechtzeitig erbracht werden
kann. Dies war hier offenkundig der Fall. Der Wahlfehler
wurde jedoch rechtzeitig vom Bundeswahlausschuss in sei-
ner 2. Sitzung korrigiert, indem er die elf Unterstützungs-
unterschriften hinzuzählte. Ungeachtet dessen erreichte die
Landesliste auch mit diesen Unterstützungsunterschriften
nicht die für eine Zulassung zur Wahl erforderliche Anzahl
von Unterschriften.

Es stand nicht in Widerspruch zu Vorgaben des Wahlrechts,
dass der Landeswahlleiter die Parteien nicht durch Merk-
blätter oder Broschüren über die Zuordnung von Ortsteilen
zu den neu gebildeten Verwaltungsgemeinschaften infor-
mierte. Denn eine Verteilung von Merkblättern oder Aus-
gabe von Broschüren ist insoweit nicht vorgeschrieben. Es
genügte daher, dass die Informationen beim Landeswahllei-
ter, dessen Name, Dienststellenanschrift und Telekommuni-
kationsverbindung öffentlich bekannt zu machen sind (vgl.
§ 2 Satz 2, § 86 Abs. 1 BWO), telefonisch erfragt oder über
seine Homepage abgerufen werden konnten. Der Ein-
spruchsführer trägt im Übrigen auch nicht vor, dass die Zu-
ordnungsschwierigkeiten dazu geführt hätten, dass Wahl-

Drucksache 16/5700 destag – 16. Wahlperiode
– 92 – Deutscher Bun

rechtsbescheinigungen nicht rechtzeitig hätten erbracht wer-
den können und dadurch zur Zurückweisung von Wahlvor-
schlägen geführt hätten. Soweit es in einigen Gemeinden zu
Verzögerungen bei der Erteilung von Wahlrechtsbescheini-
gungen kam, wurden die Bescheinigungen nach dem Vor-
trag des Landeswahlleiters im Ergebnis noch rechtzeitig er-
teilt. Deshalb kann insoweit kein Wahlfehler vorliegen.

nung und der gemeinsamen offenen Liste gewählt. Bedenk-
lich sei auch, dass „schon 7 ausgemachte ehemalige Stasi-
Mitarbeiter für die Linkspartei im Bundestag“ säßen.

rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Auf Parteitagen am 25. März
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs

setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 BWG erfülle. Der Bundes-
wahlausschuss war sich auch darüber einig, dass über die
Parteieigenschaft der WASG nicht zu entscheiden war, da
Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens
der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-
ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die

2007 und bei zwischen dem 30. März und dem 18. Mai
2007 durchgeführten Urabstimmungen der Basis beider Par-
teien wurde dann mehrheitlich für eine Verschmelzung
sowie Entwürfe programmatischer Eckpunkte, einer Bun-
dessatzung und einer Schieds- und Finanzordnung der
neuen Partei „Die Linke“ gestimmt.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf-
grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 1. November 2005 hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag am 18. September 2005 Einspruch eingelegt und
sich hierbei auf fünf Begründungspunkte gestützt.

Vertrauensfrage nach Artikel 68 des Grundgesetzes (GG)

Der Einspruchsführer betont, dass es nicht vom Gesetzgeber
gewollt sei, eine Vertrauensfrage im Vorhinein zu manipu-
lieren und um das Misstrauen der eigenen Regierungsmehr-
heit zu werben, um vorzeitige Neuwahlen herbeizuführen.

Zulassung der Landeslisten der Linkspartei.PDS

Weiterhin rügt der Einspruchsführer die Zulassung der Lan-
deslisten der Linkspartei.PDS unter Berücksichtigung von
Mitgliedern der WASG. Um das Listenverbindungen ver-
schiedener Parteien untersagende Bundeswahlgesetz (BWG)
zu umgehen, hätten diese Parteien den Weg der Umbenen-

Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter
Demokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheitere die Gründung einer neuen Partei;
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text
vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene
Namensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten
gemeinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legt am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-

Anlage 18

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. P., 14055 Berlin
– Az.: WP 137/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die
Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale

sie rechtswirksam ihre Beteilungsanzeige gemäß § 18 BWG
zurückgezogen hatte.

Drucksache 16/5700 – 94 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschiedlicher,
insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nordrhein-
Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg
und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichtender –
Firmierung für alle Bundesländer Landeslisten aufgestellt
und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte, ließen die
Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese Listen ge-
mäß § 28 BWG zu.

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
mit dem Bundesministerium des Innern erstellte „Handrei-
chung“ ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger Lan-
deslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten Par-
tei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine
gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die
Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht un-
zulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste aufge-
stellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit gegangen
sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei die Par-
teimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt bilden
sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben anderen
Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der Liste we-
sentlich stärker als parteilose Bewerber. Ebenso werde nicht
davon abgesehen werden können, auf welchen Plätzen die
Parteifremden platziert seien. Entscheidend dürfte es laut
Handreichung darauf ankommen, ob es bei verständiger
Würdigung aller Umstände offensichtlich sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Überwiegend müssten die Bewerber der ein-
reichenden Partei angehören. Die Homogenität dürfte dabei
gewahrt sein, wenn sich unter den ersten fünf Bewerbern,
die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf den Stimmzetteln auf-
geführt werden, überwiegend Mitglieder der einreichenden
Partei befänden. Das Gleiche sollte für die folgenden Lis-
tenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-Blöcken, gelten. Auf
ein Gesamtzahlenverhältnis sei dagegen nicht abzustellen,
da eine Liste beliebig viele Bewerber enthalten könne. In
Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“ Liste nicht als unzu-
lässig angesehen werden können, da dem Wahlrecht keine
konkreten Quoren für ein Übermaß an parteifremden Be-
werbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20
kein Parteiloser

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39
kein Parteiloser

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

Der Bundeswahlleiter geht in seiner Stellungnahme davon
aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landeslisten zu
Recht zugelassen haben, da sie den durch das Bundeswahl-
gesetz und die Bundeswahlordnung aufgestellten Anforde-
rungen entsprochen hätten. Das Bundeswahlgesetz enthalte
keine Vorgaben zur Parteizugehörigkeit von Listenbewer-
bern. Im Gegensatz zu § 22 Abs. 6 des Landeswahlgesetzes
Mecklenburg-Vorpommern oder § 26 Abs. 5 des Landes-
wahlgesetzes Schleswig-Holstein schließe es für Listenbe-
werber eine Mitgliedschaft in einer anderen als der einrei-
chenden Partei nicht ausdrücklich aus. Allerdings seien
mehrparteiige Listenverbindungen und -vereinigungen bei
Bundestagswahlen unzulässig. Da nach § 7 Abs. 1 BWG
Landeslisten derselben Partei aus verschiedenen Ländern
als verbunden gelten, ergebe sich im Umkehrschluss, dass
Landeslisten unterschiedlicher Parteien nicht verbunden
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14
Parteiloser auf Platz 4

werden könnten. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel des § 6
Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich überwinden; eine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95 – Drucksache 16/5700

„Blockbildung“ mehrerer kleiner Parteien, um gemeinsam
die Sperrklausel zu überwinden, gestatte das Gesetz nicht.
Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG – unter Umständen – er-
forderlichen Unterstützungsunterschriften müsse die jewei-
lige Partei beibringen; eine Listenvereinigung oder -verbin-
dung, die es zwei Parteien ermögliche, die von ihnen jeweils
gesammelten Unterschriften „zusammenzulegen“, sehe das
Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch un-
terlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Par-
tei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose
Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bisheri-
gen Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr
müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden,
wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze
der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Vorausset-
zungen – die man als Homogenität der Liste bezeichnen
könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben,
wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet –
Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste aufgestellt
seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf,
das Bundeswahlgesetz enthalte gerade keine Regelungen
zur Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landeslisten.
Das Bundestagswahlrecht sei von großer Formstrenge ge-
prägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis gemäß sei-
nem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwendung seiner
Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der Durchfüh-
rung der Bundestagswahlen stünden für nahezu sämtliche
im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entscheidungen den
Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur kurze Zeiträume
zur Verfügung; es müsse unter großem Zeitdruck gehandelt
werden und man sei auf klare und verständliche Normen mit
eindeutigen Handlungsanweisungen angewiesen. Dies habe
erst recht wegen der verkürzten Fristen vor der jetzigen
Wahl gegolten. Während der Entscheidungszeitraum bei
„regulär“ stattfindenden Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19,
28 Abs. 1 Satz 1 BWG), sei er hier durch Verordnung des
Bundesministeriums des Innern auf vier Tage verkürzt ge-
wesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag vor der
Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern einge-
gangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulassung
hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der Wahl
(19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prüfung
sämtlicher wahlrechtlichen Voraussetzungen für alle einge-
reichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prüfung der
Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die Wählbar-
keit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unterstützungs-
unterschriften, umfasst. Daher komme dem Wortlaut des
Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft der Lis-
tenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu. Dies
gelte um so mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder Be-

triebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste der
CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das Ge-
setz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz gezo-
gen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine ent-
sprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter daraufhin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Bundestages nach dem Demokratieprinzip durch
den Wähler getroffen werden solle. Eine Zulassungspraxis,
die eine Bewertung der hinter einer Liste stehenden politi-
schen Kräfte unternähme, würde die Wahlentscheidung vom
Volk in das Vorfeld der Wahl zu den Wahlausschüssen ver-
lagern. Damit würde der „Souverän“ von vornherein in sei-
ner Wahlmöglichkeit eingeschränkt und der Zulassungsent-
scheidung eine materielle, vom Wahlrecht nach dem Sinn
und Zweck des Demokratieprinzips nicht gewollte politi-
sche Bedeutung verschafft.

Auch aus anderen Vorschriften ergebe sich nicht, dass gene-
rell eine Aufstellung von Mitgliedern anderer Parteien aus-
geschlossen sein solle. So sehe zwar § 48 Abs. 1 Satz 2
BWG vor, dass solche Bewerber bei der Listennachfolge
unberücksichtigt bleiben, die seit Aufstellung der Landes-
liste aus dieser Partei ausgeschieden seien. Ein solches Aus-
scheiden zeige, dass der Bewerber inzwischen die Ziele der
Partei nicht mehr teile oder nicht mehr bereit sei, für deren
Verwirklichung einzutreten, so dass dessen Listennachfolge
den Wählerwillen verfälschen würde. Die vorliegende Fall-
gestaltung sei jedoch eine andere. Die Bewerbung auf einer
Liste signalisiere, dass sich der Bewerber mit den von dieser
Partei verfolgten Zielen im Großen und Ganzen einverstan-
den erkläre und zwar unabhängig davon, ob er selbst Mit-
glied sei. Bekanntlich lege das Parteiengesetz großen Wert
auf eine demokratische Binnenstruktur der politischen Par-
teien. Die Parteimitglieder verträten nicht alle Ziele der Par-
tei mit gleicher Intensität; auch innerhalb von Parteien gebe
es politische Strömungen mit unterschiedlichen Prioritäten.
Aufgabe der Parteien sei gerade die Vorformung des politi-
schen Willens. Das BWG verlange von den sich um die
Wählerstimmen bewerbenden Parteien weder ein Wahlpro-
gramm noch von den Bewerbern dessen Unterstützung.
Vielmehr gebe § 21 Abs. 3 Satz 3 BWG den Bewerbern
Gelegenheit, bei der Aufstellung der Wahlvorschläge ihr
(eigenes) Programm vorzustellen. Ein Bekenntnis zum Par-
teiprogramm verlange es nicht. Ein solches Verlangen sei
auch, wenn ein Bewerber erfolgreich sei, wegen des ver-
bürgten freien Mandats (Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht
verpflichtend. De lege lata genüge dem Bundeswahlgesetz
als Nachweis für die Verbundenheit eines Bewerbers mit der
den Wahlvorschlag einreichenden Partei die Nominierung
ausschließlich durch die Mitglieder oder Delegierten dieser
Partei. Es gehe davon aus, dass keine Bewerber gewählt
würden, die die Ziele der Partei nicht in ausreichendem
Maße unterstützten. Hiervon sei auch in einer Wahlprü-
fungsentscheidung der V. Wahlperiode ausgegangen worden
(Bundestagsdrucksache V/1115, 1966, S. 3). Dabei sei fest-
werber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens
seit Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimatver-

gestellt worden, dass einer fremden Partei angehörende
Wahlbewerber mit Zustimmung zur Aufnahme in die Liste

Drucksache 16/5700 – 96 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

einer anderen Partei deren politische Grundsätze anerkannt
hätten. Die ihre Liste beschließende Partei sei bei Auf-
nahme der Bewerber davon ausgegangen, dass sich diese
bei ihren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen
der nominierenden Partei bekannt hätten. Auch Bestimmun-
gen zur Parteienfinanzierung führten zu keinem anderen Er-
gebnis. Nur die Parteien erhielten staatliche Mittel als Teilfi-
nanzierung der ihnen allgemein nach dem Grundgesetz ob-
liegenden Tätigkeiten, wenn sie mit ihrer Landesliste einen
Wahlerfolg erzielt hätten, der die Anforderungen von § 18
PartG im Einzelnen erfülle. Das Recht der staatlichen Par-
teienfinanzierung, das sich ebenfalls an strikten formalen
Kriterien auszurichten habe, unterscheide nicht zwischen
Listen mit Bewerbern ausschließlich aus der einreichenden
Partei und Listen auch mit Parteilosen oder Mitgliedern an-
derer Parteien. Die staatlichen Mittel stünden nur den Par-
teien zu, die Listen eingereicht und an den Wahlen mit ei-
nem Mindesterfolg teilgenommen hätten. Verzichte eine
Partei auf den eigenen Wahlantritt, sei damit zwangsläufig
auch der Verzicht auf staatliche Mittel verbunden. Dies sei
den Parteien bekannt. Ein Argument dafür, dass ein Verzicht
auf Wahlteilnahme und die Bewerbung von Mitgliedern die-
ser Partei auf Listen anderer Parteien unzulässig sei, lasse
sich daraus nicht herleiten.

Auch § 10 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundesta-
ges (GO-BT) ergebe kein Gegenargument, zumal diese als
reines „Intraorganrecht“ oder „Innenrecht“ (Kretschmer, in:
Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum GG, 10. Aufl.
2004, Artikel 40 Rn. 25) nicht als Auslegungshilfe zum
Bundeswahlgesetz geeignet sei. Die Geschäftsordnung re-
gele die Arbeit des Parlaments nach seiner Wahl. Sie lasse
keine Rückschlüsse auf den das Parlament konstituierenden
Wahlakt zu. § 10 Abs. 1 Satz 1 GO-BT lasse die Fraktions-
bildung solcher Abgeordneter zu, die entweder derselben
Partei oder solchen Parteien angehörten, die aufgrund
gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinan-
der im Wettbewerb stehen. Es könne dahingestellt bleiben,
ob diese Voraussetzung bei den Mitgliedern von Linkspartei
und WASG gegeben sei. Für die Frage der Zulassung von
Landeslisten sei dies ohne Bedeutung. Jedenfalls könne der
Vorschrift nicht entnommen werden, dass das Bundestags-
wahlrecht den Einzug von Mitgliedern verschiedener Par-
teien über eine Parteiliste in den Bundestag verbiete. Denn
die Vorschrift lasse es zu, dass Abgeordnete unterschied-
licher Parteien eine Fraktion bilden können. Auf welche
Weise diese in den Bundestag gelangt seien – ob als Mit-
glieder einer einzigen Landesliste oder mehrerer Landeslis-
ten aus verschiedenen Ländern – lasse die Vorschrift offen.

Schließlich führten auch verfassungsrechtliche Argumente
zu keinem anderen Ergebnis. Aus Artikel 21 Abs. 1 Satz 1
GG lasse sich für die Parteien kein Verbot ableiten, Mitglie-
der anderer Parteien als Bewerber aufzustellen. Die Demo-
kratie bedürfe der politischen Parteien, um die Wähler zu
aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen
so einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen
zu ermöglichen (BVerfGE 69, 92, 110; Sannwald, in:
Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz,
10. Aufl., 2004, Artikel 21 Rn. 21). Parteien bündelten poli-
tische Strömungen in der Bevölkerung und formten den
politischen Willen vor. Hieraus resultiere aber kein Gebot,

das „Monopol“ der Parteien zur Listenaufstellung erreicht.
Die Aufstellung der jeweiligen Liste durch die Mitglieder
der Partei gewährleiste ausreichend, dass nur die Positionen
der Partei vertretende Personen aufgestellt würden. Werde
eingewandt, dass der Wähler nur bei Parteimitgliedern auf
den Listen die Gewähr habe, dass sie für das Programm
auch tatsächlich einträten, zeige die Wirklichkeit, dass sich
der Wähler selbst bei der aufstellenden Partei angehörenden
Bewerbern keineswegs sicher sein könne, dass sie später als
Abgeordnete das Programm ihrer Partei vertreten würden.
Zum einen seien die Gewählten nicht dem Parteiprogramm,
sondern dem ganzen Volk verpflichtet (Artikel 38 Abs. 1
Satz 2 GG). Zum anderen komme es immer wieder vor, dass
Parteiprogramme von einzelnen Abgeordneten später nicht
mehr mitgetragen oder ganz oder in Teilen nicht umgesetzt
würden, etwa weil die Partei und deren Parlamentsfraktion
im Interesse einer Koalitionsbildung oder wegen veränder-
ter wirtschaftlicher Verhältnisse im Programm formulierte
Ziele nicht weiter verfolge. Umgekehrt könnten auch nicht
parteizugehörige Abgeordnete die Ziele einer Partei, die sie
als Listenbewerber aufgestellt habe, mit Überzeugung ver-
treten.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz eine Zu-
rückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.
Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit er-
sichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer an-
deren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete
und praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine
Liste nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet wer-
den könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet
sei. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass
„die Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn sich
die auf ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemein-
sames Programm verbunden fühlen“ (BVerfGE 11, 351,
366). Diese Voraussetzung habe es im konkreten Fall einer
örtlichen Wählergemeinschaft bzw. Rathauspartei bei einer
Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen als gegeben erach-
tet. Auf die Fragen, wie sich die Verbundenheit mit einem
gemeinsamen Programm äußern solle – durch die Partei-
zugehörigkeit der Wahlbewerber oder auch durch andere
Kriterien – und welche Konsequenz aus einer fehlenden
Verbundenheit zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung aller-
dings keine Antwort. In der bereits zitierten Wahlprüfungs-
entscheidung (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3) sei ge-
folgert worden, „dass das Bundesverfassungsgericht die
Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei angehö-
render Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als an sich
verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfassungsge-
richt geforderte Homogenität der Liste müsse nicht bereits
dann verneint werden, wenn Mitglieder einer fremden Par-
tei auf einer anderen Parteiliste erscheinen“. Es müsse viel-
mehr auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden, wobei
es nicht nur auf die politische Richtung des Landesverban-
des der fremden Partei, sondern auch auf die politische Auf-
bei einer Bundestagswahl nur eigene Mitglieder aufzustel-
len. Die „Bündelungsfunktion“ werde ausreichend durch

fassung des parteifremden Kandidaten ankomme. In der
Literatur seien eindeutige und damit für die Landeswahlaus-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97 – Drucksache 16/5700

schüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht entwickelt
worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur vereinzelt
und nicht an prominenter Stelle der Liste aufgestellt, sei
dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Homogenität
einer Landesliste sei dagegen nicht mehr gewahrt, wenn
etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen Partei ange-
hörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu bestimmen
und hänge von den Gesamtumständen ab. Kriterien könnten
etwa eine Namensergänzung oder das Nominieren von Füh-
rungspersonen der anderen Partei sein (Schreiber, Kommen-
tar zum BWG, 7. Aufl., Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, Juni 2005, S. 10). Die teilweise erwo-
gene Berücksichtigung „weicher“ Kriterien, wie die „Nähe“
der Listenbewerber zu einem bestimmten Parteiprogramm,
sei abzulehnen (so auch König, Anmerkungen zu der Bun-
destagswahl 2005, Die Öffentliche Verwaltung 2006, S.
423, 424). Für die Landeswahlausschüsse, die kurzfristig
und unter großem Zeitdruck zu entscheiden gehabt hätten,
sei die Überprüfung der politischen Haltung einzelner Be-
werber nahezu unmöglich gewesen. Kriterien zur Bestim-
mung einer solchen „Nähe“ seien auch kaum objektivierbar
gewesen. Als einzig handhabbares, formales Kriterium sei
die Parteizugehörigkeit der Landeslistenbewerber geblie-
ben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewer-
bern deshalb eine generalisierende, vorrangig an nummeri-
schen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten zu-
nächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf den
Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich an-
schließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-
trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
„Handreichung“ eine solche Vorgehensweise empfohlen.

Nach den Kriterien der „Handreichung“ seien alle Landes-
listen der Linkspartei.PDS aufgrund der Bewerbersituation
noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe
bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11; Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Bundestag (Hessen: 20 Listenplätze, 2 erfolg-
reich; Niedersachsen: 46 Listenplätzen: 3 erfolgreich). Auf
den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen Landeslisten
(nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen seien mit sieben
bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber erfolgreich gewesen)
sei jeweils nur ein Bewerber der WASG platziert gewesen.

wesen, was aber die Homogenität dieser Landeslisten nicht
zerstört habe.

Nachwahl im Wahlkreis 160

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 am 8. September 2005 gemäß § 82
Abs. 1 Satz 1 der Bundeswahlordnung (BWO) die Bundes-
tagswahl am 18. September abgesagt und öffentlich bekannt
gemacht, dass eine Nachwahl stattfindet. Die Landeswahl-
leiterin hat sodann den Tag der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7
BWO auf den 2. Oktober 2005 festgesetzt. In der Wahlnacht
hat der Bundeswahlleiter – wie bereits zuvor in Pressemit-
teilungen angekündigt – ein vorläufiges Ergebnis für das
Wahlgebiet ermittelt und bekannt gegeben. Dieses enthielt
nur das Ergebnis für 298 Wahlkreise, verteilte aber alle 598
Mandate.

Die Nachwahl im Wahlkreis 160 (Dresden I) stellt nach
Auffassung des Einspruchsführers eine Wettbewerbsverzer-
rung dar, da die Wähler über das vorläufige Ergebnis der
Bundestagswahl bereits informiert gewesen seien und daher
ihre beiden Stimmen wesentlich gezielter hätten einsetzen
können.

Der Bundeswahlleiter erinnert in einer Stellungnahme zu-
nächst daran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines
Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvor-
schlags, aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufin-
den habe. Zur Ermittlung und Feststellung des Wahlergeb-
nisses bis zur Nachwahl gäben § 37 BWG und § 67 BWO
vor, dass der Wahlvorstand im Anschluss an die Wahlhand-
lung das Ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und fest-
stellt, d. h. also unmittelbar nach Schließung der Wahl-
lokale. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine
abweichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um hiervon absehen zu können. An-
haltspunkte für eine Regelungslücke bestünden nicht. Die
Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach bei Nachwah-
len der Landeswahlleiter im Einzelfall Regelungen zur An-
passung an besondere Verhältnisse treffen könne, beziehe
sich auf die Durchführungsmodalitäten der Nachwahl, nicht
aber auf die Hauptwahl. Zudem sprächen gewichtige wahl-
organisatorische Gründe gegen ein Aufschieben der Stim-
menauszählung. Denn dann hätten in den nicht betroffenen
298 Wahlkreisen in rund 80 000 Wahllokalen und bei rund
10 000 Briefwahlvorständen insgesamt rund 90 000 Wahl-
urnen und die Wählerverzeichnisse bis zum Ende der Stim-
mabgabe bei der Nachwahl versiegelt, sicher untergebracht
und bewacht werden müssen. Nach Ende der Nachwahl hät-
ten alle Wahlvorstände nochmals zusammenkommen müs-
sen, was in der Zusammensetzung vom Tag der Hauptwahl
vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre. Die Gefahr,
dass im Aufbewahrungszeitraum Wahlurnen abhanden
kommen, Unbefugten zugänglich werden oder geöffnet
werden könnten, sei nicht von der Hand zu weisen. Das Ver-
trauen der Wählerschaft in die Richtigkeit der Ergebnisse
würde auf eine nicht zu rechtfertigende Probe gestellt, wenn
nicht schwerwiegend beeinträchtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Ergebnisses sei
nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Allein in Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz seien auf
den ersten fünf Plätzen zwei WASG-Mitglieder platziert ge-

Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, wonach
im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von den Vor-

Drucksache 16/5700 – 98 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekanntgabe des
Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO) abgewichen
werden dürfe. Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergeb-
nisses (§§ 37, 41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf
allen Ebenen verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusam-
menzufassen und auf schnellstem Wege an die nächsten zu-
ständigen Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiter-
zuleiten (§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Auf-
schub der Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen
oder eine Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwi-
schen Wahlkreis- und Landesebene bis zum Abschluss der
Nachwahl, um so ein Zusammenrechnen und die Feststel-
lung der Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse
oder des bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern,
sähen die Wahlrechtsvorschriften nicht vor. Auch die Be-
kanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die Wahlbezirke,
Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlgebiet am
(Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70 Satz 1
BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergebnis für
den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung nach § 67
BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusammenfassung
der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO) müssten die
jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landesebene sowie der
Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO das jeweilige
vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in geeigneter Form
öffentlich bekannt geben. Daher müssten in jedem Fall die
vorläufigen Ergebnisse für die von der Nachwahl nicht
betroffenen Wahlkreise und ebenso das zusammengefasste
Ergebnis für das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben wer-
den. Eine Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis
zum Abschluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig
gewesen. Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung bis zur
Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewesen.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder wäh-
rend der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung des
Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelungen
garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlichkeit
der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss der
Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widerspräche
dem Demokratieprinzip. Die Auszählung habe deshalb in
den Wahllokalen und bei den Briefwahlvorständen öffent-
lich zu erfolgen. Das Ergebnis müsse anschließend münd-
lich bekannt gegeben werden. Damit könne jeder Interes-
sierte die Ergebnisse an der „Basis“ erfahren. Die lokale
Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse sam-
meln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen. Zudem ver-
öffentlichten Meinungsforschungsinstitute und Fernsehan-
stalten nach Ende der Wahlzeit am Abend der Hauptwahl
Hochrechnungen des Ergebnisses für das gesamte Wahlge-
biet, die – weil aus sog. Wahlnachbefragungen am Wahltag
stammend – erfahrungsgemäß dem vorläufigen amtlichen
Ergebnis sehr nahe kämen. Diese Hochrechnungen hätten
nicht verhindert werden können, so dass den Wahlberech-
tigten im Wahlkreis Dresden I auch auf diesem Weg das
– wahrscheinliche – Gesamtwahlergebnis aus den übrigen
298 Wahlkreisen nicht unbekannt geblieben wäre.

„Wahlpannen“

Wahlpannen gegeben habe. Dies sei in Dortmund und in
Berlin in Form von falschen Stimmzetteln und bei der Brief-
wahl aus dem Ausland geschehen.

Bezüglich der Briefwahl in Dortmund stellt sich der Sach-
verhalt dergestalt dar, dass die Stadt Dortmund einen Teil
der für die Wahlkreise 143 und 144 (Dortmund I und II) zu
versendenden Briefwahlunterlagen durch eine Privatfirma
verpacken und versenden ließ, ohne darauf aufmerksam zu
machen, dass die Stimmzettel getrennt nach den beiden
Wahlkreisen den Wahlunterlagen beizufügen seien. Deshalb
wurden am 2. September 2005 rund 50 000 Briefwahlunter-
lagen in den Postversand gegeben, ohne dass darauf geach-
tet worden ist, ob jeweils ein der Anschrift des Briefwählers
entsprechender Stimmzettel beigefügt worden war. Nach
Bekannt werden des Fehlers am 3. September 2005 unter-
richtete die Stadt Dortmund die Bevölkerung in Radio und
Fernsehen sowie mittels Presse über die Versendung mög-
licherweise falscher Stimmzettel. Mit Schreiben vom
6. September 2005 wurden dann alle von der Privatfirma
mit Briefwahlunterlagen Versorgten gebeten, den jeweils er-
haltenen Stimmzettel zu überprüfen. Außerdem wurden sie
über die Möglichkeiten zur korrekten Stimmabgabe infor-
miert und es wurde auch – unter Hinweis auf die Nutzung
des E-Mail-Verkehrs, das städtische Call-Center oder das
Aufsuchen des kommunalen Wahlbüros oder des Bürgerbü-
ros – angeboten, den Stimmzettel auszutauschen oder den
bisherigen Wahlschein für ungültig erklären zu lassen und
neue Briefwahlunterlagen zu erhalten.

Insgesamt sind laut Angaben der Landeswahlleiterin zwi-
schen 22 000 und 25 000 Stimmzettel ausgetauscht und ins-
gesamt 12 321 Wahlscheine, letztere teilweise auch aus an-
deren Gründen, für ungültig erklärt worden. Im Ergebnis ist
schließlich mit 10 533 vertauschten Stimmzetteln gewählt
worden; davon beruhte in 10 433 Fällen die Ungültigkeit
der Zweitstimme auf der Vertauschung und nicht – wie für
den Rest – auf anderen Gründen.

Auf Nachfrage sind die beiden Zahlenwerte – insgesamt
10 533, aber 10 433 nur wegen Vertauschung ungültig – von
der Landeswahlleiterin bestätigt worden. Dass zunächst von
insgesamt 10 504 ungültigen Stimmen ausgegangen und
dies später auf 10 533 korrigiert wurde, wird mit möglichen
Zählfehlern durch die Belastung des Wahlabends erklärt.
Die wegen Vertauschung ungültigen Erststimmen liegen mit
10 272 etwas niedriger.

Laut Landeswahlleiterin und Bundeswahlleiter sind die ver-
tauschten Stimmzettel gesondert ausgezählt worden. Nach
den dem Wahlprüfungsausschuss vorliegenden Modellrech-
nungen sowohl des Bundeswahlleiters als auch des Landes-
amtes für Datenverarbeitung und Statistik, erstellt im Auf-
trag der Landeswahlleiterin, hätte sich auch bei Wertung der
ungültigen Zweitstimmen keine Veränderung bei der Zutei-
lung der Sitze ergeben. So hat der Bundeswahlleiter in einer
ersten Modellrechnung die Zahl der wegen Vertauschung
ungültigen Zweitstimmen der Parteien SPD, CDU, GRÜNE,
FDP, Die Linke. den jeweiligen Parteien zugerechnet. (Zu-
gerechnet wurden für SPD: 5 129; CDU: 3 043; GRÜNE:
445; FDP: 648; Die Linke.: 810). Dabei haben sich keine
mandatsrelevanten Verschiebungen bei der Verteilung der
Zweitstimmen auf die Listenverbindungen („Obervertei-
Weiterhin rügt der Einspruchsführer, dass es offenkundig in
Dortmund, in Berlin und bei den Briefwahlen zahlreiche

lung“) oder bei der Verteilung der Mandate der Parteien auf
ihre Landeslisten („Unterverteilung“) ergeben. In einer

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 99 – Drucksache 16/5700

zweiten Modellrechnung wurden die 10 433 Stimmen je-
weils insgesamt einer der genannten Parteien zugerechnet.
Auch dies bewirkte – abgesehen von der FDP – keine Ver-
änderungen. Im Falle der FDP würden 8 002 Zweitstimmen
als einzige Auswirkung ein FDP-Mandat von Sachsen nach
Nordrhein-Westfalen verschieben.

