BT-Drucksache 16/5609

Sportschifffahrt und Wassersport wirksam fördern und von überflüssigen Beschränkungen befreien

Vom 13. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5609
16. Wahlperiode 13. 06. 2007

Antrag
der Abgeordneten Detlef Parr, Joachim Günther (Plauen), Miriam Gruß, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen,
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia
Pieper, Jörg Rohde, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Sportschifffahrt und Wassersport wirksam fördern und von
überflüssigen Beschränkungen befreien

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland war in den zurückliegenden Jahren eine der führenden Sport-
nationen im Wassersport. Im Bereich des Leistungssports ist der Deutsche
Segler-Verband weltweit die Nummer Eins. Gemessen an den Medaillen der
vergangenen zehn Jahre bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameister-
schaften ist der Deutsche Segler-Verband mit großem Abstand der erfolgreichste
Segelsportverband der Welt. Zum ersten Mal war in diesem Jahr ein deutsches
Boot beim America’s Cup, einem der ältesten Sportwettbewerbe der Welt, ver-
treten. Darüber hinaus befinden sich auf vielen der weiteren teilnehmenden
Boote aus anderen Ländern ebenfalls deutsche Segler, die ihre Fähigkeiten und
Kenntnisse auf den deutschen Wasserstraßen erlernt haben. Diese Hochleis-
tungssportler sind in der gesamten Segelwelt geschätzt.

Entsprechendes gilt für den Deutschen Ruderverband, dessen Athleten ihn durch
ihre Leistungen bei den Olympischen Spielen, bei Welt- und Europameisterschaf-
ten in allen Altersstufen zum weltweit erfolgreichsten Rudersportverband
gemacht haben. Die Kanuten stehen gegenüber diesen Leistungen nicht nach. Seit
den Olympischen Spielen 1992 bilden sie regelmäßig das erfolgreichste Team
innerhalb der deutschen Olympiamannschaft. Mit 17 Gold-, 8 Silber- und 4 Bron-

zemedaillen trugen sie seitdem maßgeblich zum guten Abschneiden innerhalb der
Nationenwertung bei. Im gleichen Zeitraum errangen deutsche Kanusportler in
den olympischen Disziplinen 54 Weltmeistertitel und weitere 56 WM-Medaillen.

Insgesamt geht die Bedeutung des Wassersports aber weit über diese Hochleis-
tungswettbewerbe hinaus. Die Sportschifffahrt auf den Binnen- und Seegewäs-
sern ist eine beliebte Freizeitbetätigung in allen Bevölkerungskreisen und für
fast jedes Alter. Die Ausübung findet dabei in hohem Maße in Vereinen statt.

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Beim Rudersport ist das fast ausschließlich der Fall. Die nahezu ausnahmslos
gemeinnützigen Vereine leisten zumeist kostenlos die Ausbildung und ständige
Schulung ihrer Mitglieder. Wegen der Bedeutung für die Kinder- und Jugend-
arbeit und für das ehrenamtliche Engagement sind diese Vereine aus dem öffent-
lichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland nicht wegzudenken. In gesell-
schaftlicher Hinsicht kann die Bedeutung der Wassersportvereine kaum über-
schätzt werden. Weit über eine halbe Million Menschen betreiben Wassersport
in den Vereinen und Verbänden des Deutschen Olympischen Sportbundes
(DOSB).

Knapp 200 000 Mitglieder gehören den 1 350 Vereinen im Deutschen Segler-
Verband an. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen liegt bei etwa 15 Prozent.
Auch bei den Segelvereinen beruht der Vereins- und Sportbetrieb nahezu aus-
schließlich auf ehrenamtlichem Engagement der Mitglieder. Etwa 6 500 Men-
schen bilden das Rückgrat des organisierten Segelsports. Setzt man den Wert der
ehrenamtlichen Arbeit im Wassersport mit nur 15 Euro je Stunde an, so ergibt
sich daraus ein Betrag von über 120 Mio. Euro im Jahr. Weit höher anzusehen
ist jedoch der soziale und gesellschaftliche Nutzen der ehrenamtlichen Tätigkeit.

