BT-Drucksache 16/5603

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -16/4635 Nr. 2.2- EU-Jahresbericht 2006 zur Menschenrechtslage Ratsdok. Nr. 5779/07

Vom 13. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5603
16. Wahlperiode 13. 06. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 16/4635 Nr. 2.2 –

EU-Jahresbericht 2006 zur Menschenrechtslage
Ratsdok. 5779/07

A. Problem

Der EU-Jahresbericht 2006 erstreckt sich über den Zeitraum von Juli 2005 bis
Juni 2006. Die EU weist in ihrem Bericht darauf hin, dass sich während dieses
Zeitraums die internationalen Strukturen im Bereich der Menschenrechte er-
heblich gewandelt hätten. So hätten im September 2005 die Staats- und Regie-
rungschefs auf dem VN-Gipfeltreffen den Entschluss gefasst, das Instrumenta-
rium der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Menschenrechte zu stärken,
um die effektive Ausübung aller Menschenrechte durch alle Menschen zu ge-
währleisten. In der Folge sei der Beschluss zur Einrichtung des Menschen-
rechtsrates, der den Auftrag hat, die Menschenrechte zu schützen und zu fördern,
erfolgt. Die EU habe in diesem Zusammenhang betont, dass die eingegangenen
Verpflichtungen einen Neubeginn und eine echte Anstrengung zur Förderung
der Umsetzung der Menschenrechte vor Ort bedeuten müssten. Menschen-
rechte seien universell und nicht interne Angelegenheiten eines Staates. Kein
Land sei jedoch im Bereich der Menschenrechte völlig unbelastet und auch die
EU selbst müsse bereit sein, einen kritischen Blick auf ihren Beitrag im Bereich
der Menschenrechte zu werfen und für eine kritische Prüfung von außen offen
sein.

Der Bericht geht zunächst auf die Entwicklungen innerhalb der EU ein und in-
formiert über die Aufgaben der Agentur für Grundrechte, die Rolle des persön-
lichen Beauftragten des Generalsekretärs/Hohen Vertreters für Menschenrechte
und die Tätigkeit des Europäischen Parlaments im Bereich der Menschen-
rechte. Daran anschließend werden die verschiedenen Instrumente und Initiati-
ven der EU in Drittländern dargestellt, so u. a. die Menschenrechtsdialoge mit
Ländern wie China, Iran und Russland. Zu den Instrumenten gehören darüber
hinaus Troika-Konsultationen zu Menschenrechtsfragen, Menschenrechtsklau-
seln in Kooperationsabkommen mit Drittländern, gemeinsame Strategien, die

EU-Leitlinien zu den Menschenrechten sowie die Demarchen und Erklärungen.
Im Anschluss daran werden die verschiedenen menschenrechtlichen Themen-
bereiche aufgelistet, so u. a. Todesstrafe, Folter, Rechte des Kindes, Menschen-
rechtsverteidiger, Menschenrecht der Frau, Menschenhandel, der Internationale
Strafgerichtshof, Asyl und Migration und indigene Bevölkerungsgruppen. Des
Weiteren wird das Vorgehen der EU in internationalen Gremien, wie z. B. bei
der VN-Generalversammlung, bei der Einrichtung eines Menschenrechtsrates,

Drucksache 16/5603 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
im Europarat und in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE) dargestellt. Der Bericht schließt mit Ausführungen zu länder-
spezifischen Themen, die untergliedert sind in Europa und seine Nachbar-
länder, Afrika, Amerika, Asien und den Nahen und Mittleren Osten. In der
Analyse der länderspezifischen Maßnahmen kommt die EU zu dem Schluss,
dass die Tätigkeiten der EU im Bereich der Menschenrechte in verschiedenen
Teilen der Welt einen recht beträchtlichen Umfang angenommen hätten. Zudem
werde der sehr enge Zusammenhang zwischen der Menschenrechtsarbeit und
der Förderung von Demokratie ersichtlich. Dabei müsse auch die enge Zu-
sammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und mit Menschenrechtsverteidigern
hervorgehoben werden. In ihrem Fazit legt die EU dar, dass dieser achte Jahres-
bericht zur Menschenrechtslage verdeutliche, in welchem Maß Menschen-
rechte, Demokratie und verantwortungsvolle Staatsführung nun die Außen- wie
die Innenpolitik der EU entscheidend mitbestimmen. Durch die Zunahme der
Zahl der Mitgliedstaaten sei die Notwendigkeit, internen Fällen von Menschen-
rechtsverletzungen in der EU nachzugehen und sie abzustellen, noch stärker ins
Bewusstsein getreten. Die EU müsse unter Beweis stellen, dass sie die Men-
schenrechte innerhalb ihrer Grenzen in vollem Umfang achte und effizient auf
eventuelle Verstöße reagiere.

B. Lösung

Annahme der Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU und SPD in
Kenntnis des EU-Jahresberichtes 2006 zur Menschenrechtslage mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5603

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 16/4635 Nr. 2.2 folgende Ent-
schließung anzunehmen:

Der Deutsche Bundestag hält den achten Jahresbericht der Europäischen Union
über die Menschenrechte für eine wichtige Dokumentation der internen und ex-
ternen Menschenrechtspolitik der Europäischen Union und ihrer Arbeit in mul-
tilateralen Gremien. Er begrüßt die im Bericht bekräftigte Entschlossenheit der
EU, Menschenrechte und Demokratisierung durchgehend in ihren Strategien
und Entscheidungen zu berücksichtigen, um eine glaubwürdigere, kohärentere
und wirksamere EU-Menschenrechtspolitik zu erreichen. Das neu geschaffene
Finanzierungsinstrument für die weltweite Förderung der Demokratie und der
Menschenrechte schafft dafür die geeignete Grundlage.

Der EU steht ein breites Instrumentarium zur Durchsetzung der Menschen-
rechte zur Verfügung. Grundlegende außenpolitische Instrumente sind die Leit-
linien zu den Themen Todesstrafe, Folter, Menschenrechtsdialoge, Menschen-
rechtsverteidiger sowie Kinder und bewaffnete Konflikte. Der Deutsche Bun-
destag ist sich mit dem Europäischen Parlament darin einig, dass mehr Anstren-
gungen unternommen werden müssen, um die Leitlinien in den Botschaften der
EU-Staaten und den auswärtigen EU-Vertretungen besser bekannt zu machen.
Nur dann besteht die Chance, dass die Leitlinien befolgt werden und einen
Wandel in Drittländern bewirken. Der Deutsche Bundestag begrüßt das nach-
drückliche Eintreten der EU gegen die Todesstrafe und unterstützt die Bundes-
regierung bei ihrem Engagement für eine weltweite Abschaffung der Todes-
strafe. Ein ganz besonderes Anliegen ist dem Bundestag die Umsetzung der
Leitlinie zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern.

Der Deutsche Bundestag anerkennt die Bemühungen der EU für ein weltweites
Folterverbot. Er fordert die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den EU-Part-
nern weiterhin für eine weltweite Ratifizierung des VN-Übereinkommens ge-
gen Folter bzw. des Zusatzprotokolls sowie für Maßnahmen der Verhütung von
Folter und der Rehabilitierung von Folteropfern einzutreten. Mit Sorge hat der
Deutsche Bundestag eine aktuelle Studie von amnesty international zur Kennt-
nis genommen, in der Defizite der Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 für den
Handel mit zur Folter geeigneten Elektroschockgeräten festgestellt wurden.
Der Deutsche Bundestag empfiehlt der EU, die Verordnung auf ihre Wirksam-
keit hin zu überprüfen.

Die Menschenrechtsdialoge und -konsultationen der EU können dazu beitra-
gen, mittelfristig die Lage der Menschenrechte in einem Land zu verbessern.
Der Deutsche Bundestag hält eine ergebnisorientierte Fortführung der institu-
tionalisierten Gespräche mit China und mit Russland für äußerst wichtig.
Gegenwärtig beunruhigend ist insbesondere die politische Entwicklung in
Russland. Der Bundestag befürwortet, wenn auch mit Ländern wie Usbekistan
ein Menschenrechtsdialog eingeleitet wird, dass er mit klaren Zielvorgaben
verbunden ist. Er bedauert zutiefst, dass der Dialog mit Iran unterbrochen ist.

Bilaterale Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Drittländern enthal-
ten eine Demokratie- und Menschenrechtsklausel. Der Deutsche Bundestag tritt
für eine konsequente Anwendung dieser Klausel ein, deren Verletzung eine
Reihe von Sanktionsmechanismen bis hin zur Aufkündigung des Abkommens
zur Folge haben kann. Der Deutsche Bundestag sieht in der Resolution des Eu-

ropäischen Parlaments (P6_TA(2006)0056) zur Demokratie- und Menschen-
rechtsklausel hilfreiche Anregungen für deren künftige Anwendung. Er be-

Drucksache 16/5603 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

grüßt, dass für ein sorgfältiges Monitoring der Einhaltung der Klausel bereits
einige Weichen gestellt worden sind wie z. B. die schrittweise Ausweitung der
Menschenrechtskommissionen auf mehr Drittländer.

Der Deutsche Bundestag würdigt die konstruktive Rolle der EU im Vorfeld der
Einrichtung des neuen UN-Menschenrechtsrats sowie bei den ersten Tagungen
des Rats. Er bittet die Bundesregierung, während ihrer laufenden EU-Ratspräsi-
dentschaft weiterhin an der strikt an den Menschenrechten orientierten institu-
tionellen Ausgestaltung des Menschenrechtsrats mitzuwirken. Funktionsfähig-
keit und Glaubwürdigkeit dieses wichtigsten internationalen Menschenrechts-
gremiums müssen sichergestellt werden.

Der Deutsche Bundestag unterstützt die aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft
an der Gestaltung der europäischen Menschenrechtspolitik und bittet die Bun-
desregierung, sich weiterhin für einen intensiven Dialog zwischen EU und Zi-
vilgesellschaft einzusetzen.

Berlin, den 23. Mai 2007

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Dr. Herta Däubler-Gmelin Holger Haibach Christoph Strässer
Vorsitzende Berichterstatter Berichterstatter

Burkhardt Müller-Sönksen Michael Leutert
Berichterstatter Berichterstatter

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5603

Bericht der Abgeordneten Holger Haibach, Christoph Strässer, Burkhardt Müller-
Sönksen, Michael Leutert und Volker Beck (Köln)

I. Überweisung und Mitberatung

Der vom Europäischen Rat vorgelegte EU-Jahresbericht
2006 zur Menschenrechtslage (Ratsdok. 5779/07) wurde als
Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache

men der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN angenommen worden.

Ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zu der Entschließung der Fraktionen der CDU/

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Holger Haibach Christoph Strässer Burkhardt Müller-Sönksen
Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter
16/4635 Nr. 2.2 am 9. März 2007 dem Ausschuss für Men-
schenrechte und humanitäre Hilfe zur federführenden Bera-
tung und dem Auswärtigen Ausschuss, dem Innenaus-
schuss, dem Rechtsausschuss, dem Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, dem Ausschuss für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung, dem Ausschuss
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie
dem Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Die mitberatenden Ausschüsse haben dem federführenden
Ausschuss jeweils die Kenntnisnahme empfohlen. Der Aus-
wärtige Ausschuss tat dies am 23. Mai 2007, der Innen-
ausschuss am 9. Mai 2007, der Rechtsausschuss am 23. Mai
2007, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend am 23. Mai 2007, der Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung am 23. Mai 2007,
der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung am 28. März 2007 und der Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union am 28. März
2007.

III. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat die Vorlage in seiner 36. Sitzung am 23. Mai 2007
beraten.

Als Ergebnis der Beratung hat der Ausschuss den EU-
Jahresbericht 2006 zur Menschenrechtslage (Ratsdok.
5779/07) in Form der Unterrichtung durch die Bundesregie-
rung auf Drucksache 16/4635 Nr. 2.2 zur Kenntnis
genommen.

Die Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
zu dem EU-Jahresbericht 2006 ist mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stim-

CSU und SPD ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. und einer Stimmenthaltung aus den
Reihen der Fraktion der CDU/CSU abgelehnt worden. Der
Text des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN unterscheidet sich nur an zwei Stellen von dem
Text der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte vorgeschla-
gen, den zweiten Absatz des Textes der Entschließung mit
folgendem Text zu ergänzen: „Der Deutsche Bundestag
begrüßt die Initiative der Bundesregierung, in ihrer EU-
Ratspräsidentschaft eine neue Leitlinie zum Schutz von
Kinderrechten zu entwickeln. Er fordert die Bundesregie-
rung jedoch auf, zuvor die noch bestehenden Vorbehalte
gegen die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen
zurückzunehmen“. Eine weitere Ergänzung sollte am
Schluss des dritten Absatzes erfolgen. Hier hat die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagen, hinter dem
Satz „Der Bundestag befürwortet, wenn auch mit Ländern
wie Usbekistan ein Menschenrechtsdialog eingeleitet wird,
dass er mit klaren Zielvorgaben verbunden ist“ Folgendes
anzufügen „; er kritisiert in diesem Zusammenhang die
beschlossene Lockerung der EU-Sanktionen gegenüber
Usbekistan als falsches Signal.“

Im Ausschuss ebenfalls abgelehnt wurde ein Änderungs-
antrag der Fraktion der FDP zum Änderungsantrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Entschließung
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Der Änderungsan-
trag der Fraktion der FDP wurde mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt. Die
Fraktion der FDP wollte den Schlusssatz des dritten Absat-
zes „Der Deutsche Bundestag empfiehlt der EU, die Verord-
nung auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen“ folgender-
maßen ergänzen: „ und ggf. die Kontrollen zu verschärfen
oder ein Handelsverbot für Elektroschockgeräte nach dem
Vorbild Großbritanniens in der EU in Erwägung zu ziehen“.

Berlin, den 23. Mai 2007
Michael Leutert Volker Beck (Köln)
Berichterstatter Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/5603

RAT DER
EUROPÄISCHEN UNION

Brüssel, den 29. Januar 2007 (13.02)
(OR. en)

5779/07

COHOM 9

VERMERK
des Generalsekretariats
Betr.: EU-Jahresbericht 2006 zur Menschenrechtslage

Die Delegationen erhalten anbei eine konsolidierte Fassung des EU-Jahresberichts 2006 zur

Menschenrechtslage, den der AStV am 12. Oktober 2006 und der Rat (Allgemeine Angelegenheiten

und Außenbeziehungen) auf seiner Tagung vom 16./17. Oktober 2006 gebilligt haben1.

In dieser konsolidierten Fassung wurden einige kleinere Irrtümer (siehe Dokument 13522/1/06

COR 1) beseitigt; außerdem wurde der dritte Absatz auf Seite 17 betreffend die Tätigkeit des

Europäischen Parlaments im Bereich der Menschenrechte, der einen sachlichen Fehler enthielt,

durch eine korrigierte Fassung ersetzt.

_______________
1 Bezugsdok.: 13522/1/06 REV 1 + COR 1 + COR 2.

Drucksache 16/5603 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

INHALT

Vorwort ..............................................................................................................................................11

1. EINLEITUNG ..........................................................................................................................13

2. ENTWICKLUNGEN INNERHALB DER EU........................................................................ 17

2.1. Agentur für Grundrechte ................................................................................................. 17

2.2. Rolle des Persönlichen Beauftragten des Generalsekretärs/Hohen Vertreters für

Menschenrechte............................................................................................................... 18

2.3. Tätigkeit des Europäischen Parlaments im Bereich der Menschenrechte ......................20

3. INSTRUMENTE UND INITIATIVEN DER EU IN DRITTLÄNDERN............................... 27

3.1. Gemeinsame Strategien, gemeinsame Aktionen und gemeinsame Standpunkte............ 27

3.2. EU-Leitlinien zu den Menschenrechten: Leitlinien betreffend Todesstrafe,

Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung

oder Strafe, Kinder und bewaffnete Konflikte, Menschenrechtsverteidiger................... 39

3.3. Demarchen und Erklärungen .......................................................................................... 40

3.4. Menschenrechtsdialoge (einschließlich Leitlinien für Dialoge im Bereich der

Menschenrechte) und Ad-hoc-Konsultationen ............................................................... 42

3.4.1. Menschenrechtsdialog mit China...................................................................... 42

3.4.2. Menschenrechtsdialog mit Iran......................................................................... 46

3.4.3. Menschenrechtskonsultationen mit Russland ................................................... 47

3.4.4. Sonstige Menschenrechtsdialoge (Artikel 8 des Cotonou-Abkommens) ......... 48

3.5. Troika-Konsultationen zu Menschenrechtsfragen mit den Vereinigten Staaten,

Kanada, Japan, Neuseeland und den Bewerberländern .................................................. 49

3.6. Menschenrechtsklauseln in Kooperationsabkommen mit Drittländern .......................... 52

3.7. Im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte

finanzierte Maßnahmen................................................................................................... 53

3.8. Analyse der Wirksamkeit der Instrumente und Initiativen der EU................................. 58

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/5603

4. Themenbereiche........................................................................................................................60

4.1. Todesstrafe ......................................................................................................................60

4.2. Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung

oder Strafe .......................................................................................................................65

4.3. Rechte des Kindes (einschließlich Kinder und bewaffnete Konflikte)...........................70

4.4. Menschenrechtsverteidiger .............................................................................................82

4.5. Menschenrechte der Frau ................................................................................................ 89

4.6. Menschenhandel.............................................................................................................. 97

4.7. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) und die Bekämpfung der Straffreiheit.... 101

4.8. Menschenrechte und Terrorismus ................................................................................. 106

4.9. Menschenrechte und gewerbliche Wirtschaft ............................................................... 108

4.10. Demokratie und Wahlen ............................................................................................... 110

4.11. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.............................................................. 129

4.12. Recht auf Entwicklung.................................................................................................. 132

4.13. Interkultureller Dialog................................................................................................... 134

4.14. Asyl, Migration, Flüchtlinge und Vertriebene .............................................................. 140

4.15. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Nichtdiskriminierung und Achtung der Vielfalt.... 145

4.16. Menschen mit Behinderungen....................................................................................... 152

4.17. Angehörige von Minderheiten ...................................................................................... 158

4.18. Indigene Bevölkerungsgruppen .................................................................................... 165

4.19. Analyse der Wirksamkeit der EU-Maßnahmen in Bezug auf die Themenbereiche ..... 169

Drucksache 16/5603 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5. Vorgehen der EU in internationalen Gremien........................................................................ 170

5.1. 60. Tagung der VN-Generalversammlung: Der Dritte Ausschuss................................ 170

5.2. Einrichtung des Menschenrechtsrates, VN-Reform...................................................... 175

5.3. Europarat ....................................................................................................................... 181

5.4. Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) .......................... 182

5.5. Analyse der Wirksamkeit des Vorgehens der EU in den internationalen Gremien...... 184

6. Länderspezifische Themen..................................................................................................... 185

6.1. Europa und seine Nachbarländer .................................................................................. 185

6.1.1. EU-Bewerberländer und potenzielle Bewerberländer .................................... 190

6.1.2. Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP)............................................... 197

6.1.3. Russland und Mittelasien................................................................................ 208

6.2. Afrika ............................................................................................................................ 214

6.3. Amerika......................................................................................................................... 222

6.4. Asien ............................................................................................................................. 227

6.5. Naher und Mittlerer Osten ............................................................................................ 236

6.6. Analyse der länderspezifischen Maßnahmen................................................................ 239

7. Fazit ....................................................................................................................................... 240

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/5603

[FOTO]

VORWORT

Es ist mir eine Freude, diesem achten EU-Jahresbericht zur Menschenrechtslage einige Bemer-

kungen vorausschicken zu dürfen. Der erste Jahresbericht wurde 1999 während des letzten finni-

schen EU-Vorsitzes veröffentlicht. Seit dieser Zeit hat sich der Hauptzweck des Berichts nicht

geändert: Er ist eine einzigartige Informationsquelle über die EU-Menschenrechtspolitik und die

Maßnahmen zu deren Umsetzung. Ferner zeigt dieser Bericht auf, was wir in der EU erreicht haben,

ob wir kohärent und konsequent genug vorgegangen sind und in welchen Bereichen noch Verbesse-

rungsmöglichkeiten bestehen.

Dieser Bericht erstreckt sich auf den Zeitraum von Juli 2005 bis Juni 2006. Während dieses Zeit-

raums haben sich die internationalen Strukturen im Bereich der Menschenrechte erheblich gewan-

delt. Im September 2005 haben die Staats- und Regierungschefs auf dem VN-Gipfeltreffen den Ent-

schluss gefasst, das Instrumentarium der VN auf dem Gebiet der Menschenrechte zu stärken, um

die effektive Ausübung aller Menschenrechte durch alle Menschen zu gewährleisten.

Auf diesen Entschluss folgte im März 2006 der Beschluss zur Einrichtung des Menschenrechtsrats,

der den Auftrag hat, die Menschenrechte zu schützen und zu fördern. Im Bemühen um Aufnahme in

den Menschenrechtsrat wurden von den VN-Mitgliedstaaten umfangreiche Verpflichtungen einge-

gangen. In der konstituierenden Sitzung des Menschenrechtsrates erklärte der VN-Generalsekretär

Kofi Annan, die mangelnde Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde sei der Haupt-

grund dafür, dass der Weltfrieden heute so gefährdet und der Wohlstand so ungleich verteilt sei.

Der Menschenrechtsrat wurde aufgefordert, eine neue Ära der Menschenrechtsarbeit der Vereinten

Nationen einzuleiten.