Bezüglich der Erststimmen ist laut Landeswahlleiterin die
Vertauschung angesichts des mit jeweils über 40 000 Stim-
men deutlichen Vorsprungs der in den beiden Wahlkreisen
erfolgreichen Bewerber ohne Bedeutung.

Weder der Bundeswahlleiter noch die Landeswahlleiterin
des Landes Nordrhein-Westfalen sahen Anlass, in amtlicher
Eigenschaft gemäß § 2 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) Einspruch einzulegen.

Bezüglich der Verwechslung von Stimmzetteln im Wahlkreis
84 (Berlin-Friedrichshain–Kreuzberg – Prenzlauer Berg-
Ost) hat der Landeswahlleiter für das Land Berlin in einer
einen vergleichbaren Einspruch betreffenden Stellung-
nahme bestätigt, dass in einem Wahllokal des Wahlbezirks
287 zwischen 8 und 11 Uhr Stimmzettel für den Wahlkreis
77 (Berlin-Pankow) ausgegeben worden seien. 57 Wähler
hätten diese benutzt, drei Wähler hätten ihre Stimmabgabe
später wiederholen können. Der erfolgreiche Wahlkreisbe-
werber habe mit einem Abstand von 36 426 Stimmen seinen
Sitz gewonnen.

Überhangmandate und negatives Stimmgewicht

Schließlich beanstandet der Einspruchsführer das Auftreten
der Überhangmandate und das Phänomen der sog. negati-
ven Stimmgewichte. Dieses habe man im Wahlkreis 160
(Dresden I) erleben können, wo die CDU bei einem Gewinn
von weiteren 41 000 Zweitstimmen ein Mandat verloren
hätte.

Der Einspruchsführer hat sich zu den ihm übermittelten
Stellungnahmen nicht geäußert.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG
von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Die vom Einspruchsführer gegen die Bundestagswahl
erhobenen Einwände stellen entweder schon keinen Fehler
bei der Vorbereitung und Durchführung der Bundestags-
wahl dar oder aber, falls ein Fehler festzustellen ist, kommt
diesem keine für den Erfolg einer Wahlanfechtung maßgeb-
liche Auswirkung auf die Verteilung der Mandate zu.

Vertrauensfrage nach Artikel 68 GG

Die am 18. September 2005 durchgeführte Wahl beruht
nicht auf einer Manipulation des Artikels 68 GG. So hat das
Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 25. August 2005
festgestellt, dass die Entscheidungen des Bundespräsidenten,
den 15. Deutschen Bundestag aufzulösen und den Termin der

Zulassung der Landeslisten der Linkspartei.PDS

Ein Wahlfehler lässt sich auch bezüglich der Zulassung der
von der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslisten gemäß
§ 28 BWG nicht feststellen. Zum einen kann eine Liste zwar
nur von einer Partei eingereicht werden, es besteht aber kein
Verbot, auch Mitglieder einer anderen Partei oder Parteilose
aufzunehmen. Zum anderen lässt sich bei den angegriffenen
Entscheidungen der Landeswahlausschüsse keine Umge-
hung des Grundsatzes feststellen, dass eine Landesliste
jeweils nur von einer Partei eingereicht werden darf.

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-
wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Bestim-
mung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mitglieder
einer anderen Partei als der einreichenden oder Parteilose
aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprüfungspraxis geht
in Entscheidungen aus der 13. und V. Wahlperiode nicht
von einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied
der die Liste oder den Kreiswahlvorschlag einreichenden
Partei zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen 13/2800,
S. 17; V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestimmungen des
Bundeswahlgesetzes und des Parteiengesetzes führen nicht
zu der notwendigen Annahme, dass dem Bundeswahlgesetz
ein ungeschriebenes Prinzip zugrunde liegt, wonach nur
Mitglieder der betreffenden Partei nominiert werden dürfen.
Insoweit ist der Stellungnahme des Bundeswahlleiters in
ihren Ausführungen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum
Schweigen des Gesetzgebers angesichts des Wissens um
parteifremde Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine Par-
teimitgliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist, wird
im Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf Bundes-
ebene – anders als in den beiden vom Bundeswahlleiter zi-
tierten Bundesländern – keine wahlrechtlichen Bestimmun-
gen gibt, wonach bei Listeneinreichung gegenüber dem
Landeswahlleiter eidesstattliche Angaben über die jeweilige
Parteizugehörigkeit oder Parteilosigkeit zu machen sind.
Ebenso wenig führen verfassungsrechtliche Ansatzpunkte
zu einem gegenteiligen Ergebnis. Bereits in der Wahlprü-
fungsentscheidung der V. Wahlperiode ist der Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts entnommen worden,
dass es die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Par-
tei angehörender Bewerber nicht als an sich verfassungs-
widrig ansieht. Auf die sodann in der Wahlprüfungsent-
scheidung erörterte Frage der Homogenität der Liste wird
selbstverständlich später noch einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob die
Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung einer
Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B. Meyer,
in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis,
1989, S 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des Fraktionssta-
tus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 2006, S. 176,
177; Demmler, Der Abgeordnete im Parlament der Fraktio-
nen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und Besetzung parlamen-
tarischer Gremien, S. 331 f., ausdrücklich sowohl für Partei-
lose als auch für Mitglieder anderer Parteien, sofern diese
nicht miteinander konkurrieren; vgl. grundsätzlich auch
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Aufl., Ergänzungs-
Neuwahl festzusetzen, mit dem Grundgesetz vereinbar waren
(BVerfGE 114, 121 ff. – 2 BvE 4, 7/05).

information zur Bundestagswahl 2005, S. 10). Einschrän-
kungen finden sich erst mit Blick auf die nähere Zusammen-

Drucksache 16/5700 – 100 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

setzung einer Liste oder die Art des zugrunde liegenden
Vorgehens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber gemein-
sam von zwei oder mehr Parteien eingereicht werden darf.
Dieses Verbot einer zumeist so genannten Listenvereini-
gung wird u. a. in den Bestimmungen der § 27 Abs. 2 und
§ 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut jeweils nur
von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird dieses Verbot da-
durch, dass im Anschluss an ein Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 29. September 1990 (BVerfGE 82, 322,
346 f.), das die erste gesamtdeutsche Wahl 1990 betraf,
durch eine Übergangsregelung nur für diese Wahl Listenver-
einigung konkurrierender Parteien und Vereinigungen mit
Sitz auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen waren
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Aufl., 2002, § 7
Rn. 1).

Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einparteiiger
Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das Vorgehen
von Linkspartei.PDS und WASG, die Aufstellung der 16
Landeslisten durch die Linkspartei.PDS unter Einbeziehung
von Mitgliedern der WASG bzw. Parteilosen und die an-
schließende Zulassung der Listen durch die jeweils zustän-
digen Landeswahlausschüsse umgangen worden. Zunächst
untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip, dass eine
Liste nur von einer Partei aufgestellt werden darf, nicht not-
wendig, in die Liste auch Mitglieder dritter Parteien oder
Parteilose aufzunehmen, da zwischen der Verantwortung
bzw. Zurechnung einer Liste und deren Zusammensetzung
zu trennen ist. Die betreffenden Listen sind aber auch der
jeweils einreichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich
also nicht um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen
Wahlvorschlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland ver-
wendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Umgehung
der wahlrechtlichen Anforderungen an die Listenaufstellung
und -zusammensetzung lässt sich nicht feststellen. Zunächst
fehlt es an einem vorgegebenen, auf äußere Merkmale ab-
stellenden Maßstab zur Beantwortung der Frage, wann
durch Aufnahme von Parteifremden oder Parteilosen eine
Liste ihre Zurechenbarkeit zur einreichenden Partei verliert
und Vorgaben des § 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der „Handreichung“ des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem Ab-
stellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einreichenden
Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maßstab. Dabei
überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die Gesamtheit
einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden kann, ob die
Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der einreichenden
Partei besetzt wird. Einem derartigen Ansatzpunkt könnte
nahezu immer entsprochen werden, indem – an welchen
Stellen auch immer – genügend eigene Parteimitglieder
nominiert würden. Vielmehr ist auch auf mögliche Erfolgs-
aussichten für die jeweiligen Bewerber auf Einzug in den
Bundestag zu achten, die sich danach bemessen, wo und in
welcher Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils fin-
den. Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter
vorgeschlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich
auf den ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel be-

werden sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in der
Sache aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht. Werden
unter dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tatbestand
bereits beschriebenen Landeslisten geprüft, geben sie zu
keinen Bedenken Anlass. So stellten Mitglieder der Links-
partei.PDS auf jeder Landesliste im ersten Fünfer-Block die
Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt, mit einer Ausnahme,
auch für alle folgenden Blöcke aller Listen. Soweit in
Hessen unter den Plätzen 16 bis 20 drei WASG-Mitglieder
erscheinen, lässt dies diese Liste angesichts der hinteren
Platzierung und der 14 Linkspartei.PDS-Mitglieder auf
einer insgesamt 20 Personen umfassenden Liste nicht unzu-
lässig werden. Dass sich vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-
Westfalen, auf dem ersten Platz ein WASG-Mitglied befand,
ist im hier geprüften Zusammenhang unerheblich.

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung ab-
stellende Kriterium hinaus ergeben sich bei den hier ange-
fochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf materielle
Gesichtspunkte abstellenden Homogenitätsprüfung keine
Einwände gegen die Zulassung der Listen. Ungeklärt sind
zunächst – auch angesichts fehlender Aussagen im Bundes-
wahlgesetz – die Geltung und der Bedeutungsgehalt einer
auf inhaltliche Aspekte abstellenden Homogenität. Zwar ist
bei der Wahlprüfungsentscheidung der V. Wahlperiode im
Anschluss an eine das nordrhein-westfälische Kommunal-
wahlrecht betreffende Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.) von einem
auch materielle Aspekte umfassenden Homogenitätsbegriff
ausgegangen worden. Dabei sei im Falle der Kandidatur
eines parteifremden Bewerbers auf den konkreten Einzelfall
abzustellen, wobei es nicht nur auf die politische Richtung
des Landesverbandes der fremden Partei ankommen sollte,
sondern auch auf die politische Auffassung des auf der Lan-
desliste kandidierenden parteifremden Kandidaten. Im Wei-
teren ist die Homogenität dann bejaht worden, da die Be-
werber, die einer nicht selbst zur Wahl antretenden Partei
angehörten, mit ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze
der die Liste aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außer-
dem sei die aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber
auf ihre Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich
bei ihren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen
der aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von Links-
partei.PDS und WASG nicht als Umgehung des Bundes-
tagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im Vorfeld der
Wahl beide jeweils über ein je eigenes Programm. Inwie-
weit diese Programme in wesentlichen Punkten Unter-
schiede aufweisen oder sogar im Widerspruch zueinander
stehen, muss hier jedoch angesichts der spezifischen Bedin-
gungen des Vorgehens von Linkspartei.PDS und WASG
nicht geprüft werden, zumal die Möglichkeit einer derarti-
gen Prüfung und Bewertung durch die Landeswahlaus-
schüsse auch angesichts des jeweils verfügbaren Zeitrah-
mens als fraglich erscheint. So wurde, wie u. a. aus den
oben beschriebenen zwei „Kooperationsabkommen“ vor der
Bundestagswahl ersichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vor-
gehen mit Blick auf die Wahlteilnahme, sondern darüber
hinaus die Bildung einer neuen Partei angestrebt. Diese
Schritte waren bereits mit der Formulierung gewisser erster
programmatischer Aussagen verbunden. Diese Planungen
sonders herausgehobenen Fünfer-Block abzustellen sei und
Vergleichbares für die folgenden Fünfer-Blöcke erwartet

waren auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehm-
bar. Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 101 – Drucksache 16/5700

kennbar, die über formal-technisches Zusammengehen zur
Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls parlaments-
rechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit kann nicht
von einer Irreführung der Wähler ausgegangen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemeinsame
Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts entgegen, wonach die Aufstellung einer
Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf ihr zusammen-
gefassten Bewerber durch ein gemeinsames Programm ver-
bunden fühlen.“ Abgesehen davon, dass der Begriff „sinn-
voll“ möglicherweise nur erläuternder Natur war, nicht aber
eine rechtliche Anforderung verdeutlichen wollte, kann der
Entscheidung angesichts insoweit fehlender Erörterung
nicht eine abschließende Aussage entnommen werden, dass
es nur auf das Vorhandensein eines Programms in einem
formell verstandenen Sinne ankommen könne. Auch Erwä-
gungen, die das Verbot der Verbindung von Listen verschie-
dener Parteien tragen, wie z. B. die Erlangung ungerechtfer-
tigter und der Wahlrechtsgleichheit oder Chancengleichheit
der Parteien zuwiderlaufender Vorteile bezüglich der Fünf-
Prozent-Sperrklausel bzw. die zumindest für eine Seite ent-
behrliche Beibringung von Unterstützungsunterschriften,
greifen angesichts der Unterschiedlichkeit der Sachlagen im
Vergleich konkurrierender Parteien einerseits und des hier
interessierenden Vorgehens andererseits nicht durch. Wäh-
rend bei einem als verfassungswidrig eingestuften „Hucke-
packverfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei Par-
teien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt koope-
rieren, dass die eine der anderen sichere Wahlkreise über-
lässt, um die Überwindung der Grundmandatsklausel zu
ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an, die zudem mit der
anderen nicht nur wahltaktisch zusammenarbeiten, sondern
einen Zusammenschluss erreichen will. Zu erinnern ist in
diesem Zusammenhang auch daran, dass laut Bundesverfas-
sungsgericht im Falle einer Listenvereinigung, bei der in
verfestigter Form des Zusammenwirkens mehrere Parteien
eine gemeinsame Liste aufstellen, die gleichmäßige Wir-
kung der Fünf-Prozent-Sperrklausel gerade nicht aufgeho-
ben wird (BVerfGE 82, 322, 346; vgl. z. B. Roth, in: Um-
bach/Clemens, Grundgesetz, Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber
auch Graßhof/Klein, Die Wahl wäre ungültig, Frankfurter
Allgemeine Zeitung vom 6. August 2005: Sinnverfehlung
der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu ver-
stehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des Vorge-
hens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrensmäßiger
und programmatischer Hinsicht erkennbar ist. In diesem
Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass die Listen
nicht einheitlich unter einem einzigen Namen firmierten. Es
ist davon auszugehen, dass dem Wähler schon angesichts
der Medienbegleitung der Abläufe im Vorfeld der Bundes-
tagswahl der Gesamtzusammenhang bekannt gewesen ist.
Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künftigen
Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war, um eine
Zulassung der allein von einer Partei eingereichten Listen
zu erreichen und damit möglicherweise angesichts der Fünf-
Prozent-Hürde die Erfolgschancen je nach Wahlgebiet zu
erhöhen, waren nicht ersichtlich. Auch im Nachhinein sind

und in Urabstimmungen beider Parteien beschlossenen
Fusion keine derartigen Anhaltspunkte erkennbar geworden.

Soweit es als bedenklich bezeichnet wird, dass „sieben aus-
gemachte ehemalige Stasi-Mitarbeiter“ in den Bundestag
eingezogen seien, wird hierdurch kein Fehler bei der Vorbe-
reitung oder Durchführung der Wahl vorgetragen. Eine
eventuelle Stasi-Verstrickung ist wahlrechtlich kein Hinde-
rungsgrund, sich zur Wahl zu stellen und gewählt zu wer-
den, sondern kann Gegenstand einer das Mandat unberührt
lassenden Überprüfung auf eine hauptamtliche oder inoffi-
zielle Tätigkeit oder politische Verantwortung für den
Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR nach Maßgabe
des § 44c des Abgeordnetengesetzes sein. Davon abgesehen
hat sich die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demo-
kratischen Republik in einer Pressemitteilung vom 23. Sep-
tember 2005 erfreut gezeigt, die ursprünglich genannte Zahl
bereits bekannter IMs infolge des Wahlergebnisses nach
unten korrigieren zu können.

Nachwahl im Wahlkreis 160

Ein Wahlfehler ist im Zusammenhang mit der Nachwahl im
Wahlkreis 160 (Dresden I) durch die sofortige Bekannt-
machung der Ergebnisse der Hauptwahl nicht festzustellen
(vgl. auch Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 1).

Es ist schon nicht zu beanstanden, dass sofort im Anschluss
an die Hauptwahl am 18. September 2005 die Ergebnisse
ermittelt worden sind. Der Auffassung des Bundeswahllei-
ters ist zuzustimmen, dass das geltende Wahlrecht eine un-
mittelbare Ermittlung und Feststellung der Ergebnisse nach
Schluss der Wahlhandlungen am Wahltag vorsieht. So be-
stimmt § 37 BWG, dass der Wahlvorstand nach Beendigung
der Wahlhandlung feststellt, wie viele Stimmen im Wahlbe-
zirk auf die einzelnen Kreiswahlvorschläge und Landeslis-
ten entfallen. § 67 BWO konkretisiert die gesetzliche Rege-
lung dahingehend, dass der Wahlvorstand im Anschluss an
die Wahlhandlung "ohne Unterbrechung" die Ergebnisse er-
mittelt und feststellt.

Verfassungsrechtlich werfen, wie noch zu zeigen sein wird,
§ 37 BWG, § 67 BWO im Ergebnis keine Bedenken auf.
Auf die Bedeutung eines möglichen taktischen Stimmver-
haltens vor dem Hintergrund des Prinzips der Gleichheit der
Wahl wird hier im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des
Ergebnisses der Hauptwahl eingegangen.

Schließlich stellt auch die Bekanntgabe des vorläufigen
Endergebnisses unmittelbar nach der Hauptwahl am
18. September 2005 keinen Wahlfehler dar. Einfachrecht-
lich ist eine derartige unmittelbare Bekanntgabe nach einer
Wahl verpflichtend, ohne dass für den Fall einer Nachwahl
eine Ausnahme vorgesehen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO
geben die Wahlleiter nach Durchführung der ohne Vorliegen
der Wahlniederschriften möglichen Überprüfungen die vor-
läufigen Wahlergebnisse mündlich oder in geeigneter ande-
rer Form bekannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71 BWO eine
Reihung aufeinander folgender Feststellungen und Schnell-
meldungen an das jeweils nächsthöhere Wahlorgan, sobald
das Wahlergebnis im Wahlbezirk festgestellt wird. So ver-
pflichtet Absatz 3 die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergeb-
– ungeachtet einzelner konkurrierender Antritte bei Land-
tagswahlen – insbesondere angesichts der auf Parteitagen

nis auf schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzutei-
len. Gleiches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahlleiter

Drucksache 16/5700 – 102 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gegenüber dem Bundeswahlleiter. Diese Regelungen sind
abschließend; sie enthalten keine Lücke für den Fall einer
Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl und Nachwahl zwei
getrennte Vorgänge, wie der schon erwähnte § 43 Abs. 3
BWG verdeutlicht. Daher gibt es auch schon nach der
Hauptwahl ein vorläufiges Ergebnis im Sinne dieser Be-
stimmung. Zum anderen ermächtigt § 82 BWO nur für die
Nachwahl selbst den zuständigen Landeswahlleiter, Anpas-
sungen vorzunehmen; es findet sich aber keine Anpassungs-
befugnis zugunsten anderer Landeswahlleiter oder des Bun-
deswahlleiters. Im Übrigen wird auch im wahlrechtlichen
Schrifttum von einer durch die Bundeswahlordnung vor-
gegebenen unmittelbaren Bekanntmachung ausgegangen
(Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Aufl., 1976, § 43 Rn. 6;
Schreiber, a. a. O., § 43 Rn. 1 Sodan/Kluckert, NJW 2005,
S. 3242; ebenso wohl auch Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das
Hessische Wahlprüfungsgericht, StAnz. 1995, S. 4029,
stellte keine entsprechende landesrechtliche Vorgabe fest,
sah in der erfolgten Bekanntmachung aber keinen Verstoß
gegen Landeswahlgesetz und Landeswahlordnung; die
hessische Landeswahlordnung enthält und enthielt keine
§ 71 Abs. 6 BWO entsprechende Bestimmung).

Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die zur un-
mittelbaren Feststellung und Bekanntmachung der vorläufi-
gen Ergebnisse der Hauptwahl verpflichtenden Vorschriften
erhoben werden, ist zunächst daran zu erinnern, dass sich
der Bundestag im Rahmen der Wahlprüfung nicht als beru-
fen ansieht, die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvor-
schriften festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – vgl. Bun-
destagsdrucksachen 13/3035, Anlage 28, S. 66 sowie zuletzt
16/1800, Anlage 1, S. 13 – dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten worden (vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291,
300). Davon abgesehen werden die gegen die Regelungen
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichheit
der Wahl erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht
geteilt. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet für
das Wahlrecht, dass jede Stimme den gleichen Zählwert und
im Rahmen des vom Gesetzgeber festgelegten Wahlsystems
die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss (vgl. z. B.
BVerfGE 95, 408, 417). Diese Gleichheit des Erfolgswerts
ist hier bestritten worden, da die Wähler im Wahlkreis 160
in Kenntnis des Wahlergebnisses im übrigen Bundesgebiet
ihre Stimme gezielter abgeben konnten als die anderen
Wähler. Für die betroffenen Wahlberechtigten gab es unter
anderem in den Medien und im Internet Veröffentlichungen,
die Hinweise auf ein taktisches Stimmverhalten gaben. So
wurde insbesondere aufgezeigt, unter welchen Vorausset-
zungen für die CDU ein zusätzliches Mandat anfallen oder
die Gesamtzahl der auf die CDU nach dem Ergebnis der
Hauptwahl bereits entfallenen 179 Sitze unverändert blei-
ben würde. Würde die CDU eine bestimmte Anzahl an
Zweitstimmen erreichen, die mit 42 000 angegeben wurde,
würde dies zwar keine Besserstellung gegenüber anderen
Parteien bewirken. Es würde aber einen zusätzlichen Sitz
für ihre Landesliste in Sachsen zu Lasten derjenigen in
Nordrhein-Westfalen bedeuten. Angesichts der in Sachsen
bereits erzielten Überhangmandate würde sich dies aber
nicht durch ein weiteres Mandat bemerkbar machen. Ver-
blieb die CDU unter einem bestimmten Wert an Zweitstim-
men, würde die Landesliste Nordrhein-Westfalen keinen

Die konkreten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass diese
Möglichkeiten einer Vielzahl von Wählern bewusst waren
und auch in ihre Wahlentscheidung eingeflossen sind. So
verblieb der Anteil der Zweitstimmen mit 38 208 nicht nur
unter der Zahl, die als für den Erwerb eines weiteren Man-
dats schädlich bezeichnet worden war. Der Anteil der
Zweitstimmen blieb auch deutlich unter den Werten der
Bundestagswahl 2002 (49 638) und dem Erststimmenergeb-
nis (57 931).

Daher ist nicht nur davon auszugehen, dass eine Chance zu
taktischem Wahlverhalten bestand, sondern auch, dass
Wahlberechtigte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht
haben. Somit ist, auch wenn ein derartiges Wahlverhalten
nicht bestimmten Wahlberechtigten zurechenbar sein kann,
den betreffenden Stimmen ein stärkeres Gewicht zugekom-
men als den bei der Hauptwahl am 18. September 2005 ab-
gegebenen Stimmen. Vom konkreten Sachverhalt abgese-
hen, ist überdies nicht zu verkennen, dass generell das Be-
kanntsein vorläufiger Ergebnisse die Stimmabgabe bei der
Nachwahl beeinflussen kann. Zu denken ist z. B. an das
Bemühen, einer Partei über die Fünf-Prozent-Hürde zu ver-
helfen, oder an eine Stimmabgabe für eine andere Partei, da
die ursprünglich favorisierte auf jeden Fall an dieser Hürde
scheitern wird.

Ob jedoch die beschriebenen Auswirkungen auch verfas-
sungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit des Erfolgs-
werts zu werten sind, ist nicht eindeutig zu bejahen, kann
aber offen bleiben, da ein möglicher Eingriff jedenfalls ge-
rechtfertigt wäre.

Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bedeutet, dass jede
Stimme, abgesehen vom hier nicht betroffenen gleichen
Zählwert, im Rahmen der Verhältniswahl den gleichen Ein-
fluss auf die parteipolitische Zusammensetzung des Parla-
ments haben kann (vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht,
BVerfGE 95, 335, 353) bzw. im Rahmen des vom Gesetzge-
ber festgelegten Wahlsystems die gleiche rechtliche Erfolgs-
chance haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man von
der letztgenannten, von der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance sprechenden Entscheidung aus, ist zu berücksich-
tigen, dass es für die Nachwahl keine gesonderten Bestim-
mungen gibt. Sie findet vielmehr nach denselben Vorschrif-
ten und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl statt
(§ 43 Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl geltenden Vor-
schriften berücksichtigt werden. So unterscheidet sich die
Regelung über die Nachwahl von denjenigen Regelungen,
die die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundmandatsklausel
festlegen oder Überhangmandate und ein Stimmensplitting
ermöglichen und sich damit auf manche Stimmabgabe
rechtlich auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundes-
verfassungsgericht jeweils als – gerechtfertiger – Eingriff in
die Wahlrechtsgleichheit behandelt werden (BVerfGE 95,
408, 419, 421 sowie 95, 335; 357 ff. sowie 367). Dieser
Umstand spricht dagegen, eine unterschiedliche rechtliche
Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf den glei-
chen Einfluss auf die parteipolitische Zusammensetzung des
Parlaments abstellt, so dürfte die Chance eines taktischen
Sitz abgeben müssen und durch das in Dresden I zu erwar-
tende Direktmandat ein zusätzlicher Sitz anfallen.

Wählens als Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit zu werten
sein. Davon abgesehen könnte die Bewertung, dass eine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 103 – Drucksache 16/5700

mögliche taktische Stimmabgabe nur eine tatsächlich, nicht
aber rechtlich unterschiedliche Erfolgschance gewährt, den
Einwand einer engen und formalen Sichtweise der Bedeu-
tung der gleichen rechtlichen Erfolgschance hervorrufen.
Sofern man auf denselben praktischen Erfolgswert für die
Bemessung des Wahlergebnisses abstellt, kommt der
Stimme des Nachwählers, der denkbare Auswirkungen
kennt, praktisch ein höherer Erfolgswert zu, zumal die mög-
liche spätere Stimmabgabe rechtlich durch § 43 BWG ein-
geräumt wird (Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244, unter
Berufung auf Badura, Staatsrecht, 3. Aufl., E Rn. 3; im Er-
gebnis ebenso Ipsen, DVBl 2005, S. 1468 ff.; auch StAnz.
1995, S. 40309, folgerte aus möglicher Stimmenbündelung
bei knappem Wahlausgang eine Verletzung der Wahlrechts-
gleichheit, sah den Fehler jedoch als nicht erheblich an. Der
Verwaltungsgerichtshof Kassel hatte zuvor in einem einst-
weiligen Anordnungsverfahren eine Berührung des Erfolgs-
werts durch die Nachwahl ohne nähere Begründung ver-
neint, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1995 [NVwZ
1995], 798, 799).

Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der Wahl ein-
gegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz aber nicht unbe-
grenzt; vielmehr sind Differenzierungen zulässig. Insofern
erkennt das Bundesverfassungsgericht nur einen eng bemes-
senen Spielraum an. Dieser wird unter dem Begriff des
"zwingenden Grundes" zusammengefasst. Differenzierun-
gen müssen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig sind auch
Gründe, die durch die Verfassung legitimiert sind und ein
Gewicht haben, das der Wahlrechtsgleichheit die Waage
halten kann. Dabei muss die Verfassung nicht gebieten,
diese Zwecke zu verwirklichen. Das Bundesverfassungsge-
richt rechtfertigt auch Differenzierungen durch „zurei-
chende“, „aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der
Volksvertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE 95,
418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist, wie
noch näher zu zeigen sein wird, aufgrund der besonderen,
auch verfassungsrechtlich legitimierten Anforderungen an
die Abwicklung einer Wahl auszugehen, die als zureichende
Differenzierungsgründe eingeordnet werden können. Ein
Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse
der Hauptwahl widerspräche dem Grundsatz, die Auszäh-
lung der Stimmen so transparent wie möglich zu gestalten,
um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die korrekte Feststel-
lung des Wahlergebnisses zu gewährleisten (vgl. auch
Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3244). Dem dient die Öffent-
lichkeit der Stimmauszählung, wie sie sich aus § 10 Abs. 1
Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1
BWG verhandeln, beraten und entscheiden die Wahlvor-
stände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jedermann bei der
Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses Zutritt.
Dies bietet zum einen interessierten Wahlberechtigten die
Grundlage, die wahlrechtlich vorgegebenen Schritte zu ver-
folgen und sich von ihrer ordnungsgemäßen Abwicklung zu
überzeugen. Zugleich bietet es insbesondere aber Medien
oder Meinungsforschungsinstituten die Möglichkeit, die Er-
mittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hochzurechnen.
Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekanntmachung böte also
keine Gewähr, durch Verhinderung entsprechender Informa-

2002, § 43 Rn. 1 am Ende). Im Falle einer Nachwahl den
Zutritt und die Anwesenheit bei der Stimmauszählung bei
der Hauptwahl nur den zuständigen Wahlorganen vorzu-
behalten, stünde also nicht im Einklang mit einem auf das
Demokratieprinzip zurückzuführenden Transparenzgebot
bei der wahlrechtlich vorgegebenen Ermittlung der Wahler-
gebnisse. Fraglich erscheint überdies, ob entsprechende
Regelungen auch angesichts der großen Zahl der Beteiligten
überhaupt geeignet wären, die Ergebnisse insgesamt oder
zumindest repräsentative Resultate geheim zu halten (vgl.
auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254). Gleiches dürfte für
mögliche, über § 32 Abs. 2 BWG hinausgehende Verbote an
Medien oder Meinungsforschungsinstitute gelten, auf jeg-
liche Berichterstattung mit Blick auf eine noch bevorste-
hende Nachwahl zu verzichten.

Ohnehin käme ein Verbot der Ergebnisbekanntmachung,
wie gezeigt, nicht für den Fall einer erst spät in der Sechs-
Wochenfrist des § 43 Abs. 2 BWG durchzuführenden Nach-
wahl in Betracht, da angesichts des oben erwähnten Arti-
kel 39 Abs. 2 GG für den spätestmöglichen Zusammentritt
des Bundestages die notwendigen Vorkehrungen zu treffen
wären. Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine
Stimmabgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbekannt,
wie die Bestimmungen über die Ersatzwahl bei Ausschei-
den eines Wahlkreisabgeordneten ohne Nachrückmöglich-
keit (§ 48 Abs. 2 BWG) oder eine Wiederholungswahl bei
erfolgreicher Wahlanfechtung (§ 44 BWG) zeigen. Schließ-
lich ist ein taktisches Stimmverhalten auch in anderen Zu-
sammenhängen zu beobachten und nicht als Verstoß gegen
den Grundsatz der Gleichheit der Wahl behandelt worden.
Zu erinnern ist an die Möglichkeit, Erst- und Zweitstimme
zu splitten (vgl. BVerfGE 95, 335, 367).