Rund 115 000 Menschen, darunter knapp 30 000 Kinder und Jugendliche, sind
in über 1 300 Kanuvereinen organisiert. Etwa 10 000 Sportler sind hier für die
Ausbildung und Betreuung der Mitglieder tätig. Zusammen mit den Vorständen
engagieren sich etwa 18 000 erwachsene Mitglieder ehrenamtlich in den Kanu-
vereinen.

Zum deutschen Ruderverband gehören knapp 500 Vereine mit fast 80 000 Mit-
gliedern, davon 16 000 im Alter bis zu 18 Jahren. Einschließlich der Trainer und
Übungsleiter engagieren sich rund 6 000 Menschen ehrenamtlich für den orga-
nisierten Rudersport. Eine Reihe von Rudervereinen bemüht sich in besonderer
Weise um Behinderte durch das Angebot von Blinden- und Versehrtenrudern.

Der Deutsche Motoryachtverband weist etwa 600 Vereine mit insgesamt rund
120 000 Mitgliedern auf. Zu ihnen zählen rund 6 000 Jugendliche. Die Zahl der
ehrenamtlich in den Vereinen sowie in der Ausbildung tätigen Mitglieder beläuft
sich hier auf etwa 3 500 Personen.

Auch die allgemeine wirtschaftliche Bedeutung des Wassersports ist erheblich:

Zählt man den außerhalb der Vereine Kanusport betreibenden Teil der Bevölke-
rung mit, gibt es in Deutschland etwa 1,3 Millionen Kanuten. Jeder von ihnen
investiert pro Kanutag rund 32 Euro in sein Hobby. Insgesamt führt dies jährlich
zu einem Bruttoumsatz von mehreren 100 Mio. Euro. Hinzu kommen die
Anschaffungskosten für Boote, Ausrüstung und Zubehör, die sich auf rund
300 Mio. Euro jährlich belaufen. Auch Ruderer, Motorbootfahrer und Segler
geben auf ihren Touren auf den Binnen- und Seegewässern pro Person und Tag
zwischen 30 und 60 Euro aus. Die Kosten für Boote und Ausrüstung liegen hier
erheblich höher als im Kanusport. Ein durchschnittliches Segelboot kostet je
nach Bootsklasse zwischen 3 000 Euro (Opti) und 10 000 Euro (Europe); Ver-
sicherung und Reparaturen kommen mit jährlich 1 000 Euro hinzu. Insgesamt
wird der Umsatz durch den Wassersport auf jährlich über 3 Mrd. Euro veran-
schlagt.

Die Mitglieder der gemeinnützigen Vereine ermöglichen und finanzieren in
spürbarer Weise auch den Wassertourismus. Indem die gemeinnützigen Vereine
ihre Anlagen auch nichtvereinsgebundenen Wassersportlern zugänglich
machen, stellen sie einen wesentlichen Teil der Infrastruktur zur Verfügung, auf
die der Wassertourismus angewiesen ist. Aus den Beiträgen ihrer Mitglieder
zahlen der Deutsche Segler-Verband und der Deutsche Motoryachtverband
jedes Jahr zu Abgeltung der Schleusengebühren einen Pauschalbetrag von

50 000 Euro an die Bundeswasserstraßenverwaltung; damit ermöglichen sie
nicht nur ihren Mitgliedern, sondern auch allen anderen Wassersportlern und

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-touristen die (kostenlose) Benutzung der Schleusen an den deutschen Bundes-
wasserstraßen.