Zusammengefasst lässt sich daher sagen, dass in diesem Jahr ein erhebliches Engagement auf glo-

baler Ebene für die Sache der Menschenrechte zu verzeichnen war. Was wird das konkrete Ergebnis

dieses erklärten Engagements sein? Werden die Männer, Frauen und Kinder auf der ganzen Welt,

die immer noch viel zu oft Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind, eine Veränderung wahr-

nehmen?

Drucksache 16/5603 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU hat betont, dass die eingegangenen Verpflichtungen einen Neubeginn und eine echte

Anstrengung zur Förderung der Umsetzung der Menschenrechte vor Ort bedeuten müssen. Die

Menschenrechte sind universell und nicht interne Angelegenheiten eines Staates. Andererseits ist

kein Land im Bereich der Menschenrechte völlig unbelastet, und auch die EU muss bereit sein,

einen kritischen Blick auf ihren Beitrag im Bereich der Menschenrechte zu werfen, und muss offen

für eine kritische Prüfung von außen sein.

Ich freue mich daher, dass mit dem vorliegenden Bericht ein recht umfassender Überblick geboten

werden soll. Er erstreckt sich sowohl auf die externen Politikbereiche der EU als auch auf interne

Aspekte. Er behandelt die bilateralen EU-Menschenrechtsstrategien mit Blick auf Drittländer eben-

so wie das Tätigwerden in multilateralen Gremien. Er hat thematische Fragen und auf den inter-

kulturellen Dialog gerichtete Bemühungen zum Gegenstand.

Ohne angemessene Transparenz kann es keine effiziente Menschenrechtspolitik geben. Die Men-

schenrechtspolitik muss auf der Interaktion zwischen allen relevanten Akteuren, öffentlichen Insti-

tutionen und der Zivilgesellschaft basieren. Den Menschenrechtsverteidigern kommt eine besondere

Rolle auf nationaler und auf internationaler Ebene zu. Ich hoffe, dass dieser Bericht zu einem kon-

struktiven Dialog zwischen allen Parteien beitragen kann, die daran interessiert sind, eine ergebnis-

orientierte EU-Menschenrechtspolitik zu fördern.

Mr. Erkki Tuomioja
Minister für auswärtige Angelegenheiten Finnlands

Präsident des Rates der Europäischen Union

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/5603

1. EINLEITUNG

Gemäß dem Vertrag über die Europäische Union beruht die Europäische Union auf den Grund-

sätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie

der Rechtsstaatlichkeit. Dementsprechend achtet die EU die Menschenrechte bei all ihren Tätig-

keiten, auch im Bereich der Außenbeziehungen. Die EU betrachtet die Menschenrechte und die

Demokratie als Grundpfeiler für die Stärkung von Frieden und Sicherheit sowie für die Förderung

von Entwicklungszielen.

Dieser achte EU-Jahresbericht zur Menschenrechtslage behandelt den Zeitraum vom 1. Juli 2005

bis zum 30. Juni 2006. Mit diesem Bericht soll ein Überblick über die Arbeit gegeben werden, wel-

che die Europäische Union über ihre Institutionen bei der Förderung der Menschenrechte und der

Demokratie geleistet hat. Dabei wird versucht, im Rahmen des Möglichen auf die Menschenrechts-

tätigkeiten der EU in Bezug auf Drittländer, Maßnahmen auf multilateraler Ebene sowie auf andere

wichtige thematische Fragen einzugehen, um ein ausgewogenes Bild der Instrumente zu vermitteln,

die der Union zur Förderung der Menschenrechte und der Demokratie zur Verfügung stehen. Den-

noch kann das Bild nicht in allen Bereichen vollständig sein, wenn der Text relativ kurz und lesbar

gehalten werden soll. Nähere Informationen finden sich in gesonderten Textfeldern und auf den in

der Anlage genannten einschlägigen Websites.

Die Gliederung dieses Berichts entspricht weitgehend der im letzten Jahr verwendeten Gliederung.

Auch in diesem Jahr enthält der Bericht einen Abschnitt über die Tätigkeiten des Europäischen

Parlaments zur Förderung der Menschenrechte und der Demokratie. Das EP bringt Menschenrechts-

fragen aktiv zur Sprache und stellt dadurch sicher, dass diesen Fragen eine angemessene Aufmerk-

samkeit – auch seitens der anderen EU-Institutionen – zuteil wird.

Drucksache 16/5603 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wie in vorangegangenen Jahren stehen zwar die Außenbeziehungen wieder im Mittelpunkt des

Berichts, jedoch werden auch verschiedene Menschenrechtsfragen hervorgehoben, die mit Entwick-

lungen innerhalb der EU-Grenzen zusammenhängen. Unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdig-

keit ist es natürlich wichtig, dass die EU nicht nur gegenüber Drittländern für die Menschenrechte

eintritt, sondern die Menschenrechtsstandards auch in ihren eigenen Politikbereichen kohärent und

konsequent anwendet. Schließlich wird versucht, den Bericht als nützliches Instrument zur Bewer-

tung der Effizienz und Wirksamkeit der EU-Menschenrechtspolitik und auch als Mittel zur Förde-

rung der Transparenz und der Interaktion mit der Zivilgesellschaft zu betrachten.

Was besondere Schwerpunkte in der EU-Menschenrechtspolitik im behandelten Zeitraum anbe-

langt, so ist die Frage der Förderung der Kohärenz eine Priorität gewesen. Die EU ist in vielerlei

Beziehung, nämlich in wirtschaftlicher Hinsicht, in Bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit

usw. ein wichtiger globaler Akteur. Sie verfügt über eine Reihe von Instrumenten zur Förderung der

Menschenrechte und der Demokratie. Angesichts der institutionellen Strukturen der Union besteht

die Herausforderung nun darin, wie die EU all diese einschlägigen Instrumente auf kohärente und

konsequente Weise optimal nutzen und dadurch eine einheitliche und glaubwürdige Botschaft an

Drittländer aussenden kann.

Zu diesem Zweck wurde während des Berichtszeitraums ein besonderer Schwerpunkt auf die

durchgängige Berücksichtigung der Menschenrechte in allen Politikbereichen gelegt. In der Praxis

führte dies zu einer verstärkten Interaktion zwischen Menschenrechtsexperten und länderspezifi-

schen Teams und zur Hervorhebung der Menschenrechtsaspekte von wichtigen thematischen

Fragen wie den Tätigkeiten der EU im Bereich der Krisenbewältigung. Die EU hat Möglichkeiten

entwickelt, um Fragen wie Frauen und Sicherheit oder Kinder und bewaffnete Konflikte anzugehen.

Im Kontext der Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus behält die Förderung der Men-

schenrechte ihre Gültigkeit. Ferner standen Initiativen zur Förderung des interkulturellen Dialogs

auf der Grundlage von universellen Standards und unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft wäh-

rend des Jahres an vorderster Stelle.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/5603

Der politische Dialog ist bei der Förderung der Menschenrechte durchaus ein Schlüsselinstrument,

und mit der durchgängigen Berücksichtigung der Menschenrechte wurde das Ziel verfolgt, bei den

Kontakten, die auf verschiedenen Ebenen mit Drittländern stattgefunden haben, die kohärente Dar-

stellung der Menschenrechtsaspekte durch die EU sicherzustellen. Dies ist auch mit Blick auf Län-

der von Bedeutung, mit denen die EU einen besonderen Menschenrechtsdialog unterhält.

Mit der Annahme besonderer Leitlinien zu bestimmten Fragen hat die EU vorrangige Bereiche für

ihre Menschenrechtspolitik festgelegt. Was die Todesstrafe anbelangt, die von der EU in allen Fäl-

len abgelehnt wird, so hat die EU weiterhin einzelne Fälle aufgegriffen, in denen die völkerrechtli-

chen Mindeststandards nicht eingehalten wurden, und hat sich im Laufe des Jahres insbesondere

auch mit Ländern befasst, die sozusagen am Wendepunkt angelangt sind, d.h. deren Todesstrafen-

politik im Wandel begriffen ist. Hinsichtlich der Folter hat sich die EU während des Jahres an man-

che Länder gewandt und sie ermutigt, der einschlägigen internationalen Übereinkunft beizutreten

und mit den relevanten Mechanismen zusammenzuarbeiten, um die internationalen Mechanismen

zur Abschaffung der Folter zu stärken.

Was das Thema Kinder und bewaffnete Konflikte anbelangt, so hat die EU bestimmte vorrangige

Länder ausgewählt, in denen sie an Ort und Stelle eine Linderung des Leids von Kindern, die von

bewaffneten Konflikten betroffen sind – und zwar Mädchen und Jungen in jeweils unterschiedlicher

Weise – , erreichen möchte. Ferner war es wichtig, diese Frage in multilateralen Gremien zur Spra-

che zu bringen und die eigene Fähigkeit der EU, diese Frage im Kontext von Operationen im Rah-

men der ESVP (Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik) zu behandeln, zu stärken. Hin-

sichtlich der Menschenrechtsverteidiger, zu denen die EU das fünfte Leitlinienbündel angenommen

hat, hat sie in dem Berichtsjahr globale Kampagnen für die Freiheit der Meinungsäußerung und

Menschenrechtsverteidigerinnen eingeleitet. Da diejenigen, die für die Menschenrechte eintreten,

oft selbst die Zielscheibe von Angriffen sind, bleiben die Rechte der Menschenrechtsverteidiger für

die EU eine klare Priorität.

Drucksache 16/5603 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Kontext der VN haben die Verhandlungen zur Einrichtung eines neuen Menschenrechtsrats und

in der Folge dessen erste Tagung einen wichtigen Rahmen für die multilateralen Bemühungen der

EU zur Förderung der Menschenrechte gebildet. Die EU hatte stets auf einen Menschenrechtsrat

hingewirkt, der den Menschenrechten die zentrale Rolle verschaffen würde, die ihnen in der VN-

Charta zugedacht ist. Zwar wurden nicht alle Elemente, für die die EU sich eingesetzt hatte, in den

im März 2006 verabschiedeten endgültigen Text aufgenommen, jedoch stellt die Einrichtung des

VN-Menschenrechtsrats ein wesentliches Element für die weitere Stärkung der VN-Menschen-

rechtsmechanismen und einen wichtigen Schritt im VN-Reformprozess dar. Die Festlegung der

Grundlagen für die künftige Arbeit führte auf der ersten Tagung des Menschenrechtsrats im Juni zu

positiven, aber auch zu einigen weniger begrüßenswerten Ergebnissen. Der neue Rat soll sich auf

die Umsetzung konzentrieren, wodurch auch die EU vor die Herausforderung gestellt wird,

innovative Arbeitsmethoden zu entwickeln und die Kohärenz zwischen ihren Tätigkeiten im

bilateralen Rahmen und ihrem Handeln in multilateralen Gremien zu fördern.

Menschenrechtsverteidiger und Opfer von Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Teilen der

Welt setzen hohe Erwartungen in die EU. Und dies mit Recht, denn von der EU als einer Werte-

gemeinschaft kann erwartet werden, dass sie die Sache der Menschenrechte und der Demokratie mit

großem Ehrgeiz voranbringt. Anhand dieses Berichts lässt sich prüfen, inwieweit die EU dieser

Aufgabe gerecht geworden ist.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/5603

2. ENTWICKLUNGEN INNERHALB DER EU

2.1. Agentur für Grundrechte

Der Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union

für die Grundrechte, der dem Rat am 5. Juli 2005 von der Kommission unterbreitet wurde, ist von

den Ratsgremien ausführlich erörtert worden. Ferner haben Konsultationen mit dem Europäischen

Parlament in Form eines Trilogs stattgefunden. Die meisten der noch offenen Fragen sind geregelt

worden. Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung am 15./16. Juni 2006 Kenntnis von den Fort-

schritten bei den Erörterungen über dieses Dossier genommen und dazu aufgerufen, so bald wie

möglich die erforderlichen Schritte zu unternehmen, damit die Agentur ihre Tätigkeit zum 1. Januar

2007 aufnehmen kann.

Die Agentur würde die bestehenden Mechanismen zur Überwachung der Grundrechtsnormen auf

internationaler, europäischer und nationaler Ebene ergänzen. Sie würde eng mit den relevanten

Organisationen und Gremien, unter anderem dem Europarat, der OSZE und den relevanten

Gemeinschaftseinrichtungen und Unionsgremien, insbesondere dem Europäischen Institut für

Gleichstellungsfragen, zusammenarbeiten. Falls die vorgeschlagene Verordnung angenommen

wird, dürfte die Agentur im Januar 2007 ihre Tätigkeit aufnehmen.

Drucksache 16/5603 – 18 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2.2. Rolle des Persönlichen Beauftragten des Generalsekretärs/Hohen Vertreters für

Menschenrechte

Der Rat begrüßte im Dezember 2005 den wichtigen Beitrag, den der Persönliche Beauftragte des

Generalsekretärs/ Hohen Vertreters für Menschenrechte im Laufe seines ersten Amtsjahres in

Bezug auf die Kohärenz und Kontinuität der EU-Politik geleistet hat. Er nahm insbesondere die

Tätigkeit des Persönlichen Beauftragten zur Förderung der durchgängigen Berücksichtigung der

Menschenrechte in der GASP (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) und zur Sensibilisie-

rung für die EU-Leitlinien zu den Menschenrechten zur Kenntnis. Der Rat forderte den General-

sekretär/Hohen Vertreter auf, hinsichtlich zusätzlicher Prioritäten für 2006 darüber nachzudenken,

welche Rolle sein Persönlicher Beauftragter spielen kann, um das Vorgehen der EU im Rahmen der

VN zu unterstützen, indem er sicherstellt, dass eine Lobbyarbeit auf hoher Ebene stattfindet, und

dazu beiträgt, dass diese Lobbyarbeit wirksame Maßnahmen nach sich zieht.

In der Anlage zu den Schlussfolgerungen des Rates wurde bestätigt, dass die Ernennung des Per-

sönlichen Beauftragen des Generalsekretärs/Hohen Vertreters für Menschenrechte dazu beigetragen

hat, dass das Ratssekretariat deutlicher in Erscheinung getreten ist und seine Tätigkeit auf folgenden

Gebieten verstärkt hat: durchgängige Berücksichtigung der Menschenrechte, Leitlinien der EU zu

den Menschenrechten, Beteiligung an Dialogen und Konsultationen mit Drittländern, Förderung der

Menschenrechtspolitik der EU im Rahmen der VN, der OSZE und des Europarates, Dialog mit dem

Europäischen Parlament, Kontakte zu den betroffenen Akteuren und Sichtbarkeit der Diplomatie

und Sonderaufgaben. Der bemerkenswerte Beitrag des Persönlichen Beauftragten des General-

sekretärs/Hohen Vertreters wurde begrüßt und es wurde vorgeschlagen, dass der General-

sekretär/Hohe Vertreter für das Jahr 2006 vier Tätigkeitsbereiche in Erwägung zieht. Hierzu

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/5603

gehören die Fortsetzung der Arbeit zur durchgängigen Berücksichtigung der Menschenrechte, auch

mit geografisch und thematisch ausgerichteten Gruppen und Ausschüssen des Rates, Menschen-

rechtsaspekte des Krisenmanagements der EU, Gewährleistung der Lobbyarbeit auf hoher Ebene

zur Unterstützung des Vorgehens der EU im Rahmen der VN, Follow-up von EU-Resolutio-

nen/Maßnahmen im Rahmen der VN.

Überdies erklärte der Rat in seinen Schlussfolgerungen zur zweijährlichen Überprüfung der Leit-

linien der EU zu Kindern und bewaffneten Konflikten, dass die Ernennung des Persönlichen

Beauftragten dazu beigetragen hat, die Sichtbarkeit der Menschenrechtsfragen im gesamten System

zu erhöhen.

Während des Berichtszeitraums hat der Persönliche Beauftragte zur durchgängigen Berücksichti-

gung der Menschenrechte im Bereich der GASP/ESVP beigetragen, indem er die Frage in siebzehn

Sitzungen von geografisch und thematisch ausgerichteten Arbeitsgruppen/Ausschüssen des Rates

darlegte. Ferner unterstützte er die EU-Standpunkte zu Fragen der Menschenrechte und des huma-

nitären Rechts auf der 60. Tagung der VN-Generalversammlung im Herbst 2005 und auf der ersten

Tagung des neuen VN-Menschenrechtsrats im Juni 2006. Überdies nahm er an zwei Konsultationen

über Menschenrechtsfragen mit der Russischen Föderation sowie an zwei Runden des Dialogs über

Menschenrechte mit China teil. Durch laufende regelmäßige Kontakte mit dem Politischen und

Sicherheitspolitischen Komitee sowie den ihm zuarbeitenden Ausschüssen und Arbeitsgruppen

schärfte er das Bewusstsein insbesondere für geschlechterspezifische Fragen und das Thema Kinder

und bewaffnete Konflikte. Im Bereich der zivilen Krisenbewältigung unterbreitete der Persönliche

Beauftragte eine schriftliche Stellungnahme zur Beobachtermission der Europäischen Union in

Aceh (Indonesien). Er traf mit allen EU-Sonderbeauftragten zusammen, um sich für die durchgän-

gige Berücksichtigung der Menschenrechte im Allgemeinen und das Thema Kinder in bewaffneten

Konflikten im Besonderen einzusetzen, und unterrichtete sie über die betreffenden Entwicklungen,

soweit dies angebracht war. Er sprach sich für die Einbindung von Menschenrechtsberatern oder

zumindest die Schaffung von Anlaufstellen bei den Teams der EU-Sonderbeauftragten sowie bei

ESVP-Operationen aus.

Drucksache 16/5603 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Persönliche Beauftragte traf weiterhin mit einigen Menschenrechtsverteidigern und NROs von

Nord- und Südamerika, Afrika, Russland und Asien zusammen. Im Rahmen seiner engen Kontakte

mit dem Europäischen Parlament trug er im Unterausschuss für Menschenrechte und bei Menschen-

rechtsanhörungen Erläuterungen und Exposés vor. Er nimmt an regelmäßigen Kontakten und

Sitzungen mit allen relevanten Akteuren der VN, des Europarats und der OSZE teil. Der Persön-

liche Beauftragte leistete einen ersten positiven Beitrag im Bereich der Lobbyarbeit auf hoher

Ebene; er wandte sich an die Botschafter verschiedener Drittländer, um den Standpunkt der EU zur

Einrichtung des VN-Menschenrechtsrats voranzubringen.

Einige Mitgliedstaaten haben Botschafter für Menschenrechtsfragen ernannt. 2006 haben diese Bot-

schafter gemeinsame Ländermissionen in Kambodscha und auf den Philippinen durchgeführt.

2.3. Tätigkeit des Europäischen Parlaments im Bereich der Menschenrechte

Das EP setzt sich mit starker Stimme für Menschenrechte und Demokratie ein. Es trägt mit seinen

Entschließungen, Berichten und Missionen in Drittländer, der Teilnahme an Menschenrechts-

veranstaltungen, den interparlamentarischen Delegationen und den Tagungen der Gemischten Par-

lamentarischen Ausschüsse mit Drittländern sowie mit mündlichen und schriftlichen Anfragen,

speziellen Anhörungen zu Einzelfragen und dem von ihm jährlich verliehenen Sacharow-Preis zur

Ausgestaltung und Durchführung der Menschenrechtspolitik der EU bei. Der Präsident des EP

erörtert ferner regelmäßig Menschenrechtsfragen mit Vertretern von Drittländern.

Der Unterausschuss Menschenrechte des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, der zu

Beginn der sechsten Wahlperiode unter dem Vorsitz von Hélène Flautre (Grüne/ALE) wieder ein-

gesetzt wurde, hat sich als Plattform für die Erörterung von Menschenrechtsfragen im Parlament

etabliert. Er ergreift in diesem Bereich parlamentarische Initiativen und bietet ein ständiges Forum

für Erörterungen mit anderen EU-Organen, den VN, dem Europarat, Regierungsvertretern und

Menschenrechtsverteidigern über die Lage der Menschenrechte und die Entwicklung der Demo-

kratie in nicht der EU angehörenden Ländern.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/5603

Das Hauptziel des Unterausschusses besteht darin, einen menschenrechtspolitischen Ansatz in allen

Aspekten der externen Beziehungen der EU zu verankern. Dies hat er getan, indem er u.a. Leitlinien

für alle interparlamentarischen Delegationen des EP mit Drittländern herausgegeben hat. Der

Unterausschuss bemüht sich, die Umsetzung der EU-Instrumente im Menschenrechtsbereich zu

überwachen und zu bewerten. Hier ist dem Unterausschuss besonders daran gelegen, dass die

EU-Leitlinien zu Menschenrechtsfragen, insbesondere die Leitlinien betreffend den Schutz von

Menschenrechtsverteidigern und die Leitlinien betreffend Folter, umgesetzt werden. In diesem

Zusammenhang hat der Unterausschuss eine Untersuchung über die Bewertung der EU-Tätigkeiten

in diesem Bereich und die Umsetzung der Leitlinien zu den Menschenrechten in Auftrag gegeben.

Ferner hatte er Kontakte mit dem Menschenrechtskommissar des Europarats, Herrn Thomas

Hammarberg, und dem VN-Sonderberichterstatter über Folter, Herrn Manfred Nowak.

Im Juni 2006 wohnte eine Delegation von Mitgliedern des Unterausschusses der konstituierenden

Sitzung des Menschenrechtsrates der VN bei und traf mit dem EU-Vorsitz und den Botschaftern der

EU-Mitgliedstaaten, Sonderberichterstattern und auch mit Nichtregierungsorganisationen zusam-

men.