Die alternativ zu erwägende Verschiebung der Auszählung
der Hauptwahl insgesamt bis zum Abschluss der Nachwahl
würde die enge Verbindung zwischen der Wahlhandlung
und der unmittelbar anschließenden Ergebnisermittlung auf-
heben. Dies könnte im Hinblick auf den aus dem Demo-
kratieprinzip abzuleitenden Grundsatz der Öffentlichkeit
der Wahl Bedenken aufwerfen (vgl. Schreiber, ZRP 2005,
S. 254). Zu berücksichtigen sind aber auch die Gesicht-
punkte organisatorischer und ergebnissichernder Natur. Der
Bundeswahlleiter hat in seiner Stellungnahme auf die wahl-
organisatorischen Gründe angesichts der rund 80 000 Wahl-
lokale und 10 000 Briefwahlvorstände aufmerksam gemacht.
Hingewiesen wurde weiterhin auch auf die Gefahr von Stö-
rungen oder Eingriffen Dritter hinsichtlich der Vollzählig-
keit und Unversehrtheit der Wahlurnen. Dies wiederum
könnte das Vertrauen der Wahlberechtigten in die Korrekt-
heit der Abläufe beinträchtigen, so dass eine Verschiebung
der Auszählung sich hier nicht als geeignetes Mittel anbie-
tet, um einer Beeinträchtigung der Wahlrechtsgleichheit
durch mögliche taktische Stimmabgabe zu begegnen (vgl.
auch Schreiber, ZRP 2005, S. 254; Sodan/Kluckert, NJW
2005, S. 3245).

„Wahlpannen“

Bezüglich der Briefwahl in Dortmund stellt die Versendung
falscher Stimmzettel für die Teilnahme an der Briefwahl in
den Wahlkreisen Dortmund I und II einen Fehler bei der
tionen ein taktisches Stimmverhalten zu verhindern (vgl.
auch Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Aufl.

Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl dar.
Dieser Fehler geht auf eine unterbliebene Information durch

Drucksache 16/5700 – 104 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die Stadt Dortmund an die mit der Verpackung und Versen-
dung beauftragte Firma zurück. Im Ergebnis hat dieser Feh-
ler trotz der im Tatbestand angesprochenen Bemühungen
um Abhilfe dazu geführt, dass wegen Verwendung des fal-
schen Stimmzettels die betroffenen Erst- und Zweitstimmen
zutreffend gemäß § 39 Abs. Nr. 1 BWG als ungültig gewer-
tet wurden.

Dennoch führt dieser Wahlfehler nicht zur Begründetheit des
Einspruchs. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuss und
der Bundestag stets angeschlossen haben (vgl. z. B. für die
Wahl zum 15. Deutschen Bundestag Beschlussempfehlung
auf Drucksache 15/1850, S. 158), können nämlich nur sol-
che Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich begründen,
die auf die Mandatsverteilung von Einfluss sind oder hätten
sein können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von
vornherein als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahl-
ergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370, 372 stän-
dige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
Selbst solche Wahlfehler, die die Ermittlung des Wahlergeb-
nisses betreffen, sind dann unerheblich, wenn sie angesichts
des Stimmenverhältnisses keinen Einfluss auf die Mandats-
verteilung haben können.

Die oben zitierten Modellrechnungen belegen eindeutig,
dass die wegen Vertauschung des Stimmzettels ungültigen
Stimmen ohne Einfluss auf die Verteilung der Mandate ge-
blieben sind. Dies gilt zunächst für die Berücksichtigung
der Zweitstimmen. So belegt z. B. die Modellrechnung des
Bundeswahlleiters, dass eine Berücksichtigung der vorsorg-
lich ausgezählten 10 433 ungültigen Zweitstimmen keine
Änderung bei den einzelnen Parteien bewirken würde. Zu-
gleich wird erkennbar, dass auch eine hypothetische Zuwei-
sung aller ungültigen Stimmen jeweils an eine Partei für die
Mandatsverteilung unerheblich wäre. Auch soweit im Falle
der FDP 8 002 zusätzliche Stimmen Auswirkungen zeigen
würden, ist dies als fern liegend zu vernachlässigen, da die
tatsächliche Auszählung nur 648 Zweitstimmen ergeben
hat.

Soweit es um die Berücksichtigung der Erststimmen geht,
fehlt es ebenfalls an einer Erheblichkeit. Im Wahlkreis 143
hat der erfolgreiche Bewerber einen Vorsprung von 42 259
Stimmen vor dem Zweitplatzierten, im Wahlkreis 144 be-
trägt dieser Vorsprung 43 842 Stimmen (vgl. Der Bundes-
wahlleiter, Wahl zum Deutschen Bundestag am 18. Septem-
ber 2005, Heft 3: Endgültige Ergebnisse nach Wahlkreisen,
S. 92 ff.).

Mangels Erheblichkeit kann auch offen bleiben, ob nach
Bekannt werden der Vertauschung in zeitlicher und sach-
licher Hinsicht die notwendigen Maßnahmen getroffen wor-
den sind, um möglichst vielen Wahlberechtigten noch eine
gültige Wahlteilnahme zu ermöglichen. Das Bundeswahlge-
setz und die Bundeswahlordnung regeln die Bewältigung
vergleichbarer „Pannen“ nicht. Ohnehin erscheint es ausge-
schlossen, für eine derartige Sachlage generelle Vorgaben
anzuordnen. Die im Einzelfall zu treffenden Maßnahmen
hängen von der Art des Fehlers, seinem Ausmaß und der
noch zur Verfügung stehenden Zeit ab, die z. B. hier ange-
sichts der Bedingungen einer kurzfristig stattfindenden
Neuwahl knapp bemessen war. So erscheinen die in Dort-

abgesehen ist es angesichts des Ausmaßes des Fehlers, aber
auch der engen zeitlichen Bedingungen nachvollziehbar,
dass in Einzelfällen beim Austausch oder der Versendung
von Unterlagen oder im Wahllokal selbst keine wirksame
Abhilfe getroffen werden konnte.

Außerhalb des Wahlprüfungsverfahrens bleibt gesetzgebe-
risch zu erwägen, durch Änderung von § 39 Abs. 1 Nr. 1
BWG bei Vertauschung von Stimmzetteln in einem Bundes-
land jedenfalls die Zweitstimmen als gültig werten zu können.

Bezüglich der Verwechslung von Stimmzetteln in einem
Wahllokal in Berlin ist festzuhalten, dass die Ausgabe von
Stimmzetteln des Wahlkreises 77 in einem Wahllokal des
Wahlkreises 84 § 30 Abs. 2 Nr. 1 BWG und § 45 Abs. 1 Nr.
1 BWO widersprach, wonach die Stimmzettel die in dem
betreffenden Wahlkreis zugelassenen Kreiswahlvorschläge
enthalten müssen. Ihre Benutzung führte gemäß § 39 Abs. 1
Nr. 1 BWG zur Ungültigkeit beider Stimmen. Dieser Wahl-
fehler hat sich jedoch nicht auf die Sitzverteilung ausge-
wirkt. Da der Wahlkreis mit mehr als 36 000 Stimmen Vor-
sprung gewonnen wurde, konnten sich die 54 ungültigen
Erststimmen nicht auswirken. Ebenso wenig sind Auswir-
kungen auf die Verteilung der Mandate aufgrund der ungül-
tigen Zweitstimmen denkbar.

Soweit schließlich auch zahlreiche Wahlpannen bei der
Briefwahl gerügt werden, fehlt es an einem substantiierten
Vortrag mit Darlegung bestimmter Sachverhalte und Vor-
gänge. Die Substantiierung bildet eine Voraussetzung für
das Wahlprüfungsverfahren, da in diesem nicht von Amts
wegen die gesamte Bundstagswahl überprüft, sondern kon-
kret Vorgetragenem nachgegangen wird.

Überhangmandate und negatives Stimmgewicht

Die Zuteilung von insgesamt 16 Überhangmandaten beruht
auf einer korrekten Anwendung der §§ 6 und 7 BWG. Diese
Bestimmungen hat das Bundesverfassungsgericht als mit
dem Grundgesetz vereinbar festgestellt und ausdrücklich
ausgeführt, dass die Ermöglichung von Überhangmandaten
ohne Ausgleich für andere Parteien den Anforderungen der
Wahlgleichheit nach Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 GG genügt
und die Chancengleichheit der Parteien wahrt (BVerfGE 95,
335, 357).

Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass sich der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag nicht als beru-
fen ansehen, eine Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmun-
gen festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – wie oben aufge-
führt – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden.
Unbeschadet dessen kann daran erinnert werden, dass sich
der Bundestag wiederholt mit den durch Überhangmandate
aufgeworfenen Fragen befasst, aber keinen Änderungsbe-
darf ermittelt hat. Bereits vor dem Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts hatte sich der Bundestag intensiv mit den
Regelungen beschäftigt und sie unter Hinzuziehung von
Sachverständigen auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft.
So war in der 13. Wahlperiode die Reformkommission zur
Größe des Bundestages zu dem Ergebnis gekommen, dass
die betreffenden wahlrechtlichen Regelungen verfassungs-
gemäß seien und keine verfassungsrechtliche Notwendig-
keit bestehe, Überhangmandate z. B. durch Ausgleichsman-
date oder eine Verrechnung bei den verbundenen Landes-
mund getroffenen Maßnahmen als durchaus geeignet, den
Fehler rechtzeitig und weitestgehend zu korrigieren. Davon

listen auszugleichen (vgl. Bundestagsdrucksache 13/4560).
In dem nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 105 – Drucksache 16/5700

gelegten Schlussbericht ist einvernehmlich keine Änderung
des Bundeswahlgesetzes vorgeschlagen worden (Bundes-
tagsdrucksache 13/7950). Auch in der Folge hat sich der
Bundestag wiederholt mit Überhangmandaten beschäftigt.
Zum einen sind Wahleinsprüche gegen die Bundestagswahl
1998 mit 13 Überhangmandaten und – mehrheitlich – gegen
die Bundestagswahl 2002 mit fünf Überhangmandaten zu-
rückgewiesen worden (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560,
z. B. Anlagen 29, 31 und 32 sowie Bundestagsdrucksache
15/1850 – z. B. Anlagen 3 bis 5, 7). Zum anderen fanden
Gesetzentwürfe der 13. Wahlperiode, die die Kompensation
von Überhangmandaten vorsahen (vgl. Bundestagsdruck-
sache 13/5750; Plenarprotokoll 13/129 vom 11. Oktober
1996; S. 11631 ff.) ebenso wenig eine Mehrheit wie eine
Initiative in der 14. Wahlperiode (vgl. Bundestagsdrucksache
14/2150; Plenarprotokoll 14/134 vom 23. November 1999,
S. 12992 ff.).

Für den Gesetzgeber bestand angesichts der Entwicklungen
seit dem Urteil von 1997 kein Anlass, die wahlrechtlichen
Bedingungen für Überhangmandate zu ändern. Soweit laut
Bundesverfassungsgericht der Gesetzgeber darauf zu achten
hat, dass sich die Zahl der Überhangmandate in Grenzen
hält, hat das Gericht bezüglich eines gesetzgeberischen
Handlungsbedarfs auf das Fünf-Prozent-Quorum zurückge-
griffen (BVerfGE 95, 366). Fünf Überhangmandate bei der
Bundestagswahl 2002 blieben jedoch ebenso unter dieser
Grenze wie 13 bei der Wahl 1998. Bezüglich der Wahlkreis-
größen enthält § 3 BWG Maßgaben für die Einteilung der
Wahlkreise. So soll die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises
von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahl-
kreise nicht um mehr als 15 Prozent nach oben oder unten
abweichen; beträgt die Abweichung mehr als 25 Prozent, ist
neu abzugrenzen. Diese Regelung in § 3 BWG hat auch der
Neuabgrenzung der Wahlkreise für die Wahl zum 16. Bun-
destag zugrunde gelegen (so im Siebzehnten Gesetz zur Än-
derung des Bundeswahlgesetzes vom 11. März 2005 –
BGBl. I S. 674).

Ob für kommende Wahlen die Regelungen verändert wer-
den sollen, ist nicht im Wahlprüfungsverfahren, sondern

nach Einbringung entsprechender Initiativen im Gesetzge-
bungsverfahren zu beraten.

Das Phänomen möglicher sog. negativer Stimmgewichte,
bei dem unter bestimmten Voraussetzungen ein Weniger an
Stimmen zum Erwerb eines zusätzlichen Mandats oder um-
gekehrt führen kann, hat den Bundestag schon bei der Wahl-
prüfung der Bundestagswahlen 1998 und 2002 beschäftigt.

So ist der mögliche Effekt eines negativen Erfolgswerts bei
gewissen Zweitstimmenkonstellationen mit der Existenz von
Überhangmandaten im Rahmen der gesetzlichen Regelung
verbunden (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, S. 177,
185, 15/1850, S. 71, 75). In diesen Wahlprüfungsentschei-
dungen ist auch angemerkt, dass das Bundesverfassungsge-
richt in Kenntnis möglicher negativer Stimmeffekte die das
Entstehen von Überhangmandaten ermöglichenden Wahl-
rechtsbestimmungen für verfassungsgemäß erklärt hat. Der
angesprochene Effekt war als „inkonsequente Ausgestal-
tung“ von der Antragstellerin des seinerzeit gegen die Über-
hangmandate angestrengten Normenkontrollverfahrens ge-
rügt und in der mündlichen Verhandlung vom Bundeswahl-
leiter als möglich bezeichnet worden (BVerfGE 95, 335,
343, 346).

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht die gegen die
die Bundestagswahl 1998 betreffenden Wahlprüfungsent-
scheidungen eingelegten Beschwerden jeweils mit Beschluss
vom 22. Januar 2001 (2 BvC 1/99 und 5/99) verworfen und
nur ausgeführt, dass sie aus den durch ein Berichterstatter-
schreiben mitgeteilten Erwägungen offensichtlich unbegrün-
det seien. Im Berichterstatterschreiben wird laut Schreiber
(a. a. O., § 6 Rn. 6b) darauf verwiesen, dass mit der Ent-
scheidung des Gesetzgebers für eine personalisierte Verhält-
niswahl der Erfolgswertgleichheit aller Stimmen nur eine
von vornherein begrenzte Tragweite zukomme, so dass der
beanstandete Effekt eines negativen Erfolgswertes der
Wählerstimmen, zu dem das Berechnungsverfahren Hare/
Niemeyer führe, nicht die Verfassungswidrigkeit der gelten-
den Regelung bewirken könne.

war. Die Unstimmigkeit bestand darin, dass die Gesamtzahl
der abgegeben Stimmen mit 432 beziffert war. Die Addition

nen (vgl. Bundeswahlleiter, Wahl zum 16. Deutschen Bun-
destag am 18. September 2005, Heft 3, Endgültige Ergeb-
Wahlbezirks 18 unterzeichnete Erklärung, dass die Pakete
mit den Stimmzetteln versiegelt dem Beauftragten der Ge-
meindebehörde übergeben worden waren, enthielt, berei-

Stellungnahme abgegeben. Dort heißt es, dass man die
Nachzählung der Stimmzettel erst durchgeführt habe, nach-
dem ein Mitarbeiter der Gemeindebehörde vergeblich ver-
der Zahlenangaben für die abgegebenen gültigen und un-
gültigen Erststimmen (415 und 11) ergab jedoch 426 abge-
gebene Stimmen, die der Angaben für die gültigen und
ungültigen Zweistimmen (417 und 11) 428. Da mit den zur
Ergebniserfassung eingesetzten Computerprogrammen eine
Erfassung unplausibler Ergebnisse nicht möglich war, wer-
tete der Leiter des Wahlamtes der Gemeindebehörde
gemeinsam mit drei wahlberechtigten Mitarbeitern die in
Kuverts befindlichen Stimmzettel des Wahlbezirkes 18 er-
neut aus. Dabei ergab sich, dass die Gesamtzahl der abgege-
benen Stimmen zwar richtig mit 432 angegeben worden
war, jedoch Fehler bei der Angabe der gültigen und ungülti-
gen Erst- und Zweitstimmen passiert waren (415 und 11
statt 418 und 14 sowie 417 und 11 statt 421 und 11). Darauf-
hin wurden die Unstimmigkeiten in der Wahlniederschrift,
die auch eine vorgedruckte und vom Wahlvorsteher des

nisse nach Wahlkreisen, 2005, S. 116 f.).

Nach Auffassung der Einspruchsführerin war die nachträg-
liche Auszählung der Stimmzettel rechtswidrig. Die laut
Wahlniederschrift versiegelten Umschläge mit den Stimm-
zetteln hätten nicht geöffnet und die unterschriebene Wahl-
niederschrift hätte nicht handschriftlich korrigiert werden
dürfen. Jedenfalls hätte die Nachzählung öffentlich sein und
der Wahlvorstand des Wahlbezirks informiert werden müs-
sen. Letzterer habe ihr gegenüber auch bestätigt, dass er per
Handy erreichbar gewesen und außerdem bekannt gewesen
sei, dass er sich am Wahlabend immer in der Stadthalle auf-
halte.

Der Landeswahlleiter für Hessen hat unter Einbeziehung
von Berichten des Kreiswahlleiters des Wahlkreises 182
und der Stadt Flörsheim am Main zu dem Einspruch eine
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 107 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2005, das am 13. Oktober
2005 beim Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundes-
tages eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin Einspruch
gegen die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. Sep-
tember 2005 eingelegt. Der Einspruch betrifft die Ermitt-
lung, Feststellung und Bekanntmachung des Wahlergebnis-
ses, die Aufbewahrung von Wahlunterlagen sowie die Vor-
bereitung von ehrenamtlichen Wahlhelfern in der Stadt
Flörsheim am Main.

I.

Bei der Erfassung der Wahlbezirksergebnisse für die Weiter-
leitung an den Kreiswahlleiter des Wahlkreises 182 (Main-
Taunus) fiel den Mitarbeitern der Gemeindebehörde der
Stadt Flörsheim am Main am Wahlabend eine Unstimmig-
keit in der Wahlniederschrift des Wahlvorstands des Wahl-
bezirkes 18 auf, die bei der Entgegennahme der Schnellmel-
dung dieses Wahlvorstandes zunächst übersehen worden

mit dem Vermerk „Ergebnis der Nachzählung“ versehene
Einlageblätter mit den richtigen Zahlenangaben der Nieder-
schrift beigefügt.

Bei diesen Tätigkeiten traf die Einspruchführerin, die gehört
hatte, dass es Unklarheiten in einem Wahlbezirk gegeben
hatte und sich daraufhin zum Gebäude der Gemeindebe-
hörde begeben hatte, die Mitarbeiter der Gemeindebehörde
an. Als sie darauf hinwies, dass die Öffentlichkeit ein Recht
darauf habe, bei der Auszählung zugegen zu sein und über
Unstimmigkeiten informiert zu werden, wurde ihr geant-
wortet, dass die Wahllokale den ganzen Tag der Öffentlich-
keit zugänglich gewesen seien, dass auch die Auszählungen
der Öffentlichkeit zugänglich gewesen seien, dass dies hier
aber nicht mehr öffentlich sei.

Da der Kreiswahlleiter keine Zweifel an der Richtigkeit der
von den Mitarbeitern der Gemeindebehörde berichtigten
Fassung der Wahlniederschrift hatte, wurde der Kreiswahl-
ausschuss nicht mit dem Vorgang befasst. Der Wahlkreis
182 wurde mit mehr als 30 000 Stimmen Vorsprung gewon-

Anlage 19

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau K. L., 65439 Flörsheim am Main
– Az.: WP 98/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
nigt. Die Angaben der Mitglieder des Wahlvorstandes des
Wahlbezirks 18 wurden handschriftlich korrigiert und zwei

sucht habe, den Wahlvorsteher des Wahlbezirkes 18 telefo-
nisch zu erreichen. Außerdem seien die Umschläge mit den

Drucksache 16/5700 – 108 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Stimmzetteln entgegen der Angabe in der Wahlniederschrift
nicht versiegelt gewesen.

Die Stadt Flörsheim am Main ist der Auffassung, dass es für
das beschriebene Vorgehen zwar keine dezidierte Vorschrift
gegeben habe, dass § 6 Abs. 9 der Bundeswahlordnung
(BWO) aber vorsehe, dass fehlende Beisitzer durch Wahl-
berechtigte ersetzt werden können. Von den anwesenden
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seien drei von vier wahl-
berechtigt gewesen. Damit sei auch wieder die Öffentlich-
keit hergestellt gewesen.

Der Kreiswahlleiter merkt an, dass die Vorgaben des § 6
Abs. 9 BWO nur teilweise erfüllt gewesen seien, da unter
den Ersatzpersonen weder der Wahlvorsteher und der
Schriftführer bzw. ihre Stellvertreter noch insgesamt min-
destens fünf Mitglieder waren. Da weder das Bundeswahl-
gesetz noch die Bundeswahlordnung eine Regelung enthiel-
ten, wie zu verfahren sei, wenn § 9 Abs. 2 Satz 3 des Bun-
deswahlgesetzes (BWG) i. V. m. § 6 Abs. 9 BWO nicht in
Gänze eingehalten werden könnten, sei es seiner Auffas-
sung nach jedoch sachgerecht, wenn die Gemeindebehörde
anstrebe, die Vorgabe wenigstens annähernd – hier also mit
wenigstens drei Wahlberechtigten – zu erfüllen. Insoweit
überwiege das öffentliche Interesse an der Feststellung des
vorläufigen Wahlergebnisses am Wahlabend ganz erheblich.

Der Landeswahlleiter ist der Ansicht, dass gegen die §§ 71
und 76 BWO verstoßen worden sei. Die Gemeindebehörde
habe die Ergebnisse der Wahlvorstände lediglich zusam-
menzustellen und an den Kreiswahlleiter zu melden, dürfe
aber keine Berichtigungen der Ergebniszusammenstellung
vornehmen. Nur der Kreiswahlausschuss sei berechtigt,
rechnerische Feststellungen des Wahlvorstandes und fehler-
hafte Zuordnungen gültig abgegebener Stimmen zu berich-
tigen sowie über die Gültigkeit abgegebener Stimmen ab-
weichend zu beschließen.

Die Einspruchsführerin hat sich zu der ihr bekannt gegebe-
nen Stellungnahme im oben beschriebenen Sinne geäußert.

II.

Weiter bemängelt die Einspruchsführerin, dass im Erdge-
schoss des Gebäudes des Wahlamtes der Gemeindebehörde
unweit des Eingangs unverschlossene Wahlurnen mit aus
den Wahllokalen gebrachten Wahlunterlagen standen. Sie
habe versucht, sich durch Rufe bemerkbar zu machen,
konnte jedoch niemanden im Erdgeschoss des Gebäudes
vorfinden. Sie hätte also bequem einige der Umschläge mit-
nehmen und gehen können, habe jedoch nichts dergleichen
getan.

Der Landeswahlleiter führt hierzu aus, dass nach Angabe
der Stadt Flörsheim am Main die Eingangstür des Verwal-
tungsgebäudes außerhalb der Öffnungszeiten grundsätzlich
so gesichert sei, dass sie nur mit einem Schlüssel oder auf
Aufforderung mit dem elektrischen Türöffner geöffnet wer-
den könne. Der Umstand, dass die Einspruchsführerin das
Gebäude trotzdem ohne weiteres betreten konnte, lasse nur
die Erklärung zu, dass der Schließmechanismus in der Zeit
der Abgabe der Unterlagen in einen „Schnappmechanis-
mus“ geändert worden sei. Auch hätten zwei Mitarbeiter der
Gemeinde die abgegebenen Unterlagen grundsätzlich unter

Wahlbezirks 18 beim Wahlleiter gewesen, so dass die Un-
terlagen nur für kurze Zeit nicht unter Aufsicht gestanden
hätten.

III.

Ferner moniert die Einspruchsführerin, dass die Wahlergeb-
nisse in der Stadt Flörsheim am Main weder in der Wahl-
nacht noch am darauf folgenden Morgen in der Stadthalle
von außen sichtbar ausgehängt worden seien, obwohl ihr
dies der Leiter des Wahlamtes der Stadt zugesagt habe.

Der Landeswahlleiter ist diesbezüglich der Auffassung, dass
eine öffentliche Bekanntmachung des Wahlergebnisses der
Stadt Flörsheim am Main nicht rechtlich vorgeschrieben
gewesen sei. Nach § 70 BWO gebe der Wahlvorsteher im
Anschluss an die Ermittlung des Wahlergebnisses im Wahl-
bezirk oder Briefwahlbezirk das Ergebnis mündlich bekannt
und melde es der Gemeindebehörde. Diese fasse die Wahl-
ergebnisse aller Wahlbezirke der Gemeinde zusammen und
melde sie dem Kreiswahlleiter (§ 71 Abs. 1 BWO). Eine
Verpflichtung zur Veröffentlichung des ermittelten Wahler-
gebnisses bestehe nach § 71 Abs. 6 BWO nur für die Wahl-
leiter (Kreiswahlleiter, Landeswahlleiter sowie Bundes-
wahlleiter), die nach Durchführung der ohne Vorliegen der
Wahlniederschriften möglichen Überprüfungen die Wahl-
ergebnisse mündlich oder in geeigneter Form bekannt zu
geben hätten.

IV.

Schließlich kritisiert die Einspruchsführerin die Vorberei-
tung der Mitglieder der Wahlvorstände auf ihre Aufgaben
durch die Gemeindebehörde. So sei die Wahlvorsteherin des
Wahlbezirks 4 im Wahlkreis 182 am Samstag vor der Wahl
um 12 Uhr darüber informiert worden, dass sie als Wahlvor-
steherin eingesetzt werde. Zeitgleich habe sie die Vorberei-
tungsunterlagen erhalten. Sie sei vorher noch nie als Wahl-
vorsteherin eingesetzt worden und das Wahllokal, für das
sie eingeteilt gewesen sei, sei ein „statistisches Wahllokal“
gewesen, wo zusätzliche Regelungen und Vorschriften ge-
golten hätten. Da der ursprünglich vorgesehene Wahlvorste-
her bereits drei Wochen vor der Wahl abgesagt habe, sei es
unverständlich, warum die neue Wahlvorsteherin die um-
fangreichen Unterlagen erst 20 Stunden vor der Wahl erhal-
ten habe.

In dem Bericht der Stadt Flörsheim am Main heißt es hierzu,
die Wahlvorstände hätten bereits vorab umfangreiches Infor-
mationsmaterial erhalten. Zudem sei ihnen die Unterstüt-
zung des Wahlamtes frühzeitig im Vorfeld der Wahl angebo-
ten worden. Bei der Besetzung der Wahlvorstände und
deren Stellvertreter sei auf Kontinuität gesetzt worden. Es
seien möglichst dieselben, erfahrenen Leute eingesetzt wor-
den. Bis auf einen Wahlvorsteher seien sämtliche Wahlvor-
steher und Stellvertreter bereits mehrfach eingesetzt wor-
den. Bei dem Wahlvorsteher, der erstmalig eingesetzt wor-
den sei, habe es sich um einen Kollegen aus der Verwaltung
gehandelt, der kurzfristig für dieses Amt habe benannt wer-
den müssen. Kurzfristig sei zudem eine Stellvertreterin,
nach telefonischer Rücksprache mit ihr, mit dem Amt der
Wahlvorsteherin betraut worden, weil es zu einem Ausfall
eines Parteienvertreters gekommen sei. Da fast alle Wahl-
vorstände über Wahlerfahrung verfügt hätten, habe – auch
Aufsicht gehalten. Sie seien jedoch beim Eintreffen der Ein-
spruchsführerin wegen der fehlerhaften Ergebnisse des

auf Wunsch der Funktionsträger – keine allgemeine Schu-
lung der Wahlvorstände stattgefunden. Am Wahltag hätten

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109 – Drucksache 16/5700

alle Wahlvorstände die Möglichkeit gehabt, sich bei Proble-
men und Fragen telefonisch an den Wahlleiter zu wenden.

Die Einspruchsführerin hat hierauf erwidert, für sie sei es
unverständlich, dass die Stadt Flörsheim keinerlei Schulung
für die unerfahrenen, ehrenamtlichen Helfer angeboten
habe. Eine Zumutung sei es gewesen, die gesetzlichen Be-
stimmungen am Nachmittag des Tages vor der Wahl der „in
letzter Minute“ berufenen Wahlvorsteherin zu überreichen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

I.

Zwar stand die Bereinigung der Unstimmigkeiten in der
Wahlniederschrift des Wahlvorstandes des Wahlbezirkes 18
des Wahlkreises 182 durch Mitarbeiter des Wahlamtes der
Stadt Flörsheim am Main nicht mit dem geltenden Wahl-
recht in Einklang. Dieser Wahlfehler hat sich jedoch nicht
auf die Sitzverteilung des Bundestages ausgewirkt.

1.

Die Gemeindebehörden sind nämlich – wie der Landwahl-
leiter zu Recht ausgeführt hat – lediglich dafür zuständig,
die Schnellmeldungen der Wahlvorsteher der Wahlbezirke
sowie die aus den Wahlniederschriften der Wahlbezirke er-
sichtlichen Wahlergebnisse jeweils zusammenzufassen und
an den Kreiswahlleiter weiterzuleiten (§ 71 Abs. 1 Satz 1,
§ 72 Abs. 2 und 3 BWO). Zur Aufklärung von Unstimmig-
keiten durch eine erneute Auszählung der Stimmzettel sind
sie hingegen nicht berechtigt. Neuauszählungen können le-
diglich die Wahlvorstände der einzelnen Wahlbezirke
durchführen, wenn dies ein Mitglied des Wahlvorstandes
vor der Unterzeichnung der Wahlniederschrift beantragt
(§ 69 Abs. 7 Satz 3 BWO), die Kreiswahlleiter im Rahmen
der Prüfung der Wahlniederschriften der Wahlvorstände auf
Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit (§ 76 Abs. 1 BWO;
Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlage 12, S. 91) sowie
die Kreiswahlausschüsse (§ 40 Abs. 2 Satz 2 BWG, § 76
Abs. 2 Satz 2 BWO).

Die Frage, ob eine Befugnis der Gemeindebehörden zur
Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der von den Wahlvor-
ständen der Wahlbezirke übermittelten Schnellmeldungen
und Wahlergebnisse zweckmäßig wäre, ist nicht Gegen-
stand des Wahlprüfungsverfahrens.

2.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts, der sich der Wahlprüfungsausschuss und der Deut-
sche Bundestag stets angeschlossen haben, können jedoch
nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich be-
gründen, die Einfluss auf die Mandatsverteilung hatten oder
hätten haben können (vgl. nur BVerfGE 89, 243, 254; Bun-
destagsdrucksache 16/900, Anlage 20). Das ist hier nicht
der Fall. Hätte die Gemeindebehörde die ins Auge springen-

heit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Kreiswahlleiter im
Rahmen der Prüfung der Vollständigkeit und Ordnungsmä-
ßigkeit der Wahlniederschriften aufgefallen (vgl. § 76 Abs. 1
BWO) und vom Kreiswahlausschuss gemäß § 76 Abs. 2
Satz 3 BWO berichtigt worden. Abgesehen davon ging es
vorliegend um Abweichungen von so geringem Ausmaß,
dass ein Einfluss auf die Sitzverteilung im Deutschen Bun-
destag auch aus diesem Grunde von vornherein ausge-
schlossen werden kann. Der Wahlkreis wurde nämlich mit
mehr als 30 000 Stimmen Vorsprung gewonnen.