Der Wassersport ist ein ausgesprochen risikoarmer Sport. Die Sportschifffahrt
weist seit Jahren gleichbleibend äußerst niedrige Unfallzahlen auf und ist daher
eine außerordentlich sichere Freizeitbeschäftigung im Vergleich zu anderen
Sportarten. Die Gründe für das hohe Sicherheitsniveau sind vor allem in dem be-
währten dualen Ausbildungssystem der Sportbootführerscheine „Binnen“ und
„See“, der ständigen Schulung und Weiterbildung der Mitglieder in den Ver-
einen sowie dem hohen Sicherheitsstandard des Boots- und Ausrüstungsmate-
rials zu finden. Darüber hinaus unterweisen und schulen die gemeinnützigen
Vereine nicht nur ihre Mitglieder, sondern jeden, der Interesse an der jeweiligen
Wassersportart hat.

Der Wassersport ist ausgesprochen umweltfreundlich und wird naturschutz-
bewusst ausgeübt. Als naturnaher Sport ist er auf eine intakte Umwelt angewie-
sen. Die im DOSB zusammengeschlossenen Wassersportverbände engagieren
sich seit vielen Jahren nicht nur für den Erhalt natürlicher bzw. naturnaher
Gewässer, sondern unterstützen Naturschutzverbände aktiv bei der Umwelt-
bildung. Darüber hinaus tragen Wassersportvereine durch Gewässerreinigungs-
aktionen zu einer intakten Umwelt bei. Alle diese Maßnahmen werden aus-
schließlich aus eigenen Mitteln und mit ehrenamtlichem Einsatz geleistet. Orga-
nisierte Wassersportler stellen die Gewähr für eine natur- und umweltgerechte
Ausübung ihres Sports dar.

Vor diesem Hintergrund ist die finanzielle Situation der gemeinnützigen Wasser-
sportvereine allerdings äußerst angespannt. Die Sportschifffahrt erfordert einen
nicht unerheblichen Geräteeinsatz. Die Aufwendungen hierzu werden von den
Vereinen sowie von den einzelnen Mitgliedern selbst erbracht. Neben Anschaf-
fung und Pflege des Bootsmaterials, errichten und unterhalten die gemeinnützi-
gen Vereine auch die zur Ausübung des Sports notwendigen Bauten und Anla-
gen (Häfen, Stege, Rampen, Slipanlagen, Bootshäuser). Nach einem Erfah-
rungswert müssen die im Wasser befindlichen Bauten, z. B. Stege, etwa alle
20 Jahre vollständig erneuert werden. Die von den gemeinnützigen Vereinen
aufzuwendenden Mittel bestehen i. d. R. zum größten Teil aus den Beiträgen der
Mitglieder. Mitgliedsbeiträge können – im Gegensatz zu den Preisen bei einem
gewerblichen Unternehmen – nicht in Abhängigkeit von der Kostensituation er-
höht werden. Kostensteigerungen können daher bei gemeinnützigen Vereinen
nicht durch Beitragssteigerungen, sondern müssen durch Leistungskürzungen,
z. B. in der Jugendarbeit oder im Leistungssport, aufgefangen werden.

Trotz dieser Gesamtsituation wird der Wassersport in letzter Zeit vor allem
durch die Bundesregierung mit ständig neuen Reglementierungen bzw. entspre-
chenden Planungen und mit zusätzlichen finanziellen Belastungen überzogen.
Dadurch geraten viele Vereine an die Grenzen ihrer Existenzfähigkeit, sind von
Mitgliederaustritten betroffen, müssen zahlreiche Aktivitäten einstellen und
können neue Mitglieder kaum noch für ihren Sport begeistern.