Im Hinblick auf den Menschenrechtsrat nahm das Parlament eine Entschließung mit Empfehlungen

an die Kommission und den Rat zu dem von der EU in den Verhandlungen mit anderen Ländern

einzunehmenden Standpunkt an. In der Entschließung vom 16. März 2006 begrüßte das EP das

Festhalten an dem in der VN-Menschenrechtskommission angewendeten System unabhängiger

„Sonderverfahren“. Ferner begrüßte es die Schaffung eines Mechanismus der allgemeinen regel-

mäßigen Überprüfung (UPR) und die Beibehaltung der Praxis, sich für die Menschenrechte einset-

zende NRO an den Debatten zu beteiligen. Das EP prüft derzeit die Frage, wie es mit dem neuen

Menschenrechtsrat in Abhängigkeit von dessen weiterer Entwicklung in Interaktion treten soll.

Drucksache 16/5603 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Weltgipfel über die Informationsgesellschaft, der vom 16. bis 18. November 2005 in Tunis

stattfand, war eine weitere wichtige Veranstaltung der VN, zu der das EP eine Delegation entsandte.

Die einschneidenden Beschränkungen, die der Delegation und anderen Teilnehmern auferlegt wur-

den und die vor allem die Freiheit der Meinungsäußerung betrafen, führten zur Annahme einer Ent-

schließung und einer Debatte im Plenum am 15. Dezember 2005.

Generell hat der Unterausschuss Menschenrechte im Berichtszeitraum verschiedene Anhörungen zu

Menschenrechtsfragen durchgeführt. Dabei ging es um folgende Themen: Menschenrechtsfragen im

Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik mit besonderem Schwerpunkt auf Israel und

Ägypten, die Lage der Menschenrechte im Europa-Mittelmeer-Raum zehn Jahre nach der Erklärung

von Barcelona, Südostasien, Nepal, Frauenmorde in Mexiko und Guatemala, die EU-Leitlinien

betreffend Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

Äthiopien - ein Jahr nach den Wahlen und verschiedene Menschenrechtsdialoge der EU mit Dritt-

ländern.

In einem Bericht, der vom EP-Mitglied Vittorio Agnoletto (GUE/NGL) erstellt wurde2, hat das EP

das Funktionieren der Menschenrechts- und Demokratieklauseln in Abkommen mit Drittländern

untersucht, deren Schwächen analysiert und Vorschläge für die Verbesserung ihrer Wirksamkeit

unterbreitet (siehe Kapitel 3.6 zu den Menschrechtsklauseln).

Außer dem Unterausschuss Menschenrechte befasst sich eine Arbeitsgruppe im Rahmen des Ent-

wicklungsausschusses in regelmäßigen Sitzungen mit Fragen der Menschenrechte in Entwick-

lungsländern oder spezifischen Themen wie Kindersoldaten oder Kindersklaven; an diesen Sitzun-

gen nehmen im Bereich der Menschenrechte tätige Nichtregierungsorganisationen und Vertreter der

betroffenen Regierungen teil. Das Parlament steht ferner in einem regelmäßigen Dialog mit der

Parlamentarischen Versammlung der OSZE und dem Europarat. In diesem Rahmen findet zudem

ein ständiger Dialog mit dem Amt des Menschenrechtskommissars des Europarats statt. Außerdem

erörtern die interparlamentarischen Delegationen des Parlaments regelmäßig Menschenrechtsfragen

mit den verschiedensten Ländern.
2 PE 362.667/v05-00

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/5603

Das wichtigste Forum für den politischen Dialog zwischen dem Europäischen Parlament und Par-

lamentariern aus den Ländern Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raums ist die Paritätische

Parlamentarische Versammlung (AKP-EU). Die Versammlung der Europa-Mittelmeer-Partner-

schaft bietet Möglichkeiten für einen parlamentarischen Dialog mit den Mittelmeerländern über

Fragen der Menschenrechte und der Demokratie.

Durch die Teilnahme an Wahlbeobachtungsmissionen leistet das EP einen weiteren Beitrag zur

Stärkung von Menschenrechten und Demokratie in Drittländern (siehe Kapitel 4.10 Demokratie und

Wahlen).

Das Europäische Parlament hat am 18. Januar 20063 einen nichtständigen Ausschuss zur Unter-

suchung der behaupteten Nutzung europäischer Staaten durch die "Central Intelligence Agency"

(CIA) der Vereinigten Staaten für die Beförderung und das rechtswidrige Festhalten von

Gefangenen eingesetzt. Dieser Ausschuss hat dem Parlament im Juni 2006 einen Zwischenbericht

vorgelegt. Das Parlament hat nach diesem Zwischenbericht des nichtständigen Ausschusses am

6. Juli4 eine Entschließung angenommen. Der Ausschuss soll seinen Schlussbericht im Januar 2007

und das Europäische Parlament seine Entschließung im Februar 2007 annehmen.

Fast zum gleichen Zeitpunkt, zu dem dieser EU-Jahresbericht zur Menschenrechtslage veröffent-

licht wird, beginnt das EP mit der Ausarbeitung eines Jahresberichts zur Menschenrechtslage in der

Welt und zur Menschenrechtspolitik der EU; im Jahr 2006 war Richard Howitt (PSE) mit der

Abfassung dieses Berichts betraut. In der dazu gehörigen Entschließung5 wird die Arbeit der Union

in all ihren Formen in Bezug auf die Menschenrechte analysiert; zudem werden Vorschläge zur

Steigerung ihrer Effizienz unterbreitet. Zu den erörterten Themen gehören die Tätigkeiten der EU in

internationalen Organisationen, die durchgängige Berücksichtigung der Menschenrechte in anderen

Politikbereichen einschließlich Handel sowie die EU-Menschenrechtsdialoge mit Drittländern.

3 ABl. 287E vom 24. November 2006, S. 159.
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/en/oj/2006/ce287/ce28720061124en01590160.pdf

4 P6_TA(2006)0316
(http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2006-
0316+0+DOC+XML+V0//EN&language=EN)
5 PE 368.090/v02-00

Drucksache 16/5603 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Dezember 2005 hat das EP seinen jährlichen Menschenrechtspreis, den Sacharow-Preis für

geistige Freiheit, an die Damas de Blanco (Damen in Weiß) in Würdigung ihres Eintretens für die

politischen Gefangenen in Kuba, an Hauwa Ibrahim in Anerkennung ihrer Arbeit als Rechts-

anwältin für in Nigeria nach den Gesetzen der Sharia angeklagte Frauen und Kinder sowie an die

Organisation Reporter ohne Grenzen für deren Kampf für die Pressefreiheit in der Welt vergeben.

Damas de Blanco (Damen in Weiß) nennt sich eine Gruppe von kubanischen Frauen, die seit 2003

jeden Sonntag friedlich gegen die andauernde Inhaftierung ihrer in Kuba als politische Regime-

kritiker geltenden Ehemänner und Söhne protestiert. Als Symbol für den Frieden und die Unschuld

der Inhaftierten tragen sie ausschließlich Weiß. Die wohlbekannte internationale Organisation

Reporter ohne Grenzen kämpft weltweit für die Pressefreiheit. Sie setzt sich auch für den Schutz

von Journalisten und anderen Medienfachleuten vor Zensur oder Schikanierung ein. Als Rechts-

anwältin für Menschenrechte vertritt Hauwa Ibrahim Frauen, die gemäß dem Scharia-Recht wegen

Ehebruchs gesteinigt werden sollen, oder Jugendliche, denen gemäß dem Scharia-Recht wegen

Diebstahls Amputationen drohen.

Ein wichtiger Aspekt der Tätigkeit des Parlaments ist die Verabschiedung von Entschließungen zu

besonderen Menschenrechtsverletzungen in spezifischen Ländern und insbesondere zu Einzelfällen,

die im Rahmen der monatlichen Debatten über dringliche Themen behandelt werden. In diesen Ent-

schließungen werden der Rat, die Kommission und die betroffenen Regierungen zum Handeln auf-

gefordert. Aus der Reaktion der betroffenen Regierungen lässt sich schließen, dass die Kritik aus

dem EP sie berührt.

Einzelfälle, die vom Europäischen Parlament zur Sprache gebracht wurden, betrafen unter anderem

politische Gefangene, aus Gesinnungsgründen inhaftierte Personen sowie inhaftierte und Schikanen

oder Drohungen ausgesetzte Journalisten, Cyberdissidenten, Wissenschaftler, Gewerkschafts-

mitglieder und Menschenrechtsverteidiger.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/5603

Während des Berichtszeitraums prangerte das Parlament in seinen Entschließungen unter anderem

Folgendes an: die Situation des buddhistischen Lamas Tenzin Delek Rinpoche, der inhaftiert und

wegen des Vorwurfs der Beteiligung an einigen Sprengstoffanschlägen in Tibet im Dezember 2002

zum Tode verurteilt wurde; mehrere Fälle von Inhaftierung und Gewalt gegen Journalisten, Men-

schenrechtsverteidiger und Oppositionsmitglieder in Belarus, namentlich die Lage von

Paval Mazeka, Mikola Markievic und Viktar Ivaskievic, die alle zu Haftstrafen zwischen sechs und

neun Monaten verurteilt wurden, sowie die Lage von Mikhail Marinich, Oppositionsführer und

ehemaligem Minister für auswärtige Wirtschaftsbeziehungen, der 2004 wegen politisch motivierter

Vorwürfe inhaftiert und am 14. April 2006 aus der Haft entlassen wurde; die Lage von mehreren

politischen Gefangenen in Birma (Myanmar), namentlich Hkun Htun Oo, dem Vorsitzenden der

birmanischen Liga für Demokratie der Shan-Völker, der seit Februar 2005 inhaftiert ist und zu

90 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, und General Hso Tten, Präsident des Shan-Staats-Friedens-

rats, der seit Februar 2005 inhaftiert ist und zu 109 Jahren Gefängnis verurteilt wurde; die Situation

von Mohamed Benchicou, Herausgeber der Zeitung Le Matin, der als Opfer einer Kampagne gegen

die Pressefreiheit in Algerien zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde; den Fall des Dr. Ayman

Nour, eines ehemaligen Journalisten und Rechtsanwalts, Führer der Al-Ghad-Partei und Mitglied

des ägyptischen Parlaments, der am 24. Dezember 2005 zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, weil

ihm zur Last gelegt wurde, zum Zwecke der Registrierung seiner Partei für die Parlaments- und

Präsidentschaftswahlen in Ägypten Unterschriften gefälscht zu haben; den Fall von Altynbeck

Sarsenbaev, einem prominenten Politiker und Kopräsident der Wahren Ak Zhol-Oppositionspartei,

der am 13. Februar 2006 in Kasachstan ermordet wurde; die Situation von Stanislav Dmitriyevsky,

dem Hauptgeschäftsführer der russisch-tschetschenischen Freundschaftsgesellschaft und Chef-

redakteur der Zeitung "Pravo-zaschita" (Menschenrechtsverteidigung) in Nischnij Nowgorod, der

zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, die jedoch ausgesetzt worden ist; die Ver-

haftung von mehreren Bürgerrechtlern in Syrien, insbesondere des Rechtsanwalts Anwar al Bunni

und des Schriftstellers Michel Kilo; die Situation von Maître Mohammed Abou, einem bekannten

tunesischen Rechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger, der am 28. April 2005 zu einer dreiein-

halbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde.

Drucksache 16/5603 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das EP hat seine Haushaltsbefugnisse dazu genutzt, die Mittel für Programme im Bereich Demo-

kratie und Menschenrechte, die aus einem gesonderten, auf Initiative des Parlaments eingerichteten

Haushaltskapitel finanziert werden, der "Europäischen Initiative für Demokratie und Menschen-

rechte" (EIDHR), erheblich aufzustocken (weitere Informationen zur EIDHR finden sich in Kapi-

tel 3.7 dieses Berichts). Bei den Verhandlungen über die neuen Finanzierungsinstrumente für die

Außenhilfe hat das Europäische Parlament das Erfordernis einer gesonderten Verordnung über

Maßnahmen der EU zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten als eine der Hauptprio-

ritäten im Hinblick auf die Wahrung von Sichtbarkeit und Flexibilität bezeichnet. Der Vorschlag für

dieses Instrument ist am 26. Juni 2006 von der Kommission vorgelegt worden.

Menschenrechtsfragen in der EU fallen unter das Mandat des Ausschusses für bürgerliche Freihei-

ten, Justiz und Inneres, der sich mit dem Status der Achtung der Grundrechte in der EU befasst. Der

Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und dessen Unterausschuss Menschenrechte arbeiten

eng mit diesem Ausschuss zusammen, um zu beobachten, wie sich interne Maßnahmen, insbeson-

dere im Bereich Asyl und Migration und bei den Menschenrechtsaspekten des illegalen Handels mit

Menschen und Organen, nach außen auswirken.

Sehen Unionsbürgerinnen oder Unionsbürger sich in ihren Grundrechten verletzt, können sie sich in

Bezug auf Missstände bei den EU-Organen an den Europäischen Bürgerbeauftragten oder im Falle

von Verstößen gegen das EU-Recht an den Petitionsausschuss des EP wenden. Der Bürger-

beauftragte befasst sich mit Beschwerden im Zusammenhang mit der Tätigkeit der EU-Organe,

während sich die vom Petitionsausschuss geprüften Petitionen auf Fälle beziehen, in denen Mit-

gliedstaaten ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag verletzen. Nicht selten muss ein Mitgliedstaat

aufgrund eines anschließend gegen ihn eingeleiteten Verfahrens wegen Vertragsverletzung seine

Rechtsvorschriften ändern, um sie mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen.

Ein Überblick über die wichtigsten Tätigkeiten des EPim Bereich der Menschenrechte im Rahmen

der Außenbeziehungen findet sich unter folgender Internetadresse:

http://www.europarl.europa.eu/comparl/afet/droi/default.htm.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/5603

3. INSTRUMENTE UND INITIATIVEN DER EU IN DRITTLÄNDERN

Der EU stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, um die Menschenrechte in Drittländern zu

fördern. In diesem Kapitel wird für den Berichtszeitraum ein Überblick über weitere Rechtsakte und

politische Instrumente gegeben.

3.1. Gemeinsame Strategien, gemeinsame Aktionen und gemeinsame Standpunkte

Dieser Abschnitt gibt einen aktualisierten Überblick über die gemeinsamen Strategien, gemein-

samen Aktionen, gemeinsamen Standpunkte und Krisenbewältigungsoperationen, die im Berichts-

zeitraum in Kraft waren.

Mit den gemeinsamen Strategien sollen Ziele gesteckt und die Effizienz des Handelns der Union

durch Verbesserung der Gesamtkohärenz ihrer Politik gesteigert werden. Sie werden auf der Ebene

des Europäischen Rates (Staats– und Regierungschefs) festgelegt und von der Union in Bereichen

umgesetzt, in denen die Mitgliedstaaten wichtige gemeinsame Interessen verfolgen. Im Berichts-

zeitraum wurden keine neuen gemeinsamen Strategien festgelegt.

Gemeinsame Aktionen betreffen bestimmte Situationen, in denen Maßnahmen der Union als not-

wendig angesehen werden. Im Berichtszeitraum hat die EU eine beachtliche Zahl gemeinsamer

Aktionen mit Menschenrechtsbezug beschlossen. Diese betrafen in erster Linie die Ernennung von

EU-Sonderbeauftragten sowie zivile und militärische Krisenbewältigungsoperationen.

Drucksache 16/5603 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Rat hat am 12. Dezember 2005 den Gemeinsamen Standpunkt (2004/622/GASP zur Ände-

rung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/179/GAS, der restriktive Maßnahmen gegen die Führung

der transnistrischen Region der Republik Moldau betrifft) über restriktive Maßnahmen gegen meh-

rere hochrangige transnistrische Beamte angenommen, die an der gewaltsamen Schließung von

Schulen moldawischer Sprache beteiligt waren. Da die Lage sich verbessert hat und die meisten

Schulen wieder öffnen konnten, verkürzte der Rat die Liste der Beamten, denen kein Visum erteilt

werden darf. Die neue Liste ist im Gemeinsamen Standpunkt 2005/890/GASP enthalten. Am

14. Februar 2006 hat der Rat die Geltungsdauer des Gemeinsamen Standpunkts betreffend

restriktive Maßnahmen gegen die Führung der transnistrischen Region der Republik Moldau bis

zum 27. Februar 2007 verlängert (2006/95/GASP) und den Anhang mit der Liste der Personen,

denen kein Visum erteilt werden darf, auf den neuesten Stand gebracht (2006/96/GASP).

Krisenbewältigungsoperationen: Menschenrechtsfragen und Konfliktverhütung

Im Bereich der Konfliktverhütung hat die EU ihre Instrumente für die lang- und kurzfristige

Verhütung weiterentwickelt. Der Bericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat über die Maßnah-

men der EU im Bereich der Konfliktverhütung, einschließlich der Umsetzung des EU-Programms

zur Verhütung gewaltsamer Konflikte, legt die Fortschritte in diesem Bereich dar.

Gemäß der Praxis unter den vorangegangenen Vorsitzen wurde am 3. Mai 2006 eine Konferenz

zum Thema "Welche Zukunft für die EU-Konfliktverhütung? Fünf Jahre nach Göteborg und weite-

res Vorgehen" gemeinsam vom Vorsitz, der Europäischen Kommission und dem europäischen Ver-

bindungsamt für Friedenskonsolidierung (EPLO) veranstaltet. Diese Konferenz führte Fachleute

und Vertreter der Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission, des Generalsekretariats des

Rates, von NRO, der Zivilgesellschaft, von Think Tanks und von akademischen Kreisen sowie

Mitglieder des Europäischen Parlaments zusammen, um bewährte Verfahren auszutauschen und

Vorstellungen für die künftige Gestaltung des Ausbaus von Fähigkeiten der EU im Bereich der

Konfliktverhütung zu entwickeln. Der Vorsitz unterrichtete anschließend das Europäische Parla-

ment über die Ergebnisse dieser Konferenz sowie über die laufenden Arbeiten im Bereich des zivi-

len Krisenmanagements.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/5603

Weitergeführt wurde auch die Arbeit zur durchgängigen Berücksichtigung der Menschenrechte in

der GASP, einschließlich der ESVP, nicht zuletzt durch Sensibilisierungsmaßnahmen in den ein-

schlägigen Gruppen und Ausschüssen des Rates. Die Vorsitze von zwei mit der Krisenbewältigung

befassten Gruppen6 sowie ein Berater des Vorsitzenden des EUMC (Militärausschuss der EU) sind

mit der Gruppe "Menschenrechte" des Rates zusammengetroffen. Relevante Menschenrechtsfragen

wurden zunehmend berücksichtigt und gegebenenfalls in alle Phasen der Operationen, insbesondere

die Planungsphase, integriert. Dem Schutz der Menschenrechte wurde mit Maßnahmen Rechnung

getragen, die sicherstellen, dass das erforderliche Expertenwissen im Bereich der Menschenrechte

verfügbar ist. Diesbezüglich sollten die Erfahrungen aus Krisenmanagementoperationen mit beson-

derem Schwerpunkt auf den Menschenrechten, wie z.B. der Aceh-Beobachtermission, gebührend

berücksichtigt werden. Dabei wurde auch vermerkt, dass die EU sich das Expertenwissen der Ver-

einten Nationen zunutze machen sollte. Der persönliche Beauftragte des Generalsekretärs/ Hohen

Vertreters für Menschenrechte hat zu dieser Einbeziehung der Menschenrechtsfragen in das EU-

Krisenmanagement beigetragen.

Es laufen Folgearbeiten zu dem Dokument zur Umsetzung der Resolution 1325 des Sicherheits-

rates der Vereinten Nationen zu Frauen, Frieden und Sicherheit im Kontext der ESVP und der

durchgängigen Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts. Es kam zu einem Austausch bewähr-

ter einzelstaatlicher Verfahren bezüglich der Gleichstellung der Geschlechter und der Umsetzung

der Resolution 1325 mit dem Ergebnis, dass die Entwicklung einer Checkliste zur Gewährleistung

einer angemessenen Berücksichtigung der Gleichstellungsaspekte in allen Phasen der Planung und

Durchführung von ESVP-Operationen gefordert wurde. Das Institut für Sicherheitsstudien führt

derzeit eine Fallstudie über die Umsetzung der Resolution 1325 im Kontext der EU-Präsenz in

Bosnien und Herzegowina durch.

6 PMG: Gruppe "Politisch-militärische Angelegenheiten" und CIVCOM: Ausschuss für die

zivilen Aspekte der Krisenbewältigung.

Drucksache 16/5603 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Arbeiten an der Problematik der Kinder in bewaffneten Konflikten und der Resolution 1612

des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen wurden als Folgemaßnahme zu den EU-Leitlinien

über Kinder und bewaffnete Konflikte weitergeführt. Eine Durchführungsstrategie7 wurde auf der

Grundlage der Überprüfung der Fortschritte bei der Umsetzung der Leitlinien erarbeitet. Sie enthält

eine Checkliste für die Integration des Schutzes von Kindern in bewaffneten Konflikten zur

Berücksichtigung bei ESVP-Missionen. Die Berichterstattung über Kinder und bewaffnete

Konflikte ist weiter systematisiert worden. Siehe Kapitel 3.2. und 4.3.

Es wurde mit der Arbeit zu der Frage begonnen, wie die Übergangsjustiz besser in das EU-

Krisenmanagement integriert werden kann, im Hinblick darauf, wie wichtig es für nachhaltigen

Frieden und Stabilität ist, dass in Übergangssituationen und in Situationen nach Konflikten die

Frage früherer Menschenrechtsverletzungen angegangen wird. Das Politische und Sicherheits-

politische Komitee veranstaltete im März 2006 ein Seminar über die Übergangsjustiz, in dem

erforscht wurde, wie Strategien zum Umgang mit früheren Menschenrechtsverletzungen im Kontext

größerer politischer Umwälzungen in das EU-Krisenmanagement integriert werden können. An die-

ses Seminar schließen sich nun weitere Arbeiten an, die darauf abzielen, konkrete Empfehlungen

für die Integration der Übergangsjustiz in die Planung von ESVP-Operationen zu entwickeln.