II.

Es verstieß gegen § 72 Abs. 4, § 73 Abs. 2 BWO, dass aus
den Wahlbezirken gebrachte Stimmzettelpakete und Wahl-
niederschriften – wenn auch nur für kurze Zeit – in einem
nicht verschlossenem Raum unbeaufsichtigt verwahrt wur-
den. Aufgrund der konkreten Umstände kann jedoch ausge-
schlossen werden, dass der Wahlfehler zu Manipulationen
an den Wahlunterlagen genutzt wurde und sich dadurch auf
die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag ausgewirkt ha-
ben könnte. Zum einen blieben die Wahlunterlagen nur für
kurze Zeit, nämlich solange die Unstimmigkeiten in der
Wahlniederschrift des Wahlbezirks 18 aufzuklären waren,
unbeaufsichtigt. Zum anderen wären fehlende Stimmzettel-
pakete oder Manipulationen an den Wahlniederschriften
aufgefallen.

III.

Der Umstand, dass die Wahlergebnisse nicht in der Stadt-
halle ausgehängt wurden, stellt keinen Wahlfehler dar. Denn
eine entsprechende Rechtspflicht der Gemeindebehörden
gibt es – wie der Landeswahlleiter zu Recht ausführt –
nicht. Die Bekanntmachung der Wahlergebnisse obliegt
vielmehr den Wahlleitern und den Wahlvorstehern der ein-
zelnen Wahlbezirke (vgl. §§ 70, 71 Abs. 6, § 76 Abs. 5, § 77
Abs. 3, § 78 Abs. 3, § 79 BWO).

IV.

Kein Wahlfehler kann schließlich darin gesehen werden,
dass die Stadt Flörsheim am Main keine Schulungsveran-
staltungen für die Mitglieder der Wahlvorstände durchführte
und einer kurzfristig zum Wahlvorstand Berufenen Informa-
tionsunterlagen erst einen Tag vor der Wahl ausgehändigt
wurden. Gemäß § 6 Abs. 5 BWO hat die Gemeindebehörde
zwar Mitglieder des Wahlvorstandes vor der Wahl so über
ihre Aufgaben zu unterrichten, dass ein ordnungsgemäßer
Ablauf der Wahlhandlung sowie der Ermittlung und Fest-
stellung des Wahlergebnisses gesichert ist. Dies heißt aber
nicht, dass zwingend Schulungsveranstaltungen durchge-
führt werden müssten. Vielmehr hat die Gemeindebehörde
im Hinblick auf die Art und Weise der Erfüllung der Unter-
richtungspflicht einen Ermessensspielraum. Anhaltspunkte
dafür, dass dieser hier überschritten wurde, sind nicht er-
sichtlich. Es ist sachgerecht, auf Schulungsveranstaltungen
dann zu verzichten und sich auf die Aushändigung von In-
formationsmaterial zu beschränken, wenn überwiegend
wahlerfahrene Wahlhelfer eingesetzt werden und diese Art
der Unterrichtung deren Wünschen entspricht. Dass kurz-
fristig berufene Wahlhelfer auch nur kurzfristig unterrichtet
werden können, liegt auf der Hand. Fristen für die Berufung
den Unstimmigkeiten in der Wahlniederschrift nicht in der
beschriebenen Weise beseitigt, wären diese mit an Sicher-

von Mitgliedern des Wahlvorstandes sind im Bundesgesetz
und der Bundeswahlordnung nicht festgelegt.

könne den Stimmzettel ja erneut falten. Dies sei wegen der
Vorfaltung jedoch schwierig gewesen. Als sie es gleichwohl

äußert.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
Stimmzettel vorgefaltet an die Wähler auszugeben. Würden
vorgefaltete Stimmzettel ausgegeben, sei es zwar zweck-
mäßig, dass bereits die Vorfaltung in einer das Wahlgeheim-

seine Stimmabgabe nicht erkennbar ist. Tut er das nicht,
hat ihn der Wahlvorstand von der Stimmabgabe zurück-
zuweisen (§ 56 Abs. 6 Nr. 5 BWO) und ihm auf Ver-
getan habe, sei der Stimmzettel so dick geworden, dass er
kaum in den Schlitz der Wahlurne gepasst habe. Sie habe
auch niemanden gesehen, der den Stimmzettel neu gefaltet
hätte. Vielmehr hätten die Wähler den Stimmzettel so gefal-
tet abgegeben, wie sie ihn bekommen hätten. Man habe
wohl zuviel Respekt vor so einem wichtigen Dokument ge-
habt. Die Einspruchsführerin sieht in der Art und Weise der
Vorfaltung gerade in einer ländlichen Gegend wie der ihri-
gen, wo jeder jeden kenne, eine Manipulation der Wähler
und eine Verletzung des Wahlgeheimnisses.

Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg,
die zu dem Einspruch Stellung genommen hat, sieht in der
Vorfaltung hingegen keinen Verstoß gegen wahlrechtliche
Vorschriften. Weder das Bundeswahlgesetz (BWG) noch
die Bundeswahlordnung (BWO) enthielten ein Verbot,

und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. In der Ausgabe der in der beschriebenen Weise vorge-
falteten Stimmzettel lag zwar möglicherweise ein Wahlfeh-
ler (1.). Es kann aber ausgeschlossen werden, dass dieser
sich auf die Sitzverteilung im 16. Deutschen Bundestag aus-
gewirkt hat (2.).

1. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 BWG, § 56 Abs. 2 Satz 1
BWO hat der Wähler den Stimmzettel so zu falten, dass
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 111 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten und von
dort an den Bundestag weitergeleiteten Telefax vom 22. Sep-
tember 2005 hat die Einspruchsführerin Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag ein-
gelegt. Gegenstand ihres Einspruchs ist die Art und Weise,
in der die Stimmzettel im Wahllokal des Wahlbezirks Eglofs
des Wahlkreises 293 (Biberach) vorgefaltet an die Wähler
ausgegeben wurden.

Die Stimmzettel waren einmal längs und zweimal quer vor-
gefaltet. Bei dieser Faltung war der obere Teil des Stimm-
zettels von den Worten „Stimmzettel für die Wahl zum
Deutschen Bundestag …“ bis einschließlich des Wahlkreis-
bewerbers und der Landesliste der Christlich Demokra-
tischen Union (CDU) nach außen hin sichtbar.

Die Einspruchsführerin behauptet, sie habe sich bei der
Abgabe ihres Stimmzettels beim Wahlvorstand darüber be-
schwert, dass der Wahlhelfer sehen könne, ob sie CDU ge-
wählt habe oder nicht. Darauf sei ihr erwidert worden, sie

Verantwortung des Wählers, den Stimmzettel so zu falten,
dass seine Stimmabgabe nicht erkennbar wird. Dies sei vor-
liegend auch möglich und zumutbar gewesen. In jeder
Wahlkabine sei im DIN A4 Format ein deutlich lesbarer
Hinweis angebracht gewesen, der folgenden Wortlaut ge-
habt habe: „Bitte beachten Sie! Der Stimmzettel muss in der
Weise gefaltet werden, dass Ihre Stimmabgabe nicht er-
kennbar ist!“ Zudem hätten die Mitglieder des Wahlvorstan-
des versichert, dass sie die Wähler bei der Ausgabe der
Stimmzettel auf die richtige Faltung hingewiesen hätten.
Wähler, die dies nicht beachtet hätten, seien zusätzlich auf
die korrekte Faltung hingewiesen worden. An eine Be-
schwerde der Einspruchsführerin könne sich der Wahlvor-
stand nicht erinnern. Selbst wenn es gleichwohl im nicht
auszuschließenden Einzelfall nicht gelungen sein sollte, das
Wahlgeheimnis zu sichern, sei dieser Wahlfehler mangels
Mandatsrelevanz unerheblich.

Der Einspruchsführerin ist die Stellungnahme der Landes-
wahlleiterin zugesandt worden. Sie hat sich dazu nicht ge-

Anlage 20

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

der Frau G. S., 88260 Argenbühl
– Az.: WP 028/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
nis sichernden Weise erfolge. Letztlich liege es aber gemäß
§ 34 Abs. 2 Satz 2 BWG, § 56 Abs. 2 Satz 1 BWO in der

langen einen neuen Stimmzettel auszuhändigen (§ 56
Abs. 8 BWO). Auf die korrekte Faltung des Stimmzet-

Drucksache 16/5700 – 112 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tels wird in der Wahlbekanntmachung der Gemeindebe-
hörde (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 BWO) sowie durch einen im
Wahllokal anzubringenden Aushang hingewiesen (§ 48
Abs. 2 Satz 1 BWO). Darüber hinaus hat der Wahlvor-
stand selbstverständlich alles zu unterlassen, was die
praktische Wirksamkeit der in dem Aushang und der
Wahlbekanntmachung enthaltenen Informationen beein-
trächtigt. Insbesondere darf er dem Wähler – weder aus-
drücklich noch konkludent – eine Faltung des Stimm-
zettels nahe legen, die dessen Stimmabgabe erkennbar
machen würde.

Dies tut er aber, wenn er Stimmzettel aushändigt, die so
vorgefaltet sind, dass die Stimmabgabe des Wählers, der
sich bei seiner Faltung an der Vorfaltung orientiert, er-
kennbar wird. Denn der Wähler darf die Vorfaltung unter
normalen Umständen als Empfehlung des Wahlvorstan-
des betrachten, wie er – der Wähler – den Stimmzettel
falten sollte, um den Vorgaben des Wahlrechts gerecht
zu werden. Er muss grundsätzlich nicht damit rechnen,
dass dieselben Personen, die dafür Sorge zu tragen
haben, dass nur korrekt gefaltete Stimmzettel in die
Wahlurne geworfen werden, ihm wenige Augenblicke,
bevor er in die Wahlkabine geht, um seinen Stimmzettel
zu kennzeichnen und zu falten, einen Stimmzettel aus-
händigen, der so vorgefaltet ist, dass er den Vorgaben
des Wahlrechts nicht entspricht. Sollte ein vorgefalteter
Stimmzettel diesen Vorgaben nicht entsprechen, kann
der Wähler zumindest erwarten, dass er darauf hinge-
wiesen wird, dass die Vorfaltung nicht als Orientierungs-
hilfe gemeint ist (sondern etwa auf ein Versehen oder
eine Faltung beim Transport zurückzuführen ist). Ein
solcher – den Empfehlungscharakter der Vorfaltung neu-
tralisierender – Hinweis liegt im Regelfall noch nicht
vor, wenn der Wahlvorstand einen Aushang in der Wahl-
kabine anbringt, dass der Stimmzettel so zu falten sei,
dass die Stimmabgabe nicht erkennbar sei. Denn der
Wähler kann darauf vertrauen, dass ihm der Wahlvor-
stand einen Stimmzettel ausgehändigt hat, dessen Vorfal-
tung dieser abstrakt-generellen Vorgabe entspricht, zu-
mal dieselben Personen, die ihm den Stimmzettel aus-
händigen, schließlich auch den Hinweis ausgehängt

haben. Der Wahlvorstand muss vielmehr eindeutig klar-
stellen, dass der Wähler nicht so falten soll, wie es die
Vorfaltung nahe legt.

Vorliegend entsprach die Vorfaltung nicht den Vorgaben
des § 34 Abs. 2 Satz 2 BWG, des § 56 Abs. 2 Satz 1
BWO. Denn bei dieser Art der Faltung blieb die erste
Reihe mit den Wahlvorschlägen der CDU nach außen hin
sichtbar, so dass erkennbar war, ob der Wähler CDU ge-
wählt hatte oder nicht (vgl. auch Bundestagsdrucksache
15/4750, Anlage 1, S. 7 f.). Offen geblieben ist jedoch,
ob der Wahlvorstand den in der Vorfaltung liegenden
Empfehlungscharakter neutralisiert hat. Nach Angaben
der Landeswahlleiterin hat er bei der Ausgabe jedes
Stimmzettels auf die korrekte Faltung hingewiesen.
Nach den Angaben der Einspruchsführerin hat er sich je-
doch erst auf ihren Vorhalt hin und auch nur ihr gegen-
über zur Art und Weise der Vorfaltung geäußert.

2. Die Frage kann aber letztlich dahin gestellt bleiben.
Denn selbst wenn ein Wahlfehler vorliegen sollte, ist es
nach der allgemeinen Lebenserfahrung fern liegend,
dass dieser sich auf die Sitzverteilung im 16. Deutschen
Bundestag ausgewirkt hat (vgl. zu diesem Erfordernis
Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 26). Es ist näm-
lich äußerst unwahrscheinlich, dass Wähler anders ge-
wählt hätten, wenn sie korrekt oder gar nicht vorgefal-
tete Stimmzettel ausgehändigt bekommen hätten. Nichts
anderes würde gelten, soweit der Wahlvorstand Wähler,
die mit entsprechend der Vorfaltung gefalteten Stimm-
zetteln zur Wahlurne gingen, entgegen § 56 Abs. 6 Nr. 5
BWO nicht von der Stimmabgabe zurückgewiesen ha-
ben sollte. Hierin läge zwar ein Wahlfehler, es wäre aber
nach der allgemeinen Lebenserfahrung fern liegend,
dass dieser die Sitzverteilung im Bundestag beeinflusst
hat. Denn es wäre davon auszugehen, dass die zurückge-
wiesenen Wähler sich gemäß § 56 Abs. 8 BWO einen
neuen Stimmzettel hätten aushändigen lassen und auf
diesem dieselben Wahlvorschläge angekreuzt hätten, die
sie bereits auf dem falsch gefalteten Stimmzettel ange-
kreuzt hatten.

tungen in Empfang zu nehmen. Das mache einen effektiven
Wahlkampf praktisch unmöglich. Die größte Diskriminie- dige Spruchpraxis in Wahlprüfungsangelegenheiten, vgl.

nur Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 26, S. 188 mit
I.

Zunächst trifft die Annahme des Einspruchsführers, das
Bundeswahlgesetz sehe vor, dass unabhängige Kandidaten

mentar zum BWG, 7. Aufl., 2002, § 30 Rn. 8).

II.
rung habe aber im Verhalten der Medien gelegen, die unab-
hängige Kandidaten nahezu totgeschwiegen hätten. Hierzu
führt der Einspruchsführer einige Beispiele an. Wegen der
näheren Einzelheiten wird auf den Sachvortrag des Ein-
spruchsführers Bezug genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Ein Verstoß gegen Vorgaben des Wahlrechts kann nicht
festgestellt werden.

weiteren Nachweisen). Davon abgesehen ist an der Verein-
barkeit des § 30 Abs. 3 BWG mit dem aus dem Grundsatz
der gleichen Wahl aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 1 des Grund-
gesetzes (GG) folgenden Anspruch auf Chancengleichheit
aller Wahlbewerber aber auch nicht zu zweifeln. Denn aus
der Platzierung nach den Wahlvorschlägen von Parteien, die
Listen eingereicht haben, ergibt sich keine rechtsrelvante
Beeinträchtigung der Wahlchancen von unabhängigen Kan-
didaten. Es ist davon auszugehen, dass sich die Wähler bei
ihrer Wahlentscheidung regelmäßig nicht an der Reihen-
folge der Wahlvorschläge auf dem Stimmzettel orientieren,
sondern an den jeweils verfolgten Zielen der Parteien und
Kandidaten (vgl. Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 29,
154, 164; ferner Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage
45, S. 252; 16/3600, Anlage 34, S. 142; Schreiber, Kom-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 113 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 23. September 2005, das – weitergeleitet
durch die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württem-
berg – am 29. September 2005 beim Wahlprüfungsausschuss
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am
18. September 2005 eingelegt.

Der Einspruchsführer, der erfolglos als Einzelkandidat im
Wahlkreis 291 (Tübingen) angetreten war, ist der Auffas-
sung, dass er als „unabhängiger Kandidat“ vielfältigen Dis-
kriminierungen ausgesetzt gewesen sei, so dass er seine ver-
fassungsmäßigen Rechte nicht in dem Maße habe wahrneh-
men können wie die etablierten Parteien. Dies habe bei der
Gestaltung der Stimmzettel begonnen, auf dem die unab-
hängigen Kandidaten an letzter Stelle aufgeführt würden.
Das Bundeswahlgesetz (BWG) sehe dies zwar so vor, aber
Gesetze könne und müsse man ändern, wenn sie schlecht
seien. Des Weiteren hätten unabhängige Kandidaten keine
Möglichkeit, Spenden gegen entsprechende Spendenquit-

sonstige Kreiswahlvorschläge zwar nach den Landeslisten
aufzuführen. Sonstige Kreiswahlvorschläge sind aber nicht
nur solche, die nicht von Parteien stammen (vgl. § 20 Abs. 3
und 4 letzter Halbsatz BWG). Vielmehr zählen dazu auch
Kreiswahlvorschläge, die von solchen Parteien eingereicht
werden, von denen in dem entsprechenden Bundesland keine
Liste zur Wahl steht (vgl. § 20 Abs. 2 und 4 Halbsatz 1
BWG). Diese sonstigen Kreiswahlvorschläge werden gemäß
§ 30 Abs. 3 Satz 4 BWG in alphabetischer Reihenfolge der
Namen der Parteien oder der Kennwörter aufgeführt, so dass
es durchaus möglich ist, dass ein unabhängiger Kandidat vor
dem Kreiswahlvorschlag einer Partei steht.

Soweit der Einspruchsführer darin, dass nach § 30 Abs. 3
BWG unabhängige Kandidaten stets erst nach den Landes-
listen aufgeführt werden, eine verfassungswidrige Diskrimi-
nierung dieser Kandidaten sieht, ist daran zu erinnern, dass
sich der Deutsche Bundestag im Rahmen der Wahlprüfung
nicht dazu berufen sieht, die Verfassungswidrigkeit von
Rechtsvorschriften festzustellen. Diese Kontrolle ist stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (stän-

Anlage 21

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn R. M., 72074 Tübingen
– Az.: WP 60/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
auf dem Stimmzettel stets an letzter Stelle aufzuführen
seien, nicht zu. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 4 BWG sind sog.

Soweit der Einspruchsführer moniert, dass Spenden an
unabhängige Kandidaten nicht steuerlich subventioniert

Drucksache 16/5700 – 114 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

werden, sieht sich der Deutsche Bundestag wiederum schon
deshalb an der Feststellung eines Wahlfehlers gehindert,
weil die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Rechts-
vorschriften im Rahmen der Wahlprüfung ausschließlich
dem Bundesverfassungsgericht obliegt. Denn der vom Ein-
spruchsführer beanstandete Zustand ergibt sich unmittelbar
aus dem einfachen Recht, nämlich aus § 10b Abs. 2, § 34g
des Einkommensteuergesetzes (EStG). Hiernach ermäßigt
sich die tarifliche Einkommensteuer lediglich bei Zuwen-
dungen an politische Parteien und sog. unabhängige Wäh-
lervereinigungen, nicht aber bei Zuwendungen an Einzel-
bewerber (vgl. auch Kirchhof, in: ders., EStG Kompakt-
Kommentar, 6. Aufl., 2006, § 10b Rn. 28; § 34g Rn. 18).
Dies entspricht einem allgemeinen Grundsatz des Steuer-
rechts, wonach stets nur Zuwendungen an Körperschaften,
nicht aber solche an natürliche Personen steuerlich gefördert
werden. Dahinter steht der Gedanke, dass nur bei Körper-
schaften effektiv kontrolliert werden kann, dass die Zuwen-
dungen auch den Zwecken zugute kommen, um derentwil-
len die Zuwendung steuerlich subventioniert wird (vgl.
Büchner, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 8. Aufl., 2003,
S. 13). Deshalb werden auch Zuwendungen für gemeinnüt-
zige, mildtätige oder kirchliche Zwecke gemäß § 49 der
Einkommenssteuer-Durchführungsverordnung nur dann
steuerlich gefördert, wenn sie an Körperschaften, die diese
Zwecke verfolgen, geleistet werden, während Spenden an
Einzelpersonen, auch wenn sie solche Zwecke verfolgen,
nicht steuerlich gefördert werden (vgl. Kirchhof a. a. O.
§ 10b Rn. 28; Hofmeister, in: Blümich, Einkommensteuer-
gesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz,
Kommentar, Stand: Oktober 2006, § 10b Rn. 28).

III.

Auch soweit der Einspruchsführer die in seinen Augen un-
zureichende Medienberichterstattung moniert, kann seinen
Darlegungen kein Wahlfehler, insbesondere keine Verlet-
zung des Grundsatzes der Chancengleichheit der Wahlbe-
werber, entnommen werden.

Im Hinblick auf die von privater Hand betriebene Presse
ergibt sich dies aus der in Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG ver-
ankerten Pressefreiheit. Diese umfasst auch die Freiheit, die
Grundrichtung einer Zeitung unbeeinflusst zu bestimmen
und zu verwirklichen (vgl. BVerfGE 52, 283, 296). Daraus
folgt, dass die von privater Hand betriebene Presse, was die
Gestaltung des redaktionellen Teils betrifft, bei der Auswahl
der Nachrichten und in der Verbreitung von Meinungen
grundsätzlich frei und insoweit auch nicht zur Neutralität im
Wahlwettbewerb der Wahlvorschlagsträger verpflichtet ist
(vgl. Schreiber, a. a. O. § 1 Rn. 23k; Bundestagsdruck-
sachen 15/2400, Anlage 8, S. 41; 15/4250, Anlage 4, S. 12).

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind zwar nicht in
gleicher Weise bei der Gestaltung des redaktionellen Teils
ihrer auf die Wahl bezogenen Sendungen frei wie die von
privater Hand betriebene Presse (vgl. BVerfGE 59, 231,
258). Vielmehr haben sie bei der Programmgestaltung den
Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlbewerber zu be-
achten (vgl. Schreiber a. a. O. § 1 Rn. 23j). Das heißt aber
nicht, dass jeder Einzelbewerber einen Anspruch darauf hat,
dass über ihn in einer auf die Wahl bezogenen Sendung be-
richtet wird. Zum einen fordert die Chancengleichheit der
Wahlbewerber nicht, dass vorgefundene, sich aus der unter-
schiedlichen Größe, Leistungsfähigkeit oder politischen
Zielsetzung ergebende Unterschiede zwischen Wahlbewer-
bern oder Gruppen von Wahlbewerbern ausgeglichen wer-
den. Zum anderen bringt es die Aufgabe des Rundfunks,
den Hörer- und Zuschauerkreis objektiv über die Gewichts-
verteilung zwischen den bedeutsamen politischen, weltan-
schaulichen und gesellschaftlichen Gruppen zu informieren,
geradezu mit sich, dass beispielsweise über politische Grup-
pen, die sich erstmals an überregionalen Wahlen beteiligen,
im Rahmen der redaktionellen Sendungen in aller Regel we-
sentlich weniger ausführlich berichtet wird als über Par-
teien, die etwa aufgrund der Zeitdauer ihres Bestehens, ihrer
verfestigten Organisation, ihrer Vertretung in Parlamenten
oder ihrer Beteiligung an den Regierungen in Bund und
Ländern eine große Rolle in der politischen Wirklichkeit
spielen (vgl. BVerfGE 48, 271, 278).

kontrolle liege ein Verstoß gegen § 59 der Bundeswahlord-
nung (BWO).

dem Vorbringen des Einspruchsführers keine Hinweise zu
einem möglichen Stimmenkauf vor.
tigung nicht vorlege, über seine Person auszuweisen. In der
Regel sei folglich die Vorlage der Wahlbenachrichtigung
zur Feststellung der Identität des Wahlberechtigten ausrei-

Wie die Landeswahlleiterin richtig ausgeführt hat, schreibt
das geltende Wahlrecht nicht vor, dass sich jeder Wähler bei
der Urnenwahl auszuweisen hat. Nur Inhaber von Wahl-
Die Landeswahlleiterin des Freistaates Sachsen, die zu dem
Einspruch Stellung genommen hat, teilt die Rechtsauffas-
sung des Einspruchsführers, dass Inhaber von Wahlschei-
nen, die an der Urnenwahl teilnehmen wollten, sich gemäß
§ 59 Satz 1 BWO auszuweisen hätten. Die Teilnahme an der
Urnenwahl mittels Wahlschein sei in der Praxis jedoch sehr
selten. Auch dem Einspruchsführer sei nach Auskunft des
zuständigen Kreiswahlleiters kein Wahlschein ausgestellt
worden. Offenbar verwechsle er den Wahlschein mit der
Wahlbenachrichtigungskarte. Bei der Teilnahme an der
Urnenwahl ohne Wahlschein liege es im pflichtgemäßen
Ermessen des Wahlvorstands, sich einen Ausweis oder ein
sonstiges amtliches Dokument vorlegen zu lassen. Denn
gemäß § 56 Abs. 3 Satz 2 BWO habe sich der Wähler nur
auf Verlangen, insbesondere wenn er seine Wahlbenachrich-

Der Einspruchsführer hat sich zu der ihm bekannt gegebe-
nen Stellungnahme der Landeswahlleiterin nicht mehr geäu-
ßert.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Dem Vortrag des Einspruchsführers lassen sich keine
Wahlfehler entnehmen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 23. September 2005, das am 30. Sep-
tember 2005 beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag vom 18. September
2005 eingelegt.

Zur Begründung trägt er vor, dass in seinem Leipziger
Wahllokal keine Überprüfung der Identität der Wähler vor-
genommen worden sei. Jeder Wähler habe daher mit einem
ihm nicht gehörenden „Wahlschein“ an der Wahl teilneh-
men können. Somit sei es nicht ausgeschlossen, dass Wäh-
ler mehr als nur einmal ihre Stimme abgegeben hätten. In
anderen Wahllokalen in Leipzig und Umgebung sei ähnlich
verfahren worden, wie ihm andere Wähler bestätigt hätten.
Einige Tage vor der Wahl sei dem Einspruchsführer zudem
von einem „offenbar bedürftigen Bürger“ ein „Wahlschein“
für 5 Euro zum Kauf angeboten worden. Damit sei das Er-
gebnis der Bundestagswahl nicht auf eine korrekte Vorge-
hensweise zurückzuführen. In der unterlassenen Identitäts-

hen, entspreche somit den geltenden wahlrechtlichen Vor-
schriften.

Die Landeswahlleiterin weist außerdem darauf hin, dass der
Bundeswahlleiter in einer Besprechung mit den Landes-
wahlleitern im Vorfeld der Bundestagswahl empfohlen
habe, die Identität der Wahlberechtigten immer dann zu prü-
fen, wenn sie dem Wahlvorstand nicht persönlich bekannt
seien. Diese Information habe die Landeswahlleiterin auch
an die Kreiswahlleiter weitergeleitet. Nach Auskunft des
zuständigen Kreiswahlleiters habe sich die Schulung der
Wahlvorstände in der Stadt Leipzig an den ausdrücklichen
Regelungen der Bundeswahlordnung orientiert.

Bezüglich des Kaufs von Wahlbenachrichtigungskarten
habe der Einspruchsführer keine konkreten Fälle benannt.
Daher könne diesem unsubstantiierten Vorbringen nicht
nachgegangen werden. Die Landeswahlleiterin habe aber
auch sonst keine Kenntnis von derartigen Vorfällen im Frei-
staat Sachsen erhalten. Auch den Kreiswahlleitern der
Wahlkreise 153 (Leipzig I) und 154 (Leipzig II) lägen außer

Anlage 22

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn B. S., 04179 Leipzig
– Az.: WP 64/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
chend. Die vom Einspruchsführer gerügte Praxis, die
Wähleridentität darüber hinaus keiner Prüfung zu unterzie-

scheinen haben sich gemäß § 59 Satz 1 BWO in jedem Falle
auszuweisen. Im Übrigen hat sich der Wähler gemäß § 56

Drucksache 16/5700 destag – 16. Wahlperiode
– 116 – Deutscher Bun

Abs. 3 Satz 2 BWO nur auf Verlangen, insbesondere wenn
er seine Wahlbenachrichtigung nicht vorlegt, über seine Per-
son auszuweisen (vgl. auch schon Bundestagsdrucksache
16/900, Anlagen 21 und 22 mit weiteren Nachweisen).

Auch soweit der Einspruchsführer behauptet, ihm sei ein
Wahlschein bzw. eine Wahlbenachrichtigungskarte zum
Kauf angeboten worden, kann seinem Vortrag nicht die Dar-
legung eines Wahlfehlers entnommen werden, da die Anga-
ben zu vage und einer näheren Überprüfung nicht zugäng-
lich sind. Bloßen Andeutungen von Wahlfehlern, für die es
nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Lan-
deswahlleiterin keinerlei Anhaltspunkte gibt, kann der
Wahlprüfungsausschuss nicht nachgehen.

überprüfen.
Gerügt wird weiterhin, dass Linkspartei.PDS und WASG
eine unzulässige Listenverbindung eingegangen seien, so
dass erfolgreich die Fünf-Prozent-Sperrklausel überwunden
gen und die Wahlscheinnummer in das interne Wählerver-
zeichnis eingetragen habe. Anschließend seien die Unterla-
gen den Gefangenen ausgehändigt worden. Diese hätten so-

Kooperationsabkommen bezeichnete Vereinbarungen. Die
erste vom 17. Juni 2005 nennt unter dem Titel „Es gibt
Alternativen! Für Arbeit, Gerechtigkeit, Frieden und Demo-
Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg be-
zieht sich in ihrer nach Beteiligung des Leiters der JVA
Bruchsal und des baden-württembergischen Justizministeri-
ums übermittelten Stellungnahme zunächst auf zwei ver-
gleichbare Einsprüche gegen die beiden letzten Bundestags-
wahlen. Im Erlass des Justizministeriums vom 26. Juli 2005
an die JVAs zur Durchführung der Bundestagswahl sei u. a.
darauf hingewiesen worden, dass bei Verwendung des amt-
lichen roten Wahlbriefumschlags eine Briefzensur weder
bei Straf- noch bei Untersuchungsgefangenen erfolge. Der
JVA sei der Grundsatz der geheimen Wahl bekannt gewe-
sen. Die amtliche Wahlpost sei von der Anstalt weder geöff-
net noch überwacht worden. Die eingehenden Briefwahlun-
teralgen seien von der Abteilung „Briefzensur“ ungeöffnet
und ohne Einsichtnahme an die Vollzugsgeschäftsstelle wei-
tergeleitet worden, die wiederum den Eingang der Unterla-

worden sei.

