BT-Drucksache 16/5613

Notwendige Verbesserungen am Telemediengesetz jetzt angehen

Vom 13. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5613
16. Wahlperiode 13. 06. 2007

Antrag
der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Christian
Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Horst
Meierhofer, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der
FDP

Notwendige Verbesserungen am Telemediengesetz jetzt angehen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 1. März 2007 sind der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) in der Fassung des
9. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (RÄndStV) sowie das neue Telemedien-
gesetz (TMG) in Kraft getreten. Das Telemedienrecht wurde dadurch grund-
legend reformiert. Ziel war es, die unterschiedlichen wirtschaftsspezifischen
Vorschriften aus Teledienstegesetz (TDG), Teledienstedatenschutzgesetz
(TDDSG), RStV und Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) einheitlich im Bun-
desrecht, medienspezifische Vorschriften im Landesrecht zusammenzuführen
und zu regeln. Durch die grundsätzlich zu begrüßende Zusammenführung der
Rechtsrahmen für Tele- und Mediendienste sollte ein Abbau von künstlichen
Unterscheidungsmerkmalen geleistet und so die Rechtslage an die fortschrei-
tende Konvergenz der Medien angepasst werden.

Der Deutsche Bundestag hat mit dem Beschluss des TMG im Rahmen des
Gesetzes zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische
Informations- und Kommunikationsdienste (ElGVG) seinen Beitrag zur Neu-
ordnung geleistet. Allerdings blieben auch im nunmehr gültigen TMG einige
wesentliche Hemmnisse, Probleme und Rechtsunsicherheiten unberücksichtigt,
die spätestens seit der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft

und Technologie des Deutschen Bundestages zum ElGVG am 11. Dezember
2006 bekannt waren.

Vertreter der Regierungskoalition erklärten, dass sie sich durch den Plan des
gemeinsamen Inkrafttretens des TMG und des RFStV zum 1. März 2007 einem
Zeitdruck ausgesetzt sahen, der es unmöglich machte, einige offenkundige und
allen wesentlichen Akteuren bereits bekannten Probleme im Gesetzeswerk aus-

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räumen zu können. Sie kündigten an, unmittelbar nach Inkrafttreten des TMG
eine entsprechende Novelle auf den Weg zu bringen.

Vor allem in den Bereichen der Begrifflichkeiten, der Haftungs- bzw. Verant-
wortlichkeitsbestimmungen in § 7 ff. des TMG-Entwurfs und des Daten- und
Kundenschutzes in § 11 ff. wird das TMG den Anforderungen eines modernen
und sicheren elektronischen Geschäftsverkehrs nicht gerecht. Eine umfassende
Rechtssicherheit wird somit weder für die Branche noch für die Verbraucher ge-
währleistet.

Die Schnelllebigkeit der Branche, die dringend erforderliche Rechtssicherheit
im elektronischen Geschäftsverkehr und nicht zuletzt das Vertrauen in die Ge-
setzgebungskompetenz der Legislative gebieten, die notwendigen Verbesserun-
gen am TMG schleunig anzugehen und in diesem Zusammenhang einige wich-
tige Anpassungen bzw. Verbesserungen vorzunehmen.

II. Deshalb fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf,

● wie angekündigt sofort eine Verbesserung des Telemediengesetzes einzu-
leiten und das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
(BMWi) zu beauftragen, einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten
und vorzulegen. Dieser muss insbesondere

● die Begrifflichkeiten und Abgrenzungen von Telemediendiensten, Telekom-
munikationsdiensten und Rundfunk eindeutiger und zukunftsgerichteter de-
finieren. Die sich bereits abzeichnenden Abgrenzungs- und Definitionspro-
bleme zwischen deutschen Normen und geltenden oder sich bereits ankün-
digenden EU-Richtlinien können zeitnah und problemlos ausgeräumt wer-
den. Doppelregulierungen via TMG, Telekommunikationsgesetz (TKG) und/
oder RStV auf der einen Seite sowie Fernsehrichtlinie und eCommerce-
Richtlinie (ECRL) auf der anderen sollen ausgeschlossen werden. Das
BMWi koordiniert sich in dieser Frage mit den zuständigen EU-General-
direktionen.

● sicherstellen, dass der Rahmen für die allgemeinen Informationspflichten
sachgerecht gezogen wird, um nicht private Homepages, Weblogs, Mei-
nungsforen oder Chats, vor allem aber auch Shareware und Open-Access-
Angebote nach § 5 Abs. 1 TMG mit überzogenen Anforderungen zu belasten.
Das jetzige Abgrenzungsmerkmal „geschäftsmäßig“ lässt hier noch zuviel
Spielraum, weil potenziell auch kostenlose Angebote erfasst sind, die an-
derswo möglicherweise gegen Entgelt angeboten werden. Darüber hinaus
müssen die Informationspflichten auf ihre Medienverträglichkeit im Hinblick
auf neue Übertragungswege, etwa Mobiltelefone oder MDA abgestimmt
werden, um nicht eine indirekte Diskriminierung solcher Technologien zu be-
gründen.