Krisenbewältigung: Operative Tätigkeiten

Während des Berichtszeitraums hat die operative Tätigkeit auf dem Gebiet der Krisenbewältigung

weiter an Umfang zugenommen, sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich. Die EU

unterhält ein breites Spektrum an zivilen und militärischen Missionen auf drei Kontinenten; die

Aufgaben reichen dabei von Friedenssicherung und Überwachung der Umsetzung eines Friedens-

prozesses bis zu Beratung und Unterstützung im militärischen und polizeilichen Bereich, bei der

Grenzüberwachung und auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit. Weitere Missionen sind in Vorbe-

reitung.
7 9767/06

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/5603

Die EU-Militäroperation in Bosnien und Herzegowina (BiH), die Operation ALTHEA, sorgt nach

wie vor für ein sicheres und geschütztes Umfeld in diesem Land. In den vergangenen sechs

Monaten lag der Schwerpunkt verstärkt auf der Verringerung und sicheren Lagerung der erheb-

lichen Bestände an überzähligen Waffen und überzähliger Munition, die sich im Besitz der Streit-

kräfte sowie der Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina befinden. Die Zusammenarbeit mit

der NATO bei der Operation ALTHEA in Brüssel sowie in Bosnien und Herzegowina im Rahmen

der Berlin-plus-Vereinbarungen verläuft weiterhin gut. Die ehemalige jugoslawische Republik

Mazedonien wurde eingeladen, sich als zwölfter beitragender Drittstaat an der Operation zu beteili-

gen.

Der Rat hat die Operation ALTHEA im Juni überprüft. Die Überprüfung erfolgte im Rahmen der

einheitlichen Gesamtbewertung aller EU-Maßnahmen in Bosnien und Herzegowina. Dabei bestä-

tigte der Rat, dass es bei der derzeitigen Truppenstärke und Aufgabenstellung der EUFOR bleiben

soll; für besonders wichtig hielt er eine enge Zusammenarbeit aller EU-Akteure in Bosnien und

Herzegowina, insbesondere im Bereich der Bekämpfung der organisierten Kriminalität; ferner

unterstrich er die entscheidende Rolle des EU-Sonderbeauftragten bei der Gewährleistung eines

kohärenten Handelns der EU.

Die EU hat weiterhin ihr Engagement für die Unterstützung des Übergangsprozesses in der DR

Kongo durch politische Maßnahmen, Hilfeleistungen sowie durch ESVP-Operationen unter Beweis

gestellt. Im Mai hat die EU im Vorfeld der Wahlen in der DR Kongo das außenpolitische Handeln

der EU in der DR Kongo einer globalen Prüfung unterzogen.

Aufgrund eines Ersuchens der VN vom 27. Dezember 2005 um Entsendung einer Militärtruppe in

die DR Kongo zur Unterstützung der MONUC während der Wahlen (EUFOR RD Congo) hat

der Rat am 23. März beschlossen, dem Ersuchen der VN zu entsprechen. Die EUFOR RD Congo

wird Teil des Gesamtansatzes der EU in der DR Kongo sein.

Drucksache 16/5603 – 32 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Rat hat mit der militärischen Planung für die Operation EUFOR RD Congo begonnen und am

27. April nach Verabschiedung der Resolution 1671 durch den Sicherheitsrat der Vereinten Natio-

nen eine Gemeinsame Aktion angenommen, mit der Generalleutnant Karlheinz Viereck zum

Befehlshaber der EU-Operation und Generalmajor Christian Damay zum Befehlshaber des EU-

Einsatzkontingents ernannt wurden sowie das Hauptquartier für Operationsführung der EU in Pots-

dam angesiedelt wurde. Der Beschluss zur Einleitung der Operation ist vom Rat angenommen wor-

den; die Vorbereitungen sind angelaufen, um die volle Einsatzfähigkeit bis zum Datum der ersten

Runde der Wahlen, d.h. 30. Juli 2006, zu erreichen.

Die Behörden der DR Kongo haben mitgeteilt, dass sie die Entsendung einer EU-Truppe zur Unter-

stützung der MONUC während der Wahlen befürworten, und diese Zustimmung in einem Schrei-

ben an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bestätigt. Im Laufe dieses Prozesses erfolgte eine

ständige enge Abstimmung mit den VN, und zwar sowohl mit der MONUC als auch mit dem

DPKO (Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze). Mit der EUFOR RD Congo wird die von der

EU verfolgte Politik der Zusammenarbeit mit den VN auf dem Gebiet der Krisenbewältigung weiter

ausgebaut. Die EUFOR RD Congo hat im Hauptquartier für Operationsführung einen Gleich-

stellungsberater eingesetzt.

Die EU hat ihre zivil-militärische Unterstützungsaktion für die Mission der Afrikanischen Union

(AMIS II) in der Region Darfur in Sudan fortgeführt. Die EU-Unterstützung für AMIS II ist als

Teil einer einheitlichen Gesamtbewertung in Bezug auf Sudan überprüft worden, die der Rat im

Mai 2006 zur Kenntnis genommen hat. Die EU leistet fortlaufende Militärhilfe in Form von techni-

scher sowie Planungs- und Managementunterstützung innerhalb der gesamten Kommandostruktur

von AMIS II. Ferner ist finanzielle und logistische Unterstützung, einschließlich strategischen

Lufttransports, geleistet worden. Die EU stellt weiterhin auch den stellvertretenden Vorsitzenden

der Waffenruhekommission und eine Reihe von EU-Militärbeobachtern. EU-Polizeibeamte spielen

nach wie vor durch Unterstützung, Beratung und Schulung der polizeilichen Befehlskette von

AMIS II und der Polizeibeamten vor Ort eine Schlüsselrolle beim Aufbau einer zivilen Polizeikapa-

zität von AMIS II. Die EU unterstützt auch weiter den Ausbau der Polizeikapazität der Afrikani-

schen Union und die Einrichtung einer Polizeieinheit im AU-Sekretariat in Addis Abeba.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/5603

Nachdem die Kommission für Frieden und Sicherheit der Afrikanischen Union am 15. Mai 2006

den Beschluss gefasst hat, ihre Mission der VN zu übertragen, und das Darfur-Friedensabkommen

am 5. Mai 2006 unterzeichnet wurde, hat die EU beschlossen, den Einsatz der zivilen wie auch der

militärischen Elemente der Unterstützungsaktion für AMIS II bis zum 30. September 2006 zu

verlängern. Die EU prüft, welcher rechtliche und operative Rahmen hierfür geeignet ist und ob

zusätzliche Mittel und Fähigkeiten für diese verlängerte Unterstützungsaktion der EU erforderlich

sind. Die EU hat sich bereit erklärt, auf jedes an sie gerichtete Ersuchen um Unterstützung der

Umsetzung des Friedensabkommens rasch zu reagieren und gegebenenfalls die Planung für den

Übergang zu einer VN-Mission zu unterstützen.

Die Mission der EU zur Stützung der Rechtsstaatlichkeit in Georgien, EUJUST THEMIS8, die

entsandt wurde, um die georgische Regierung bei der Ausarbeitung einer Strategie zu unterstützen,

die als Richtschnur für die Reform der Strafrechtspflege dienen kann, endete am 15. Juli 2005. Eine

derartige Mission fand zum ersten Mal statt und stellte eine neue Entwicklung bei den zivilen

Aspekten der ESVP dar, da dies die erste Mission der Europäischen Union zur Stützung der Rechts-

staatlichkeit war.

Der Zeitraum unmittelbar nach Ablauf des Mandats der EUJUST THEMIS war entscheidend im

Hinblick auf die bei den rechtsstaatlichen Reformen entstandene Dynamik. Das PSK vereinbarte am

9. Juni 2005 die Einzelheiten der Folgemaßnahmen zur Unterstützung seitens der EU bei der

Umsetzung der Reformstrategie für das georgische Strafverfolgungssystem.

Das verstärkte Unterstützungsteam des EU-Sonderbeauftragen (EUSR), das eine Rechtsstaatlich-

keitsmission als Folgemaßnahme zu EUJUST THEMIS und ein Unterstützungsteam für den

Bereich Grenzschutz umfasst, nahm seine Tätigkeit am 1. September 2005 auf9. Die Rechts-

staatlichkeitskomponente des Amts des EU-Sonderbeauftragten in Tiflis war für die Anschlussmaß-

nahmen zur Rechtsstaatlichkeitsstrategie zuständig, bei deren Entwicklung EUJUST Themis

Georgien unterstützt hat.

8 Gemeinsame Aktion 2004/523/GASP, ABl. L 228 vom 29.6.2004, S. 21.

9 Gemeinsame Aktion 2005/582/GASP, ABl. L 199 vom 29.7.2005, S. 92

Drucksache 16/5603 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Am 1. März 2006 trat ein verlängertes und geändertes Mandat des EUSR für den Südkaukasus in

Kraft, wodurch auch der Einsatz des Unterstützungsteams für den Bereich Grenzschutz bis Ende

Februar 2007 verlängert wurde. Die Folgemaßnahme zu EUJUST Themis endete tatsächlich zum

gleichen Zeitpunkt als eine Operation der Art "Krisenbewältigung".

Am 20. September 2005 hat das PSK auf das gemeinsame Ersuchen des ukrainischen und des

moldauischen Präsidenten hin der Einrichtung einer Grenzmission der Europäischen Union für

Moldau und die Ukraine (EUBAM), unter anderem durch eine Verstärkung des Teams des EUSR

für Moldau, zugestimmt. Die Mission selbst, die am 1. Dezember 2005 ihre Arbeit aufgenommen

hat, ist von der Kommission im Rahmen des Krisenreaktionsmechanismus eingerichtet und danach

als TACIS-Projekt geleitet worden. Sie umfasst ungefähr 60 Zoll- und Polizeibeamte aus den EU-

Mitgliedstaaten. Im Juli 2006 wird die Mission auf eine Personalstärke von ungefähr 100 Beamten

aus den Mitgliedstaaten erweitert. Der Leiter der Mission nimmt zugleich auch die Funktion eines

leitenden politischen Beraters des EU-Sonderbeauftragten für Moldau wahr. Zudem wurde ein

EUSR-Grenzschutzteam geschaffen, das aus drei Personen besteht und eine enge Verbindung mit

dem EU-Sonderbeauftragten und dem Rat aufrechterhält (siehe Mandat des EUSR, Gemeinsame

Aktion 2006/120/GASP).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/5603

Die Aceh-Beobachtermission (AMM), die von Herrn Pieter Feith von der EU geleitet wird, ist
eingerichtet worden, um die Durchführung verschiedener Aspekte des Friedensabkommens gemäß
der von der indonesischen Regierung und der Bewegung Freies Aceh (GAM) am 15. August 2005
in Helsinki (Finnland) unterzeichneten Vereinbarung zu überwachen. Die Europäische Union und
fünf beitragende ASEAN-Staaten (Thailand, Malaysia, Brunei, Philippinen und Singapur) sowie
Norwegen und die Schweiz stellen Beobachter für den Friedensprozess in Aceh (Indonesien) zur
Verfügung.

Nach einer kurzen Interimspräsenz (IMP) nach Unterzeichnung der Vereinbarung wurde die AMM
am 15. September 2005 zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten offiziell eingeleitet. Der
EU-Ministerrat hat die Geltungsdauer der Mission am 27. Februar 2006 um weitere drei Monate
bis zum 15. Juni 2006 verlängert. Die Präsenz der AMM geht auf eine offizielle Einladung der
indonesischen Regierung zurück und wird von der Führung der Bewegung Freies Aceh (GAM)
uneingeschränkt unterstützt.

Bei der Aceh-Beobachtermission wurde erstmals eine Menschenrechtskomponente, zu der auch die
Beobachtung der Menschenrechtslage gehört, miteinbezogen; dies stellt einen willkommenen
Schritt in Richtung auf die durchgängige Berücksichtigung der Menschenrechte bei ESVP-
Missionen dar. Mit dieser Mission trägt die AMM zu einer friedlichen, umfassenden und dauer-
haften Lösung des Konflikts in Aceh bei. Durch die schreckliche Tsunami-Katastrophe vom
26. Dezember 2004 und das große Leid, das sie der Bevölkerung von Aceh gebracht hat, hat dies
eine umso größere Bedeutung erhalten. Die EU und der ASEAN achten uneingeschränkt die
territoriale Unversehrtheit Indonesiens und sehen die Zukunft von Aceh innerhalb des
Einheitsstaats der Republik Indonesien.

Ziel der AMM ist es, die Regierung von Indonesien und die Bewegung Freies Aceh (GAM) bei der
Umsetzung der Vereinbarung zu unterstützen. Dabei hat die AMM unter anderem folgende Auf-
gaben: Beobachtung der Wiedereingliederung aktiver GAM-Mitglieder; Beobachtung der
Menschenrechtslage und Unterstützung in diesem Bereich im Rahmen der oben genannten Auf-
gaben; Beobachtung des Prozesses der Änderung der Gesetzgebung; Entscheidung von strittigen
Amnestiefällen; Befassung mit Beschwerden und angeblichen Verletzungen der Vereinbarung;
Aufbau und Aufrechterhaltung von Verbindungen zu den Parteien sowie einer reibungslosen
Zusammenarbeit mit ihnen.

Drucksache 16/5603 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das Einsammeln der Waffen der GAM und die Beobachtung der Verlegung "nicht-organischer"

Militär- und Polizeikräfte, die mit zu den Aufgaben der AMM gehörten, wurden am 5. Januar 2006

vollständig abgeschlossen. Gemäß der Vereinbarung händigte die GAM der AMM die Gesamtheit

ihrer 840 Waffen aus und löste ihren militärischen Flügel (TNA) am 27. Dezember 2005 offiziell

auf. Desgleichen hat die indonesische Regierung ihre Verpflichtungen erfüllt, indem sie ihre

"nicht-organischen" Militär- und Polizeikräfte verlegte. Die Zahl der in Aceh verbleibenden Polizei-

und Militärkräfte (TNI) bewegen sich unter der nach der Vereinbarung geltenden Personalstärke

von 14 700 für die TNI und 9 100 für die Polizei.

Die AMM übernimmt keine Verhandlungsrolle. Sollte dies während der Durchführung der

Vereinbarung notwendig sein, wird diese Rolle von den beiden Parteien und dem ursprünglichen

Vermittler, d.h. der "Crisis Management Initiative" übernommen.

Die Mission, deren Hauptquartier sich in Banda Aceh befindet, hat zur Wahrnehmung ihrer

Beobachtungsaufgaben elf geographisch über ganz Aceh verteilte Bezirksbüros aufgebaut: Sigli,

Bireuen, Lhokseumawe, Langsa, Tapaktuan, Blang Pidie, Meulaboh, Calang, Banda Aceh,

Kutacane und Takengon.

Für die AMM sind ungefähr 80 internationale unbewaffnete Mitarbeiter tätig, von denen fast zwei

Drittel aus den EU-Mitgliedstaaten sowie aus Norwegen und der Schweiz und etwas mehr als ein

Drittel aus den fünf teilnehmenden ASEAN-Ländern stammen. Die AMM ist ihrem Wesen nach

völlig unparteiisch; weder vertritt sie eine der Parteien noch nimmt sie die Interessen einer der

Parteien wahr.

Sie umfasst Personal mit Expertenwissen aus der gesamten Bandbreite der Kompetenzen, die zur

Erfüllung der Aufgaben im Rahmen der Mission notwendig sind. Die AMM ist keine militärische,

sondern eine Zivilmission. Einige Beobachter haben militärischen Hintergrund, da dies zur

Erfüllung bestimmter technischer Aufgaben im Rahmen der Mission erforderlich ist. Die

Beobachter nehmen ihre Beobachtungsaufgaben mithilfe von Beobachtungsfahrten und Gesprächen

mit beiden Parteien sowie der erforderlichen Kontrollen und Untersuchungen wahr.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/5603

EU-Sonderbeauftragte (EUSR)

Der EU-Sonderbeauftragte für die Republik Moldau, Botschafter Adriaan Jacobovits de Szeged,

der ursprünglich am 23. März 2005 ernannt wurde, hat seine Arbeit fortgeführt. Sein Mandat

erstreckt sich hauptsächlich auf den Beitrag der EU zur Beilegung des Transnistrien-Konflikts. Es

umfasst ferner die Bekämpfung des Menschenhandels sowie des illegalen Handels mit Waffen und

anderen Gütern aus der und über die Republik Moldau. Außerdem verschafft sich der EUSR einen

fortwährenden Überblick über alle EU-Aktivitäten, vor allem die einschlägigen Aspekte des ENP

(Europäische Nachbarschaftspolitik)-Aktionsplans, der auf der Tagung des Kooperationsrates EU-

Moldau am 22. Februar 2005 unterzeichnet wurde. Das Mandat des EUSR wurde am 20. Februar

2006 um ein Jahr bis zum 28. Februar 2007 verlängert.

Bis zum 28. Februar 2006 haben der EU-Sonderbeauftragte für den Südkaukasus, Botschafter

Heikki Talvitie, und seit dem 1. März 200610 sein Nachfolger, Botschafter Peter Semneby weiterhin

Armenien, Aserbaidschan und Georgien bei der Durchführung politischer und wirtschaftlicher

Reformen, insbesondere in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Demokratisierung, Menschenrechte,

verantwortungsvolle Staatsführung, Entwicklung und Armutsbekämpfung unterstützt.
10 Gemeinsame Aktion 2006/121/GASP, ABl. L 49 vom 21.2.2006, S. 14.

Drucksache 16/5603 – 38 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU hat am 18. Juli 2005 Herrn Pekka Haavisto zum neuen EU-Sonderbeauftragten für Sudan

ernannt (Gemeinsame Aktion 2005/556/GASP)11. Die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten konzen-

trierte sich auf drei Schlüsselbereiche: die Umsetzung des umfassenden Friedensabkommens

(Comprehensive Peace Agreement — CPA) in Sudan, die Friedensgespräche über Darfur in Abuja

und die Aufsicht über eine zivil-militärische Unterstützungsaktion der Europäischen Union für die

Mission der Afrikanischen Union (AU) in der Region Darfur in Sudan (AMIS). Die Menschen-

rechte bilden einen wichtigen Teil des Mandats des EU-Sonderbeauftragten, der die Situation in

diesem Bereich beobachtet und regelmäßige Kontakte mit den sudanesischen Behörden, der AU

und den VN, insbesondere mit dem Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte, mit den in

der Region tätigen Menschenrechtsbeobachtern und mit der Anklagebehörde des Internationalen

Strafgerichtshofs unterhält. In diesem Zusammenhang wird im Mandat des EU-Sonderbeauftragten

für Sudan insbesondere auf die Rechte der Kinder und Frauen sowie die Bekämpfung der Straffrei-

heit in Sudan hingewiesen.

Der EU-Sonderbeauftragte für Zentralasien, Botschafter Ján Kubis, hat seine Arbeit bis zum 5. Juli

2005 fortgeführt. Er hat zur Umsetzung der politischen Ziele der EU in der Region beigetragen, zu

denen unter anderem die Förderung guter und enger Beziehungen zwischen den Ländern Zentral-

asiens und der EU, ein Beitrag zur Stärkung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, verantwortungs-

voller Staatsführung und Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Zentralasien sowie

die Verbesserung der Effizienz der EU in der Region, u.a. durch eine engere Abstimmung mit

anderen einschlägigen Partnern und internationalen Organisationen, wie z.B. der OSZR gehören.

11 Gemeinsame Aktion 2005/556/GASP des Rates vom 18. Juli 2005 zur Ernennung eines
Sonderbeauftragten der Europäischen Union für die Republik Sudan (ABl. L 188 vom

20.7.2005, S. 43-45).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/5603

3.2. EU-Leitlinien zu den Menschenrechten: Leitlinien betreffend Todesstrafe, Folter und
andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Kinder
und bewaffnete Konflikte, Menschenrechtsverteidiger

Seit 1998 sind vom Rat EU-Leitlinien zu den Menschenrechten angenommen worden, in denen es

um Fragen von besonderer Bedeutung für die EU-Mitgliedstaaten geht. Diese Leitlinien betreffen

die Todesstrafe (1998 angenommen), Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedri-

gende Behandlung oder Strafe (2001 angenommen), Dialoge im Bereich der Menschenrechte (2001

angenommen), Kinder und bewaffnete Konflikte (2003 angenommen) und Menschenrechts-

verteidiger (2004 angenommen). Sie können in allen EU-Amtssprachen sowie auf Russisch,

Chinesisch, Arabisch und Persisch (Farsi) auf der Webseite des Ratssekretariats

(http://ue.eu.int/Human Rights) abgerufen werden. Im Mai 2005 hat der Rat diese Leitlinien auch in

Form von Broschüren in englischer und französischer Sprache veröffentlicht12.

Hinsichtlich der Leitlinien zu Kindern und bewaffneten Konflikten hat die Gruppe "Menschen-

rechte" im Berichtszeitraum die zweijährliche Überprüfung der Leitlinien durchgeführt, einige

Empfehlungen unterbreitet, die im Dezember 2005 vom Rat gebilligt wurden, und die Liste der

vorrangigen Länder überarbeitet. Der Rat hat am 7. April 2006 eine Strategie zur Umsetzung der

Leitlinien zu Kindern und bewaffneten Konflikten ausgearbeitet.