Im Sommer 2005 vereinbarten die Partei des Demokrati-
schen Sozialismus (PDS) und die Partei Arbeit & soziale
Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG) mit Blick auf
die vorgezogene Bundestagswahl und angesichts einer an-
gestrebten Fusion zu einer einzigen Partei ein gemeinsames
Vorgehen dergestalt, dass die WASG nicht selbst zur Wahl
antreten, sondern mit Mitgliedern auf den Landeslisten der
PDS – bzw. nach Umbenennung der Linkspartei.PDS – be-
rücksichtigt werden sollte. Dieses Vorgehen wurde seitens
der WASG in einer Urabstimmung am 15. Juli 2005 gebil-
ligt; seitens der PDS wurde die Namensänderung auf einer
außerordentlichen Tagung am 17. Juli 2005 gebilligt.

Näheres zum geplanten Vorgehen ergeben drei teilweise als
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 117 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 3. Oktober 2005 hat der Einspruchsfüh-
rer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bun-
destag am 18. September 2005 Einspruch eingelegt und
mehrere Einspruchsgründe geltend gemacht.

Postüberwachung in der Justizvollzugsanstalt

Gerügt wird zunächst, dass die Justizvollzugsanstalt (JVA)
Bruchsal bei allen Gefangenen die amtliche Wahlpost geöff-
net und überwacht habe, obwohl das Oberlandesgericht
Karlsruhe der JVA das Öffnen und Überwachen von Behör-
denpost mehrfach verboten habe. § 29 Abs. 3 des Strafvoll-
zugsgesetzes (StVollzG) gestatte die Überwachung nur, so-
fern dies aus Gründen der Behandlung oder Sicherheit oder
Ordnung der Anstalt erforderlich sei. Die Stadt Bruchsal
habe die Wahlunterlagen als „Amtliche Wahlpost“ ver-
schickt. Eine Überwachung sei nicht erforderlich gewesen.
Es sei zu unterstellen, dass auch die Briefwahlkuverts geöff-
net worden seien, um das Wahlverhalten der Gefangenen zu

durch die Post bei einem Bediensteten abgeben bzw. in ei-
nen der hierfür aufgestellten Briefkästen einwerfen oder den
Wahlumschlag in eine hierfür bereit gestellte Wahlurne wer-
fen können. Von der Möglichkeit, in dem dafür bereitge-
stellten Wahlraum zu wählen (§ 66 Abs. 4 der Bundeswahl-
ordnung – BWO) habe jedoch kein Gefangener Gebrauch
gemacht. Der Einspruchsführer habe seine Wahlunterlagen
in einem verschlossenen Umschlag am 12. September 2005
per Post zur Weiterbeförderung gegebenen. Für Gefangene,
für die besonderen Sicherungsmaßnahmen angeordnet
seien, werde eine gesonderte Postliste geführt. Der Brief sei
von der JVA nicht geöffnet worden. Die vom Einspruchs-
führer genannten Entscheidungen der Strafvollstreckungs-
kammer beim Landgericht Karlsruhe bzw. des Oberlandes-
gerichts Karlsruhe beträfen das Verfahren der auf dem
Dienstpostweg eingehenden Post der örtlich zuständigen
Gerichte und Staatsanwaltschaft.

Zulassung der Landeslisten der Linkspartei.PDS

Anlage 23

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn T. M-F., 76646 Bruchsal
– Az.: WP 73/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
dann die Stimmzettel unbeobachtet ausfüllen und entweder
in einem verschlossenen Umschlag zur Weiterbeförderung

kratie! Gegen den neoliberalen Zeitgeist“ zunächst sechs
Punkte, für die sich beide Seiten einsetzen wollen (u. a. die

Drucksache 16/5700 – 118 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Abschaffung von „Hartz IV“, bedarfsorientierte soziale
Grundsicherung, demokratische Bildungsreform, Investitio-
nen und Beschäftigungsmaßnahmen in „Ostdeutschland und
in Krisenregionen des Westens“, ein Mehr an direkter
Demokratie, Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextre-
mismus sowie friedenspolitischer Aufbruch, Abrüstung und
Konversion). Weiterhin erklärten sich die beiden Delegatio-
nen einig, ihren jeweiligen Parteien eine Vereinigung vorzu-
schlagen, die 2007 abgeschlossen sein solle, sowie ein Par-
teiprogramm, Statut u. a. auszuarbeiten. Vor der Bundes-
tagswahl 2005 scheitere die Gründung einer neuen Partei;
ein konkurrierender Wahlantritt sollte vermieden und der
bereits zuvor beschriebene Weg gewählt werden. In einem
als „Kooperations- und Fairnessabkommen“ betitelten Text
vom 4. August 2005 wird an die bereits beschlossene Na-
mensänderung erinnert, und es werden in sechs Punkten ge-
meinsame programmatische Grundlagen formuliert, aber
auch Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit, u. a.
mit Blick auf die Bundestagswahl am 18. September 2005,
getroffen. Nach der Bundestagswahl legt am 6. Dezember
2005 ein „Kooperationsabkommen III – Rahmenvereinba-
rung zum Parteibildungsprozess zwischen Linkspartei.PDS
und WASG“ Weiteres fest. Auf Parteitagen am 25. März
2007 und bei zwischen dem 30. März und dem 18. Mai
2007 durchgeführten Urabstimmungen der Basis beider Par-
teien wurde dann mehrheitlich für eine Verschmelzung so-
wie Entwürfe programmatischer Eckpunkte, einer Bundes-
satzung und einer Schieds- und Finanzordnung der neuen
Partei „Die Linke“ gestimmt.

Der Bundeswahlausschuss stellte in seiner ersten Sitzung
am 12. August 2005 fest, dass die Linkspartei.PDS, bei der
es sich um die bisherige Partei „Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS)“ handelte und die dies mit Schreiben
vom 18. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 3 des Parteiengesetzes
(PartG) mitgeteilt hatte, im Abgeordnetenhaus des Landes
Berlin sowie in fünf Landtagen seit deren letzter Wahl auf
Grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindes-
tens fünf Abgeordneten vertreten sei und damit die Voraus-
setzungen nach § 18 Abs. 4 Nr. 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) erfülle. Der Bundeswahlausschuss war sich auch
darüber einig, dass über die Parteieigenschaft der WASG
nicht zu entscheiden war, da sie rechtswirksam ihre Betei-
lungsanzeige gemäß § 18 BWG zurückgezogen hatte.

Nachdem die Linkspartei.PDS – unter z. T. unterschiedli-
cher, insbesondere in den Ländern Niedersachsen, Nord-
rhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württem-
berg und Saarland auf den Bestandteil „PDS“ verzichtender
– Firmierung für alle Bundesländer Landeslisten aufgestellt
und bei den Landeswahlleitern eingereicht hatte, ließen die
Landeswahlausschüsse am 19. August 2005 diese Listen ge-
mäß § 28 BWG zu.

Zur Vorbereitung der Entscheidungen der Landeswahlaus-
schüsse hatte eine Erörterung der wahlrechtlichen Fragen
durch den Bundeswahlleiter mit den Landeswahlleitern
stattgefunden. Eine vom Bundeswahlleiter im Benehmen
mit dem Bundesministerium des Innern erstellte „Handrei-
chung“ ging vom wahlrechtlichen Gebot einparteiiger Lan-
deslisten aus. Danach müsse die Liste einer bestimmten Par-
tei zuzurechnen sein; mehrere Parteien dürften nicht eine

Liste von den wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteigre-
mien aufgestellt und eingereicht würde. Enthalte die Liste
auch Mitglieder anderer Parteien, sei zu prüfen, ob nicht
unzulässigerweise zwei Parteien eine gemeinsame Liste
aufgestellt hätten oder die „Öffnung der Liste“ zu weit ge-
gangen sei. Zu würdigen seien die Gesamtumstände, wobei
die Parteimitgliedschaft einen wesentlichen Anhaltspunkt
bilden sollte. Fänden sich Bewerber aus ein und derselben
anderen Partei, beeinträchtige dies die Homogenität der
Liste wesentlich stärker als parteilose Bewerber. Ebenso
werde nicht davon abgesehen werden können, auf welchen
Plätzen die Parteifremden platziert seien. Entscheidend
dürfte es laut Handreichung darauf ankommen, ob es bei
verständiger Würdigung aller Umstände offensichtlich sei,
dass es sich nicht mehr um eine Liste der den Wahlvor-
schlag tragenden Partei handele. Überwiegend müssten die
Bewerber der einreichenden Partei angehören. Die Homo-
genität dürfte dabei gewahrt sein, wenn sich unter den ers-
ten fünf Bewerbern, die nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf
den Stimmzetteln aufgeführt werden, überwiegend Mitglie-
der der einreichenden Partei befänden. Das Gleiche sollte
für die folgenden Listenplätze, jeweils betrachtet in Fünfer-
Blöcken, gelten. Auf ein Gesamtzahlenverhältnis sei dage-
gen nicht abzustellen, da eine Liste beliebig viele Bewerber
enthalten könne. In Zweifelsfällen werde eine „geöffnete“
Liste nicht als unzulässig angesehen werden können, da
dem Wahlrecht keine konkreten Quoren für ein Übermaß an
parteifremden Bewerbern zu entnehmen seien.

Die eingereichten Landeslisten setzten sich, soweit es um
Mitglieder der WASG und um Parteilose ging, nach den un-
widersprochenen Angaben des Bundeswahlleiters wie folgt
zusammen:

Baden-Württemberg (18 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6, 11, 13
Parteiloser auf Platz 7

Bayern (19 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 7, 13, 16
Parteiloser auf Platz 10

Berlin (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 6 und 14
Parteiloser auf Platz 4

Brandenburg (12 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 6
Parteiloser auf Platz 4

Bremen (16 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2
kein Parteiloser

Hamburg (14 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2 und 5
Parteiloser auf Platz 1

Hessen (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 4, 8, 16, 17 und 20
kein Parteiloser

Mecklenburg-Vorpommern (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5, 10, 12
Parteiloser auf Platz 8

Niedersachsen (46 Bewerber)

gemeinsame Landesliste aufstellen. Für die Zurechnung zur
einreichenden Partei sollte es aber nicht ausreichen, dass die

WASG-Mitglieder auf den Plätzen 12, 14, 23, 27, 29, 37, 39
kein Parteiloser

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119 – Drucksache 16/5700

Nordrhein-Westfalen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 1, 6, 21 und 27
Parteiloser auf Platz 30

Rheinland-Pfalz (20 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 3, 7, 8 und 19
kein Parteiloser

Saarland (8 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 1
Parteiloser auf Platz 4

Sachsen (30 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 2, 12, 14, 17
Parteilose auf den Plätzen 23, 28 und 29

Sachsen-Anhalt (12 Bewerber)
WASG-Mitglieder auf den Plätzen 5 und 6
kein Parteiloser

Schleswig-Holstein (11 Bewerber)
WASG-Mitglied auf Platz 2
kein Parteiloser

Thüringen (20 Bewerber)
kein WASG-Mitglied
Parteilose auf den Plätzen 4, 19 und 20.

Der Bundeswahlleiter geht in seiner Stellungnahme davon
aus, dass die Landeswahlausschüsse die Landeslisten zu
Recht zugelassen haben, da sie den durch das Bundeswahl-
gesetz und die Bundeswahlordnung aufgestellten Anforde-
rungen entsprochen hätten. Das Bundeswahlgesetz enthalte
keine Vorgaben zur Parteizugehörigkeit von Listenbewer-
bern. Im Gegensatz zu § 22 Abs. 6 des Landeswahlgesetzes
Mecklenburg-Vorpommern oder § 26 Abs. 5 des Landes-
wahlgesetzes Schleswig-Holstein schließe es für Listenbe-
werber eine Mitgliedschaft in einer anderen als der einrei-
chenden Partei nicht ausdrücklich aus. Allerdings seien
mehrparteiige Listenverbindungen und -vereinigungen bei
Bundestagswahlen unzulässig. Da nach § 7 Abs. 1 BWG
Landeslisten derselben Partei aus verschiedenen Ländern
als verbunden gelten, ergebe sich im Umkehrschluss, dass
Landeslisten unterschiedlicher Parteien nicht verbunden
werden könnten. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel des § 6
Abs. 6 BWG müsse jede Partei für sich überwinden; eine
„Blockbildung“ mehrerer kleiner Parteien, um gemeinsam
die Sperrklausel zu überwinden, gestatte das Gesetz nicht.
Auch die nach § 27 Abs. 1 BWG – unter Umständen – er-
forderlichen Unterstützungsunterschriften müsse die jewei-
lige Partei beibringen; eine Listenvereinigung oder -verbin-
dung, die es zwei Parteien ermögliche, die von ihnen jeweils
gesammelten Unterschriften „zusammenzulegen“, sehe das
Gesetz nicht vor.

Die wahlgesetzliche Unzulässigkeit mehrparteiiger Listen-
verbindungen und -vereinigungen dürfe nicht dadurch
unterlaufen werden, dass zwar „pro forma“ nur eine Partei
einen Wahlvorschlag einreiche, faktisch aber zwei Parteien
hinter diesem Wahlvorschlag stünden. Diese Bewertung sei
für Bundestagswahlen unstreitig. Unterschiedliche Auffas-
sungen bestünden aber, wann dieses Verbot tatsächlich um-
gangen werde.

Unzutreffend sei die Auffassung, dass eine Umgehung
grundsätzlich dann vorliege, wenn Bewerber aufgestellt
würden, die nicht Mitglied der die Liste einreichenden Par-

gen Partei eine neue politische Heimat suchten. Vielmehr
müsse eine Liste nach geltendem Recht zugelassen werden,
wenn sie formell korrekt aufgestellt und materiell in Gänze
der einreichenden Partei zuzuordnen sei. Diese Vorausset-
zungen – die man als Homogenität der Liste bezeichnen
könne – hält der Bundeswahlleiter jedenfalls für gegeben,
wenn in der Mehrzahl – in Fünferabschnitten betrachtet –
Mitglieder der einreichenden Partei in der Liste aufgestellt
seien. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf,
das Bundeswahlgesetz enthalte gerade keine Regelungen
zur Parteimitgliedschaft der Bewerber auf den Landeslisten.
Das Bundestagswahlrecht sei von großer Formstrenge ge-
prägt. Deshalb werde das Gesetz in der Praxis gemäß sei-
nem Wortlaut angewendet; eine analoge Anwendung seiner
Regelungen verbiete sich grundsätzlich. Bei der Durchfüh-
rung der Bundestagswahlen stünden für nahezu sämtliche
im Vorfeld einer Wahl zu treffenden Entscheidungen den
Wahlbewerbern und den Wahlorganen nur kurze Zeiträume
zur Verfügung; es müsse unter großem Zeitdruck gehandelt
werden und man sei auf klare und verständliche Normen mit
eindeutigen Handlungsanweisungen angewiesen. Dies habe
erst recht wegen der verkürzten Fristen vor der jetzigen
Wahl gegolten. Während der Entscheidungszeitraum bei
„regulär“ stattfindenden Wahlen acht Tage umfasse (§§ 19,
28 Abs. 1 Satz 1 BWG), sei er hier durch Verordnung des
Bundesministeriums des Innern auf vier Tage verkürzt ge-
wesen. Die Landeslisten hätten bis zum 34. Tag vor der
Wahl (15. August 2005) bei den Landeswahlleitern einge-
gangen sein müssen. Die Entscheidung über die Zulassung
hätten die Landeswahlausschüsse am 30. Tag vor der Wahl
(19. August 2005) treffen müssen. Dies habe die Prüfung
sämtlicher wahlrechtlichen Voraussetzungen für alle einge-
reichten Listen, z. B. Unterschriftserfordernisse, Prüfung
der Bescheinigungen der Gemeindebehörden über die
Wählbarkeit der Bewerber, Prüfung der vorgelegten Unter-
stützungsunterschriften, umfasst. Daher komme dem Wort-
laut des Bundeswahlgesetzes, das eine Parteimitgliedschaft
der Listenbewerber nicht fordere, eine hohe Bedeutung zu.
Dies gelte um so mehr, als dem Gesetzgeber Parteilose oder
Bewerber mit einer anderen Parteimitgliedschaft spätestens
seit Aufnahme von Bewerbern des Bundes der Heimatver-
triebenen und Entrechteten (BHE) auf die Landesliste der
CSU 1965 bekannt gewesen seien. Die Auffassung, das Ge-
setz könne sich als Listenbewerber nur solche vorstellen,
die mit der Listenpartei über die Parteimitgliedschaft aufs
Engste verbunden seien, sei daher nicht überzeugend. Wäh-
rend die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-
Holstein für ihr Landtagswahlrecht diese Konsequenz gezo-
gen hätten, habe der Bundesgesetzgeber bisher keine ent-
sprechende Regelung getroffen.

Weiterhin weist der Bundeswahlleiter daraufhin, dass die
Landeswahlausschüsse Listen nur in eindeutigen Fällen zu-
rückwiesen, weil die Entscheidung über die Zusammenset-
zung des Bundestages nach dem Demokratieprinzip durch
den Wähler getroffen werden solle. Eine Zulassungspraxis,
die eine Bewertung der hinter einer Liste stehenden politi-
schen Kräfte unternähme, würde die Wahlentscheidung vom
Volk in das Vorfeld der Wahl zu den Wahlausschüssen ver-
lagern. Damit würde der „Souverän“ von vornherein in sei-
ner Wahlmöglichkeit eingeschränkt und der Zulassungsent-
scheidung eine materielle, vom Wahlrecht nach dem Sinn
tei seien, es sei denn, es handele sich um einzelne parteilose
Bewerber oder solche, die im Verfallsprozess ihrer bisheri-

und Zweck des Demokratieprinzips nicht gewollte politi-
sche Bedeutung verschafft.

Drucksache 16/5700 – 120 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auch aus anderen Vorschriften ergebe sich nicht, dass gene-
rell eine Aufstellung von Mitgliedern anderer Parteien aus-
geschlossen sein solle. So sehe zwar § 48 Abs. 1 Satz 2
BWG vor, dass solche Bewerber bei der Listennachfolge un-
berücksichtigt bleiben, die seit Aufstellung der Landesliste
aus dieser Partei ausgeschieden seien. Ein solches Ausschei-
den zeige, dass der Bewerber inzwischen die Ziele der Partei
nicht mehr teile oder nicht mehr bereit sei, für deren Ver-
wirklichung einzutreten, so dass dessen Listennachfolge den
Wählerwillen verfälschen würde. Die vorliegende Fallgestal-
tung sei jedoch eine andere. Die Bewerbung auf einer Liste
signalisiere, dass sich der Bewerber mit den von dieser Partei
verfolgten Zielen im Großen und Ganzen einverstanden er-
kläre und zwar unabhängig davon, ob er selbst Mitglied sei.
Bekanntlich lege das Parteiengesetz großen Wert auf eine de-
mokratische Binnenstruktur der politischen Parteien. Die
Parteimitglieder verträten nicht alle Ziele der Partei mit glei-
cher Intensität; auch innerhalb von Parteien gebe es politi-
sche Strömungen mit unterschiedlichen Prioritäten. Aufgabe
der Parteien sei gerade die Vorformung des politischen Wil-
lens. Das BWG verlange von den sich um die Wählerstim-
men bewerbenden Parteien weder ein Wahlprogramm noch
von den Bewerbern dessen Unterstützung. Vielmehr gebe
§ 21 Abs. 3 Satz 3 BWG den Bewerbern Gelegenheit, bei
der Aufstellung der Wahlvorschläge ihr (eigenes) Programm
vorzustellen. Ein Bekenntnis zum Parteiprogramm verlange
es nicht. Ein solches Verlangen sei auch, wenn ein Bewerber
erfolgreich sei, wegen des verbürgten freien Mandats (Arti-
kel 38 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht verpflichtend. De lege lata
genüge dem Bundeswahlgesetz als Nachweis für die Verbun-
denheit eines Bewerbers mit der den Wahlvorschlag einrei-
chenden Partei die Nominierung ausschließlich durch die
Mitglieder oder Delegierten dieser Partei. Es gehe davon
aus, dass keine Bewerber gewählt würden, die die Ziele der
Partei nicht in ausreichendem Maße unterstützten. Hiervon
sei auch in einer Wahlprüfungsentscheidung der V. Wahlpe-
riode ausgegangen worden (Bundestagsdrucksache V/1115,
1966, S. 3). Dabei sei festgestellt worden, dass einer fremden
Partei angehörende Wahlbewerber mit Zustimmung zur Auf-
nahme in die Liste einer anderen Partei deren politische
Grundsätze anerkannt hätten. Die ihre Liste beschließende
Partei sei bei Aufnahme der Bewerber davon ausgegangen,
dass sich diese bei ihren Entscheidungen zu den politischen
Grundsätzen der nominierenden Partei bekannt hätten. Auch
Bestimmungen zur Parteienfinanzierung führten zu keinem
anderen Ergebnis. Nur die Parteien erhielten staatliche Mittel
als Teilfinanzierung der ihnen allgemein nach dem Grundge-
setz obliegenden Tätigkeiten, wenn sie mit ihrer Landesliste
einen Wahlerfolg erzielt hätten, der die Anforderungen von
§ 18 des Parteiengesetzes (PartG) im Einzelnen erfülle. Das
Recht der staatlichen Parteienfinanzierung, das sich eben-
falls an strikten formalen Kriterien auszurichten habe, unter-
scheide nicht zwischen Listen mit Bewerbern ausschließlich
aus der einreichenden Partei und Listen auch mit Parteilosen
oder Mitgliedern anderer Parteien. Die staatlichen Mittel
stünden nur den Parteien zu, die Listen eingereicht und an
den Wahlen mit einem Mindesterfolg teilgenommen hätten.
Verzichtet eine Partei auf den eigenen Wahlantritt, sei damit
zwangsläufig auch der Verzicht auf staatliche Mittel verbun-
den. Dies sei den Parteien bekannt. Ein Argument dafür, dass
ein Verzicht auf Wahlteilnahme und die Bewerbung von Mit-

Schließlich führten auch verfassungsrechtliche Argumente
zu keinem anderen Ergebnis. Aus Artikel 21 Abs. 1 Satz 1
GG lasse sich für die Parteien kein Verbot ableiten, Mitglie-
der anderer Parteien als Bewerber aufzustellen. Die Demo-
kratie bedürfe der politischen Parteien, um die Wähler zu
aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen
so einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen
zu ermöglichen (BVerfGE 69, 92, 110; Sannwald, in:
Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz,
10. Aufl., 2004, Artikel 21 Rn. 21). Parteien bündelten poli-
tische Strömungen in der Bevölkerung und formten den
politischen Willen vor. Hieraus resultiere aber kein Gebot,
bei einer Bundestagswahl nur eigene Mitglieder aufzustel-
len. Die „Bündelungsfunktion“ werde ausreichend durch
das „Monopol“ der Parteien zur Listenaufstellung erreicht.
Die Aufstellung der jeweiligen Liste durch die Mitglieder
der Partei gewährleiste ausreichend, dass nur die Positionen
der Partei vertretende Personen aufgestellt würden. Werde
eingewandt, dass der Wähler nur bei Parteimitgliedern auf
den Listen die Gewähr habe, dass sie für das Programm
auch tatsächlich einträten, zeige die Wirklichkeit, dass sich
der Wähler selbst bei der aufstellenden Partei angehörenden
Bewerbern keineswegs sicher sein könne, dass sie später als
Abgeordnete das Programm ihrer Partei vertreten würden.
Zum einen seien die Gewählten nicht dem Parteiprogramm,
sondern dem ganzen Volk verpflichtet (Artikel 38 Abs. 1
Satz 2 GG). Zum anderen komme es immer wieder vor, dass
Parteiprogramme von einzelnen Abgeordneten später nicht
mehr mitgetragen oder ganz oder in Teilen nicht umgesetzt
würden, etwa weil die Partei und deren Parlamentsfraktion
im Interesse einer Koalitionsbildung oder wegen veränder-
ter wirtschaftlicher Verhältnisse im Programm formulierte
Ziele nicht weiter verfolge. Umgekehrt könnten auch nicht
parteizugehörige Abgeordnete die Ziele einer Partei, die sie
als Listenbewerber aufgestellt habe, mit Überzeugung ver-
treten.

Somit komme nach geltendem Bundeswahlgesetz eine Zu-
rückweisung einer Landesliste wegen Verletzung des Ge-
bots einparteiiger Listenvorschläge nur in eindeutigen Um-
gehungsfällen in Betracht, in denen evident sei, dass es sich
nicht mehr um eine Liste der den Wahlvorschlag tragenden
Partei handele. Infolgedessen hätten sich die Landeswahl-
ausschüsse auf eine solche Evidenzprüfung beschränkt.
Auch Literatur und Rechtsprechung hielten es – soweit
ersichtlich – grundsätzlich für zulässig, dass eine Liste zur
Bundestagswahl Bewerber enthalte, die Mitglied einer an-
deren Partei seien. Allerdings seien bisher kaum konkrete
und praktikable Maßstäbe entwickelt worden, ab wann eine
Liste nicht mehr der einreichenden Partei zugeordnet wer-
den könne, weil ihre Homogenität nicht mehr gewährleistet
sei. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass
„die Aufstellung einer Liste nur sinnvoll“ sei, „wenn sich
die auf ihr zusammengefassten Bewerber durch ein gemein-
sames Programm verbunden fühlen“ (BVerfGE 11, 351,
366). Diese Voraussetzung habe es im konkreten Fall einer
örtlichen Wählergemeinschaft bzw. Rathauspartei bei einer
Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen als gegeben erach-
tet. Auf die Fragen, wie sich die Verbundenheit mit einem
gemeinsamen Programm äußern solle – durch die Partei-
zugehörigkeit der Wahlbewerber oder auch durch andere
gliedern dieser Partei auf Listen anderer Parteien unzulässig
sei, lasse sich daraus nicht herleiten.

Kriterien – und welche Konsequenz aus einer fehlenden
Verbundenheit zu ziehen wäre, gebe die Entscheidung aller-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121 – Drucksache 16/5700

dings keine Antwort. In der bereits zitierten Wahlprüfungs-
entscheidung (Bundestagsdrucksache V/1115, S. 3) sei ge-
folgert worden, „dass das Bundesverfassungsgericht die
Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Partei angehö-
render Kandidaten auf einer anderen Liste nicht als an sich
verfassungswidrig ansehe. Die vom Bundesverfassungsge-
richt geforderte Homogenität der Liste müsse nicht bereits
dann verneint werden, wenn Mitglieder einer fremden Par-
tei auf einer anderen Parteiliste erscheinen“. Es müsse viel-
mehr auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden, wobei
es nicht nur auf die politische Richtung des Landesverban-
des der fremden Partei, sondern auch auf die politische Auf-
fassung des parteifremden Kandidaten ankomme. In der
Literatur seien eindeutige und damit für die Landeswahlaus-
schüsse nachvollziehbare Kriterien bisher nicht entwickelt
worden. Würden Mitglieder anderer Parteien nur vereinzelt
und nicht an prominenter Stelle der Liste aufgestellt, sei
dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Homogenität
einer Landesliste sei dagegen nicht mehr gewahrt, wenn
etwa die Hälfte der Bewerber einer anderen Partei ange-
hörte. Die Grenze sei aber abstrakt schwer zu bestimmen
und hänge von den Gesamtumständen ab. Kriterien könnten
etwa eine Namensergänzung oder das Nominieren von Füh-
rungspersonen der anderen Partei sein (Schreiber, Kommen-
tar zum BWG, 7. Aufl., Ergänzungsinformation zur Bun-
destagswahl 2005, Juni 2005, S. 10). Die teilweise erwo-
gene Berücksichtigung „weicher“ Kriterien, wie die „Nähe“
der Listenbewerber zu einem bestimmten Parteiprogramm,
sei abzulehnen (so auch König, Anmerkungen zu der Bun-
destagswahl 2005, Die Öffentliche Verwaltung 2006, S. 423,
424). Für die Landeswahlausschüsse, die kurzfristig und
unter großem Zeitdruck zu entscheiden gehabt hätten, sei
die Überprüfung der politischen Haltung einzelner Bewer-
ber nahezu unmöglich gewesen. Kriterien zur Bestimmung
einer solchen „Nähe“ seien auch kaum objektivierbar gewe-
sen. Als einzig handhabbares, formales Kriterium sei die
Parteizugehörigkeit der Landeslistenbewerber geblieben.

Eine unzulässige Umgehung des Verbots mehrparteiiger
Listenvorschläge nimmt der Bundeswahlleiter nach gelten-
dem Recht erst dann an, wenn eine Landesliste nicht mehr
der einreichenden Partei zugeordnet werden könne, weil der
Liste mehrheitlich Mitglieder keiner oder einer anderen Par-
tei angehörten. Da eine Liste beliebig viele Bewerber, auf
unter Umständen „aussichtslosen“ Plätzen, enthalten könne,
dürfe dabei nicht auf die Liste insgesamt abgestellt werden.
Es komme vielmehr sowohl auf die Anzahl als auch die
Platzierung der parteifremden Bewerber auf der Liste an.
Sachgerecht und für die Landeswahlausschüsse praktikabel
sei bei der Zulassung einer Liste mit parteifremden Bewer-
bern deshalb eine generalisierende, vorrangig an nummeri-
schen Aspekten orientierte Betrachtung. Danach sei die
Zahl der Bewerber in Abschnitte „unterteilt“ zu betrachten
und festzustellen, ob die einreichende Partei in jedem Ab-
schnitt die Mehrheit der Kandidaten stelle. Dabei sollten zu-
nächst die ersten fünf nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 BWG auf den
Stimmzetteln aufgeführten Bewerber und dann die sich an-
schließenden Bewerber in weiteren Fünferabschnitten be-
trachtet werden. Daher habe der Bundeswahlleiter in der
„Handreichung“ eine solche Vorgehensweise empfohlen.

Nach den Kriterien der „Handreichung“ seien alle Landes-

bei Betrachtung in Fünferabschnitten in der Mehrzahl
WASG-Mitglieder enthalten. Diese hätten sich entweder
vereinzelt gefunden (so Landesliste für Sachsen: 3 von 30,
Schleswig-Holstein: 1 von 11; Sachsen-Anhalt: 2 von 12)
oder verstärkt auf den hinteren Plätzen ohne Aussicht auf
Einzug in den Bundestag (Hessen: 20 Listenplätze, 2 erfolg-
reich; Niedersachsen: 46 Listenplätzen: 3 erfolgreich). Auf
den ersten fünf Listenplätzen der fraglichen Landeslisten
(nur in Nordrhein-Westfalen und Sachsen seien mit sieben
bzw. acht Bewerbern mehr Bewerber erfolgreich gewesen)
sei jeweils nur ein Bewerber der WASG platziert gewesen.
Allein in Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz seien auf
den ersten fünf Plätzen zwei WASG-Mitglieder platziert ge-
wesen, was aber die Homogenität dieser Landeslisten nicht
zerstört habe.

Vertauschung von Stimmzetteln bei der Briefwahl
in Dortmund

Schließlich wird gerügt, dass in den Dortmunder Wahlbezir-
ken 143 und 144 25 000 Briefwähler falsche Stimmzettel
mit der Folge der Ungültigkeit der abgegebenen Stimmen
erhalten haben. Zu prüfen sei auch, ob dass mit der Vertei-
lung der Stimmzettel beauftragte Unternehmen vorsätzlich
gehandelt hat.