So hatten der Bundesrechnungshof und der Rechnungsprüfungsausschuss des
Deutschen Bundestages im Jahre 2001 gefordert, die seit dem Jahre 1987 unver-
änderten Beträge für die Nutzung bundeseigener Wasser- und Uferflächen an die
gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen und um einen Satz von 30 Pro-
zent zu erhöhen. In der daraufhin im Jahre 2004 eingeführten Neuregelung hat
die Bundesregierung jedoch zusätzlich auch die bisherigen Kostenstrukturen
und die sachgerechte Differenzierung bei den Wasserflächen geändert und da-
durch für viele Vereine Preissteigerungen von mehreren 100 Prozent verursacht.
Die Kostenstruktur hat die Bundesregierung geändert, indem sie für die Wasser-
sportvereine keinen Preisunterschied mehr zwischen Land- und Uferflächen

macht. Im Gegensatz zu anderen Nutzern, denen für die Wasserfläche nur die
Hälfte des Preises der Landfläche berechnet wird, verlangt die Bundesregierung

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von den Vereinen auch für die Wasserfläche den vollen Landflächenpreis. Damit
müssen gemeinnützige Vereine doppelt so viel bezahlen wie z. B. ein Gewerbe-
betrieb am Wasser. Zusätzlich sind sog. Revierklassen eingeführt worden, die
die Bundeswasserstraßenverwaltung festlegt und durch die sie den jeweiligen
Quadratmeterpreis den Vereinen einseitig diktiert. Ein Weiteres kommt hinzu:
Es ist eine Tatsache, dass Wasserflächen – abhängig davon, ob sie z. B. mit
Stegen überbaut sind oder nur als Rangierflächen benutzt werden oder sogar
jedem Dritten zur freien Durchfahrt zur Verfügung stehen – von den Vereinen,
die die Flächen gepachtet haben, in unterschiedlicher Intensität genutzt werden.
Dieser Tatsache war bisher Rechnung getragen worden. In der seit dem Jahre
2004 geltenden Verwaltungsvorschrift (VV-WSV 2604) hat die Bundesregie-
rung diese Differenzierung aufgehoben und behandelt die gesamte gepachtete
Fläche so, als wenn sie vollständig überbaut wäre. Dadurch ergeben sich für die
gemeinnützigen Wassersportvereine weitere massive Verteuerungen. Der Sport-
ausschuss des Deutschen Bundestages hatte am 19. Januar 2005 einstimmig den
Beschluss gefasst, zu den bisherigen Strukturen und Differenzierungen in Ab-
stimmung mit den Betroffenen zurückzukehren. Der Beschluss wurde bis heute
vom zuständigen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
nicht umgesetzt. Die entsprechenden Forderungen des DOSB, des Deutschen
Segler- und des Deutschen Motoryachtverbandes wurden ausdrücklich abge-
lehnt.

Durch das am 1. August 2006 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung der
Besteuerung von Energieerzeugnissen darf steuerfreier Dieselkraftstoff nur an
die gewerbliche Schifffahrt abgegeben werden. Zur Kennzeichnung ist der
Kraftstoff rot eingefärbt. Die Tankstellen an den Wasserstraßen, die den durch
den Umweltschutz bedingten Regulierungsdruck überlebt haben, besitzen
i. d. R. nur einen einzigen Tank. Aufgrund dessen wird die private, nicht begüns-
tigte Schifffahrt, zu der neben der Sportschifffahrt auch der private Wasser-
tourismus in Deutschland gehört, an vielen Stellen nicht mehr mit Kraftstoff ver-
sorgt. Die Befahrung großer Bereiche und Strecken ist nicht mehr möglich;
Boote, die aus dem benachbarten Ausland einfahren wollen, finden keine zuläs-
sige Betankungsmöglichkeit mehr vor. So mussten zahlreiche ausländische
Boote im vergangenen Jahr an der Grenze zu Deutschland wegen eines ansons-
ten drohenden Steuervergehens wieder umdrehen. Dadurch wird nicht nur die
von der Bundesregierung gewollte Wassersportentwicklung in Deutschland ge-
fährdet, auch die Investitionen der Bundesländer für die Sportschifffahrt und den
Wassertourismus werden durch den Wegfall der Versorgungsmöglichkeiten
konterkariert.