Im Kontext der Leitlinien betreffend den Schutz von Menschenrechtsverteidigern hat die EU eine

weltweite Kampagne für die Freiheit der Meinungsäußerung und den Schutz von Menschenrechts-

verteidigerinnen eingeleitet und außerdem die erste zweijährliche Überprüfung der Umsetzung der

Leitlinien zu Menschenrechtsverteidigern durchgeführt.

12 Nähere Informationen zu Verkauf und Abonnement dieser Veröffentlichungen sind unter

http://publications.eu.int abrufbar.

Drucksache 16/5603 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Maßnahmen, die während des Berichtszeitraums zur Umsetzung der themenbezogenen Leit-

linien ergriffen wurden, sind im Einzelnen in Kapitel 4 aufgeführt; nähere Angaben zu den Maß-

nahmen im Rahmen der Leitlinien für Menschenrechtsdialoge finden sich in Kapitel 3.4.

3.3. Demarchen und Erklärungen

Demarchen in Menschenrechtsfragen bei Regierungen von Drittländern sowie Presseerklärungen

sind weitere wichtige außenpolitische Instrumente der EU, und auch in Schlussfolgerungen der

Ratstagungen können in diesem Kontext Menschenrechtsfragen behandelt werden. Demarchen

werden normalerweise in vertraulicher Form entweder in einer "Troika"-Zusammensetzung oder

vom Vorsitz unternommen. Außerdem kann die EU öffentliche Erklärungen abgeben, in denen eine

Regierung oder andere Adressaten zur Achtung der Menschenrechte aufgerufen oder positive

Entwicklungen begrüßt werden. Sie werden gleichzeitig in Brüssel und in der Hauptstadt des

Landes, das den EU-Vorsitz innehat, veröffentlicht.

Demarchen und Erklärungen werden auf breiter Basis eingesetzt, um menschenrechtsbezogene

Anliegen vorzubringen. Am häufigsten betreffen sie den Schutz von Menschenrechtsverteidigern,

illegale Inhaftierung, gewaltsames Verschwinden von Personen, die Todesstrafe, Folter, den Schutz

von Kindern, Flüchtlinge und Asylbewerber, außergerichtliche Hinrichtungen, das Recht auf freie

Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit sowie das Recht auf einen gerechten Prozess und die

Abhaltung freier und fairer Wahlen. Demarchen und Erklärungen können aber auch im positiven

Sinne eingesetzt werden. Im Berichtszeitraum hat die EU eine Reihe von positiven Entwicklungen

in Erklärungen begrüßt, zum Beispiel die Wahlen in Afghanistan unter besonderer Hervorhebung

der Beteiligung von Frauen (18. September 2005), die Annahme der Resolution über die Einrich-

tung des Menschenrechtsrates (16. März 2006), die Abschaffung der Todesstrafe in den Philippinen

(26. Juni 2006) sowie die Verlängerung des Mandats des Amtes des Hohen Kommissars der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/5603

Vereinten Nationen für Menschenrechte in Kolumbien (26. Juni 2006). Erklärungen werden auch

zur Übermittlung einer Botschaft zur Unterstützung der EU-Prioritäten herangezogen; z.B. gab die

EU am Internationalen Tag der VN zur Unterstützung der Opfer der Folter eine Erklärung ab, in der

sie hervorhob, dass sie der weltweiten Abschaffung der Folter und anderer grausamer, unmensch-

licher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie der vollständigen Rehabilitation von

Folteropfern vorrangige Bedeutung beimisst. Im Rahmen der globalen Kampagne für die Freiheit

der Meinungsäußerung sind in allen Regionen der Welt Demarchen unternommen worden.

Im Berichtszeitraum hat die EU weiter weltweit Demarchen unternommen, um für die Menschen-

rechtsaspekte der VN-Reform und für das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs

(IStGH) um Unterstützung zu werben. Außerdem hat sie menschenrechtsbezogene Demarchen

unternommen, deren Adressaten unter anderem Algerien, Angola, Burundi, China, die

Demokratische Republik Kongo, Indonesien, Iran, Irak, Japan, Jemen, Kambodscha, Kuwait,

Libyen, Nepal, Pakistan, die Philippinen, Russland, Saudi-Arabien, Sudan, Trinidad und Tobago,

Uganda, Usbekistan, die Vereinigten Staaten von Amerika und Vietnam waren.

Die Union hat im selben Zeitraum Erklärungen im Zusammenhang mit Menschenrechtsfragen ins-

besondere zu folgenden Ländern abgegeben: Ägypten, Algerien, Belarus, Birma/Myanmar, China,

Demokratische Republik Kongo, Gambia, Iran, Irak, Jemen, Kambodscha, Kirgisistan, Kolumbien,

Kuba, Malediven, Mexiko, Nepal, Russland, Simbabwe, Syrien, Tadschikistan, Togo, Tunesien,

Türkei, Turkmenistan, Uganda, Usbekistan und Vereinigte Staaten von Amerika.

Drucksache 16/5603 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3.4. Menschenrechtsdialoge (einschließlich Leitlinien für Dialoge im Bereich der Menschen-
rechte) und Ad-hoc-Konsultationen

3.4.1. Menschenrechtsdialog mit China

Die EU und China führen seit nahezu elf Jahren Menschenrechtsdialoge auf der Grundlage der vom

Rat festgelegten Kriterien. Die Menschenrechtslage und die Frage, wie sich der Dialog auf diese

Lage auswirkt, waren im Oktober 2004 Gegenstand einer Bewertung durch den Rat; diese führte zu

Schlussfolgerungen des Rates und mündlichen Berichten an das Europäische Parlament und die

nichtstaatlichen Organisationen. Bei der Gesamtbewertung der Entwicklungen ergab sich ein

gemischtes Bild: In einigen Bereichen waren Fortschritte zu verzeichnen, während in anderen

weiterhin Anlass zu Besorgnis gegeben ist. Zum einen erkannte der Rat an, dass China im Laufe des

letzten Jahrzehnts erhebliche Fortschritte in seiner sozioökonomischen Entwicklung gemacht hat,

und er begrüßte die Schritte zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit; zugleich forderte er China nach-

drücklich auf, für die wirksame Umsetzung dieser Maßnahmen zu sorgen. Zum anderen äußerte

sich der Rat trotz dieser Entwicklungen besorgt über die fortgesetzte Verletzung von Menschen-

rechten, wozu Beschränkungen der Freiheit der Meinungsäußerung, der Religionsfreiheit sowie der

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und mangelnde Fortschritte in Bezug auf die Achtung der

Rechte von Minderheiten angehörenden Personen ebenso gehören wie die noch immer weit

verbreitete Anwendung der Todesstrafe und die Tatsache, dass weiterhin Folter praktiziert wird.

Insgesamt vertrat der Rat die Auffassung, dass der Dialog ein wertvolles Instrument und ein

wichtiger Bestandteil der Beziehungen zwischen der EU und China ist; er billigte Vorschläge für

eine Verbesserung des Dialogs und die den Dialog begleitenden Expertenseminare, die auf die

Förderung von greifbaren Ergebnissen vor Ort abzielen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/5603

Im Berichtszeitraum fanden zwei Dialoge und zwei Seminare statt. Dem 20. Dialog, der am

24. Oktober 2005 in Peking stattfand, ging ein Besuch der Troika in Xinjiang voraus. Die 21. Runde

fand am 25.-26. Mai 2006 in Wien statt. Die EU war durch die Troika der Gruppe "Menschen-

rechte" des Rates vertreten; diese wurde durch den Persönlichen Beauftragten des Hohen Vertreters

für Menschenrechte unterstützt. China war durch Beamte des Außenministeriums, unter anderem

den Sonderbeauftragten für Menschenrechte, sowie durch Beamte anderer Ministerien vertreten.

Beiden Tagungen ging ein Treffen auf politischer Ebene voran, bei dem die EU mehrere wichtige

Anliegen zur Sprache brachte, insbesondere die Freilassung der im Zusammenhang mit den Ereig-

nissen von 1989 auf dem Tienanmen-Platz inhaftierten Personen, die baldige Ratifizierung und

Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, die Reform des

Systems der Umerziehung durch Arbeit und die Notwendigkeit einer größeren Meinungsfreiheit,

einschließlich im Bereich des Internets.

Ein Hauptthema des Dialogs 2005 war die Religionsfreiheit. Im Mittelpunkt des Dialogs 2006 stand

die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere im Internet. Wie sie es immer zu tun pflegt, über-

gab die EU eine Liste mit bedenklichen Einzelfällen, zu denen China schriftlich Stellung nahm.

Gemäß den Kriterien wurden bei beiden Dialogen unter anderem folgende spezifische Anliegen zur

Sprache gebracht: Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte

und Durchführung der zu seiner Umsetzung erforderlichen Gesetzesreformen; Rechte ethnischer

Minderheiten in Tibet und Xinjiang; Abschaffung und Anwendung der Todesstrafe und die

Notwendigkeit, Statistiken über deren Einsatz zu erlangen; die Behauptung, dass bei hingerichteten

Gefangenen Organe zu Transplantationszwecken entnommen werden (2006 erstmals zur Sprache

gebracht); Reform des Systems der Umerziehung durch Arbeit und ähnlicher Institutionen, bei

denen keine gerichtliche Überprüfung stattfindet und die im Falle von Fehlverhalten Anwendung

finden; Verhinderung und Abschaffung von Folter und Rechte von Häftlingen; Unabhängigkeit der

Richter, Recht auf Hinzuziehung eines Rechtsbeistands und auf ein faires und unparteiisches

Verfahren;

Drucksache 16/5603 – 44 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Schutz der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung; Zusammenarbeit mit den VN,

insbesondere mit dem neu geschaffenen Menschenrechtsrat und im Rahmen von Sonderverfahren,

und mit dem Amt der Hohen Kommissarin der VN für Menschenrechte (OHCHR), dem Amt des

Hohen Flüchtlingskommissars der VN (UNHCR), dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz

(IKRK) und dem IStGH. Die EU forderte China ferner auf, gemäß seinen internationalen

Verpflichtungen den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung auf nordkoreanische Flüchtlinge in China

anzuwenden. Im Jahr 2005 wurde ferner dem Schutz der sozialen und wirtschaftlichen Rechte und

der Unabhängigkeit von NRO Aufmerksamkeit gewidmet.

Die chinesische Seite unterrichtete die EU über verschiedene abgeschlossene oder laufende

Gesetzesreformen, unter anderem die Überprüfung aller Todesurteile durch den Obersten Gerichts-

hof, die Schaffung eines Sondergerichts für Minderjährige, die Einführung von Regelungen über

Vernehmung und Inhaftierung und die Rechte von Häftlingen im Zusammenhang mit einer landes-

weiten Kampagne zur Verhinderung und Abschaffung von Folter, die geplante Reform des Systems

der Umerziehung durch Arbeit und die am 1. Juli 2006 in Kraft tretende neue Regelung betreffend

Organtransplantate. Ferner wurde über verschiedene neue Regelungen informiert, die unter anderem

Folgendes betreffen: Prozesskostenhilfe für unterstützungsbedürftige soziale Gruppen, Maßnahmen

zur Förderung demokratischer staatlicher Strukturen auf Dorfebene und neue Vorschriften auf dem

Gebiet des Strafverfahrensrechts. China berichtete ferner über die Fortschritte auf dem Weg zur

Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte.

Die chinesische Seite unterrichtete die EU über die Umsetzung der im Bericht des VN-Sonder-

berichterstatters über Folter enthaltenen Empfehlungen im Anschluss an dessen Besuch in China im

Jahre 2005 und über die Folgemaßnahmen nach dem Besuch der Hohen Kommissarin der VN für

Menschenrechte Louise Arbour. Auf Fragen zur Freiheit der Meinungsäußerung, zum Internet, zur

Religions- und Glaubensfreiheit, unter anderem auch zu Falun Gong, zur Vereinigungsfreiheit und

zur Rolle der NRO wurden die üblichen Antworten gegeben. China äußerte sich besorgt über

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der EU. Bei den Erörterungen über die Rechte von Minder-

heiten angehörenden Personen zeigte sich wenig Übereinstimmung. Bei ihrem Besuch in Xinjiang

traf die Troika mit Vertretern aus den unterschiedlichsten Bereichen, einschließlich Vertretern der

muslimischen Minderheit, zusammen, jedoch sah sich die EU dabei in ihren Besorgnissen weit-

gehend bestätigt. Die unterschiedlichen Ansichten wurden im Wege des Dialogs offen erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/5603

Die EU und die chinesischen Behörden haben zwei Menschenrechtsseminare im Rahmen des Dia-

logs veranstaltet, das eine am 12./13. Dezember 2005 in London und das andere am 22./23. Mai

2006 in Wien. Im Mittelpunkt des Seminars in London standen die Themen "Ratifizierung und

Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte - Artikel 14 und 9",

und insbesondere die Schritte, die China im Hinblick auf die Anpassung seiner Rechtsvorschriften

an diese Artikel empfohlen werden. Auf dem Seminar in Wien erörterten Wissenschaftler, Beamte

des EP, Vertreter des Nationalen Volkskongresses, Vertreter der Außenministerien der Mitglied-

staaten und verschiedener chinesischer Ministerien sowie Vertreter von NRO die "Umsetzung von

Empfehlungen internationaler Menschenrechtsmechanismen (Empfehlungen von Vertragsorganen

und besondere Verfahren) sowie Menschenrechtserziehung".

Über die Treffen im Rahmen des Menschenrechtsdialogs hinaus drängten die EU und ihre Mitglied-

staaten auf anderen Treffen mit China im Rahmen des politischen Dialogs, unter anderem auf

höchster Ebene, sowie im Rahmen der bilateralen technischen Zusammenarbeit und von Aus-

tauschprogrammen weiterhin auf konkrete Schritte zur Förderung der tatsächlichen Wahrnehmung

der Menschenrechte in China. Zwischen den Tagungen im Rahmen des Dialogs wurden Demarchen

in besonderen Fällen, die Anlass zur Besorgnis geben, unternommen. Allerdings kam es dadurch,

dass die chinesische Regierung nur in begrenztem Maße tätig wurde, bedauerlicherweise nur sehr

selten zu einer baldigen Freilassung und die Liste der bedenklichen Einzelfälle wurde im Laufe des

Jahres um weitere Namen ergänzt.

Im Rahmen des "Bern-Prozesses" steht die EU in regelmäßigem Kontakt mit anderen Ländern, die

einen Menschenrechtsdialog mit China führen.

Die 22. Runde des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China soll im Oktober 2006 in

Peking stattfinden. Weitere Einzelheiten zu China sind Kapitel 6.4 zu entnehmen.

Drucksache 16/5603 – 46 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3.4.2. Menschenrechtsdialog mit Iran

Menschenrechte sind ein wichtiger Bestandteil der Gesamtbeziehungen der EU zu Iran, wie dies

auch bei allen anderen Ländern der Fall ist. Der Menschenrechtsdialog, bei dem es sich um den

ersten handelte, der gemäß den EU-Leitlinien für Menschenrechtsdialoge aus dem Jahr 2001 aufge-

nommen wurde, ist eines der Instrumente der EU zur Förderung der Menschenrechte in diesem

Land. Obwohl in Iran im Menschenrechtsbereich noch viel zu tun bleibt, können durch die Pflege

von Kontakten zu Iran nach Ansicht der EU die Reformkräfte im Land unterstützt werden.

Seit 2002 hat die EU vier Tagungen mit Iran im Rahmen des Menschenrechtsdialogs abgehalten;

die letzte Tagung fand im Juni 2004 statt. Im Jahr 2004 wurde eine Bewertung des Dialogs durch-

geführt, die zu dem Ergebnis kam, dass seit seinem Beginn wenige bis gar keine Fortschritte in

Bezug auf die Zielvorstellungen der EU zu verzeichnen sind. Trotz des mangelnden iranischen

Engagements ist die EU weiterhin bereit, die Menschenrechte zu erörtern, auch im Rahmen des

Dialogprozesses. Die EU hält es für notwendig, dass von iranischer Seite eine erneute Zusage

eingeholt wird, die Achtung der Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit im Land zu fördern,

und dass die Modalitäten des Dialogs mit Blick auf eine gesteigerte Wirksamkeit angepasst werden.

Hinsichtlich des zuletzt genannten Punkts sind Verhandlungen im Gange.

Der Dialog basiert auf einer Reihe von gemeinsam vereinbarten Grundsätzen und auf konkreten

Kriterien; letztere beziehen sich auf jedes Gebiet, das der EU ein Anliegen ist, so auf die Unter-

zeichnung, Ratifizierung und Umsetzung internationaler Übereinkünfte im Bereich der Menschen-

rechte durch Iran, auf die Zusammenarbeit mit internationalen Verfahren, auf Offenheit, Zugang

und Transparenz sowie auf Verbesserungen in Bezug auf die bürgerlichen und politischen Rechte,

die Justiz, die Verhinderung und Abschaffung der Folter, das Strafrecht, Diskriminierungen und das

Strafvollzugswesen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/5603

Der weite Teilnehmerkreis dieser Dialoge umfasste unter anderem Vertreter der Regierung, der

Justiz, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft. Der Menschenrechtsdialog bietet der EU vor

allem die Möglichkeit, dem Iran gegenüber ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen, wobei auch

der Iran Gelegenheit hat, seine Anliegen vorzutragen. So hat die EU den Dialog in der

Vergangenheit dazu genutzt, Einzelfälle zur Sprache zu bringen, beispielsweise die Fälle von

Gefangenen aus Gewissensgründen; sie will dies auch bei der nächsten Dialogrunde wieder tun. Ein

wesentlicher Aspekt des Dialogs besteht darin, dass er Gelegenheit zur gegenseitigen Bewertung

und Überprüfung bietet.

Weitere Einzelheiten zu Iran siehe Kapitel 6.5.

3.4.3. Menschenrechtskonsultationen mit Russland

Auf dem Gipfeltreffen EU-Russland vom 25. November 2004 in Den Haag wurde dem Vorschlag

der EU folgend vereinbart, Konsultationen zu Menschenrechtsfragen abzuhalten. Die erste Runde

der Konsultationen hat am 1. März 2005 in Luxemburg, die zweite Runde am 8. September 2005 in

Brüssel und die dritte Runde am 3. März 2006 in Wien stattgefunden.

Bei diesen Konsultationen, die auf Ebene hoher Beamter geführt werden, sollen die Situation der

Menschenrechte und Grundfreiheiten in der EU und in Russland sowie internationale Menschen-

rechtsfragen auf offene und konstruktive Weise erörtert werden.

Die Erörterungen hatten die internationalen Verpflichtungen Russlands und die Zusammenarbeit in

VN-Menschenrechtsgremien, insbesondere die VN-Reform und die Zusammenarbeit mit VN-

Sondermechanismen, zum Gegenstand. In der Runde von März 2006 wurden die Maßnahmen im

Anschluss an den Besuch der Hohen Kommissarin der VN für Menschenrechte, Louise Arbour, in

Russland (Februar 2006) erörtert. Die Zusammenarbeit im Europarat, einschließlich der Umsetzung

von Beschlüssen und Empfehlungen des Europarats (unter anderem des Gil-Robles-Berichts, der

Urteile des EGMR, von Protokollen), und in der OSZE wurden ebenfalls behandelt.

Drucksache 16/5603 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU brachte besondere Bedenken angesichts der Menschenrechtssituation in Russland vor und

sprach dabei insbesondere die Lage in Tschetschenien, die Situation von Menschenrechts-

verteidigern einschließlich spezifischer Fälle, die Unabhängigkeit der Medien und die Freiheit der

Meinungsäußerung, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und den Schutz der Menschenrechte in den

Streitkräften sowie andere Fragen an. Bei den Konsultationen im März 2006 wurde ein besonderer

Schwerpunkt auf das Phänomen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gelegt; hierbei kam auch die

Situation der NRO nach Inkrafttreten des Gesetzes über NRO zur Sprache.

Die EU bezog die NRO eng in die Vorbereitungen für die Konsultationen ein und unterrichtete sie

über die Ergebnisse. Im Vorfeld der Konsultationen vom 3. März 2006 besuchten die Delegationen

der EU und Russlands die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremden-

feindlichkeit, deren Sitz sich in Wien befindet. Nähere Einzelheiten zu Russland siehe Kapitel 6.1.3.

3.4.4. Sonstige Menschenrechtsdialoge (Artikel 8 des Cotonou-Abkommens)

Eine der wesentlichen Änderungen, die durch das AKP-EU-Partnerschaftsabkommen (2000) einge-

führt worden sind, besteht in der Stärkung der politischen Dimension durch einen intensivierten

Dialog. Die wachsende Bedeutung der politischen Fragen in den Beziehungen zwischen der EU und

den AKP-Staaten kommt darin zum Ausdruck, dass dieser Dialog zu einem Hauptpfeiler der

Partnerschaft gemacht wurde. In Artikel 8 sind die wichtigsten, bei normaler Sachlage geltenden

Bestimmungen niedergelegt, jedoch sind in Artikel 96, 97 und 98 (ernste Verletzungen) weitere

Bestimmungen über den politischen Dialog vorgesehen. Das Abkommen trat am 1. April 2003 in

Kraft und der AKP-EG-Ministerrat billigte die Leitlinien für diesen Dialog im Mai 2003.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 49 – Drucksache 16/5603

Eines der Ziele des Dialogs ist die Förderung eines stabilen demokratischen Umfelds und zu den zu

erörternden Themen gehören die so genannten wesentlichen und grundlegenden Elemente des

Cotonou-Abkommens: Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, verantwortungsvolle

Staatsführung, Frieden und Sicherheit, geschlechtsspezifische Fragen, ethnische oder rassische

Diskriminierung, kulturelle Fragen. Die Zivilgesellschaft, nichtstaatliche Akteure und die

Opposition sollten soweit möglich in die Gespräche einbezogen werden, und der Prozess sollte

transparent und kontinuierlich sein.