Die Stadt Dortmund ließ einen Teil der für die beiden Wahl-
kreise zu versendenden Briefwahlunterlagen durch eine Pri-
vatfirma verpacken und verschicken, ohne darauf aufmerk-
sam zu machen, dass die Stimmzettel getrennt nach den bei-
den Wahlkreisen den Wahlunterlagen beizufügen seien.
Deshalb wurden am 2. September 2005 rund 50 000 Brief-
wahlunterlagen in den Postversand gegeben, ohne dass dar-
auf geachtet worden ist, ob jeweils ein der Anschrift des
Briefwählers entsprechender Stimmzettel beigefügt worden
war. Nach Bekannt werden des Fehlers am 3. September
2005 unterrichtete die Stadt Dortmund die Bevölkerung in
Radio und Fernsehen sowie mittels Presse über die Versen-
dung möglicherweise falscher Stimmzettel. Mit Schreiben
vom 6. September 2005 wurden dann alle von der Privat-
firma mit Briefwahlunterlagen Versorgten gebeten, den
jeweils erhaltenen Stimmzettel zu überprüfen. Außerdem
wurden sie über die Möglichkeiten zur korrekten Stimm-
abgabe informiert und es wurde auch – unter Hinweis auf
die Nutzung des E-Mail-Verkehrs, das städtische Call-Cen-
ter oder das Aufsuchen des kommunalen Wahlbüros oder
des Bürgerbüros – angeboten, den Stimmzettel auszutau-
schen oder den bisherigen Wahlschein für ungültig erklären
zu lassen und neue Briefwahlunterlagen zu erhalten.

Insgesamt sind laut Angaben der Landeswahlleiterin zwi-
schen 22 000 und 25 000 Stimmzettel ausgetauscht und ins-
gesamt 12 321 Wahlscheine, letztere teilweise auch aus an-
deren Gründen, für ungültig erklärt worden. Im Ergebnis ist
schließlich mit 10 533 vertauschten Stimmzetteln gewählt
worden; davon beruhte in 10 433 Fällen die Ungültigkeit
der Zweitstimme auf der Vertauschung und nicht – wie für
den Rest – auf anderen Gründen. Auf Nachfrage sind die
beiden Zahlenwerte – insgesamt 10 533, aber 10 433 nur
wegen Vertauschung ungültig – von der Landeswahlleiterin
bestätigt worden. Dass zunächst von insgesamt 10 504 un-
gültigen Stimmen ausgegangen und dies später auf 10 533
listen der Linkspartei.PDS aufgrund der Bewerbersituation
noch dieser Partei zuzuordnen gewesen. Keine Liste habe

korrigiert wurde, wird mit möglichen Zählfehlern durch die
Belastung des Wahlabends erklärt. Die Zahl der wegen Ver-

Drucksache 16/5700 – 122 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tauschung ungültigen Erststimmen lag mit 10 272 etwas
niedriger.

Laut Landeswahlleiterin und Bundeswahlleiter sind die ver-
tauschten Stimmzettel gesondert ausgezählt worden. Nach
den dem Wahlprüfungsausschuss vorliegenden Modellrech-
nungen sowohl des Bundeswahlleiters als auch des Landes-
amtes für Datenverarbeitung und Statistik, erstellt im Auf-
trag der Landeswahlleiterin, hätte sich auch bei Wertung der
ungültigen Zweitstimmen keine Veränderung bei der Zutei-
lung der Sitze ergeben. So hat der Bundeswahlleiter in einer
ersten Modellrechnung die Zahl der wegen Vertauschung
ungültigen Zweitstimmen der Parteien SPD, CDU, Grüne,
FDP, Linke. den jeweiligen Parteien zugerechnet. (Zuge-
rechnet wurden für SPD: 5 129; CDU: 3 043; Grüne: 445;
FDP: 648; Die Linke.: 810). Dabei haben sich keine man-
datsrelevanten Verschiebungen bei der Verteilung der
Zweitstimmen auf die Listenverbindungen („Obervertei-
lung“) oder bei der Verteilung der Mandate der Parteien auf
ihre Landeslisten („Unterverteilung“) ergeben. In einer
zweiten Modellrechnung wurden die 10 433 Stimmen je-
weils insgesamt einer der genannten Parteien zugerechnet.
Auch dies bewirkte – abgesehen von der FDP – keine Ver-
änderungen. Im Falle der FDP würden 8 002 Zweitstimmen
als einzige Auswirkung ein FDP-Mandat von Sachsen nach
Nordrhein-Westfalen verschieben.

Bezüglich der Erststimmen ist laut Landeswahlleiterin die
Vertauschung angesichts des mit jeweils über 40 000 Stim-
men deutlichen Vorsprungs der in den beiden Wahlkreisen
erfolgreichen Bewerber ohne Bedeutung.

Nachwahl in Dresden

Weiterhin wird die Bekanntgabe des vorläufigen Endergeb-
nisses am 18. September 2005 angesichts der noch ausste-
henden Nachwahl in Dresden gerügt.

Nachdem die Wahlkreisbewerberin der NPD am 7. Septem-
ber 2005 verstorben war, hat der Kreiswahlleiter im betrof-
fenen Wahlkreis 160 am 8. September 2005 gemäß § 82
Abs. 1 Satz 1 BWO die Bundestagswahl am 18. September
abgesagt und öffentlich bekannt gemacht, dass eine Nach-
wahl stattfindet. Die Landeswahlleiterin hat sodann den Tag
der Nachwahl gemäß § 82 Abs. 7 BWO auf den 2. Oktober
2005 festgesetzt. In der Wahlnacht hat der Bundeswahlleiter
– wie bereits zuvor in Pressemitteilungen angekündigt – ein
vorläufiges Ergebnis für das Wahlgebiet ermittelt und be-
kannt gegeben. Dieses enthielt nur das Ergebnis für 298
Wahlkreise, verteilte aber alle 598 Mandate.

Der Einspruchsführer sieht durch die Bekanntgabe des
Wahlergebnisses die Gleichheit und Freiheit der Wahl als
verletzt an, da die Wählerinnen und Wähler in Dresden
„taktisch“ hätten abstimmen dürfen und somit über ein
überproportionales Stimmgewicht verfügt hätten. Sie hätten
auch nicht mehr „frei“ entscheiden können. Bezüglich der
Zweitstimme sei eine Nachwahl auch nicht erforderlich ge-
wesen.

Der Bundeswahlleiter erinnert in seiner Stellungnahme zu-
nächst daran, dass laut § 43 Abs. 1 Nr. 2 BWG bei Tod eines
Wahlkreisbewerbers nach Zulassung des Kreiswahlvor-
schlags, aber noch vor der Wahl eine Nachwahl stattzufin-

Rücklauf der Briefwahlunterlagen begonnen habe, habe die
Nachwahl nicht auf den Tag der Hauptwahl gelegt werden
können. Von den Vertrauenspersonen des NPD-Kreiswahl-
vorschlags habe ein neuer Kreiswahlbewerber benannt und
dieser vom Kreiswahlausschuss zugelassen werden müssen.
Sodann seien neue Stimmzettel zu drucken und erneut
Briefwahlunterlagen zu versenden gewesen.

Die wahlrechtlichen Bestimmungen hätten es nicht zugelas-
sen, die Wahl mit der Zweitstimme schon am Tag der
Hauptwahl durchzuführen. Das Bundestagswahlrecht ent-
halte keine Regelung, wonach die Nachwahl auf die Abgabe
der Erstimmen begrenzt werden könne. Vielmehr ergebe
sich aus mehreren Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes,
dass für die Wahl ein gemeinsamer Stimmzettel zu verwen-
den sei und Erst- und Zweitstimme gleichzeitig abzugeben
seien (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2, § 34 Abs. 2
BWG). Eine Beschränkung auf eine der beiden Wahlstim-
men und eine Wahl in zwei „Abschnitten“ widersprechen
laut Bundeswahlleiter, der sich in diesem Zusammenhang
auf Schreiber, Nachwahlregelung im Wahlgesetz, Zeit-
schrift für Rechtspolitik 2005, S. 252, 254, bezieht, dem
Zweistimmenwahlsystem des Bundeswahlgesetzes.

Zur Frage, ob die Ermittlung und die Feststellung des Wahl-
ergebnisses bis zur Nachwahl hätte aufgeschoben werden
müssen, verweist der Bundeswahlleiter auf § 37 BWG und
§ 67 BWO. Diese Bestimmungen gäben vor, dass der Wahl-
vorstand im Anschluss an die Wahlhandlung das Wahl-
ergebnis ohne Unterbrechung ermittelt und feststellt, wie
viele Stimmen im Wahlbezirk auf die Kreiswahlvorschläge
und die Landeslisten abgegeben worden sind. Eine Auszäh-
lung und Feststellung des Wahlergebnisses habe demnach
unmittelbar nach Schließung der Wahllokale erfolgen müs-
sen. Der Gesetzgeber habe für Nachwahlen weder eine ab-
weichende Regelung getroffen noch eine Ermächtigungs-
grundlage geschaffen, um in diesem Fall hiervon absehen
zu können. Anhaltspunkte für eine Regelungslücke bestün-
den nicht. Die Ermächtigung in § 82 Abs. 6 BWO, wonach
bei Nachwahlen der Landeswahlleiter im Einzelfall Rege-
lungen zur Anpassung an besondere Verhältnisse treffen
könne, beziehe sich auf die Durchführungsmodalitäten der
Nachwahl, nicht aber auf die Hauptwahl. Die Wahlorgane
seien daher rechtlich nicht befugt gewesen, die Feststellung
der Wahlergebnisse aufzuschieben.

Auch das Hessische Wahlprüfungsgericht gehe davon aus,
dass eine Auszählung der Stimmen und Feststellung des
Wahlergebnisses rechtlich unbedenklich und sogar geboten
sei, wenn das Wahlgesetz entsprechende Vorgaben zur Aus-
zählung nach Ende der Wahlhandlung enthalte (StAnz.
1995, S. 4018, 4029).

Eine Regelungslücke im Bundeswahlgesetz oder in der
Bundeswahlordnung über das Auszählen der Stimmen bei
noch anstehender Nachwahl sei demzufolge nicht gegeben.
Auf eine Regelungslücke habe der Bundeswahlleiter auch
nicht im Zusammenhang mit einem Erfahrungsaustausch
nach der Bundestagwahl 2002 (vgl. Bundestagsdrucksache
15/3872, S. 5) aufmerksam gemacht. Vielmehr sei lediglich
eine klarstellende Regelung zum Inhalt der Bekanntgabe
des vorläufigen Gesamtergebnisses in der Wahlnacht bei
noch ausstehender Nachwahl angeregt worden.
den habe. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und weil die
Briefwahlunterlagen bereits versandt gewesen seien und der

Zudem sprächen gewichtige wahlorganisatorische Gründe
gegen ein Aufschieben der Stimmenauszählung. Denn dann

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123 – Drucksache 16/5700

hätten in den nicht betroffenen 298 Wahlkreisen in rund
80 000 Wahllokalen und bei rund 10 000 Briefwahlvorstän-
den insgesamt rund 90 000 Wahlurnen und die Wählerver-
zeichnisse bis zum Ende der Stimmabgabe bei der Nach-
wahl versiegelt, in sicheren Aufbewahrungsräumen unter-
gebracht und bewacht werden müssen. Nach Ende der
Nachwahl hätten alle Wahlvorstände nochmals zusammen-
kommen müssen, was in der Zusammensetzung vom Tag
der Hauptwahl vielfach nicht mehr möglich gewesen wäre.
Die Gefahr, dass in dem Aufbewahrungszeitraum Wahl-
urnen abhanden kommen, Unbefugten zugänglich werden
oder geöffnet werden könnten, sei nicht von der Hand zu
weisen. Das Vertrauen der Wählerschaft in die Richtigkeit
der Wahlergebnisse würde auf eine schwere, nicht zu recht-
fertigende Probe gestellt, wenn nicht schwerwiegend beein-
trächtigt.

Auch eine Geheimhaltung des ermittelten Wahlergebnisses
sei nicht zulässig gewesen. Das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung enthielten keine Vorschriften, die es
erlaubten, im Falle einer Nachwahl für die Hauptwahl von
den Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Bekannt-
gabe des Wahlergebnisses (§ 37 ff. BWG, § 67 ff. BWO)
abzuweichen.

Nach Feststellung des jeweiligen Wahlergebnisses (§§ 37,
41 und 42 BWG) seien die Wahlorgane auf allen Ebenen
verpflichtet gewesen, die Ergebnisse zusammenzufassen
und auf schnellstem Wege an die nächsten zuständigen
Wahlorgane bis hin zum Bundeswahlleiter weiterzuleiten
(§ 71 Abs. 1 bis 5 BWO). Einen zeitlichen Aufschub der
Schnellmeldungen zwischen den Wahlorganen oder eine
Unterbrechung der Schnellmeldungen etwa zwischen Wahl-
kreis- und Landesebene bis zum Abschluss der Nachwahl,
um so ein Zusammenrechnen und die Feststellung der
Wahlkreisergebnisse, der Landeswahlergebnisse oder des
bundesweiten Wahlergebnisses zu verhindern, sähen die
wahlrechtlichen Vorschriften nicht vor.

Auch die Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse für die
Wahlbezirke, Wahlkreise, Länder und das gesamte Wahlge-
biet am (Haupt-)Wahlabend sei zwingend vorgegeben. § 70
Satz 1 BWO verpflichte den Wahlvorsteher, das Wahlergeb-
nis für den Wahlbezirk im Anschluss an die Feststellung
nach § 67 BWO mündlich bekannt zu geben. Nach Zusam-
menfassung der Wahlergebnisse (§ 71 Abs. 3 bis 5 BWO)
müssten die jeweiligen Wahlleiter auf Kreis- und Landes-
ebene sowie der Bundeswahlleiter gemäß § 71 Abs. 6 BWO
das jeweilige vorläufige Wahlergebnis mündlich oder in ge-
eigneter Form öffentlich bekannt geben.

Daher müssten in jedem Fall die vorläufigen Ergebnisse für
die Wahlkreise, die von der Nachwahl nicht betroffen wa-
ren, und ebenso das zusammengefasste Wahlergebnis für
das gesamte Wahlgebiet bekannt gegeben werden. Eine
Geheimhaltung der Ergebnisse der Hauptwahl bis zum Ab-
schluss der Nachwahl wäre rechtlich nicht zulässig gewe-
sen.

Ob der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1
GG diesen wahlrechtlichen Bestimmungen entgegenstehe,

Im Übrigen wäre eine Geheimhaltung der Wahlergebnisse
bis zur Nachwahl auch rein tatsächlich nicht möglich gewe-
sen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO habe jeder
während der Wahlhandlung, Ermittlung und Feststellung
des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum. Diese Regelun-
gen garantierten den elementaren Grundsatz der Öffentlich-
keit der Wahl. Eine Einschränkung oder gar der Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Stimmenauszählung widersprä-
che dem Demokratieprinzip.

Die Auszählung habe deshalb in den Wahllokalen und bei
den Briefwahlvorständen öffentlich zu erfolgen. Das Wahl-
ergebnis müsse im Anschluss mündlich bekannt gegeben
werden. Damit bestehe für jeden Interessierten die Möglich-
keit, die Wahlergebnisse an der „Basis“ zu erfahren. Die
lokale Presse oder Parteivertreter könnten diese Ergebnisse
sammeln und zu Wahlkreis-, Landes- und schließlich einem
Bundesergebnis zusammenfassen und Verteilungsrechnun-
gen zur Sitzverteilung entsprechend dem in § 6 BWG be-
schriebenen Berechnungsverfahren vornehmen.

Zudem veröffentlichten Meinungsforschungsinstitute und
Fernsehanstalten nach Ende der Wahlzeit (18 Uhr) am
Abend der Hauptwahl Hochrechnungen des Wahlergebnis-
ses für das gesamte Wahlgebiet, die – weil aus sog. Wahl-
nachbefragungen am Wahltag stammend – erfahrungsge-
mäß dem vorläufigen amtlichen Ergebnis sehr nahe kämen.
Diese Hochrechnungen hätten nicht verhindert werden kön-
nen, so dass den Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I
auch auf diesem Weg das – wahrscheinliche – Gesamtwahl-
ergebnis aus den übrigen 298 Wahlkreisen nicht unbekannt
geblieben wäre.

Wahlmöglichkeiten für Auslandsdeutsche

Weiterhin wird vorgebracht, dass faktisch „zigtausende“
Auslanddeutsche von der Wahl ausgeschlossen worden
seien. Die Briefwahlunterlagen seien derart verzögert ver-
sandt worden, dass eine rechtzeitige Rücksendung verhin-
dert worden sei. Ob hierdurch das Wahlergebnis manipuliert
werden sollte, könnten weitere Ermittlungen ergeben.

Stimmzettelverwechslung in Berlin

Schließlich wird gerügt, dass im Wahlkreis 84 (Berlin-
Friedrichshain–Kreuzberg–Prenzlauer Berg-Ost) im Wahl-
lokal des Wahlbezirks 287 zwischen 8 und 11 Uhr falsche
Stimmzettel ausgegeben worden seien. Die ca. 50 abgege-
benen Stimmzettel seien später als ungültig gewertet wor-
den. Die betroffenen Wähler seien nicht durch Boten oder
Telefonanrufe informiert worden und hätten daher keine
Chance erhalten, eine gültige Stimme abzugeben. Für den
Einspruchführer liegt der Verdacht nahe, dass hier gezielt
eine Manipulation versucht worden sei.

In seiner einen vergleichbaren Einspruch betreffenden Stel-
lungnahme hat der Landeswahlleiter bestätigt, dass in die-
sem Wahllokal in dem betreffenden Zeitraum tatsächlich
falsche Stimmzettel, nämlich solche für den Wahlkreis 77
(Berlin-Pankow), ausgegeben worden seien. 57 Wähler hät-
ten diese benutzt, drei Wähler hätten ihre Stimmabgabe spä-
ter wiederholen können. Der erfolgreiche Wahlkreisbewer-
könne und dürfe nicht von den Wahlorganen beurteilt wer-
den.

ber habe mit einem Abstand von 36 426 Stimmen seinen
Sitz gewonnen.

Drucksache 16/5700 – 124 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Weiteres Verfahren und Antrag auf Kostenerstattung

Dem Einspruchsführer sind alle vorstehend zitierten Stel-
lungnahmen des Bundes- wie der Landeswahlleiter zugäng-
lich gemacht worden. Er hat sich hierauf nicht mehr geäu-
ßert.

Der Einspruchsführer beantragt die Erstattung von Ausla-
gen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG).

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Postüberwachung in der Justizvollzugsanstalt

Die Behauptung, die Briefwahlunterlagen seien in der Jus-
tizvollzugsanstalt geöffnet worden, begründet keinen Wahl-
fehler. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte und mangels
eines substantiierten Vortrags des Einspruchsführers, der
teilweise nur von Vermutungen spricht, ist vielmehr davon
auszugehen, dass der oben näher beschriebene Erlass des
baden-württembergischen Justizministerium auch in der
JVA Bruchsal eingehalten worden ist, so dass im Verhältnis
zum Einspruchsführer wie zu anderen Gefangenen der
Grundsatz der geheimen Wahl gewahrt worden ist.

Zulassung der Landeslisten Linkspartei.PDS

Ein Wahlfehler lässt sich auch bezüglich der Zulassung der
von der Linkspartei.PDS eingereichten Landeslisten gemäß
§ 28 des Bundeswahlgesetzes (BWG) nicht feststellen. Zum
einen kann eine Liste zwar nur von einer Partei eingereicht
werden, es besteht aber kein Verbot, auch Mitglieder einer
anderen Partei oder Parteilose aufzunehmen. Zum anderen
lässt sich bei den angegriffenen Entscheidungen der Lan-
deswahlausschüsse keine Umgehung des Grundsatzes fest-
stellen, dass eine Landesliste jeweils nur von einer Partei
eingereicht werden darf.

Hiervon unberührt bleibt die nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren zu entscheidende Frage, ob für künftige Bundestags-
wahlen nähere gesetzgeberische Vorgaben für etwaige Par-
teizugehörigkeiten von Listenbewerbern zu machen sind.

Das Bundeswahlgesetz enthält keine ausdrückliche Bestim-
mung, die verbietet, in eine Landesliste auch Mitglieder
einer anderen Partei als der einreichenden oder Parteilose
aufzunehmen. Auch die bisherige Wahlprüfungspraxis geht
in Entscheidungen aus der 13. und V. Wahlperiode nicht von
einem Grundsatz aus, dass ein Bewerber Mitglied der die
Liste oder den Kreiswahlvorschlag einreichenden Partei
zu sein hat (vgl. Bundestagsdrucksachen 13/2800, S. 17;
V/1115, S. 3). Auch sonstige Bestimmungen des Bundes-
wahlgesetzes und des Parteiengesetzes führen nicht zu der
notwendigen Annahme, dass dem Bundeswahlgesetz ein
ungeschriebenes Prinzip zugrunde liegt, wonach nur Mit-
glieder der betreffenden Partei nominiert werden dürfen.

Schweigen des Gesetzgebers angesichts des Wissens um
parteifremde Bewerber nichts hinzuzufügen. Dass eine Par-
teimitgliedschaft einfachrechtlich nicht gefordert ist, wird
im Übrigen auch dadurch bekräftigt, dass es auf Bundes-
ebene – anders als in den beiden vom Bundeswahlleiter
zitierten Bundesländern – keine wahlrechtlichen Bestim-
mungen gibt, wonach bei Listeneinreichung gegenüber dem
Landeswahlleiter eidesstattliche Angaben über die jeweilige
Parteizugehörigkeit oder Parteilosigkeit zu machen sind.
Ebenso wenig führen verfassungsrechtliche Ansatzpunkte
zu einem gegenteiligen Ergebnis. Bereits in der Wahlprü-
fungsentscheidung der V. Wahlperiode ist der Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts entnommen worden,
dass es die Aufnahme parteifremder bzw. einer anderen Par-
tei angehörender Bewerber nicht als an sich verfassungs-
widrig ansieht. Auf die sodann in der Wahlprüfungsent-
scheidung erörterte Frage der Homogenität der Liste wird
selbstverständlich später noch einzugehen sein.

Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Frage, ob die
Zugehörigkeit zur aufstellenden Partei Vorbedingung einer
Kandidatur ist, im Wesentlichen verneint (vgl. z. B. Meyer,
in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis,
1989, S. 154 f.; Ipsen, Erwerb und Verlust des Fraktionssta-
tus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2006, S. 176,
177; Demmler, Der Abgeordnete im Parlament der Fraktio-
nen, 1994, S. 214; Edinger, Wahl und Besetzung parlamen-
tarischer Gremien, S. 331 f., ausdrücklich sowohl für Partei-
lose als auch für Mitglieder anderer Parteien, sofern diese
nicht miteinander konkurrieren; vgl. grundsätzlich auch
Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Aufl., Ergänzungsin-
formation zur Bundestagswahl 2005, S. 10). Einschränkun-
gen finden sich erst mit Blick auf die nähere Zusammenset-
zung einer Liste oder die Art des zugrunde liegenden Vorge-
hens.

Weiterhin geht das geltende Bundestagswahlrecht davon
aus, dass eine Liste nur von einer Partei, nicht aber gemein-
sam von zwei oder mehr Parteien eingereicht werden darf.
Dieses Verbot einer zumeist so genannten Listenvereini-
gung wird u. a. in den Bestimmungen der § 27 Abs. 2 und
§ 18 Abs. 5 BWG erkennbar, deren Wortlaut jeweils nur
von einer Partei ausgeht. Bestätigt wird dieses Verbot da-
durch, dass im Anschluss an ein Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 29. September 1990 (BVerfGE 82, 322,
346 f.), das die erste gesamtdeutsche Wahl 1990 betraf,
durch eine Übergangsregelung nur für diese Wahl Listen-
vereinigung konkurrierender Parteien und Vereinigungen
mit Sitz auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zugelassen
waren (vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Aufl.,
2002, § 7 Rn. 1).

Die vorstehend erläuterte, teilweise als Gebot einparteiiger
Listen bezeichnete Regelung ist nicht durch das Vorgehen
von Linkspartei.PDS und WASG, die Aufstellung der 16
Landeslisten durch die Linkspartei.PDS unter Einbeziehung
von Mitgliedern der WASG bzw. Parteilosen und die an-
schließende Zulassung der Listen durch die jeweils zustän-
digen Landeswahlausschüsse umgangen worden. Zunächst
untersagt, wie bereits dargestellt, das Prinzip, dass eine
Liste nur von einer Partei aufgestellt werden darf, nicht not-
wendig, in die Liste auch Mitglieder dritter Parteien oder
Insoweit ist der Stellungnahme des Bundeswahlleiters in
ihren Ausführungen zu § 48 BWG, § 18 ff. PartG und zum

Parteilose aufzunehmen, da zwischen der Verantwortung
bzw. Zurechnung einer Liste und deren Zusammensetzung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 125 – Drucksache 16/5700

zu trennen ist. Die betreffenden Listen sind aber auch der
jeweils einreichenden Partei zuzurechnen; es handelt sich
also nicht um einen unzulässigen verdeckt-gemeinsamen
Wahlvorschlag. Unbestritten sind die Listen jeweils von der
Linkspartei.PDS – unter der im jeweiligen Bundesland ver-
wendeten Firmierung – aufgestellt worden. Eine Umgehung
der wahlrechtlichen Anforderungen an die Listenaufstellung
und -zusammensetzung lässt sich nicht feststellen. Zunächst
fehlt es an einem vorgegebenen, auf äußere Merkmale ab-
stellenden Maßstab zur Beantwortung der Frage, wann
durch Aufnahme von Parteifremden oder Parteilosen eine
Liste ihre Zurechenbarkeit zur einreichenden Partei verliert
und Vorgaben des § 27 BWG umgangen werden.

Bei dieser Sachlage bildet die in der „Handreichung“ des
Bundeswahlleiters enthaltene Betrachtung mit ihrem Ab-
stellen auf eine Mehrheitsrepräsentation der einreichenden
Partei einen wahlrechtlich vertretbaren Maßstab. Dabei
überzeugt zunächst, dass nicht allein auf die Gesamtheit
einer Liste bei der Prüfung abgestellt werden kann, ob die
Mehrzahl der Plätze durch Mitglieder der einreichenden
Partei besetzt wird. Einem derartigen Ansatzpunkt könnte
nahezu immer entsprochen werden, indem – an welchen
Stellen auch immer – genügend eigene Parteimitglieder no-
miniert würden. Vielmehr ist auch auf mögliche Erfolgsaus-
sichten für die jeweiligen Bewerber auf Einzug in den Bun-
destag zu achten, die sich danach bemessen, wo und in wel-
cher Zahl sich eigene und fremde Bewerber jeweils finden.
Diesem Umstand werden die vom Bundeswahlleiter vorge-
schlagenen Kriterien, wonach zunächst maßgeblich auf den
ersten, wegen der Angaben auf dem Stimmzettel besonders
herausgehobenen Fünfer-Block abzustellen sei und Ver-
gleichbares für die folgenden Fünfer-Blöcke erwartet wer-
den sollte, in einem zwar nicht zwingenden, in der Sache
aber durchaus plausiblen Rahmen gerecht. Werden unter
dieser Vorgabe die einzelnen, oben im Tatbestand bereits
beschriebenen Landeslisten geprüft, geben sie zu keinen
Bedenken Anlass. So stellten Mitglieder der Linkspar-
tei.PDS auf jeder Landesliste im ersten Fünfer-Block die
Mehrheit der Bewerber. Gleiches gilt, mit einer Ausnahme,
auch für alle folgenden Blöcke aller Listen. Soweit in Hes-
sen unter den Plätzen 16 bis 20 drei WASG-Mitglieder er-
scheinen, lässt dies diese Liste angesichts der hinteren Plat-
zierung und der 14 Linkspartei.PDS-Mitglieder auf einer
insgesamt 20 Personen umfassenden Liste nicht unzulässig
werden. Dass sich vereinzelt, so z. B. in Nordrhein-West-
falen, auf dem ersten Platz ein WASG-Mitglied befand, ist
im hier geprüften Zusammenhang unerheblich.

Über das vorgenannte, auf die zahlenmäßige Verteilung ab-
stellende Kriterium hinaus ergeben sich bei den hier ange-
fochtenen Listenzulassungen auch bei einer auf materielle
Gesichtspunkte abstellenden Homogenitätsprüfung keine
Einwände gegen die Zulassung der Listen. Ungeklärt sind
zunächst – auch angesichts fehlender Aussagen im Bundes-
wahlgesetz – die Geltung und der Bedeutungsgehalt einer
auf inhaltliche Aspekte abstellenden Homogenität. Zwar ist
bei der Wahlprüfungsentscheidung der V. Wahlperiode im
Anschluss an eine das nordrhein-westfälische Kommunal-
wahlrecht betreffende Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts von 1960 (BVerfGE 11, 351 ff.) von einem
auch materielle Aspekte umfassenden Homogenitätsbegriff

abzustellen, wobei es nicht nur auf die politische Richtung
des Landesverbandes der fremden Partei ankommen sollte,
sondern auch auf die politische Auffassung des auf der Lan-
desliste kandidierenden parteifremden Kandidaten. Im wei-
teren ist die Homogenität dann bejaht worden, da die Be-
werber, die einer nicht selbst zur Wahl antretenden Partei
angehörten, mit ihrer Kandidatur die politischen Grundsätze
der die Liste aufstellenden Partei anerkannt hätten. Außer-
dem sei die aufstellende Partei bei Aufnahme der Bewerber
auf ihre Liste davon ausgegangen, dass die Bewerber sich
bei ihren Entscheidungen zu den politischen Grundsätzen
der aufnehmenden Partei bekennen würden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Vorgehen von Links-
partei.PDS und WASG nicht als Umgehung des Bundes-
tagswahlrechts einordnen. Zwar verfügten im Vorfeld der
Wahl beide jeweils über ein je eigenes Programm. Inwie-
weit diese Programme in wesentlichen Punkten Unter-
schiede aufweisen oder sogar im Widerspruch zueinander
stehen, muss hier jedoch angesichts der spezifischen Bedin-
gungen des Vorgehens von Linkspartei.PDS und WASG
nicht geprüft werden, zumal die Möglichkeit einer derarti-
gen Prüfung und Bewertung durch die Landeswahlaus-
schüsse auch angesichts des jeweils verfügbaren Zeitrah-
mens als fraglich erscheint. So wurde, wie u. a. aus den
oben beschriebenen zwei „Kooperationsabkommen“ vor der
Bundestagswahl ersichtlich, nicht nur ein koordiniertes Vor-
gehen mit Blick auf die Wahlteilnahme, sondern darüber
hinaus die Bildung einer neuen Partei angestrebt. Diese
Schritte waren bereits mit der Formulierung gewisser erster
programmatischer Aussagen verbunden. Diese Planungen
waren auch für die Öffentlichkeit ohne weiteres wahrnehm-
bar. Damit ist eine gemeinsame politische Zielsetzung er-
kennbar, die über formal-technisches Zusammengehen zur
Erlangung wahlrechtlicher und gegebenenfalls parlaments-
rechtlicher Vorteile qualitativ hinausgeht. Somit kann nicht
von einer Irreführung der Wähler ausgegangen werden.