Von verschiedenen, auch nachgeordneten, Stellen werden immer wieder Forde-
rungen nach einer Verschärfung bestehender Sicherheitsregelungen oder der Ein-
führung zusätzlicher Ausrüstungsvorschriften und sonstiger Maßnahmen erho-
ben. Vielfach berücksichtigen diese Forderungen nicht, dass die Sicherheit in ers-
ter Linie vom Können (Guter Seemannschaft) sowie der eingeübten Eigenver-
antwortung jedes Sportlers abhängt und darüber hinaus nicht auf theoretischen
Vorgaben beruhen kann, sondern auf Boot und Fahrtgebiet abgestimmt sein muss.
Auch der Antrag der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD zur Stärkung
der Attraktivität der Sportschifffahrt und des Wassertourismus (Bundestags-
drucksache 16/5416) hat hier keine ausreichende Klarheit geschaffen.

Gegen die Interessen der Sportschifffahrt sind auch sämtliche Überlegungen zur
Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Sportboote zur See. Eine solche
Regelung ist überflüssig angesichts der funktionierenden, international üblichen
Kennzeichnung deutscher Schiffe mit Flagge, Namen und Herkunftshafen.
Überdies sind bereits jetzt alle Yachten über 15 m Länge per Gesetz ins See-
schiffsregister eingetragen. Davon machen auch viele Eigner kleinerer Schiffe

Gebrauch, um das für Auslandsreisen benötigte Flaggenzertifikat zu erhalten.
Die zusätzlichen finanziellen und bürokratischen Belastungen durch eine Kenn-

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zeichnungspflicht laufen dem politischen Ziel einer Stärkung der Attraktivität
von Wassersport und -tourismus zuwider. Außerdem besteht Anlass zu der
Befürchtung, dass die Kennzeichnungspflicht Grundlage für weitere Steuern,
Abgaben und Auflagen sein wird, die zu einer weiteren Verschlechterung der
Attraktivität der Sport- und Freizeitschifffahrt und des damit verbundenen Tou-
rismus führen werden.

Darüber hinaus kritikwürdig ist die Einführung einer Trinkwasserverordnung
und die unspezifische Forderung des Antrags nach einer Überarbeitung der
Ausrüstungsvorschriften. Die seit 2002 bestehenden verbindlichen inhaltlichen
Ausrüstungsstandards nach SOLAS sind inhaltlich ausreichend. Hier wäre eine
deutliche Absage an die Regulierungspläne des Bundesministeriums für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung notwendig gewesen, wie sie bereits der Antrag
der Fraktion der FDP „Überregulierung in der Sport- und Freizeitschifffahrt ver-
hindern“ (Bundestagsdrucksache 16/5269) formuliert hat.

Für den muskelbetriebenen Wassersport (Ruderer, Kanuten) stellen Schleusen
ein erhebliches Hindernis dar. Selbst wenn die Boote nicht ausgeladen, aus dem
Wasser gehoben und (stets über mehrere 100 Meter) umgetragen werden müs-
sen, sondern eine sog. Bootsschleuse vorhanden ist, kann meist nur ein Ruder-
boot zur gleichen Zeit geschleust werden. Ein Schleusenvorgang dauert zwi-
schen 20 und 30 Minuten. Treffen an einer Schleuse mehrere Boote aufeinander
oder wird z. B. eine Wanderfahrt von Schülern oder Jugendlichen mit mehreren
Booten durchgeführt, so kann das Überwinden einer Schleuse häufig mehr als
zwei Stunden in Anspruch nehmen. Für die Planung und den Zusammenhalt
einer Gemeinschaftsfahrt ist das absolut unzumutbar. Ein Mitschleusen in der
großen Kammer wird Ruderbooten und Kanus – selbst wenn keine Sicherheits-
bedenken bestehen – oft verweigert. Auch Segler und Motorboote müssen vor
Schleusen häufig stundenlang warten, bis sie berücksichtigt werden. Immer
häufiger ist festzustellen, dass der Zugang zum Gewässer, selbst wenn sich die
Flächen im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, durch Zäune oder sons-
tige Sperrungen erschwert wird. Nicht selten fehlen an den Schleusen auch ge-
eignete Vorrichtungen und Möglichkeiten, um die Kanus und Ruderboote aus
dem Wasser heben und umtragen zu können.