Beispiele für Länder, in denen die Parteien einen Dialog auf der Grundlage von Artikel 8 eingeleitet

haben, sind Angola, Botsuana, Burkina Faso, Gabun, Ghana, Kenia, Kongo (Brazzaville),

Mauretanien, Mosambik, Nigeria, Senegal, Simbabwe, Südafrika, Swasiland und Uganda. Auch mit

regionalen Organisationen, wie beispielsweise der AU, der SADC und der ECOWAS, ist ein Dialog

zu führen.

3.5. Troika-Konsultationen zu Menschenrechtsfragen mit den Vereinigten Staaten, Kanada,
Japan, Neuseeland und den Bewerberländern

Troika-Konsultationen mit den Vereinigten Staaten

Die EU und die Vereinigten Staaten führten vor der Tagung des Dritten Ausschusses der

Generalversammlung der VN am 16. Oktober 2005 in Washington und am 16. Februar 2006 in

Brüssel Konsultationen zu Menschenrechtsfragen. Die Treffen wurden dazu genutzt, einander über

thematische und länderbezogene Prioritäten zu unterrichten und um Unterstützung für diese

Prioritäten zu werben sowie gemeinsame Ziele und Initiativen zu beschließen. Mit diesen

Konsultationen wurde die Grundlage für eine konstruktive und fruchtbare Zusammenarbeit im

Rahmen der VN-Generalversammlung geschaffen.

Drucksache 16/5603 – 50 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU und die Vereinigten Staaten erörterten die Menschenrechtslage in verschiedenen Ländern,

insbesondere jenen, die möglicherweise Gegenstand einer Resolution bilden, sowie ihre jeweilige

Politik gegenüber diesen Ländern. Sie unterrichteten einander über den Stand der Menschenrechts-

dialoge und -konsultationen mit Drittländern. Beide Seiten zeigten sich interessiert daran, beim

Eintreten für Menschenrechtsverteidiger zusammenzuarbeiten. Sie hatten ferner einen gründlichen

Meinungsaustausch über die Verhandlungen im Hinblick auf die Einrichtung des Menschenrechts-

rats.

Die Konsultationen boten eine gute Gelegenheit, um Unterschiede beim Ansatz zu erörtern. Die EU

brachte ihre Bedenken hinsichtlich der Todesstrafe zum Ausdruck; dabei bezog sie sich

hauptsächlich auf die Hinrichtung jugendlicher Straftäter und auf Fälle von geisteskranken

Menschen. Bei beiden Gelegenheiten wurde offen erörtert, wie sich die Maßnahmen zur Terroris-

musbekämpfung auf die internationalen Bemühungen um einen besseren Menschenrechtsschutz

auswirken; dabei kamen unter anderem auch die rechtliche Situation der Gefangenen in

Guantánamo Bay sowie das Thema Übergabe zur Sprache. Die EU ersuchte die Vereinigten

Staaten, dem Wunsch der VN-Sonderberichterstatter nach einem Besuch von Guantánamo Bay und

anderer Orte, an denen mutmaßliche Terroristen in Haft gehalten werden, zu entsprechen. Die

Vereinigten Staaten informierten über Guantánamo betreffende Verfahren, die vor Gerichten der

Vereinigten Staaten anhängig sind, und bekräftigten ihre Absicht, eine Antwort auf den Bericht des

VN-Sonderberichterstatters für Guantánamo zu formulieren. Sie brachten ihre Besorgnis angesichts

des Antisemitismus in Europa zum Ausdruck. Ferner baten sie die EU, die Community of

Democracies zu unterstützen.

Troika-Konsultationen mit Kanada

Die Menschenrechtskonsultationen mit Kanada haben vor der Tagung des Dritten Ausschusses am

17. Oktober 2005 in Washington und am 20. Februar 2006 in Brüssel stattgefunden. Im Mittelpunkt

stand dabei die Zusammenarbeit auf der Tagung des Dritten Ausschusses sowie die Einrichtung des

VN-Menschenrechtsrats.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/5603

Die EU und Kanada führten des Weiteren einen Gedankenaustausch über die Notwendigkeit, die

Koordinierung zwischen gleich gesinnten Ländern zu verbessern. Bei der Erörterung des Themas

Reform der VN hob Kanada hervor, dass die Menschenrechtsdimension im gesamten VN-System

durchgängig berücksichtigt werden müsse.

Troika-Konsultationen mit Japan

Die Menschenrechtskonsultationen zwischen der EU und Japan fanden im Oktober 2005 in New

York und im Juni 2006 in Genf statt. Japan hob hervor, dass es die Abstimmung mit der EU für sehr

wichtig erachte, und zeigte sich interessiert an Informationen über den Dialog der EU mit China

und die Konsultationen zwischen der EU und Russland.

Japan wies die EU darauf hin, dass sich einer Umfrage von 2004 zufolge mehr als 80 % seiner

Bevölkerung für die Beibehaltung der Todesstrafe aussprechen; angesichts dieses Umfrageergeb-

nisses zweifelte Japan am Erfolg einer Diskussion über die Abschaffung der Todesstrafe.

Troika-Konsultationen mit Neuseeland

Bei den Menschenrechtskonsultationen im März 2006 in Brüssel unterstrich Neuseeland seinen

Wunsch nach einem Ausbau der Zusammenarbeit mit der EU. Neuseeland hob hervor, dass sich

eine seiner Hauptinitiativen auf die Rechte des Kindes konzentriert.

Troika-Konsultationen mit den Bewerberländern

Der jährliche Gedankenaustausch hat am 8. März 2006 in Brüssel stattgefunden. Dabei unterrichtete

die EU die Bewerberländer Kroatien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und die

Türkei über ihre tatkräftige Unterstützung für die Einrichtung des Menschenrechtsrats und über

sonstige vorrangige Fragen im Menschenrechtsbereich und ersuchte sie um Unterstützung der EU-

Initiativen. Kroatien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und die Türkei

informierten die EU über ihre allgemeine Menschenrechtspolitik.

Drucksache 16/5603 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3.6. Menschenrechtsklauseln in Kooperationsabkommen mit Drittländern

Seit der Mitteilung der Kommission von 1995 über die Berücksichtigung der Wahrung der Grund-

sätze der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte in den Abkommen zwischen der

Gemeinschaft und Drittländern wurde in alle Abkommen mit Drittländern mit Ausnahme sektor-

spezifischer Abkommen und Abkommen mit Industrieländern eine Bestimmung als Standardklausel

aufgenommen, wonach die Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie ein

Schlüsselelement der Abkommen bildet. Nach dieser Klausel können als Reaktion auf schwer-

wiegende Verstöße gegen die Menschenrechte oder die Grundsätze der Demokratie Sanktionen

verhängt werden. Die wichtigste Funktion der Klausel besteht jedoch darin, der EU eine Grundlage

für ein positives Engagement bei Fragen im Zusammenhang mit den Menschenrechten und den

Grundsätzen der Demokratie zu verleihen. Zu diesem Zweck hat die Kommission Unterausschüsse

für Menschenrechte und Arbeitsgruppen mit einer Reihe von Ländern eingerichtet. Mit der ersten

Sitzung der Arbeitsgruppe für Menschenrechte und Minderheiten mit Israel im Juni 2006 wurde die

Einsetzung von Unterausschüssen für Menschenrechte für alle Länder, die unter die Europäische

Nachbarschaftspolitik fallen, fortgesetzt.

Im Februar 2006 nahm das EP eine Entschließung zu der Menschenrechts- und Demokratieklausel

in Abkommen der EU an, die sich auf einen Bericht des EP-Mitglieds Vittorio Agnoletto stützte. In

dieser Entschließung wurde unter anderem die Ausarbeitung eines neuen Wortlauts der

Menschenrechtsklausel gefordert, damit sie auf sämtliche neue Abkommen Anwendung finden und

das EP eine größere Rolle bei der Anwendung der Klausel spielen kann. Die Europäische

Kommission hat in ihrer Stellungnahme mehrere Maßnahmen zur Verbesserung der Anwendung

der Klausel umrissen; so könnten beispielsweise nach und nach Unterausschüsse für

Menschenrechte für mehr Drittländer eingerichtet werden und in den Mandaten der Leiter der

Delegationen der Kommission in Drittländern könnten die Menschenrechte mehr Bedeutung

erhalten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/5603

3.7. Im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte
finanzierte Maßnahmen

Die EIDHR ist ein Programm, das eigens zur Förderung von Menschenrechten, Demokratie und

Rechtsstaatlichkeit konzipiert wurde; dies soll vor allem durch die Zusammenarbeit mit

Organisationen der Zivilgesellschaft, jedoch auch mit einigen der wichtigsten internationalen

Organisationen erreicht werden. Es wird von der Europäischen Kommission verwaltet. In den

Jahren 2005 und 2006 beliefen sich die Programmmittel auf insgesamt über 251 Mio. EUR, was die

Finanzierung eines breiten Spektrums von Projekten in 68 Ländern ermöglichte, wobei mit vier

"Kampagnen" die vorrangigen Bereiche abgedeckt wurden: 1. Förderung der Gerechtigkeit und der

Rechtsstaatlichkeit, 2. Förderung einer Kultur der Menschenrechte, 3. Förderung des

demokratischen Prozesses und 4. Förderung von Gleichheit, Toleranz und Frieden.

Ende Juni 2006 wurden im Rahmen der EIDHR mehr als 1000 Projekte in der ganzen Welt unter-

stützt, die das gesamte Spektrum der in den Grundverordnungen und in dem Programmsplanungs-

dokument festgelegten Prioritäten umfassen. Die Tätigkeiten waren auf Länderebene, auf regionaler

Ebene oder auf weltweiter Ebene angesiedelt. Die Verwaltung der EIDHR-Projekte auf Länder-

ebene erfolgt nicht mehr zentral in Brüssel, sondern dezentral in den EG-Delegationen.

Ermittlung, Auswahl und Finanzierung von Projekten

Wie in früheren Jahren wurden neue Projekte weiterhin auf drei verschiedene Arten ausgewählt:

i) Durch internationale Ausschreibungen ermittelte Projekte

Zwecks größerer Klarheit und Transparenz der Programme wurden vier themenbezogene

"Kampagnen" festgelegt. Dementsprechend wurden im Dezember 2005 und im Januar 2006 vier

internationale Ausschreibungen durchgeführt. Dafür ist ein Betrag in Höhe von ca. 74,8 Mio. EUR

zur Verfügung gestellt worden. Die vier Ausschreibungen (oder "Kampagnen") zielten auf die

folgenden Prioritäten ab:

Drucksache 16/5603 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1. Förderung der Gerechtigkeit und der Rechtsstaatlichkeit:

Los 1: Das wirksame Funktionieren des IStGH und anderer internationaler Strafgerichtshöfe

einschließlich ihrer Interaktion mit nationalen Justizsystemen

Los 2: Die zunehmend restriktive Anwendung der Todesstrafe und ihre letztendliche weltweite

Abschaffung

Los 3: Unterstützung der Arbeit der internationalen Menschenrechtsmechanismen

2. Förderung einer Kultur der Menschenrechte

Los 1: Förderung der Rechte von ausgegrenzten oder besonders schutzbedürftigen Gruppen

Los 2: Verhütung von Folter13

Los 3: Rehabilitation von Folteropfern

3. Förderung des demokratischen Prozesses

Los 1: Unterstützung und Weiterentwicklung der demokratischen Wahlprozesse

Los 2: Stärkung der Grundlage des Dialogs mit der Zivilgesellschaft und des demokratischen

Denkens durch die Vereinigungsfreiheit

Los 3: Stärkung der Grundlage des Dialogs mit der Zivilgesellschaft und des demokratischen

Denkens durch die Freiheit der Meinungsäußerung

4. Förderung von Gleichheit, Toleranz und Frieden

Los 1: Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie Förderung der Rechte der

Angehörigen von Minderheiten14

Los 2: Förderung der Rechte der indigenen Völker15

13 Siehe auch Kapitel 4.2

14 Siehe Kapitel 4.15 und 4.17
15 Siehe Kapitel 4.18

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/5603

Die Kommission wird im Zeitraum zwischen Oktober und Dezember 2006 Zuschüsse für die

meisten der erfolgreichen Vorschläge gewähren.

ii) Durch länderspezifische Ausschreibungen ausgewählte Projekte

Für 2005/2006 wurde für Ausschreibungen der EG-Delegationen in 54 Ländern ein Betrag von

66 Millionen EUR zur Verfügung gestellt. Durch länderspezifische Ausschreibungen werden

Projekte ermittelt, für die eine geringere Bezuschussung – die sich auf Beträge zwischen 10 000 und

100 000 EUR beläuft – vorgesehen ist ("Mikroprojekte") und an denen sich in der Regel nur

Organisationen mit Sitz in dem betreffenden Land beteiligen dürfen. Auf diese Weise ist es

möglich, im Rahmen der EIDHR die lokale Zivilgesellschaft zu unterstützen und Prioritäten für die

einzelnen Länder, in denen Mikroprojekte durchgeführt werden, jeweils genau festzulegen. Im Jahr

2005 gewährten die EG-Delegationen 229 neue Projektzuschüsse für EIDHR-Mikroprojekte.

iii) Ohne Ausschreibung ausgewählte Projekte

Im Jahr 2005 wurden 17 Projekte ohne Ausschreibungsverfahren ausgewählt; hierfür stand ein

Betrag der EU in Höhe von 15, 59 Mio. EUR zur Verfügung. Bedeutende Zuschüsse erhielten das

Amt der Hohen Kommissarin für Menschenrechte, der Europarat, die OSZE und die internationalen

Strafgerichtshöfe. Ein zusätzlicher Sonderbetrag von 10 Mio. EUR wurde drei Menschenrechts-

projekten im Irak zugewiesen. Ein weiterer Betrag von 26 Mio. EUR wurde Wahlbeobachtungs-

missionen zugeteilt. Weitere Informationen zu den Wahlbeobachtungsmissionen finden sich in

Kapitel 4.10.

In Anlage I ist eine Liste der Projekte enthalten, die im Berichtzeitraum aus dem EIDHR-Budget

finanziert wurden.

Drucksache 16/5603 – 56 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Evaluierungen

In den Jahren 2005 und 2006 wurden zur EIDHR sechs Evaluierungen durchgeführt. Drei davon –

eine themenbezogene, eine regionale und eine methodologische Evaluierung – sind im Kontext

dieses Berichts von besonderer Relevanz.

Im Mittelpunkt dieser themenbezogenen Evaluierung standen die Relevanz und die Wirksamkeit

von EIDHR-Projekten zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie zur

Förderung der Rechte der Angehörigen von Minderheiten (mit Ausnahme der indigenen

Völker). Die Prüfer berichteten, dass bei den meisten der 17 ausgewählten Projekte substanzielle

Ergebnisse vorzuweisen seien, durch die sich das Leben der Opfer von Rassismus und Diskriminie-

rung zweifellos verbessert habe. Ferner seien mit dem EIDHR-Programm einige der am stärksten

benachteiligten Mitglieder von diskriminierten Gemeinschaften, die unter schwierigsten

Bedingungen leben, erreicht worden (nähere Einzelheiten siehe Kapitel 4.15. "Rassismus, Fremden-

feindlichkeit, Nichtdiskriminierung und Achtung der Vielfalt").

Die regionale Programmevaluierung in Südamerika (Programa Andino de derechos humanos y

democracia) bezog sich auf fünf länderbezogene Projekte und zwei regionale Projekte. Ziel war es,

den regionalen Ansatz des Programms insgesamt zu evaluieren und die Relevanz, Effizienz, Wirk-

samkeit, Auswirkung und Nachhaltigkeit der Projekte zu prüfen. Die Ziele des Programms waren

für die Menschenrechtssituation in den Andenstaaten relevant. Die Evaluierung ergab, dass der

regionale Ansatz des Programms teilweise verwirklicht wurde. Ferner wurde festgestellt, dass es

einer stärkeren lokalen Eigenverantwortung vom Zeitpunkt der Konzeption bis hin zur Umsetzung

und eines regionalen Koordinierungsgremiums für die Entwicklung des regionalen Charakters eines

Programms bedarf. Es wurde empfohlen, in dem jeweiligen Programm die Probleme der ganzen

Region zu behandeln, damit der regionale Ansatz des Programms seinen vollen Nutzen entfalten

kann. Nur dann können sich nennenswerte Möglichkeiten für produktive Synergien auf der Grund-

lage gemeinsamer Themen und Fragen ergeben.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 57 – Drucksache 16/5603

Ein Ziel der methodologischen Evaluierung Generating Impact Indicators - EIDHR bestand

darin, für die EIDHR Indikatoren auf Länderebene für jede ihrer vier wichtigsten "Kampagnen"

aufzustellen. Für jede "Kampagne" wurden Indikatoren zur Verbesserung der Beobachtung und

Messung der Projekt- und Programmergebnisse entwickelt. Dies hat dazu geführt, dass in die

EIDHR-Ausschreibungen (2005/2006) eine Auswahl von Indikatoren aufgenommen wurde; mit

diesen Indikatoren wird angegeben, welche Art von Ergebnissen die Kommission von den im

Rahmen der EIDHR finanzierten Projekten erwartet. Ein Leitfaden für Indikatoren für Entwick-

lungsprojekte ist nun auch auf der EIDHR-Website zugänglich.16

Das neue Instrument für Demokratie und Menschenrechte

Die Kommission hat Ende Juni 2006 ihren Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen

Parlaments und des Rates zur Einführung eines neuen gesonderten Finanzierungsinstruments für die

weltweite Förderung der Demokratie und der Menschenrechte (Europäisches Instrument für

Demokratie und Menschenrechte) vorgelegt. Dieses neue Instrument soll die Europäische Initiative

für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) ablösen, die sich auf zwei Verordnungen stützt,

deren Geltungsdauer Ende 2006 abläuft. Der Vorschlag ist Teil des Bündels von neuen

Finanzierungsinstrumenten für den Zeitraum 2007-2013; er soll gegen Ende 2006 erörtert und

angenommen werden.
16 http://ec.europa.eu/comm/europeaid/projects/eidhr/index_en.htm

Drucksache 16/5603 – 58 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3.8. Analyse der Wirksamkeit der Instrumente und Initiativen der EU

Die EU arbeitet entschlossen auf die durchgängige Berücksichtigung der Menschenrechte und

der Demokratisierung in den Strategien und Entscheidungen der EU hin, um eine besser fundierte,

glaubwürdigere, kohärentere, stimmigere und wirksamere EU-Menschenrechtspolitik zu erreichen.

Die EU beabsichtigt, das breite Spektrum der verfügbaren Informationsquellen besser zu nutzen

und die Folgemaßnahmen zu den eingeleiteten Maßnahmen, wie zum Beispiel Demarchen, zu

verbessern. Ein verbessertes Vorgehen im Anschluss an Menschenrechtsmaßnahmen wird der EU

dabei helfen, die Herausforderung zu bewältigen, Menschenrechtsfragen in verschiedenen Foren auf

kohärente Weise zu behandeln.

Die EU hat in dem Jahr eine bewusste Anstrengung zur Steigerung der Kohärenz unternommen,

indem sie ihr Instrumentarium für die Förderung der Menschenrechte besser organisiert hat. Die EU

hat sich die verschiedenen Mittel, die sie einsetzen kann (wie zum Beispiel Demarchen, Leitlinien,

Dialoge, Entwicklungszusammenarbeit usw.), stärker bewusst gemacht und hat versucht, auf einen

kohärenten und konsequenten Einsatz dieser Instrumente hinzuwirken. Die Einrichtung des Amts

des Persönlichen Beauftragten des Generalsekretärs/Hohen Vertreters für Menschenrechte ist ein

konkreter Beitrag zu diesen Bemühungen, der sich unter dem Blickwinkel der Förderung der durch-

gängigen Berücksichtigung der Menschenrechte und der Kontinuität als nützlich erwiesen hat.

Die Herausforderung der Kohärenz bleibt jedoch bestehen. Es sind immer noch Verbesserungen

möglich, damit Kohärenz und die durchgängige Einbeziehung der Menschenrechte zu einem umfas-

senden Instrument bei der Durchführung der Politik werden. Die EU ist eine komplizierte Struktur

und Fragen im Zusammenhang mit Zuständigkeiten und Funktionen der verschiedenen Akteure

müssen berücksichtigt werden. Dennoch ist die Übermittlung einer kohärenten Botschaft von aus-

schlaggebender Bedeutung für die Glaubwürdigkeit und die Erzielung von Ergebnissen bei der För-

derung der Menschenrechte vor Ort. Die Arbeit zur Förderung der Kohärenz muss kontinuierlich

fortgesetzt werden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 59 – Drucksache 16/5603

Angesichts besserer Möglichkeiten zur Einbeziehung der Menschenrechte in die Politik der Union

ist der Ruf nach Förderung verschiedener praktischer Instrumente (wie Handbücher, Checklisten,

Indikatoren usw.) für die durchgängige Berücksichtigung der Menschenrechte und für die politische

Kohärenz lauter geworden.