Dem hier maßgeblichen Abstellen auf dieses gemeinsame
Ziel steht auch nicht die zitierte Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts entgegen, wonach die Aufstellung einer
Liste „nur sinnvoll [ist], wenn sich die auf ihr zusammenge-
fassten Bewerber durch ein gemeinsames Programm ver-
bunden fühlen.“ Abgesehen davon, dass der Begriff „sinn-
voll“ möglicherweise nur erläuternder Natur war, nicht aber
eine rechtliche Anforderung verdeutlichen wollte, kann der
Entscheidung angesichts insoweit fehlender Erörterung
nicht eine abschließende Aussage entnommen werden, dass
es nur auf das Vorhandensein eines Programms in einem
formell verstandenen Sinne ankommen könne. Auch Erwä-
gungen, die das Verbot der Verbindung von Listen verschie-
dener Parteien tragen, wie z. B. die Erlangung ungerechtfer-
tigter und der Wahlrechtsgleichheit oder Chancengleichheit
der Parteien zuwiderlaufender Vorteile bezüglich der Fünf-
Prozent-Sperrklausel bzw. die zumindest für eine Seite ent-
behrliche Beibringung von Unterstützungsunterschriften,
greifen angesichts der Unterschiedlichkeit der Sachlagen im
Vergleich konkurrierender Parteien einerseits und des hier
interessierenden Vorgehens andererseits nicht durch. Wäh-
rend bei einem als verfassungswidrig eingestuften „Hucke-
packverfahren“ (vgl. Schreiber, a. a. O., § 6 Rn. 7) zwei Par-
teien, die beide mit Landeslisten antreten, dergestalt koope-
ausgegangen worden. Dabei sei im Falle der Kandidatur
eines parteifremden Bewerbers auf den konkreten Einzelfall

rieren, dass die eine der anderen sichere Wahlkreise über-
lässt, um die Überwindung der Grundmandatsklausel zu

Drucksache 16/5700 – 126 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ermöglichen, tritt hier nur eine Partei an, die zudem mit der
anderen nicht nur wahltaktisch zusammenarbeiten, sondern
einen Zusammenschluss erreichen will. Zu erinnern ist in
diesem Zusammenhang auch daran, dass laut Bundesverfas-
sungsgericht im Falle einer Listenvereinigung, bei der in
verfestigter Form des Zusammenwirkens mehrere Parteien
eine gemeinsame Liste aufstellen, die gleichmäßige Wir-
kung der Fünf-Prozent-Sperrklausel gerade nicht aufgeho-
ben wird (BVerfGE 82, 322, 346; vgl. z. B. Roth, in: Um-
bach/Clemens, Grundgesetz, Artikel 38 Rn. 61; vgl. aber
auch Graßhof/Klein, Die Wahl wäre ungültig, Frankfurter
Allgemeine Zeitung vom 6. August 2005: Sinnverfehlung
der Sperrklausel).

Auch für die Wählerschaft kann nicht zwingend auf das
Vorhandensein eines Programms in einem inhaltlich zu ver-
stehenden Sinne abgestellt werden, wenn die Art des Vorge-
hens und die inhaltliche Zielsetzung in verfahrensmäßiger
und programmatischer Hinsicht erkennbar ist. In diesem
Zusammenhang bleibt auch ohne Belang, dass die Listen
nicht einheitlich unter einem einzigen Namen firmierten. Es
ist davon auszugehen, dass dem Wähler schon angesichts
der Medienbegleitung der Abläufe im Vorfeld der Bundes-
tagswahl der Gesamtzusammenhang bekannt gewesen ist.
Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel gemeinsamen künftigen
Auftretens und einer Fusion nur vorgeschoben war, um eine
Zulassung der allein von einer Partei eingereichten Listen
zu erreichen und damit möglicherweise angesichts der Fünf-
Prozent-Hürde die Erfolgschancen je nach Wahlgebiet zu
erhöhen, waren nicht ersichtlich. Auch im Nachhinein sind
– ungeachtet einzelner konkurrierender Antritte bei Land-
tagswahlen – insbesondere angesichts der auf Parteitagen
und in Urabstimmungen beider Parteien beschlossenen
Fusion keine derartigen Anhaltspunkte erkennbar gewor-
den.

Vertauschung der Stimmzettel in Dortmund

Die Versendung falscher Stimmzettel für die Teilnahme an
der Briefwahl in den Wahlkreisen Dortmund I und II stellt
einen Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung der
Bundestagswahl dar. Dieser Fehler geht auf eine unterblie-
bene Information durch die Stadt Dortmund an die mit der
Verpackung und Versendung beauftragte Firma zurück. Im
Ergebnis hat dieser Fehler trotz der im Tatbestand angespro-
chenen Bemühungen um Abhilfe dazu geführt, dass wegen
Verwendung des falschen Stimmzettels die betroffenen
Erst- und Zweitstimmen zutreffend gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1
BWG als ungültig gewertet wurden.

Der festgestellte Wahlfehler führt nicht zur Begründetheit
des Einspruchs. Nach ständiger Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsaus-
schuss und der Bundestag stets angeschlossen haben (vgl.
z. B. für die Wahl zum 15. Deutschen Bundestag Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 15/1850, S. 158), können näm-
lich nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich
begründen, die auf die Mandatsverteilung von Einfluss sind
oder hätten sein können. Infolgedessen scheiden alle Ver-
stöße von vornherein als unerheblich aus, die die Ermittlung
des Wahlergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370,
372 ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-

angesichts des Stimmenverhältnisses keinen Einfluss auf
die Mandatsverteilung haben können. Die oben zitierten
Modellrechnungen belegen eindeutig, dass die wegen Ver-
tauschung des Stimmzettels ungültigen Stimmen ohne Ein-
fluss auf die Verteilung der Mandate geblieben sind. Dies
gilt zunächst für die Berücksichtigung der Zweitstimmen.
So belegt z. B. die Modellrechnung des Bundeswahlleiters,
dass eine Berücksichtigung der vorsorglich ausgezählten
10 433 ungültigen Zweitstimmen keine Änderung bei den
einzelnen Parteien bewirken würde. Zugleich wird erkenn-
bar, dass auch eine hypothetische Zuweisung aller ungülti-
gen Stimmen jeweils an eine Partei für die Mandatsvertei-
lung unerheblich wäre.

Soweit es um die Berücksichtigung der Erststimmen geht,
fehlt es ebenfalls an einer Erheblichkeit. Im Wahlkreis 143
hat der erfolgreiche Bewerber einen Vorsprung von 42 259
Stimmen vor dem Zweitplatzierten, im Wahlkreis 144 be-
trägt dieser Vorsprung 43 842 Stimmen (vgl. Der Bundes-
wahlleiter, Wahl zum Deutschen Bundestag am 18. Septem-
ber 2005, Heft 3: Endgültige Ergebnisse nach Wahlkreisen,
S. 92 ff.).

Nachwahl in Dresden

Ein Wahlfehler ist durch die sofortige Bekanntmachung der
Ergebnisse der Hauptwahl nicht festzustellen. Einfachrecht-
lich ist eine unmittelbare Bekanntgabe nach einer Wahl ver-
pflichtend, ohne dass für die Nachwahl eine Ausnahme vor-
gesehen ist. Gemäß § 71 Abs. 6 BWO geben die Wahlleiter
nach Durchführung der ohne Vorliegen der Wahlnieder-
schriften möglichen Überprüfungen die vorläufigen Wahl-
ergebnisse mündlich oder in geeigneter anderer Form be-
kannt. Dem vorgeschaltet ist in § 71 BWO eine Reihung
aufeinander folgender Feststellungen und Schnellmeldun-
gen an das jeweils nächsthöhere Wahlorgan, sobald das
Wahlergebnis im Wahlbezirk festgestellt wird. So verpflich-
tet Absatz 3 die Kreiswahlleiter, das vorläufige Ergebnis auf
schnellstem Wege dem Landeswahlleiter mitzuteilen. Glei-
ches gilt gemäß Absatz 4 für die Landeswahlleiter gegen-
über dem Bundeswahlleiter. Diese Regelungen sind ab-
schließend; sie enthalten keine Lücke für den Fall einer
Nachwahl. Zum einen sind Hauptwahl und Nachwahl zwei
getrennte Vorgänge, wie § 43 Abs. 3 BWG verdeutlicht. Da-
her gibt es auch schon nach der Hauptwahl ein vorläufiges
Ergebnis im Sinne dieser Bestimmung. Zum anderen er-
mächtigt § 82 BWO nur für die Nachwahl selbst den zustän-
digen Landeswahlleiter, Anpassungen vorzunehmen; es fin-
det sich aber keine Anpassungsbefugnis zugunsten anderer
Landeswahlleiter oder des Bundeswahlleiters.

Auch im wahlrechtlichen Schrifttum wird von einer durch
die Bundeswahlordnung vorgegebenen unmittelbaren
Bekanntmachung ausgegangen (Seifert, Bundeswahlrecht,
3. Aufl., 1976, § 43 Rn. 6; Schreiber, a. a. O., § 43 Rn. 1;
Sodan/Kluckert, NJW 2005, S. 3242; ebenso wohl auch
Ipsen, DVBl 2005, S. 1468; das Hessische Wahlprüfungs-
gericht, StAnz. 1995, S. 4029, stellte keine entsprechende
landesrechtliche Vorgabe fest, sah in der erfolgten Bekannt-
machung aber keinen Verstoß gegen Landeswahlgesetz und
Landeswahlordnung; die hessische Landeswahlordnung
richts). Selbst solche Wahlfehler, die die Ermittlung des
Wahlergebnisses betreffen, sind dann unerheblich, wenn sie

enthält und enthielt keine § 71 Abs. 6 BWO entsprechende
Bestimmung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 127 – Drucksache 16/5700

Soweit verfassungsrechtliche Einwände gegen die genann-
ten Vorschriften erhoben werden, ist zunächst daran zu erin-
nern, dass sich der Bundestag im Rahmen der Wahlprüfung
nicht als berufen ansieht, die Verfassungswidrigkeit von
Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Diese Kontrolle ist
stets – vgl. Bundestagsdrucksache 13/3035, Anlage 28,
S. 66 sowie zuletzt Bundestagsdrucksache 16/1800, An-
lage 1, S. 13 – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
worden (vgl. insoweit auch BVerfGE 89, 291, 300). Davon
abgesehen werden etwaige verfassungsrechtliche Bedenken
nicht geteilt. Die Gleichheit des Erfolgswerts ist hier bestrit-
ten worden, da die Wähler im Wahlkreis 160 in Kenntnis
des Wahlergebnisses im übrigen Bundesgebiet ihre Stimme
gezielter abgeben konnten als die anderen Wähler.

Ob dies verfassungsrechtlich als Eingriff in die Gleichheit
des Erfolgswerts zu werten ist, ist nicht eindeutig zu be-
jahen, kann aber offen bleiben, da ein möglicher Eingriff
jedenfalls gerechtfertigt wäre. Der Grundsatz der Gleichheit
der Wahl bedeutet, dass jede Stimme, abgesehen vom hier
nicht betroffenen gleichen Zählwert, im Rahmen der Ver-
hältniswahl den gleichen Einfluss auf die parteipolitische
Zusammensetzung des Parlaments haben kann (vgl. z. B.
BVerfGE 95, 335, 353) bzw. im Rahmen des vom Gesetz-
geber festgelegten Wahlsystems die gleiche rechtliche Er-
folgschance haben muss (BVerfGE 95, 408, 417). Geht man
von der letztgenannten, von der gleichen rechtlichen Erfolgs-
chance sprechenden Entscheidung aus, ist zu berücksich-
tigen, dass es für die Nachwahl keine gesonderten Bestim-
mungen gibt. Sie findet vielmehr nach denselben Vorschrif-
ten und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl statt
(§ 43 Abs. 3 BWG), so dass die bei der Nachwahl abgege-
benen Stimmen nach den für die Hauptwahl geltenden Vor-
schriften berücksichtigt werden. So unterscheidet sich die
Regelung über die Nachwahl von denjenigen Regelungen,
die die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundmandatsklausel
festlegen oder Überhangmandate und ein Stimmensplitting
ermöglichen und sich damit auf manche Stimmabgabe
rechtlich auswirken. Diese Regelungen sind vom Bundes-
verfassungsgericht jeweils als – gerechtfertiger – Eingriff in
die Wahlrechtsgleichheit behandelt werden (BVerfGE 95,
408, 419, 421 sowie 95, 335, 357 ff. sowie 367). Dieser
Umstand spricht dagegen, eine unterschiedliche rechtliche
Erfolgschance anzunehmen.

Geht man von der oben zunächst genannten Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts aus, die nur auf den glei-
chen Einfluss auf die parteipolitische Zusammensetzung des
Parlaments abstellt, so dürfte die Chance eines taktischen
Wählens als Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit zu werten
sein. Selbst wenn in den Grundsatz der Gleichheit der Wahl
eingegriffen sein sollte, gilt dieser Grundsatz aber nicht un-
begrenzt; vielmehr sind Differenzierungen zulässig. Inso-
fern erkennt das Bundesverfassungsgericht nur einen eng
bemessenen Spielraum an. Dieser wird unter dem Begriff
des „zwingenden Grundes“ zusammengefasst. Differenzie-
rungen müssen sich aber nicht von Verfassungs wegen als
zwangsläufig oder notwendig darstellen. Zulässig sind auch
Gründe, die durch die Verfassung legitimiert sind und ein
Gewicht haben, das der Wahlrechtsgleichheit die Waage
halten kann. Dabei muss die Verfassung nicht gebieten,
diese Zwecke zu verwirklichen. Das Bundesverfassungsge-

Volksvertretung sich ergebende Gründe“ (vgl. BVerfGE 95,
418 mit weiteren Nachweisen).

Von einer derartigen zulässigen Differenzierung ist auf-
grund der besonderen, auch verfassungsrechtlich legitimier-
ten Anforderungen an die Abwicklung einer Wahl auszuge-
hen, die als zureichende Differenzierungsgründe eingeord-
net werden können.

Ein Verzicht auf eine Bekanntgabe der vorläufigen Ergeb-
nisse der Hauptwahl widerspräche dem Grundsatz, die Aus-
zählung der Stimmen so transparent wie möglich zu gestal-
ten, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die korrekte
Feststellung des Wahlergebnisses zu gewährleisten. Dem
dient die Öffentlichkeit der Stimmauszählung, wie sie sich
aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BWG, § 54 BWO ergibt. Gemäß § 10
Abs. 1 Satz 1 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die
Wahlvorstände öffentlich. Nach § 54 BWO hat jedermann
bei der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses
Zutritt. Dies bietet zum einen interessierten Wahlberechtig-
ten die Grundlage, die wahlrechtlich vorgegebenen Schritte
zu verfolgen und sich von ihrer ordnungsgemäßen Abwick-
lung zu überzeugen. Zugleich bietet es insbesondere aber
Medien oder Meinungsforschungsinstituten die Möglich-
keit, die Ermittlung der Ergebnisse zu verfolgen und hoch-
zurechnen. Ein Verzicht auf eine öffentliche Bekanntma-
chung böte also keine Gewähr, durch Verhinderung entspre-
chender Informationen ein taktisches Stimmverhalten zu
verhindern (vgl. auch Schreiber, a. a. O., § 43 Rn. 1 am
Ende). Im Falle einer Nachwahl den Zutritt und die Anwe-
senheit bei der Stimmauszählung bei der Hauptwahl nur den
zuständigen Wahlorganen vorzubehalten, stünde also nicht
im Einklang mit einem auf das Demokratieprinzip zurück-
zuführenden Transparenzgebot bei der wahlrechtlich vorge-
gebenen Ermittlung der Wahlergebnisse. Fraglich erscheint
überdies, ob entsprechende Regelungen auch angesichts der
großen Zahl der Beteiligten überhaupt geeignet wären, die
Ergebnisse insgesamt oder zumindest repräsentative Resul-
tate geheim zu halten.

Im Übrigen ist auch ansonsten dem Wahlgesetz eine Stimm-
abgabe in Kenntnis der Ergebnisse nicht unbekannt, wie die
Bestimmungen über die Ersatzwahl bei Ausscheiden eines
Wahlkreisabgeordneten ohne Nachrückmöglichkeit (§ 48
Abs. 2 BWG) oder eine Wiederholungswahl bei erfolgrei-
cher Wahlanfechtung (§ 44 BWG) zeigen. Schließlich ist
ein taktisches Stimmverhalten auch in anderen Zusammen-
hängen zu beobachten und nicht als Verstoß gegen den
Grundsatz der Gleichheit der Wahl behandelt worden. Zu
erinnern ist an die Möglichkeit, Erst- und Zweitstimme zu
splitten (vgl. BVerfGE 95, 335, 367).

Auch der Grundsatz der freien Wahl gemäß Artikel 38 GG
ist nicht verletzt. Die Stimmabgabe im Wissen der Ergeb-
nisse der Hauptwahl bewirkte keinen Zwang oder sonstige
unzulässige Einflussnahme auf die Wahlentscheidung und
war daher frei im Sinne des Grundsatzes der Wahlfreiheit.

Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass die Wahl im
Wahlkreis 160 insgesamt abgesagt worden ist. Den Bestim-
mungen des Wahlrechts liegt der Gedanke zugrunde, dass
die Stimmabgabe mit einem einzigen Stimmzettel für die
Erst- und die Zweitstimme vorgesehen ist. Die Beibehaltung
der Hauptwahl am 18. September 2005 bezüglich der
richt rechtfertigt auch Differenzierungen durch „zurei-
chende“, „aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der

Zweitstimme und die Beschränkung der Nachwahl auf die
Erststimme wären nicht zulässig gewesen. Die Nachwahl

Drucksache 16/5700 – 128 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

findet gemäß § 43 Abs. 3 BWG nach denselben Vorschrif-
ten und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl statt.
So beschreibt § 30 Abs. 2 BWG den Inhalt des Stimmzettels
dergestalt, dass er zum einen für die Wahl in den Wahlkrei-
sen u. a. die Namen der Bewerber der zugelassenen Kreis-
wahlvorschläge enthält und zum anderen für die Wahl nach
Landeslisten u.a. die Namen der Parteien aufführt. Gemäß
§ 34 Abs. 2 Satz 2 BWG findet die Stimmabgabe unter an-
derem dadurch statt, dass der Wähler den Stimmzettel faltet
und in die Wahlurne wirft, wobei der Wähler seine Erst-
stimme und seine Zweitstimme abgibt (vgl. § 32 Abs. 2
Satz 1 BWG). Auch die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 2
BWG, wonach unter den dort näher genannten Vorausset-
zungen Zweitstimmen nicht berücksichtigt werden dürfen,
setzt notwendig den Einsatz eines einzigen Stimmzettels für
die Erst- und die Zweitstimme voraus.

Stimmzettelverwechslung in Berlin

Die Ausgabe von Stimmzetteln des Wahlkreises 77 in einem
Wahllokal des Wahlkreises 84 widersprach § 30 Abs. 2 Nr.
1 BWG und § 45 Abs. 1 Nr. 1 BWO, wonach die Stimmzet-
tel die in dem betreffenden Wahlkreis zugelassenen Kreis-
wahlvorschläge enthalten müssen. Ihre Benutzung führte
gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 BWG zur Ungültigkeit beider
Stimmen. Dieser Wahlfehler hat sich jedoch nicht auf die
Sitzverteilung ausgewirkt. Da der Wahlkreis mit mehr als
36 000 Stimmen Vorsprung gewonnen wurde, konnten sich
die 54 ungültigen Erststimmen nicht auswirken. Ebenso we-
nig sind Auswirkungen auf die Verteilung der Mandate auf-
grund der ungültigen Zweitstimmen denkbar.

Wahlmöglichkeiten für Auslandsdeutsche

Bezüglich der Versendung von Briefwahlunterlagen an im
Ausland lebende Wahlberechtigte ist kein Wahlfehler fest-
zustellen. Im Einspruch wird nur allgemein von einer Ver-
zögerung gesprochen und Näheres möglichen weiteren Er-
mittlungen vorbehalten. Es werden aber keinerlei Anhalts-
punkte für ein bewusst verspätetes oder zögerliches Tätig-
werden der Wahlbehörden vorgetragen. Die Bedingungen
der vorgezogenen Neuwahl, die das Grundgesetz grundsätz-
lich zulässt und die im konkreten Fall vom Bundesverfas-

sungsgericht nicht beanstandet worden ist, bringen es mit
sich, dass die Abläufe im Vorfeld der Wahl; insbesondere
Beibringung von Unterstützungsunterschriften, Zulassung
von Kreiswahlvorschlägen und Landeslisten sowie – für
Briefwähler – Versendung der Unterlagen in einem zeitlich
engeren Rahmen stattfinden müssen als vor einer „regulä-
ren“ Bundestagswahl. Im Falle beantragter Briefwahl kann
dies im Einzelfall je nach Zielort auch das Risiko einschlie-
ßen, dass die Unterlagen nicht wieder rechtzeitig zurück-
erlangt werden.

Antrag auf Kostenerstattung

Dem Antrag des Einspruchsführers auf Erstattung der not-
wendigen Auslagen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 WPrüfG ist
nicht zu entsprechen. Nach Abwägung zwischen dem
öffentlichen Interesse und den Belangen des Einspruchsfüh-
rers ist eine Erstattung der notwendigen Auslagen nicht
gerechtfertigt. Zwar liegen, was die Rügen des Einspruchs-
führers im Hinblick auf die Vertauschung von Stimmzetteln
bei der Briefwahl in Dortmund und die Stimmzettelver-
wechslung in Berlin angeht, die Tatbestandsvoraussetzun-
gen des § 19 Abs. 1 Satz 2 WPrüfG vor. Hiernach können
dem in nicht amtlicher Eigenschaft Einsprechenden notwen-
dige Auslagen erstattet werden, wenn dem Einspruch statt-
gegeben oder der Einspruch nur deshalb zurückgewiesen
wurde, weil der geltend gemachte Mangel keinen Einfluss
auf das Wahlergebnis gehabt hat. Die Vorschrift räumt dem
Bundestag jedoch hinsichtlich der Entscheidung, ob Aus-
lagenersatz gewährt werden soll, ein Ermessen ein. Maß-
geblich für die Ablehnung des Antrags der Einspruchsführer
ist die ständige Praxis des Bundestages, Anträge auf Kosten-
erstattung generell abzulehnen. Der Deutsche Bundestag hat
bislang – mit Ausnahme eines atypisch gelagerten, beson-
ders begründeten Sonderfalles, in dem es um die Geltend-
machung der eigenen Wahlberechtigung ging (Bundestags-
drucksache 12/1002, Anlage 29) – Ersuchen um Kosten-
erstattung stets abgelehnt (vgl. z. B. Bundestagsdrucksachen
13/3928, Anlage 21; 15/2400, Anlage 16). Ein sachlicher
Grund, im vorliegenden Fall ausnahmsweise die Auslagen
zu erstatten, ist nicht ersichtlich.

Hierauf haben die Einspruchsführer nicht reagiert.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
Umstände, die darauf hindeuten könnten, dass Wahlbehör-
den gerade im Falle der Einspruchsführer verspätet oder
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

zögerlich tätig geworden sind, haben die Einspruchsführer
trotz Aufforderung nicht vorgetragen. Deshalb war der Ein-
spruch als unbegründet zurückzuweisen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 129 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit einem per Telefax übermittelten Schreiben, das am
5. Oktober 2005 beim Wahlprüfungsausschuss des Deut-
schen Bundestages eingegangen ist, haben die Einspruchs-
führer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 eingelegt.

Zur Begründung tragen sie vor, dass sie als in Brasilien
lebende Auslandsdeutsche „aufgrund der zeitlichen Abfolge
der Geschehnisse zum Zustandekommen der Bundestags-
wahl“ keine Möglichkeit gehabt hätten, an der Briefwahl
teilzunehmen. Dies stelle einen Verstoß gegen Artikel 38
Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) und § 12 des Bundeswahl-
gesetzes (BWG) dar.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2005 sind die Einspruchs-
führer gebeten worden, spätestens bis zum 18. November
2005 näher darzulegen, durch welche Umstände sie konkret
gehindert gewesen sein sollen, an der Wahl teilzunehmen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet.

Die Bedingungen einer vorgezogenen Neuwahl, die das
Grundgesetz grundsätzlich zulässt und die im konkreten
Fall vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet wor-
den ist (vgl. BVerfG 114, 121 ff.), bringen es mit sich, dass
die Abläufe im Vorfeld der Wahl – darunter auch die Be-
antragung und Versendung von Briefwahlunterlagen – in
einem zeitlich engeren Rahmen stattfinden müssen als bei
einer „normalen“ Bundestagswahl. Denn es ist das Grund-
gesetz selbst, das in Artikel 39 Abs. 1 Satz 4 vorschreibt,
dass im Falle einer Auflösung des Bundestages die Neuwahl
innerhalb von sechzig Tagen stattzufinden hat. Diese Sech-
zig-Tage-Frist wurde hier auch ausgeschöpft. Denn der
18. September 2005 war der letzte Sonntag (vgl. § 16 Satz 2
des Bundeswahlgesetzes – BWG), der innerhalb der Sech-
zig-Tage-Frist nach Auflösung des 15. Deutschen Bundes-
tages am 21. Juli 2005 (BGBl. I S. 2169) als Wahltag zur
Verfügung stand.

Anlage 24

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. der Eheleute B. S-H. und Dr. M. S., São Paulo, Brasilien
– Az.: WP 71/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Inlandsdeutschen. meldet waren, bis zum 21. Tag vor der Wahl einen Antrag
auf Eintragung ins Wählerverzeichnis stellen (vgl. § 16 Abs. 2
dessen Wahleinspruch zurückgewiesen werde, keine Mög-
lichkeit habe, die für die Erhebung einer Wahlprüfungsbe-
schwerde erforderlichen 100 Unterstützer zu finden. Dies

werden (vgl. § 18 Abs. 5 Satz 2 BWO).

Für das Wahlprüfungsverfahren unerheblich ist die Frage,
Dagegen sei es nicht zu vertreten, dass „zu Deutschen ge-
machte Ausländer, die durch illegale Handlungen die deut-
sche Staatsangehörigkeit unentdeckt verwirkt“ hätten, unge-
stört hätten an der Wahl teilnehmen dürfen. Der Einspruchs-
führer verweist insoweit auf die Presseberichterstattung und
fügt seinem Einspruch die Kopie einer Pressemeldung bei,
in der davon die Rede ist, dass „Zehntausende Türken mit
illegaler doppelter Staatsangehörigkeit“ hätten wählen dür-
fen.

Eine große Benachteiligung der Auslandsdeutschen liege
schließlich darin, dass das Bundesverfassungsgericht das
Wahlrecht nur dem Teil der deutschen Bevölkerung zuspre-
che, der im Geltungsbereich des Grundgesetzes lebe. Darin
liege eine grobe Verletzung des Gesetzgebungsrechtes des
Bundestages. Hinzu komme, dass ein Auslandsdeutscher,

Nr. 2, § 17 Abs. 2 Nr. 5, § 18 Abs. 1 Satz 1 der Bundeswahl-
ordnung – BWO). Erst dann werden Briefwahlunterlagen
versandt (vgl. § 27 Abs. 5, § 28 Abs. 3 Satz 1 BWO). Diese
Voraussetzungen und Modalitäten der Wahlteilnahme sind
von den diplomatischen und berufskonsularischen Vertre-
tungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland unver-
züglich nach der Bestimmung des Wahltages öffentlich be-
kannt zu machen, und zwar von den Botschaften grundsätz-
lich durch mindestens eine deutschsprachige Anzeige in je-
weils einer überregionalen Tages- und Wochenzeitung, von
den Berufskonsulaten grundsätzlich durch mindestens eine
deutschsprachige Anzeige in einer regionalen Tageszeitung
(vgl. § 20 Abs. 2 BWO). Bei den diplomatischen und be-
rufskonsularischen Vertretungen können auch ebenso wie
beim Bundeswahlleiter und bei den Kreiswahlleitern Vor-
drucke und Merkblätter für die Antragstellung angefordert
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 131 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2005, das am 24. Oktober
2005 per Telefax beim Wahlprüfungsausschuss eingegan-
gen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. Sep-
tember 2005 eingelegt.

Der in der Schweiz lebende Einspruchsführer moniert, dass
im Ausland lebende Wahlberechtigte die Wahlunterlagen
nicht automatisch von den deutschen Auslandsvertretungen
zugeschickt bekommen. Das Argument des Auswärtigen
Amts, dass die deutschen Auslandsvertretungen die Aus-
landsdeutschen wegen des Datenschutzes nicht registrieren
dürften und ihnen deshalb die Wahlunterlagen nicht direkt
zustellen könnten, hält der Einspruchsführer nicht für über-
zeugend und verweist darauf, dass dies in anderen Ländern
anders gehandhabt werde. Es gebe keinen Grund und keine
Veranlassung, den Auslandsdeutschen mehr Pflichten bei
der Wahrnehmung des Wahlrechts aufzuerlegen als den

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det. Aus dem Vortrag des Einspruchsführers werden keine
Wahlfehler ersichtlich.

I.

Es entspricht dem geltenden Wahlrecht, dass im Ausland
lebende Wahlberechtigte im Vorfeld der Wahl nicht von
Amts wegen durch individuelle Anschreiben über die
Modalitäten der Wahlteilnahme informiert oder gar mit
Wahlunterlagen versorgt werden. Um ihr Wahlrecht aus-
üben zu können, müssen sie vielmehr bei der Gemeinde, in
der sie vor ihrem Fortzug aus dem Wahlgebiet zuletzt ge-

Anlage 25

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

1. des Herrn W. L., CH-9100 Herisau, Schweiz
– Az.: WP 116/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
gelte insbesondere dann, wenn ihm die Neutralitätsauffas-
sung des Gastlandes eine politische Betätigung untersage.

ob anstelle dieser aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht
zu beanstandenden Rechtslage (vgl. Bundestagsdrucksache

Drucksache 16/5700 destag – 16. Wahlperiode
– 132 – Deutscher Bun

16/1800, Anlage 52, S. 268) auch andere rechtliche Gestal-
tungen, etwa die dem Einspruchführer vorschwebende Re-
gistrierung aller im Ausland lebenden Wahlberechtigten und
eine daran anknüpfende Eintragung ins Wählerverzeichnis
von Amts wegen, denkbar wären.

II.