Derzeit ist an rund 750 Stellen das Befahren der Wasserstraßen aus Naturschutz-
gründen eingeschränkt oder verboten. Betroffen sind vor allem Kanuten. Die
Zahl der Sperrungen steigt weiterhin an. Auch wenn mehrere kurze Bereiche
eines Wasserlaufs gesperrt sind, ist das Gewässer damit auf der ganzen Strecke
für den Wassersport nicht mehr nutzbar. Eine vorherige Abstimmung, die den
Zweck hätte, Kompromisslösungen zu erarbeiten, findet äußerst selten statt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in Abstimmung mit den Betroffenen die Regelung der Entgelte für die Nut-
zung bundeseigener Wasser- und Uferflächen so zu überarbeiten, dass auch
für den Wassersport die bisherige Kostenstruktur wiederhergestellt und bei
den Wasserflächen wieder nach überbauten Flächen, Rangierflächen und
Restflächen differenziert wird und die Einteilung der Gewässer nach Revier-
klassen wieder rückgängig gemacht wird;

2. die durch das Energiesteuergesetz vom 5. Juli 2006 seit dem 1. August 2006
eingetretenen Änderungen in Abstimmung mit den Betroffenen nicht nur in
Hinblick auf inländische Sportboote, sondern auch auf ausländische Sport-
boote zu überprüfen, so dass es in zumutbarer Weise ermöglicht wird, die
Sportboote mit dem notwendigen Treibstoff zu versorgen;

3. bei der Erarbeitung der Trinkwasserverordnung DIN 2001 auf die Einbezie-

hung von Sportbooten zu verzichten;

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4. auf die Einführung einer über die bisher übliche Kenntlichmachung hinaus-
gehende Kennzeichnungspflicht für Sportboote zur See gänzlich zu verzich-
ten;

5. keine weiteren gesetzlichen Verschärfungen der Ausrüstungsstandards einzu-
führen, sondern gemeinsam mit den Verbänden klare und übersichtliche, auf
Boot und Fahrtgebiet abgestimmte, Sicherheitsempfehlungen zu erarbeiten;

6. in Abstimmung mit den Verbänden über eine Neustrukturierung und Verein-
fachung im Führerscheinwesen im Seebereich nachzudenken und dabei den
Prüfungsfragen, dem praktischen Teil und den Sicherheitsaspekten größere
Bedeutung beizumessen;

7. für die in der Zuständigkeit des Bundes liegenden Wasserstraßen geeignete
Maßnahmen zu prüfen und zu ergreifen, durch die erreicht werden kann, dass
auch Sportboote – einschließlich derjenigen des muskelbetriebenen Wasser-
sports – ohne vermeidbare Zeitverzögerung zu schleusen sind und auf andere
Wehrüberwindungsmöglichkeiten (Bootsschleusen, Umtragewege) nur dann
verwiesen werden darf, wenn zwingende Gründe der Sicherheit oder der
Wasserhaltung ein Schleusen bzw. Mitschleusen verbieten;

8. durch geeignete Vorschriften sicherzustellen, dass der Zugang zu in der Zu-
ständigkeit des Bundes liegenden Gewässern nicht erschwert wird;

9. in einem künftigen Umweltgesetzbuch sicherzustellen, dass die Ausübung
von Wassersport auch zukünftig möglich ist und nicht durch zu restriktive
Forderungen erschwert wird und dass die Wassersportverbände bei den ihre
Sportart betreffenden Naturschutzplanungen frühzeitig beteiligt werden.

Berlin, den 13. Juni 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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