Bei den Bemühungen um einen optimalen Einsatz der verschiedenen Instrumente wurde unter ande-

rem versucht, ein Gleichgewicht zwischen Überzeugungsarbeit und entschiedenem Vorgehen

anzustreben sowie Instrumente auszuwählen, die Anreize und restriktive Maßnahmen beinhalten,

ein Umfeld zu schaffen, in dem Vertrauen herrscht, einen offenen Meinungsaustausch zu führen

und Unterstützung anzubieten, dabei aber auch unmissverständlich zu verstehen zu geben, wenn

eine rote Linie überschritten worden ist. Auch hier ist es wichtig für die EU, dass sichtbar wird, dass

sie bei ihren Maßnahmen gegenüber verschiedenen Ländern und Regionen jeweils dieselben Nor-

men anwendet.

Die während des Berichtszeitraums unternommenen Demarchen, zu denen Folgemaßnahmen ergrif-

fen wurden, haben, was die kurzfristige Wirkung angeht, zum Teil Erfolg und zum Teil geringere

oder keine Wirkung gezeigt. In vielen Fällen haben die EU-Maßnahmen direkten Einfluss gehabt,

da Regimekritiker freigelassen und Strafen gemildert wurden. Generell ist es nicht einfach, die Effi-

zienz des Handelns der EU im Bereich der Menschenrechte zu evaluieren, und es bedarf auch einer

langfristigeren Betrachtung. Zum Beispiel soll mit Demarchen zugunsten von zum Tode verurteil-

ten Personen selbstverständlich eine Änderung des Urteils im jeweiligen Einzelfall erreicht werden,

zugleich soll mit ihnen aber auch die Botschaft übermittelt werden, dass die EU generell für die

Abschaffung der Todesstrafe in allen Ländern eintritt, und so können sie auch auf längere Sicht zu

Ergebnissen führen.

Drucksache 16/5603 – 60 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Da es auf der Hand liegt, dass die EU nicht allein auf sich gestellt arbeiten kann, hat sie versucht,

die Kohärenz zwischen den Maßnahmen der EU auf bilateraler und multilateraler Ebene sowie auch

die Zusammenarbeit mit NRO und anderen Akteuren zu verbessern und gleichzeitig für mehr

Transparenz und Offenheit zu sorgen. Die ständige Interaktion mit Vertretern der Zivilgesell-

schaft ist bereits zu einem wichtigen Merkmal der EU-Menschenrechtspolitik geworden. Zum Bei-

spiel war die jährliche Forumsveranstaltung der EU und nichtstaatlicher Organisationen über Men-

schenrechte, die am 8./9. Dezember 2005 in London stattgefunden hat, eine erfolgreiche Veranstal-

tung, auf der Vertreter von nichtstaatlichen Organisationen, Wissenschaftler, einzelne Menschen-

rechtsverteidiger und Regierungsbeamte zusammenkamen.

4. THEMENBEREICHE

4.1. Todesstrafe

Die EU hat ihre Politik gegen die Todesstrafe im Berichtszeitraum weiter aktiv verfolgt. Sie lehnt

die Todesstrafe in allen Fällen ab und hält in ihren Beziehungen zu Drittländern systematisch an

diesem Standpunkt fest. Ihres Erachtens trägt die Abschaffung der Todesstrafe zur Förderung der

Menschenwürde und zur fortschreitenden Entwicklung der Menschenrechte bei.

Die (1998 angenommenen) Leitlinien für eine Unionspolitik gegenüber Drittländern betreffend die

Todesstrafe stellen die Grundlage für das Vorgehen der Union dar 17. Diese Leitlinien enthalten

Kriterien für Demarchen und legen Mindestnormen fest, die in Ländern, die an der Todesstrafe

festhalten, angewendet werden sollen. Die EU drängt ggf. auf Moratorien als ersten Schritt hin zur

Abschaffung der Todesstrafe.
17 http://ec.europa.eu/comm/external_relations/human_rights/adp/guide_en.htm

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/5603

Generelle Demarchen bestehen darin, dass die EU die Frage der Todesstrafe im Rahmen ihres Dia-

logs mit Drittländern zur Sprache bringt. Derartige Demarchen werden insbesondere dann unter-

nommen, wenn die Politik eines Landes hinsichtlich der Todesstrafe im Fluss ist, d.h. wenn ein

offizielles oder De-facto-Moratorium zur Todesstrafe voraussichtlich aufgehoben wird oder die

Todesstrafe per Gesetz wieder eingeführt werden soll. Eine Demarche oder die Abgabe einer

öffentlichen Erklärung kann auch dann erfolgen, wenn Länder Maßnahmen im Hinblick auf die

Abschaffung der Todesstrafe ergreifen. Einzeldemarchen kommen in konkreten Fällen zum Tragen,

wenn die EU von individuellen Todesurteilen Kenntnis erhält, die gegen die Mindestnormen ver-

stoßen. Diesen Normen zufolge darf die Todesstrafe u.a. nicht verhängt werden gegen Personen, die

zum Zeitpunkt der Begehung der Straftat noch keine 18 Jahre alt waren, gegen schwangere Frauen,

Mütter von Neugeborenen oder Menschen mit geistiger Behinderung sowie gegen Personen, denen

ein faires Gerichtsverfahren verwehrt geblieben ist.

Im Berichtszeitraum hat die EU die Frage der Todesstrafe im Allgemeinen gegenüber den Regie-

rungen der folgenden Länder zur Sprache gebracht: Belarus, China, Indonesien, Iran, Japan, Jorda-

nien, Kenia, Kirgisistan, Malawi, Papua Neu Guinea, Philippinen, Russland, Sierra Leone, Süd-

korea, Taiwan, Tadschikistan, Tansania und Uganda. Einzeldemarchen hat die EU in folgenden

Ländern unternommen: Afghanistan, Ägypten, Indonesien, Irak, Iran, Kuwait, Libyen, Nordkorea,

Pakistan, Palästinensische Behörde, Philippinen, Sudan, USA, Usbekistan, Saudi-Arabien und

Jemen.

Darüber hinaus hat die EU eine Reihe öffentlicher Erklärungen zur Todesstrafe auf weltweiter

Ebene abgegeben, darunter eine Erklärung vom 5. September 2005, in der sie die Vollstreckung der

Todesstrafe in Irak beklagt, eine Erklärung vom 10. Oktober 2005 anlässlich des internationalen

Tages gegen die Todesstrafe, eine Erklärung vom 2. Dezember 2005, in der sie ihr tiefes Bedauern

über die 1000. Vollstreckung seit Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA im Jahr 1976 zum

Ausdruck bringt, sowie Erklärungen vom 17. Januar und 26. Juni 2006, in denen sie die vollstän-

dige Abschaffung der Todesstrafe in Mexiko bzw. den Philippinen begrüßt.

Drucksache 16/5603 – 62 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nach dem Jahresbericht 2005 von Amnesty International wurden im Jahr 2005 weltweit mehr als

2.000 Menschen hingerichtet, und 5.186 Menschen in 53 Ländern wurden zum Tode verurteilt. Mit

Abstand die meisten dieser Hinrichtungen (mindestens 1.770) wurden in China vollzogen. An

zweiter Stelle stand Iran mit mindestens 94 Hinrichtungen, gefolgt von Saudi-Arabien mit mindes-

tens 86 und den USA mit 60 Hinrichtungen.

Die EU ist erfreut, dass 45 von 46 Mitgliedstaaten des Europarates das Protokoll Nr. 6 zur Europäi-

schen Menschenrechtskonvention über die Abschaffung der Todesstrafe ratifiziert haben. Mehr als

zehn Jahre nach dem Beitritt der Russischen Föderation zum Europarat steht deren Ratifizierung

des Protokolls Nr. 6 noch aus. Das Protokoll Nr. 13, welches die Todesstrafe unter allen Umstän-

den, auch in Kriegszeiten, verbietet, ist nunmehr von 36 Mitgliedstaaten, darunter 20 EU-Mitglie-

dern, ratifiziert worden. Weitere 7 Staaten haben das Protokoll unterzeichnet. Lediglich Armenien,

Aserbaidschan und Russland haben noch nicht unterzeichnet.

Unter den positiven Entwicklungen sei vermerkt, dass die folgenden Länder im Berichtszeitraum

die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft haben: Liberia, Mexiko und die Philippinen.

Usbekistans Präsident Karimov hat am 1. August 2005 eine Gesetzesverordnung unterzeichnet, der

zufolge die Todesstrafe mit Wirkung vom 1. Januar 2008 abgeschafft wird. In Kirgisistan wurde das

seit 1998 geltende Moratorium für Vollstreckungen am 29. Dezember 2005 um ein weiteres Jahr

verlängert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 63 – Drucksache 16/5603

DIE EUROPÄISCHE UNION BEGRÜSST DIE ABSCHAFFUNG DER TODESSTRAFE IN

DEN PHILIPPINEN

Abschaffung der Todesstrafe in den Philippinen

Im Jahr 1987 haben die Philippinen als erstes asiatisches Land die Todesstrafe für alle Straftaten

abgeschafft. 1993 hat der Kongress die Todesstrafe allerdings für 46 Straftatbestände wieder einge-

führt, und es wurden Todesurteile vollstreckt, bis im Jahr 2001 ein De-facto-Moratorium für Hin-

richtungen eingeführt wurde. Im April 2006 wandelte Präsidentin Arroyo alle Todesurteile in

lebenslange Haftstrafen um, und am 6. Juni verabschiedete der Kongress ein Gesetz zur Abschaf-

fung der Todesstrafe, das am 24. Juni 2006 von Präsidentin Arroyo unterzeichnet wurde.

Die Rolle der Europäischen Union

Entsprechend den EU-Leitlinien zur Todesstrafe hat die Europäische Union die Bemühungen der

Gesetzgeber, Behörden und Aktivisten der Zivilgesellschaft um die Abschaffung der Todesstrafe

auf den Philippinen aktiv unterstützt, unter anderem durch generelle Demarchen und Einzel-

demarchen, Sensibilisierungsmaßnahmen und die Unterstützung der Gegner der Todesstrafe. Im

Dezember 2005 hat die Europäische Union gemeinsam mit der Menschenrechtskommission in

Cebu, Davao und Manila eine Reihe von "Menschenrechtsdialogen zur Todesstrafe und opfer-

orientierten Justiz" veranstaltet. Dabei wurde versucht, den Ansatz der opferorientierten Justiz

stärker in den Mittelpunkt zu rücken und für die bedingungslose und sofortige Abschaffung der

Todesstrafe auf den Philippinen einzutreten. Ferner hat die Europäische Kommission finanzielle

Unterstützung für Tätigkeiten von Nichtregierungsorganisationen und Hochschulen geleistet, die

auf die Förderung einer Sensibilisierungskampagne sowie spezifischer Projekte abzielen (z.B.

eines Programms für kriminaltechnische DNS-Analysen an der Universität der Philippinen, einer

Kampagne einer philippinischen NRO gegen die Todesstrafe, der Free Legal Assistance Group

(FLAG). Die Europäische Union hat ferner zahlreiche förmliche Demarchen in Troika-Zusammen-

setzung sowie informelle Demarchen gegenüber dem Außenministerium der Philippinien unter-

nommen.

Drucksache 16/5603 – 64 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Erklärung des Vorsitzes im Namen der Europäischen Union zur vollständigen Abschaffung

der Todesstrafe in den Philippinen

"Die Europäische Union begrüßt die Unterzeichnung des Rechtsakts zur Abschaffung der Todes-

strafe in den Philippinen am 24. Juni 2006 durch Präsidentin Arroyo. Die Europäische Union hofft

sehr, dass diese Entscheidung andere Länder in der Region darin bestärken wird, diesem Beispiel

zu folgen.

Die Europäische Union ist der Ansicht, dass die Menschenwürde durch die Abschaffung der

Todesstrafe einen höheren Stellenwert erhält und den Menschenrechten zunehmend mehr Geltung

verschafft wird. Sie bekräftigt noch einmal ihr Ziel, auf die weltweite Abschaffung der Todesstrafe

hinzuarbeiten.

Die Europäische Union hofft auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Philippinen zur Förde-

rung unseres gemeinsamen Ziels, der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe.

Die Beitrittsländer Bulgarien und Rumänien, die Bewerberländer Türkei und Kroatien* und die

ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien*, die Länder des Stabilisierungs- und Assoziie-

rungsprozesses und potenziellen Bewerberländer Albanien, Bosnien und Herzegowina sowie

Serbien und die dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörenden EFTA-Länder Island, Liechten-

stein und Norwegen sowie die Ukraine und die Republik Moldau schließen sich dieser Erklärung

an."

* Kroatien und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien nehmen weiterhin am

Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess teil.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/5603

4.2. Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder
Strafe

Im Einklang mit den vom Rat im April 2001 angenommenen EU-Leitlinien betreffend Folter 18 hat

die EU ihre Bemühungen zur Bekämpfung der Folter mit Initiativen in internationalen Gremien, mit

bilateralen Demarchen in Drittländern und mit umfangreicher Unterstützung von Einzelprojekten

fortgesetzt.

Auf der 60. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen hat Dänemark Resolutions-

entwürfe gegen Folter eingebracht, die einvernehmlich verabschiedet und von allen EU-Mitglied-

staaten mitgetragen wurden 19. In Erklärungen auf der VN-Generalversammlung hat die EU erneut

auf das absolute Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender

Behandlung oder Strafe im Völkerrecht hingewiesen und insbesondere ihre Besorgnis angesichts

der Anwendung von Folter in verschiedenen Ländern und Regionen zum Ausdruck gebracht.

Vertreter der EU haben auf der 35. und der 36. Tagung des VN-Ausschusses gegen Folter

(7.-25. November 2005; 1.-19. Mai 2006) in Kommentaren und Berichten zur Prüfung von

Berichten über Drittländer Stellung genommen 20. In ihrer Jahreserklärung anlässlich des

Internationalen Tages der Vereinten Nationen zur Unterstützung von Folteropfern (26. Juni 2006)

hat die EU insbesondere begrüßt, dass das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter

(OPCAT), mit dem ein ergänzendes System für nationale und internationale Inspektionsbesuche in

Hafteinrichtungen geschaffen werden soll, am 22. Juni 2006 in Kraft getreten ist. Dies ist ein

Meilenstein auf dem Weg zu einem wirksamen und innovativen Präventionsmechanismus auf

weltweiter Ebene. Bislang wurde das Protokoll von 51 Staaten unterzeichnet und von 21 Staaten

ratifiziert; davon erfolgten 17 Unterzeichnungen und 7 Ratifizierungen durch EU-

Mitgliedstaaten 21.

18 http://www.europa.eu.int/comm/external_relations/human_rights/torture/guideline_de.pdf
19 Resolution 60/148 der VN-Generalversammlung; Erklärung zum Inkrafttreten des

Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche
oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, VN-Menschenrechtsrat, Juni 2006.

20 Siehe http://www.ohchr.org/english/bodies/cat/cats35.htm und

http://www.ohchr.org/english/bodies/cat/cats36.htm

21 Siehe http://www.ohchr.org/english/law/cat-one.htm

Drucksache 16/5603 – 66 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Einklang mit den EU-Leitlinien betreffend Folter hat die EU ferner weiterhin im Wege des poli-

tischen Dialogs und mittels Demarchen aktiv ihre Besorgnis gegenüber Drittländern hinsichtlich der

Folter zum Ausdruck gebracht. Bei derartigen Kontakten wurden sowohl Einzelfälle als auch gene-

relle Fragen angesprochen. Im Berichtszeitraum hat die EU ihre Einzelfallpolitik weiterverfolgt.

Auf der Grundlage einer Ende 2004 vorgenommenen gründlichen Prüfung der Umsetzung der Leit-

linien verfolgt die EU ein Programm, bei dem sie das Thema Folter allen Ländern gegenüber

systematisch zur Sprache bringt, unter anderem im Rahmen von vier Serien von Demarchen gegen-

über rund 60 Ländern weltweit (siehe nachstehende Liste). Im Mittelpunkt standen dabei bislang

Länder, die das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter 22 noch nicht ratifiziert

haben, Länder, deren erste Berichte an den Ausschuss des Übereinkommens noch ausstehen, sowie

Länder, die den Ersuchen des VN-Sonderberichterstatters für Folter um Besuchserlaubnis nicht

nachgekommen sind. Der Hauptzweck der Demarchen besteht jedoch darin, länderspezifische

Probleme und Einzelfälle im Zusammenhang mit Folter aufzuzeigen und zu erörtern. Im laufenden

Berichtszeitraum sind bei der Umsetzung der EU-Leitlinien betreffend Folter echte Fortschritte

erzielt worden.

Wo hat die EU Demarchen betreffend Folter und Misshandlung unternommen?

Afghanistan, Ägypten, Algerien, Andorra, Antigua und Barbuda, Äquatorialguinea, Äthiopien,

Bahamas, Bangladesch, Barbados, Belarus, Botsuana, Brunei Darussalam, Burma, Burundi,

Cookinseln, Dominikanische Republik, Demokratische Volksrepublik Korea, Fidschi, Gambia,

Ghana, Guinea, Guyana, Indien, Indonesien, Iran, Israel, Jamaika, Kap Verde, Kiribati, Komoren,

Laos, Libanon, Lesotho, Madagaskar, Malaysia, Marshallinseln, Mosambik, Nauru, Neuseeland,

Nicaragua, Niger, Nigeria, Oman, Pakistan, Palau, Ruanda, Salomonen, Samoa, San Marino,

São Tomé und Príncipe, Saudi-Arabien, Seychelles, Singapur, Somalia, Sudan, Suriname,

St. Kitts und Nevis, St. Lucia, Tadschikistan, Thailand, Tonga, Trinidad und Tobago, Tschad,

Tuvalu, Usbekistan und Vanuatu.

22 Unterzeichner des Übereinkommens: 74, Parteien: 141. Siehe http://www.ohchr.org/english/law/cat.htm

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/5603

Um den fundierten Dialog zu erleichtern, hat die EU ein System zur regelmäßigen vertraulichen

Berichterstattung über Menschenrechte einschließlich Folter über ihre Missionsleiter in Drittländern

eingeführt und den Missionsleitern eine Checkliste zur Verfügung gestellt, die eine solide Grund-

lage dafür bietet, diese Frage im Rahmen des politischen Dialogs anzusprechen.

Welchen Inhalts sind die EU-Demarchen betreffend Folter?

Gemeinsame Elemente aller EU-Demarchen:
� In den auf der 60. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen und auf der

61. Tagung der VN-Menschenrechtskommission im Jahr 2005 angenommenen Resolutionen
zu Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder
Strafe [beigefügt; auszuhändigen] hat die internationale Gemeinschaft erneut alle Formen
von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder
Strafe scharf verurteilt; von derartigen Vorgehensweisen ist unter allen Umständen abzu-
sehen. Die EU teilt diese Auffassung uneingeschränkt. Die Resolutionen wurden einver-
nehmlich angenommen.

� Die Verhinderung und Abschaffung aller Formen von Folter und anderer grausamer,
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ist eine der Prioritäten der EU.
Die Haltung der EU ist in ihren Leitlinien betreffend Folter dargelegt [beigefügt; auszuhän-
digen].
Ggf. im Fall der Staaten, die auf die Ersuchen des Sonderberichterstatters um Besuchs-
erlaubnis nicht eingegangen sind: Die EU unterstützt mit Nachdruck die Bemühungen des
für das Thema Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Strafe zuständigen VN-Sonderberichterstatters um die Verhinderung und Abschaffung
der Folter. In diesem Sinne haben alle EU-Staaten im Rahmen aller VN-Sonderverfahren
ständige Einladungen ausgesprochen, so auch gegenüber dem Sonderberichterstatter für
Folter. Die EU stellt fest, dass der Sonderberichterstatter um Gelegenheit zu einem Informa-
tionsbesuch in Staat x ersucht hat. In Anbetracht der Bedeutung derartiger Besuche für die
Verhinderung der Folter unterstützt die EU dieses Ersuchen nachdrücklich und legt Staat x
nahe, darauf einzugehen.

Drucksache 16/5603 – 68 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

� Die EU und ihre Mitgliedstaaten unterstützen die internationalen und regionalen Instrumente
zum Schutz gegen Folter, einschließlich des VN-Übereinkommens gegen Folter, und sind
diesen beigetreten. Das Übereinkommen sieht im Fall der Länder, die nicht Parteien des
VN-Übereinkommens sind, globale Maßnahmen vor, mit denen die Freiheit verteidigt werden
soll, und in den Resolutionen werden alle Staaten, die dem Übereinkommen noch nicht bei-
getreten sind, dringend aufgefordert, dies als prioritäre Maßnahme nachzuholen. Die EU ist
daher besorgt darüber, dass Staat x das Übereinkommen noch nicht ratifiziert hat/dem Über-
einkommen noch nicht beigetreten ist. Sie ersucht die zuständigen Behörden von Staat x
dringend, dies ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass das Übereinkommen nur auf Vorkommnisse Anwendung findet, die nach der Ratifizie-
rung/dem Beitritt eintreten. Kein Vertragsstaat hat sich im Rahmen des Übereinkommens für
vergangene Vorkommnisse zu rechtfertigen.

� Ggf.: Die EU begrüßt, dass Staat x das VN-Übereinkommen gegen Folter ratifiziert hat, und

misst dessen Umsetzung große Bedeutung bei. Gemäß Artikel 19 des Übereinkommens

legen alle Staaten, die dieses ratifiziert haben, dem VN-Ausschuss gegen Folter innerhalb

eines Jahres nach Inkrafttreten des Übereinkommens für den betreffenden Staat Berichte über

die Maßnahmen vor, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen

getroffen haben. Ferner sind die Vertragsstaaten gehalten, danach alle vier Jahre ergänzende

Berichte über alle weiteren Maßnahmen vorzulegen. Die EU ist besorgt darüber, dass der

erste Bericht von x lange überfällig ist. Nach Auffassung der EU ist die Erfüllung dieser

Berichtspflicht eine zentrale Verpflichtung im Rahmen des Übereinkommens, und sie

ersucht x, dem VN-Ausschuss gegen Folter als prioritäre Maßnahme seinen/ihren Bericht

vorzulegen.