Soweit der Einspruchsführer behauptet, „zu Deutschen ge-
machte Ausländer, die durch illegale Handlungen die deut-
sche Staatsangehörigkeit unentdeckt verwirkt“ hätten, hät-
ten ungestört an der Wahl teilnehmen dürfen, übersieht er,
dass der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß
§ 12 Abs. 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) auch den Ver-
lust des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag zur Folge
hat, dass sich gemäß den §§ 107a, 107b Abs. 1 Nr. 1 des
Strafgesetzbuches (StGB) strafbar macht, wer gleichwohl
wählt oder durch falsche Angaben seine Eintragung ins
Wählerverzeichnis bewirkt und dass die Wahlberechtigung
gemäß § 16 Abs. 7 BWO vor der Eintragung ins Wählerver-
zeichnis zu prüfen ist. Zwar kann gemäß § 25 Abs. 1 des
Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) die deutsche Staatsan-
gehörigkeit – unter Umständen ohne dass deutsche Behör-
den davon Kenntnis erlangen und ohne dass der Betroffene
sich dessen bewusst ist – durch den freiwilligen Erwerb ei-
ner ausländischen Staatsangehörigkeit verloren gehen. Der
daraus resultierenden Gefahr von unberechtigten Stimm-
abgaben haben die Bundesländer jedoch im Vorfeld der
Wahl in – wie der Bundestag aufgrund ähnlicher Einsprü-
che bereits entschieden hat (vgl. Bundestagsdrucksache 16/
1800, Anlagen 26 bis 28) – ausreichendem Maße entgegen-
gewirkt, indem sie anlässlich einer Mitteilung der türki-
schen Regierung aus dem Jahr 2005, dass seit dem Jahr
2000 ca. 50 000 türkischstämmige Deutsche (wieder) die
türkische Staatsangehörigkeit erlangt hätten, unter dem
fraglichen Personenkreis eine Frage- und Informationskam-
pagne durchgeführt und dabei auch auf die genannten
Straftatbestände hingewiesen haben.

III.

Nicht nachvollziehbar ist die Rüge des Einspruchsführers,
das Bundesverfassungsgericht spreche nur dem Teil der
deutschen Bevölkerung, der im Geltungsbereich des Grund-
gesetzes lebe, das Wahlrecht zu. Denn gemäß § 12 Abs. 2
BWG sind grundsätzlich auch im Ausland lebende Deut-
sche wahlberechtigt.

IV.

Soweit der Einspruchsführer moniert, dass die Einlegung
einer Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungs-
gericht nur dann möglich ist, wenn ihr mindestens 100
Wahlberechtigte beitreten, ist darauf zu verweisen, dass sich
dieses Zulässigkeitserfordernis unmittelbar aus § 48 Abs. 1
des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) ergibt
und der Deutsche Bundestag sich im Rahmen der Wahlprü-
fung nicht dazu berufen sieht, die Verfassungswidrigkeit
von Rechtsvorschriften festzustellen. Diese Kontrolle ist
stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, Anlage 26, S. 188 mit
weiteren Nachweisen). Darüber hinaus ist die Erhebung
einer Wahlprüfungsbeschwerde ein Vorgang, der nach der
Wahl stattfindet, während Prüfungsgegenstand des Wahl-

prüfungsverfahrens Maßnahmen bei der Vorbereitung und
Durchführung der Wahl sind.

einem unterentwickelten Lande der Dritten Welt“ lebender
Wahlberechtigter nicht hätte wegen solcher „schikanösen

ten sich auch die Auslandsvertretungen in Peru befunden.
Der Antrag des Einspruchsführers habe weder der Form
nen Wahlfehler zu erkennen. Im Ausland lebende Wahl-
berechtigte seien nicht von Amts wegen, sondern nur auf
ihren Antrag hin in das Wählerverzeichnis ihrer letzten Hei- Entscheidungsgründe
Kleinigkeiten“ von der Wahl ausgeschlossen werden dürfen.
Da ihn kein persönliches Verschulden getroffen habe, hätte
ihm statt des Briefes, der einen Poststempel vom 7. Septem-
ber 2005 getragen habe, angesichts der langen Postlaufzei-
ten nach und in Peru der Wahlschein von Amts wegen
unmittelbar per Eilboten („expresso“) zugesandt werden
müssen. In einem solchen Falle lägen die Voraussetzungen
für eine „Wiederaufnahme des Rechtsaktes“ vor. Im Übri-
gen ist der Einspruchsführer der Ansicht, dass eine derart
„kurzfristig angesetzte“ Neuwahl im Hinblick auf die in der
Dritten Welt lebenden Deutschen ohnehin „absolut illegal“
gewesen sei. Wegen des weiteren Sachvortrages wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg,
die zu dem Einspruch Stellung genommen hat, vermag kei-

nach noch inhaltlich der Anlage 2 zu § 18 BWO entspro-
chen. Das Wahlamt habe auch unverzüglich, nämlich am
2. September 2005, dem Einspruchsführer ein amtliches
Formblatt geschickt. Eine raschere Information über das
Verfahren, etwa auf telefonischem oder elektronischem
Wege, sei nicht möglich gewesen. Denn in dem Antrags-
schreiben seien keine entsprechenden Verbindungsdaten ge-
nannt worden.

Der Einspruchsführer hat sich zu der ihm übermittelten Stel-
lungnahme der Landeswahlleiterin nicht geäußert.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprü-
fungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 133 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 21. September 2005, das – weitergeleitet
durch das Statistische Amt der Stadt Stuttgart – am 28. Okto-
ber 2005 beim Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bun-
destages eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen
Bundestag am 18. September 2005 eingelegt.

Der in Peru lebende Einspruchsführer stellte mit Schreiben
vom 4. August 2005 bei der Stadt Stuttgart einen Antrag auf
Eintragung ins Wählerverzeichnis und Übersendung von
Briefwahlunterlagen, das am 1. September 2005 bei der
Stadt Stuttgart einging. Der Antrag, für dessen Stellung kein
amtliches Formblatt verwendet wurde, enthielt keine Versi-
cherung an Eides statt zum Nachweis der Wahlberechtigung
des Einspruchsführers. Daraufhin übersandte das Wahlamt
der Stadt Stuttgart dem Einspruchsführer ein amtliches
Antragsformular, das jedoch dem Einspruchsführer erst am
21. September 2005 zuging.

Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass er als „in

erhielten nach § 18 Abs. 5 BWO Vordrucke und Merkblätter
zu dem Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis
und zu der notwendigen Versicherung an Eides statt bei den
diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen der
Bundesrepublik Deutschland im Ausland, beim Bundes-
wahlleiter und bei den Kreiswahlleitern. Der Antrag nach
Anlage 2 zu § 18 BWO hätte bis spätestens zum 28. August
2005 bei der zuständigen Gemeindebehörde vorliegen müs-
sen (§ 18 Abs. 1 BWO). Wer diese Frist versäumt habe,
hätte für die Ausstellung eines Wahlscheines darlegen müs-
sen, dass er die Frist ohne Verschulden versäumt habe (§ 25
Abs. 2 Nr. 1 BWO). Der Bundeswahlleiter habe auch früh-
zeitig (z. B. durch Pressemitteilungen am 17. Juni 2005)
darauf hingewiesen, dass in seinem Internetangebot Infor-
mationen zum Wahlrecht für Deutsche im Ausland für eine
etwaige Wahl zum 16. Deutschen Bundestag abrufbar sowie
die Anträge als Download (PDF-Datei) erhältlich seien und
ab sofort gestellt werden könnten. Das Auswärtige Amt
habe außerdem die Mitbenutzung des amtlichen Kurierwegs
bestimmter Auslandsvertretungen angeboten. Darunter hät-

Anlage 26

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn O. W., Lima - Lurin, Peru
– Az.: WP 123/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
matgemeinde in Deutschland einzutragen (§ 16 Abs. 2 Nr. 2
und § 17 Abs. 2 Nr. 5 der Bundeswahlordnung – BWO). Sie

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

Drucksache 16/5700 – 134 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

I.

Es entsprach dem geltenden Wahlrecht, dass das Wahlamt
der Stadt Stuttgart den Einspruchsführer nicht in das Wäh-
lerverzeichnis eintrug und ihm auch keinen Wahlschein und
keine Briefwahlunterlagen übersandte. Wie die Landes-
wahlleiterin zu Recht ausgeführt hat, werden gemäß § 16
Abs. 2 Nr. 2 BWO im Ausland lebende Wahlberechtigte
nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag in das
Wählerverzeichnis eingetragen. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1,
§ 17 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 BWO war dieser Antrag bis zum
21. Tage vor der Wahl, also bis zum 28. August 2005, bei
der Gemeinde, in der der Wahlberechtigte nach seiner Er-
klärung vor seinem Fortzug aus dem Wahlgebiet zuletzt ge-
meldet war, zu stellen. Gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 BWO
muss in dem Antrag durch Abgabe einer Versicherung an
Eides statt der Nachweis für die Wahlberechtigung des An-
tragstellers erbracht und erklärt werden, dass er in keiner
anderen Gemeinde im Wahlgebiet einen Antrag auf Eintra-
gung in das Wählerverzeichnis gestellt hat. Erst dann kön-
nen gemäß § 27 Abs. 5, § 28 Abs. 3 Satz 1 BWO Briefwahl-
unterlagen versandt werden. Versäumt ein Wahlberechtigter
die Antragsfrist nach § 18 Abs. 1 BWO, so kann ihm die
Wahlteilnahme nur noch durch Erteilung eines sog. selbst-
ständigen Wahlscheines ermöglicht werden. Dies setzt nach
§ 25 Abs. 2 Nr. 1, § 27 Abs. 4 Satz 2 BWO allerdings vor-
aus, dass er spätestens bis zum Wahltag, 15 Uhr, nachweist,
dass er ohne Verschulden die Antragsfrist nach § 18 Abs. 1
BWO versäumt hat.

Im Falle des Einspruchsführers lagen weder die Vorausset-
zungen für eine Eintragung ins Wählerverzeichnis noch die
Voraussetzungen für die Erteilung eines selbstständigen
Wahlscheines vor. Sein Antrag auf Eintragung ins Wähler-
verzeichnis ging erst am 1. September 2005 und damit nach
dem 21. Tag vor der Wahl bei der Stadt Stuttgart ein. Zudem
enthielt er nicht die gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 BWO erfor-
derliche Versicherung an Eides statt. Schon aus diesem
Grunde kam auch die Erteilung eines selbstständigen Wahl-
scheines nach § 25 Abs. 2 Nr. 1 BWO nicht in Betracht.
Denn § 25 Abs. 2 Nr. 1 BWO hilft nur über das unverschul-
dete Versäumen der Antragsfrist hinweg, nicht jedoch über
die Nichterfüllung anderer Eintragungserfordernisse, wie
eben die Abgabe einer Versicherung an Eides statt im Sinne
des § 18 Abs. 5 Satz 1 BWO.

Soweit der Einspruchsführer im Hinblick auf die Wahlteil-
nahme von im Ausland lebenden Wahlberechtigten der Auf-
fassung ist, dass die Wahl nicht so „kurzfristig angesetzt“
hätte werden dürfen, ist daran zu erinnern, dass gemäß Arti-

kel 39 Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes (GG) im Falle einer
Auflösung des Bundestages die Neuwahl innerhalb von
60 Tagen stattzufinden hat. Es ist also die Verfassung selbst,
die anordnet, dass bei vorgezogenen Neuwahlen weniger
Zeit für die Abläufe im Vorfeld der Wahl zur Verfügung
steht als bei normalen Wahlen. Die Sechzig-Tage-Frist des
Artikels 39 Abs. 1 Satz 4 GG wurde hier auch ausgeschöpft.
Denn der 18. September 2005 war der letzte Sonntag (vgl.
§ 16 Abs. 2 BWG), der innerhalb der Sechzig-Tage-Frist
nach Auflösung des 15. Deutschen Bundestages am 21. Juli
2005 (BGBl. I S. 2169) als Wahltag zur Verfügung stand.

II.

Unklar geblieben ist, ob die Stadt Stuttgart den Einspruchs-
führer, wie es § 16 Abs. 8 Satz 1 BWO fordert, unverzüglich
davon unterrichtete, dass sie seinen Eintragungsantrag nicht
stattgegeben hatte. Dies wird durch die Angabe der Landes-
wahlleiterin, das Schreiben der Stadt sei am 2. September
2005 und damit einen Tag nach Eingang des Antrags des
Einspruchsführers abgeschickt worden, zwar nahe gelegt.
Dagegen spricht jedoch die Behauptung des Einspruchsfüh-
rers, der Brief der Stadt habe den Poststempel vom 7. Sep-
tember 2005 getragen.

Die Frage, ob eine unverzügliche Unterrichtung erfolgte
oder ob insoweit von einem Wahlfehler auszugehen ist,
kann indes dahingestellt bleiben. Denn nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich
der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag
stets angeschlossen haben, können nur solche Wahlfehler
einen Wahleinspruch erfolgreichen begründen, die auf die
Mandatsverteilung von Einfluss sind oder hätten sein
können (vgl. BVerfGE 89, 243, 254; Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 20). Dies kann hier ausgeschlossen werden.
Selbst wenn man unterstellt, dass die Stadt Stuttgart das
dem Einspruchsführer am 21. September 2005 zugegangene
Schreiben erst am 7. September 2005 zur Post gegeben hat,
und ferner davon ausgeht, dass ein fünf Tage früher zur Post
gegebenes Schreiben den Einspruchsführer auch mindestens
fünf Tage früher erreicht hätte, wäre der zur Anforderung
und Rücksendung von Briefwahlunterlagen zur Verfügung
stehende Zeitraum nicht ausreichend gewesen, um eine
rechtzeitige Wahlteilnahme des Einspruchsführers ange-
sichts der Postlaufzeiten in Peru sicherzustellen. Darüber
hinaus hätte eine Stimmabgabe des Einspruchsführers das
Ergebnis der Bundestagswahl nur so geringfügig verändern
können, dass auch deshalb ein Einfluss auf die Sitzvertei-
lung im Deutschen Bundestag ausgeschlossen werden kann.

Wortlaut hatte: im Bezirksamt Hamburg-Mitte verarbeitet und der Ein-
spruchsführer in das Wählerverzeichnis des für die Melde-
genommen wird und eine Wahlbenachrichtigungskarte er-
hält.

mit der Begründung abgelehnt, es fehle die Unterschrift des
Einspruchsführers sowie die Angabe eines Grundes für die
Briefwahl. Noch am selben Tage schickte die Wahldienst-
„Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September
2005

Aufnahme von wohnungslosen Insassen in die Wählerver-
zeichnisse

Am 18. September findet voraussichtlich die Wahl zum
16. Deutschen Bundestag statt.

Wie Ihnen evtl. schon bekannt ist, wurde im Dezember
2004 das Hamburgische Meldegesetz geändert. Danach ha-
ben sich Personen, die nicht für eine andere Wohnung im
Inland gemeldet sind, über den Leiter der Vollzugsanstalt
mit Wohnsitz in der betreffenden Anstalt anzumelden.

Der Antrag muss persönlich oder schriftlich bis zum 29. Juli,
spätestens aber bis zum 14. August gestellt werden, damit
dieser Personenkreis automatisch im Wählerverzeichnis auf-

anschrift zuständigen Wahlbezirkes eingetragen. Am Mon-
tag, dem 29. August 2005, wurde dem Einspruchsführer
eine Wahlbenachrichtigung postalisch übersandt.

Am Donnerstag, dem 8. September 2005, bat der Ein-
spruchsführer die Untersuchungshaftanstalt, seine Brief-
wahlunterlagen per Fax anzufordern. Zu diesem Zwecke
hatte er das Antragsformular auf der Rückseite der Wahlbe-
nachrichtigung ausgefüllt, dieses jedoch nicht unterschrie-
ben, obwohl sich darauf fettgedruckt folgender Hinweis be-
fand: „Ihr Antrag kann nur mit Ihrer Unterschrift bearbeitet
werden.“ Noch am 8. September 2005 wurde der Antrag
durch einen Bediensteten der Untersuchungshaftanstalt an
die zuständige Wahldienststelle Hamburg-Mitte abgeschickt.

Dort ging er am 14. oder 15. September 2005 ein. Am Don-
nerstag, dem 15. September 2005, wurde er bearbeitet und
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 135 – Drucksache 16/5700

Tatbestand

Mit Schreiben vom 25. September 2005, das – weitergelei-
tet durch den Landeswahlleiter der Freien und Hansestadt
Hamburg – am 28. Oktober 2005 beim Wahlprüfungsaus-
schuss eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch
gegen die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingelegt.
Der Einspruchsführer, der sich vor und während der Bun-
destagswahl in Untersuchungshaft befand, ist der Auffas-
sung, ihm wie auch anderen Insassen sei eine Teilnahme an
der Wahl unmöglich gemacht worden, weil nur unzurei-
chend über die Modalitäten der Wahlteilnahme für Häft-
linge informiert worden sei, im Zusammenhang mit der
Wahl stehende Anträge verzögert bearbeitet worden seien
und die Post von Häftlingen einer „Zensur“ unterlegen
habe.

In der Hamburger Untersuchungshaftanstalt, in der sich der
Einspruchsführer befand, wurden die Modalitäten der Ein-
tragung von Gefangenen in das Wählerverzeichnis mit
einem „Aushang Wahl“ bekannt gemacht, der folgenden

deformular ausgehändigt. Die Rückgabe der Formblätter hat
bis zum 10. August über die Stationen zu erfolgen.“

Am 11. August 2005 bat der Einspruchsführer, der laut Ge-
fangenenakte noch für eine Wohnung außerhalb der Anstalt
gemeldet war, tatsächlich aber wohnungslos war, die für
ihn zuständige Abteilungsleitung der Untersuchungshaftan-
stalt, ihm Wahlunterlagen zu besorgen. Aufgrund des Ein-
trags in der Gefangenenakte wurde ihm am 12. August 2005
mitgeteilt, dass eine Erfassung der Wahlberechtigten über
die Untersuchungshaftanstalt nur bei wohnungslosen Insas-
sen erfolge. Da er über eine Meldeanschrift verfüge, werde
ihm eine Wahlbenachrichtigungskarte von seinem Wahl-
bezirk dorthin übersandt. Briefwahlunterlagen möge er bei
dem für seinen Wohnsitz zuständigen Einwohner-/Bezirks-
amt anfordern.

Mit Anmeldeerklärung vom 17. August 2005 meldete sich
der Einspruchsführer rückwirkend zum 30. Mai 2002 für die
Anschrift der Untersuchungshaftanstalt an. Diese Anmel-
dung wurde am Freitag, dem 26. August 2005, elektronisch

Anlage 27

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch

des Herrn J. K-S., 20355 Hamburg
– Az.: WP 126/05 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 18. September 2005

hat der Wahlprüfungsausschuss in
seiner Sitzung vom 21. Juni 2007 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Der in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg zu erfassende
Personenkreis erhält über die jeweilige Station ein Anmel-

stelle dem Einspruchsführer ein Schreiben mit „Express
Brief“, in dem es ihn auf die Unvollständigkeit seines An-

Drucksache 16/5700 – 136 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

trags hinwies und ein neues Antragsformular beilegte. Da
für die gesamte Post des Einspruchsführers mit Ausnahme
der Verteidigerpost die richterliche Postkontrolle angeord-
net war, wurde das Schreiben zunächst ungeöffnet an das
Landgericht Hamburg geleitet, wo es nach dem Datum
des Eingangsstempels auf dem Umschlag am Montag, dem
19. September 2005, einging.

Der Einspruchsführer behauptet, dass Aushänge aufgrund
der „Struktur“ der Untersuchungshaftanstalt nur einge-
schränkt zu lesen gewesen seien. Die Gefangenen würden
im „Herdentrieb“ zum Duschen und zur Freistunde geführt
und ansonsten „unter Verschluss“ gehalten. Es bedürfe also
Mutes, dem Wachpersonal zu erklären, dass man sich über
die Aushänge informieren möchte. Das in dem Aushang er-
wähnte Formular sei ihm ebenfalls nicht ausgehändigt wor-
den und es sei davon auszugehen, dass dies bei den anderen
Inhaftierten ebenso gewesen sei. Die richterliche Postkon-
trolle des Schreibens der Wahldienststelle vom 15. Septem-
ber 2005 sei unrechtmäßig gewesen, da Wahlpost weder
einer Vorzensur noch einer Zensur unterliege. Der Ein-
spruchsführer sieht dadurch sein Wahlrecht aus Artikel 38
Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Er geht ferner da-
von aus, dass die ihm aus seiner Sicht zugefügten „Repres-
salien und Behinderungen“ übliche Praxis in CDU-geführ-
ten Bundesländern seien, die zu erheblichen Stimmverlus-
ten für die SPD und die GRÜNEN geführt habe.

Der Landeswahlleiter der Freien und Hansestadt Hamburg
und die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg
haben zu dem Einspruch Stellung genommen.

Die Ablehnung des Antrags des Einspruchsführers am
15. September 2005 wegen Fehlens der Unterschrift und
eines Grundes für die Briefwahl sei rechtmäßig gewesen.
Zur Schriftform des Antrags im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1
der Bundeswahlordnung (BWO) gehöre auch die Unter-
zeichnung. Durch die fehlende Unterschrift sei der Antrag
darüber hinaus hinsichtlich des Grundes unvollständig
gewesen. Nach § 27 Abs. 2 BWO müsse der Antragsteller
den Grund für die Erteilung eines Wahlscheines glaubhaft
machen.

Die Zuleitung des Schreibens der Wahldienststelle vom
15. September 2005 an das Landgericht Hamburg zum
Zwecke der richterlichen Postkontrolle habe einer richter-
lichen Anordnung nach § 119 der Strafprozessordnung
(StPO) und Nr. 30 der Untersuchungshaftvollzugsordnung
(UVollzO) entsprochen.

Im Übrigen hätte dem Einspruchsführer noch am Wahltag
zur Teilnahme an der Wahl verholfen werden können, wenn
dieser spätestens am Vormittag des Wahltages den Beschäf-
tigten der Untersuchungshaftanstalt das Ausbleiben seiner
Briefwahlunterlagen mitgeteilt hätte. Die diensthabenden
Mitarbeiter des Justizvollzugs seien verpflichtet gewesen,
alles zu unternehmen, um den Insassen die Ausübung des
Wahlrechts zu ermöglichen. Sie seien insbesondere ange-
wiesen worden, die Wahlunterlagen notfalls mit Dienst-
kraftfahrzeugen von der Untersuchungshaftanstalt zur
Wahldienststelle und zurück zu transportieren. Denkbar
wäre auch ein begleiteter Ausgang in das Wahllokal gewe-
sen. Obwohl er die Briefwahlunterlagen bis zum 18. Sep-
tember 2005 nicht erhalten habe, habe der Einspruchsführer

dass der Einspruchsführer über ausgedehnte Erfahrungen im
Vollzug verfüge und daher bereits an diversen Wahlen in der
Haft teilgenommen habe, davon auszugehen, dass ihm be-
kannt war, dass er sich nur bei seinem Stationsbeamten hätte
melden müssen, um noch seine Stimme abgeben zu können.

Der Einspruchsführer hat zu der Stellungnahme erklärt, dass
er sehr wohl am Wahltag einen Diensthabenden um die
Sicherung seines Wahlrechts gebeten habe. Dies sei jedoch
als Scherz abgetan worden, denn in der Haftanstalt gebe es
samstags und sonntags kein schriftliches Antragswesen.

Im Hinblick auf eine ergänzende Stellungnahme des Lan-
deswahlleiters und der Justizbehörde der Freien und Hanse-
stadt Hamburg sowie die Gegenäußerung des Einspruchs-
führers, die dem dargestellten Sach- und Streitstand mit
zugrunde liegen, wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.

I.

Die Ablehnung des Antrags des Einspruchsführers auf Aus-
stellung eines Wahlscheins und der Briefwahlunterlagen am
15. September 2005 war rechtmäßig. Aufgrund der fehlen-
den Unterschrift des Einspruchsführers entsprach der An-
trag nicht den gesetzlichen Vorgaben. Denn zur Schriftform
des § 27 Abs. 1 Satz 1 BWO gehört, wie die Anlage 4 zu
§ 19 Abs. 2 BWO bestätigt, grundsätzlich auch die eigen-
händige Unterschrift des Antragsstellers.

II.

Auch im Übrigen handelte die Wahldienststelle rechtmäßig.
Insbesondere hat sie nicht zu vertreten, dass der Antragstel-
ler erst nach dem Wahltag erfuhr, dass sein Briefwahlantrag
unvollständig war. Sie bearbeitete den Antrag, der frühes-
tens am 14. September 2005 bei ihr einging, unverzüglich,
nämlich am 15. September 2005, und gab die schriftliche
Mitteilung an den Einspruchsführer, dass sein Antrag un-
vollständig sei, noch am selben Tage zur Post. Dass ihn der
ordnungsgemäß und unverzüglich zur Post gegebene Brief
nicht rechtzeitig erreichte, hat die Gemeindebehörde nicht
zu vertreten. Hier kann nichts anderes gelten, als bei der
Übersendung von Wahlscheinen und Briefwahlunterlagen,
wo dieses Risiko ebenfalls der Wahlberechtigte trägt (vgl.
dazu Bundestagsdrucksache 16/3600, Anlage 20, S. 112 mit
weiteren Nachweisen).

III.

Schließlich kann der Umstand, dass der Einspruchsführer
nicht rechtzeitig seine Briefwahlunterlagen erhielt, auch
nicht auf Wahlfehler der Hamburger Justiz oder der Haftan-
stalt, zurückgeführt werden. Insbesondere stellte es keinen
Wahlfehler dar, dass sein Schriftwechsel mit der Wahl-
jedoch keine diesbezüglichen Anträge an die Bediensteten
der Haftanstalt herangetragen. Dabei sei angesichts dessen,

dienststelle überhaupt einer Schriftverkehrskontrolle unter-
lag.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137 – Drucksache 16/5700

Nach § 119 Abs. 3 und 6 Satz 1 StPO dürfen durch richterli-
che Anordnung dem Untersuchungshäftling Beschränkun-
gen, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ord-
nung in der Vollzugsanstalt erfordern, auferlegt werden. Zu
diesen Beschränkungen kann auch die Kontrolle des
Schriftverkehrs des Häftlings einschließlich der Behörden-
post gehören (vgl. Boujong, in: Karlsruher Kommentar zur
Strafprozessordnung, 5. Aufl., 2003, § 119 Rn. 29 f.). So ge-
schah es auch im vorliegenden Fall. Es wurde richterlich an-
geordnet, dass mit Ausnahme der Verteidigerpost der ge-
samte Schriftverkehr des Einspruchsführers, mithin auch
sein Schriftwechsel mit der Wahldienststelle, einer Schrift-
verkehrskontrolle unterliegt.

Die Rechtmäßigkeit dieser Beschränkung ist nur in einge-
schränktem Umfange einer Kontrolle durch den Wahlprü-
fungsausschuss zugänglich. Er prüft insbesondere nicht, ob
die auferlegte Beschränkung tatsächlich von den Vorausset-
zungen des § 119 Abs. 3 StPO getragen war. Da der Wahl-
prüfungsausschuss keine „Superrevisionsinstanz“ in Haft-
sachen ist, ist er insoweit vielmehr an die Einschätzung der
sachnäheren und fachlich kompetenteren ordentlichen Ge-
richte gebunden. Daraus folgt: Hat ein Gericht die Einbezie-
hung von Behördenpost in die Schriftverkehrskontrolle
angeordnet, dann ist der Wahlprüfungsausschuss an die Ein-
schätzung des Gerichts, dass dies der Zweck der Unter-
suchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt im
Sinne des § 119 Abs. 3 StPO erfordert, grundsätzlich gebun-
den. Er prüft lediglich, ob aus wahlspezifischen Gründen
die Anordnung der Schriftverkehrskontrolle unrechtmäßig
war. Solche wahlspezifischen Gründe gibt es vorliegend
nicht.

So stand der Grundsatz der geheimen Wahl aus Artikel 38
Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 Satz 2 des Bundeswahlgeset-
zes (BWG) der Einbeziehung des Schriftwechsels zwischen
dem Einspruchsführer und der Wahldienststelle in die
Schriftverkehrskontrolle nicht entgegen. Der Grundsatz der
geheimen Wahl ist dann verletzt, wenn erkennbar wird, wel-
che Wahlentscheidung der Wahlberechtigte getroffen hat
(vgl. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Aufl., 2002, § 1
Rn. 24). Das wäre z. B. dann der Fall, wenn der Wahlbrief
des Insassen einer Haftanstalt geöffnet und der darin befind-
liche Stimmzettel gesichtet würde. Insoweit wäre eine
Schriftverkehrskontrolle in der Tat unzulässig (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 14/1560, Anlage 25, S. 71). Aus einem
Briefwahlantrag und den übersandten Wahlunterlagen bzw.
– wie im vorliegenden Falle – der Aufforderung, einen

neuen Briefwahlantrag zu stellen, kann jedoch die Wahlent-
scheidung des Wählers nicht ersichtlich werden.

Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aus dem für
die Untersuchungshaft entsprechend anwendbaren § 73 des
Strafvollzugsgesetzes (StVollzG). Die darin statuierte Pflicht,
den Gefangenen in dem Bemühen zu unterstützen, seine
Rechte und Pflichten wahrzunehmen, namentlich sein
Wahlrecht auszuüben, steht der Einbeziehung von Wahlpost
– mit Ausnahme des den ausgefüllten Stimmzettel enthal-
tenden Wahlbriefes – in die Kontrolle des Schriftverkehrs
nicht generell entgegen. Zwar können durch die Schriftver-
kehrskontrolle durchaus erhebliche Verzögerungen entste-
hen, die dazu führen können, dass Wahlunterlagen den Häft-
ling nicht rechtzeitig erreichen. Jedoch obliegt es grundsätz-
lich dem Häftling, dessen Behördenpost der Schriftver-
kehrskontrolle unterliegt, diese Verzögerungen in Rechnung
zu stellen und seine Briefwahlunterlagen entsprechend früh-
zeitig und vollständig zu beantragen. Denn § 73 StVollzG
ändert nicht die allgemeine Risikoverteilung bei der Versen-
dung von Wahlunterlagen. Hiernach hat, wie oben unter II.
dargestellt, der Briefwähler das Risiko zu tragen, dass seine
Anträge die Wahlbehörde nicht oder nicht rechtzeitig errei-
chen und von dieser ordnungsgemäß und unverzüglich zur
Post gegebene Wahlunterlagen ihn nicht oder nicht rechtzei-
tig erreichen. Ebenso wie es dem sich im Ausland aufhal-
tenden Wahlberechtigten obliegt, bei der Wahl des Zeit-
punktes der Versendung seiner Wahlpost ggf. längere Post-
laufzeiten in Rechnung zu stellen, obliegt es primär dem
Insassen einer Haftanstalt, dessen Behördenpost der Schrift-
verkehrskontrolle unterliegt, die dadurch zu erwartenden
Verzögerungen zu berücksichtigen.

Dieser Obliegenheit wurde der Einspruchsführer vorliegend
nicht hinreichend gerecht. Denn selbst wenn man zu seinen
Gunsten unterstellt, dass seine von der Hamburger Justizbe-
hörde bestrittene Behauptung, die Wahlaushänge seien nicht
richtig lesbar gewesen, zutrifft, hat der Einspruchsführer
maßgebliche Verzögerungen bei der Beschaffung seiner
Briefwahlunterlagen selbst zu vertreten. So wartete er mit
seiner Ummeldung auf die Adresse der Haftanstalt bis zum
17. August 2005, obwohl ihm bereits am 12. August 2005
mitgeteilt worden war, dass er noch für eine Wohnung au-
ßerhalb der Haftanstalt gemeldet sei. Sodann wartete er,
nachdem die Wahlbenachrichtigung am 29. August 2005 an
ihn abgeschickt worden war, mit der Stellung seines Brief-
wahlantrags bis zum 8. September 2005.

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