● sicherstellen, dass Anbieter von Telemediendiensten nicht mit unerfüllbaren
Haftungs- und Verantwortlichkeitsregeln oder Überwachungspflichten kon-
frontiert werden. Inhalteanbieter oder Plattformbetreiber dürfen nicht in eine
Zwickmühle zwischen eventuellen Haftungsansprüchen von Dritten einer-
seits und Vertragsbindungen und der Gefahr von Schadensersatzforderungen
seitens der Kunden andererseits gebracht werden. Deshalb ist § 7 Abs. 2
Satz 2 des TMG dahingehend zu ergänzen, dass lediglich für Informationen,
die zum Zeitpunkt der Beanstandung durch den in seinen Rechten Verletzten
bereits dem Zugriff des Anbieters unterlagen, eine Pflicht zur Entfernung
oder Sperrung durch den Anbieter besteht. Auf diese Weise kann auch dem
(in ECRL und TMG vorgeschriebenen) Verbot proaktiver Überwachungs-
pflichten wieder zur Geltung verholfen werden. Es muss klar werden, wie die

ständige Überwachung von (unzähligen) Fremdinhalten tatsächlich möglich
sein soll und welche Sanktionen im Endeffekt drohen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5613

● das grundsätzliche Strukturproblem des europäischen und deutschen Tele-
medienrechts aufgreifen: Diejenigen Provider, die im Kampf gegen illegale
Inhalte freiwillig Prüfmaßnahmen durchführen, stehen aufgrund ihrer damit
verbundenen (potenziellen) Kenntnis haftungsrechtlich schlechter als die-
jenigen, die auf solche Anstrengungen verzichten. Dies ist kontraproduktiv
und verhindert letztendlich vielversprechende Selbstregulierungsmechanis-
men, wie sie in anderen Bereichen der Medienregulierung längst erfolgreich
praktiziert werden.

● die Haftung und Verantwortung soweit wie möglich grundsätzlich dem Ver-
ursacher selbst zuordnen und ein formalisiertes Verfahren zur Klärung der
Rechteinhaberschaft sowie der damit verbundenen Konsequenzen etablieren.
Auf diese Weise würden Content-Provider und (potenzielle) Rechteinhaber
zusammengeführt und Host- und Access-Provider aus ihrer haftungsrecht-
lichen Zwickmühle entlassen. Umsetzen ließe sich dies z. B. durch die Ein-
führung des „Notice-and-take-down“-Verfahrens.

● in die Zukunft gerichtete Überwachungspflichten von in den Schutzbereich
von Artikel 5 des Grundgesetzes fallenden Plattformen – insbesondere also
so genannten Meinungsforen – grundsätzlich ausschließen.

● die besondere Situation von Suchmaschinen und Hyperlinks im TMG ab-
bilden. Insoweit ist zu ergänzen, dass § 8 Abs. 1 auch auf Anbieter abstellt,
die Nutzern eine automatisierte Suchmaschine oder vergleichbare Hilfsmittel
zur Suche nach fremden Informationen bereitstellen. Die Verantwortlichkeit
für das Setzen von Hyperlinks sollte dem für Host-Provider geltenden Ver-
antwortlichkeitsschema nach § 10 TMG unterworfen werden, wie dies etwa
auch in Österreich geschehen ist.

● die Bestandsdatennutzung nach § 14 des TMG-Entwurfs so regeln, dass die
Sphäre des elektronischen Geschäftsverkehrs nicht stärker als die des
„klassischen“ Geschäftsverkehrs reglementiert wird. Danach wird § 14 TMG
so umformuliert, dass bei bestehenden Kundenbeziehungen grundsätzlich
Opt-out-Regelungen greifen, so wie es im Gesetz gegen unlauteren Wett-
bewerb (UWG) ebenfalls vorgesehen ist.

● der Bekämpfung von SPAM weiterhin eine hohe Priorität zumessen. Dazu
müssen von verschiedenen Seiten geforderte symbolische Gesetzesver-
schärfungen, denen nach herrschender Meinung keine Effektivität zukommt,
ausgeschlossen werden und stattdessen die wegweisenden kooperativen
Maßnahmen von Industrie, Verbraucherzentralen und Verbänden best-
möglich unterstützt werden.

Im Übrigen weist der Deutsche Bundestag die Bundesländer auf die bestehen-
den Wettbewerbsnachteile hin, die durch die zersplitterte und der konvergenten
Medienrealität nicht gerecht werdende Aufsichts- und Regulierungslandschaft
auftreten. Gemeinsam mit den Bundesländern ist daher von der Bundesregie-
rung ein Konzept auszuarbeiten, wie Aufsicht und Regulierung für (öffentlich-
rechtlichen und privaten) Rundfunk, Medien und Telekommunikation einheit-
lich und transparent gestaltet werden können, damit die Innovations- und Wirt-
schaftskraft, die dem elektronischen Geschäftsverkehr nachweislich innewoh-
nen, nicht weiterhin durch überholte Strukturen gehemmt werden.

Berlin, den 13. Juni 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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