� Ggf.: Diesbezüglich möchte die EU auch darauf hinweisen, dass der Hohe Kommissar der

Vereinten Nationen für Menschenrechte in der Resolution der VN-Generalversammlung

gegen Folter aufgefordert wird, auf Ersuchen der Regierungen weiterhin Beratungsdienste

zur Verhinderung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender

Behandlung oder Strafe bereitzustellen, unter anderem im Hinblick auf die Ausarbeitung der

nationalen Berichte für den Ausschuss gegen Folter.

� Ggf. im Fall der Staaten, die dem VN-Übereinkommen beigetreten sind: Die EU ersucht

Staat x ferner, die in den Artikeln 21 und 22 des VN-Übereinkommens betreffend Mitteilun-

gen über andere Vertragsstaaten und Einzelpersonen vorgesehenen Erklärungen abzugeben.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/5603

� Ggf. im Fall der Staaten, die dem VN-Übereinkommen beigetreten sind: Die EU ersucht

Staat x ferner, sich um eine rasche Unterzeichnung und Ratifizierung des Fakultativproto-

kolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedri-

gende Behandlung oder Strafe zu bemühen, das darauf abzielt, Folter durch die Über-

wachung von Hafteinrichtungen zu verhindern, anstatt erst im Nachhinein auf Vorfälle zu

reagieren.

� Die EU bekämpft Folter weltweit. Dabei nehmen keine einzelnen Länder oder Länder-

gruppen eine Sonderstellung ein.

Die Rolle des Handels mit bestimmten, zu Folterzwecken verwendeten Gütern wird von der EU mit

besonderer Sorge betrachtet und ist Gegenstand eines Berichts des VN-Sonderberichterstatters für

Folter 23. Aufgrund der EU-Leitlinien ist die EU verpflichtet, die Herstellung und die Verwendung

von Ausrüstungsgegenständen, die zum Zwecke der Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher

oder erniedrigender Behandlung oder Strafe bestimmt sind, sowie den Handel mit solchen Gegen-

ständen zu verhindern. Nunmehr wurden erhebliche Fortschritte zur Einhaltung dieser Verpflich-

tung erzielt. Die EU hat am 27. Juni 2005 eine Verordnung betreffend den Handel mit bestimmten

Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder zu Folter verwendet werden könnten 24 (im

Folgenden "die Verordnung") angenommen, die die Aus- und Einfuhr von Gütern verbietet, deren

einziger Verwendungszweck die Vollstreckung der Todesstrafe oder der Vollzug von Folter oder

anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ist. Die Ausfuhr

von Gütern, die für solche Zwecke verwendet werden könnten, unterliegt im Übrigen der Genehmi-

gung durch die Behörden der EU-Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten sind gehalten, Jahresberichte

über ihre Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verordnung zu veröffentlichen. Nach ihrem

Inkrafttreten am 30. Juli 2006 wird diese Verordnung einen wichtigen Beitrag zu den Bemühungen

der EU um die Verhinderung und Abschaffung von Folter und Misshandlung in Drittländern dar-

stellen und auch dazu beitragen, den weltweiten Kampf gegen die Folter zu stärken. Die EU hofft,

dass andere Staaten ähnliche Rechtsvorschriften einführen werden.

23 Einzusehen unter: http://www.ohchr.org/english/issues/torture/rapporteur/index.htm
24 ABl. L 200 vom 30. Juli 2005: Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 des Rates vom 27. Juni 2005

betreffend den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu

Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder
Strafe verwendet werden könnten.

Drucksache 16/5603 – 70 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Verhinderung der Folter und die Rehabilitierung der Folteropfer ist eine Hauptpriorität für die

Bereitstellung von Mitteln im Rahmen der EIDHR. Im Rahmen der EIDHR-Kampagne "Förderung

einer Kultur der Menschenrechte" wurden 2005/2006 22,6 Mio. EUR zur Unterstützung von

Projekten der Zivilgesellschaft in diesem Bereich zugesagt, womit die EIDHR zu einer der weltweit

wichtigsten Quellen für die Finanzierung einschlägiger Maßnahmen geworden ist. Die Themen-

bereiche, für die Unterstützung gewährt werden soll, sollen die EU-Politik verstärken: z.B. Sensibi-

lisierung für das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter, Nachforschungen über die

Lieferung von Foltertechnologie und Unterstützung für die Rehabilitierung der Opfer. Das lang-

fristige Engagement der EU für die Bekämpfung von Folter und Misshandlung bleibt auch im Rah-

men des künftigen europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte (2007-2013)

bestehen. Weitere Einzelheiten zur EIDHR finden sich in Kapitel 3.7.

Siehe auch Kapitel 4.8 "Menschenrechte und Terrorismus".

4.3. Rechte des Kindes (einschließlich Kinder und bewaffnete Konflikte)

Die Rechte des Kindes gehören zu den Menschenrechten, zu deren Einhaltung sich die EU und die

Mitgliedstaaten durch europäische und internationale Verträge, insbesondere das VN-Überein-

kommen über die Rechte des Kindes und die dazugehörigen Fakultativprotokolle, sowie die

Millennium-Entwicklungsziele und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte

(EMRK) verpflichtet haben. Die EU hat die Kinderrechte in der Europäischen Charta der Grund-

rechte, namentlich in Artikel 24, ausdrücklich anerkannt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/5603

Entwicklungen bei den internen Maßnahmen

In ihrer Mitteilung "Strategische Ziele 2005–2009" bezeichnet die Kommission die Rechte des

Kindes als ein vorrangiges Anliegen. Vor diesem Hintergrund beschloss die Gruppe der für Grund-

rechte, Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit zuständigen Kommissionsmitglieder im

April 2005 eine besondere Initiative mit Blick auf die weitere Förderung, den Schutz und die

Berücksichtigung der Rechte des Kindes bei den internen und externen Maßnahmen der EU. Auf

den Weg gebracht wurde diese Initiative durch die Vorlage einer Mitteilung der Kommission im

Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie. Die Ausarbeitung dieser Mitteilung, in deren Rahmen

mehrere Konsultationsrunden mit externen Partnern wie der UNICEF, dem Europarat und auf dem

Gebiet der Kinderrechte tätigen Nichtregierungsorganisationen stattfanden, war im Juni 2006 abge-

schlossen, und die Mitteilung wurde am 4. Juli 2006 veröffentlicht.

Mit dieser Mitteilung leitet die Kommission die Vorbereitungen zu einer Langzeitstrategie ein, mit

der sichergestellt werden soll, dass die Maßnahmen der EU auf die aktive Förderung und den

aktiven Schutz der Kinderrechte ausgerichtet werden; gleichzeitig sollten die einschlägigen

Anstrengungen der Mitgliedstaaten unterstützt werden. In der Mitteilung entwickelt die Kommis-

sion erstmals einen breit angelegten Ansatz in Bezug auf die Rechte des Kindes, indem sie ein

Maßnahmenspektrum abdeckt, das von Entwicklungszusammenarbeit und Beschäftigung bis hin zu

Gesundheit und Bildung reicht.

Die EU-Strategie umfasst sieben spezifische Zielsetzungen: Ausschöpfung der laufenden Maßnah-

men, durchgängige Berücksichtigung der Kinderrechte in den Maßnahmen und Programmen der

Kommission, Ermittlung künftiger Prioritäten und Einleitung eines breit angelegten Konsultations-

prozesses im Hinblick auf die Konzipierung einer langfristigen Strategie auf dem Gebiet der Kin-

derrechte, Förderung der Kinderrechte in den Außenbeziehungen (z.B. im Rahmen der Vereinten

Nationen), Schaffung von Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Kommunikation über Kinder-

rechte, Ausbau der Kapazitäten auf dem Gebiet der Kinderrechte und Einrichtung wirksamer

Drucksache 16/5603 – 72 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Koordinierungs- und Konsultationsverfahren. Im Zusammenhang mit letzterem Ziel wird die

Kommission ein Europäisches Forum für die Rechte des Kindes als Plattform für den Austausch

einrichten, eine formelle dienststellenübergreifende Gruppe einsetzen (die an die Stelle der bisheri-

gen informellen Gruppe tritt) und einen Koordinator für Kinderrechte benennen, um die Zusam-

menarbeit zwischen den Dienststellen zu erleichtern und die Kommunikation über Kinderrechte zu

verbessern.

Das Thema Kinderarmut, die sich von Generation zu Generation fortsetzt, ist im Rahmen des

Prozesses der Union für soziale Eingliederung und der offenen Koordinierungsmethode im Bereich

Armut und soziale Ausgrenzung immer stärker in den Vordergrund gerückt. Das Ziel dieses Prozes-

ses besteht darin, die soziale Ausgrenzung unter Kindern zu beseitigen und Kindern die größtmög-

lichen Chancen für soziale Eingliederung einzuräumen. Die meisten Mitgliedstaaten haben somit

der Bekämpfung der Kinderarmut in ihren nationalen Aktionsplänen und Umsetzungsberichten

Priorität eingeräumt.

In der im Dezember 2005 vorgelegten Mitteilung über den neuen Rahmen für Maßnahmen in den

Bereichen soziale Eingliederung und Sozialschutz innerhalb der EU wird die Kinderarmut als eine

der obersten Prioritäten herausgestellt, auf die die Mitgliedstaaten ihre Bemühungen konzentrieren

sollten. Auf der Frühjahrstagung 2006 des Europäischen Rates ersuchten die Staats- und Regie-

rungschefs die Mitgliedstaaten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Kinderarmut rasch

in erheblichem Maße zu verringern und damit allen Kindern unabhängig von ihrer sozialen Her-

kunft die gleichen Chancen zu bieten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/5603

Zu den weiteren Entwicklungen bei den internen Maßnahmen im Berichtszeitraum gehört die Vor-

lage der Mitteilung der Kommission "Eine gemeinsame Integrationsagenda" 25 über Drittstaats-

angehörige in der EU, in der die Notwendigkeit hervorgehoben wird, jungen Migranten und Kin-

dern aus Migrantenfamilien besondere Aufmerksamkeit zu widmen, unter anderem um sicher-

zustellen, dass sie in vollem Umfang vom Bildungssystem profitieren können. Ferner hatten die

Mitgliedstaaten im Berichtszeitraum zwei wichtige Richtlinien umzusetzen: die Richtlinie über die

Familienzusammenführung 26, in der die Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Familien-

zusammenführung für Ehegatten und minderjährige Kinder festgelegt werden, und die Richtlinie

über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige 27, der zufolge nach Gewährung des

Rechts auf langfristigen Aufenthalt durch einen Mitgliedstaat die Kinder des Aufenthaltsberech-

tigten insbesondere im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung in den Genuss der glei-

chen Behandlung wie Inländer kommen müssen.

Die Kommission hat eine Richtlinie über gemeinsame Normen und Verfahren zur Rückführung

illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger 28 vorgeschlagen, die zahlreiche Bestimmungen für den

Schutz von Kindern enthält. So haben die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Rückfüh-

rungsprogrammen grundsätzlich insbesondere "das Wohl des Kindes" im Auge zu behalten.

Nach dem Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen 29 ist insbeson-

dere dafür Sorge zu tragen, dass Minderjährige das Staatsgebiet nicht gegen den Willen des/der

Sorgeberechtigten verlassen. Im Rahmen des Schengener Informationssystems (SIS) sind Aus-

schreibungen von Vermissten vorgesehen, wobei besonderes Augenmerk auf Minderjährige gelegt

wird.

25 KOM(2005) 389 endg. vom 1.9.2005.
26 Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.9.2003.
27 Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25.11.2003.
28 KOM(2005) 391 endg. vom 1.9.2005.

29 Verordnung (EG) Nr. 562/2006 vom 15.3.2006.

Drucksache 16/5603 – 74 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Kommission befasst sich mit den potentiellen Gefahren, die von neuen Technologien wie

Mobilfunkdiensten für Kinder ausgehen. Im Juni hat sie ein Konsultationsdokument zum Thema

Sicherheit von Kindern und Mobilfunkdienste 30 vorgelegt, um Reaktionen zu diesem Thema zu

sammeln und zu ermitteln, ob auf EU-Ebene neue Maßnahmen in diesem Bereich getroffen werden

müssen. Die Kommission hat ein mit 45 Mio. EUR ausgestattetes Programm ("Mehr Sicherheit im

Internet - 2005-2008" 31) ausgearbeitet, das auf einem früheren Programm "Sicheres Internet" 32

(1999-2004) aufbaut. Eines der Programmziele besteht darin, Kinder vor sexueller Ausbeutung im

Internet zu schützen.

Am 18. Oktober 2005 hat die Kommission die Mitteilung "Bekämpfung des Menschenhandels – ein

integriertes Vorgehen und Vorschläge für einen Aktionsplan" 33 angenommen. In dieser Mitteilung

wird besonderes Augenmerk auf den Kinderhandel gelegt. Als Folgemaßnahme zu dieser Mittei-

lung hat der Rat am 1. Dezember 2005 einen EU-Aktionsplan gegen den Menschenhandel 34 ange-

nommen. (Weitere Einzelheiten zum Thema Menschenhandel finden sich in Kapitel 4.6.)

30 Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen "Sicherheit von Kindern und
Mobilfunkdienste",
http://europa.eu.int/information_society/activities/sip/si_forum/mobile_2005/index_en.htm

31 Beschluss Nr. 854/2005/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005
über ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm zur Förderung der sichereren Nutzung des
Internet und neuer Online-Technologien (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 1).

32 Über das ursprüngliche, mit 38,3 Mio. EUR ausgestattete Programm "Sicheres Internet"
wurden über 80 Projekte mit folgenden Zielen finanziert: Schaffung eines sichereren Umfelds
über ein europäisches Meldestellennetz für die Meldung illegaler Inhalte. Förderung von
Selbstregulierung und Verhaltenskodizes; Entwicklung von Filter- und
Kennzeichnungssystemen und Förderung von Sensibilisierungskampagnen.

33 KOM(2005) 514 endg.
34 EU-Plan über bewährte Vorgehensweisen, Normen und Verfahren zur Bekämpfung und
Verhütung des Menschenhandels (ABl. C 311 vom 9.12.2005).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/5603

Im Bereich des Familienrechts war die Kommission über die EU-Grenzen hinaus tätig, insbeson-

dere im Rahmen der Partnerschaft Europa-Mittelmeer und der Europäischen Nachbarschaftspolitik

(ENP). Im Rahmen der Partnerschaft Europa-Mittelmeer wurde das Thema Sorgerecht mit besonde-

rem Augenmerk auf die Kindesentführung aufgegriffen, und das auf fünf Jahre angelegte Arbeits-

programm, das auf der Euromed-Ministertagung im November 2005 eingeleitet wurde, hat unter

anderem zum Ziel, praktische Lösungen für Familienkonflikte anzubieten. Dieses Ziel wird über ein

Regionalprogramm (2007-2010) umgesetzt. Im Rahmen der ENP setzt sich die Kommission aktiv

für die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich des Familienrechts ein, indem sie insbesondere ver-

sucht, zu Lösungen für Familienstreitigkeiten in Sorgerechtsfragen beizutragen.

Kinderrechte und Erweiterung

Eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der EU ist, dass das Bewerberland institutionelle

Stabilität erreicht hat, die der Garant für die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Wah-

rung der Menschenrechte und die Achtung und den Schutz von Minderheiten ist. Die Rechte des

Kindes gehören zu den Menschenrechten, die ein Bewerberland als integralen Bestandteil der

gemeinsamen europäischen Werte nach Artikel 6 des EU-Vertrags wahren muss.

Die Kommission hat in ihren regelmäßigen Berichten über die Fortschritte der Bewerberländer auf

dem Weg zum Beitritt, die sich auf alle verfügbaren Informationsquellen wie z.B. die von den Ver-

einten Nationen und anderen internationalen Organisationen sowie von Nichtregierungsorganisatio-

nen vorgelegten Berichte stützen, Anliegen zur Sprache gebracht wie Armut, Ausgrenzung, soziale

Stigmatisierung und Diskriminierung von Roma-Kindern und -Jugendlichen, Kinder in Betreuungs-

einrichtungen, Kinderhandel, Missbrauch des internationalen Adoptionssystems und Kinderarbeit.

Drucksache 16/5603 – 76 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Was ferner die Finanzhilfe betrifft, so hat die Kommission stets Projekten einen hohen Stellenwert

eingeräumt, die auf eine Verbesserung der Lage und der Rechte von Kindern in den Bewerber-

ländern abzielen, insbesondere in den Bereichen Kinderbetreuung, Bildung oder besondere Unter-

stützung benachteiligter Gruppen wie der Roma. In den vergangenen Jahren wurde über ein Drittel

des Gesamtbetrags der PHARE-Mittel für die Roma-Gemeinschaften (nahezu 100 Mio. EUR) für

die Verbesserung der Bildungssituation bereitgestellt. Ende 2000 wurde in Rumänien ein mit insge-

samt 59,5 Mio. EUR ausgestattetes mehrjähriges PHARE-Programm eingeleitet, um die Bemühun-

gen der rumänischen Regierung um eine Reform des Kinderschutzes zu unterstützen und die

Schließung veralteter Großanstalten für die Kinderbetreuung und deren Ersetzung durch alternative

Kinderschutzdienste zu finanzieren. Seither wurden beträchtliche Fortschritte erzielt: Rund 90

Großanstalten wurden geschlossen und durch mehr als 300 alternative Kinderschutzeinrichtungen

ersetzt. Flankierend zu diesem Programm wurde eine groß angelegte Sensibilisierungskampagne

durchgeführt. Auch der Türkei wurde Heranführungshilfe für die Beseitigung der schlimmsten

Formen der Kinderarbeit gewährt.

Entwicklungen bei den externen Maßnahmen

Die EU hat sich verstärkt um die Umsetzung der EU-Leitlinien zu Kindern und bewaffneten

Konflikten vom Dezember 2003 bemüht. Aus den Leitlinien ergibt sich für die EU die Verpflich-

tung, den kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Kinder unter

anderem durch Beobachtung und Berichterstattung durch Missionsleiter, militärische Befehlshaber

und Sonderbeauftragte der EU sowie durch Demarchen, politischen Dialog, multilaterale Zusam-

menarbeit und Krisenbewältigungsoperationen Rechnung zu tragen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/5603

Die EU hat in verschiedenen Foren ihre Besorgnis angesichts der Beteiligung von Kindern an

bewaffneten Konflikten zum Ausdruck gebracht und das Thema in mehreren Erklärungen

behandelt. Die Troika hat Demarchen gegenüber Burundi, Uganda, Kolumbien, Côte d’Ivoire, der

DRK, Liberia, Nepal und Sudan unternommen. Das Thema wurde auch in Ausbildungsmaßnahmen

im Zusammenhang mit der ESVP und der Krisenbewältigung einbezogen. Die Belange der Kinder

sind seit mehreren Jahren eine Priorität im Rahmen der EU-Politik für humanitäre Hilfe. Wie

jedoch in der im November 2005 vorgelegten Überprüfung deutlich gemacht wird, müssen weitere

Anstrengungen unternommen werden, um das Potential der Leitlinien voll auszuschöpfen. Infolge-

dessen billigte der Rat im Dezember 2005 eine Reihe von Empfehlungen, und die Liste der vorran-

gigen Länder wurde überarbeitet. Auf dieser Liste stehen nun auch Afghanistan, Birma, Burundi,

Kolumbien, Côte d’Ivoire, die DRK, Liberia, Nepal, die Philippinen, Somalia, Sri Lanka, Sudan

und Uganda.

Am 7. April 2006 legte der Rat eine auf die Resolution 1612 des VN-Sicherheitsrates gestützte

Strategie für die Umsetzung der Leitlinien vor 35. Es wurde eine Taskforce gebildet, die sich aus

Vertretern des Vorsitzes, der Kommission und des Ratssekretariats zusammensetzt und mit der

Überwachung der Umsetzung beauftragt ist. Den Kommissionsdelegationen in den betreffenden

Ländern sowie den Missionsleitern der EU-Mitgliedstaaten wurde ein Orientierungsvermerk zuge-

leitet. Die EU-Sonderbeauftragen erhielten besondere Instruktionen zu dem Thema, und am 2. Juni

2006 wurde eine Checkliste für die Einbeziehung des Schutzes der von bewaffneten Konflikten

betroffenen Kinder in die ESVP-Operationen herausgegeben 36. Die Missionschefs der

EU-Mitgliedstaaten wurden gebeten, gegebenenfalls über das Thema Kinder und bewaffnete Kon-

flikte Bericht zu erstatten.

Im Rahmen der EIDHR veröffentlichte die Kommission Anfang 2006 eine Aufforderung zur Ein-

reichung von Vorschlägen für die Finanzierung von Projekten, die auf die Bekämpfung des Frauen-

und Kinderhandels abzielen und das Anliegen verfolgen, die Rechte schutzbedürftiger Gruppen in

bewaffneten Konflikten und insbesondere die Kinderrechte zu schützen. (Weitere Einzelheiten zur

EIDHR finden sich in Kapitel 3.6.)

35 Dok. 8285/1/06 REV 1.

36 Dok. 9767/06.

Drucksache 16/5603 – 78 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EIDHR und die Rechte des Kindes

Im Rahmen der EIDHR wird der Förderung und dem Schutz der Kinderrechte besondere Aufmerk-

samkeit gewidmet. In den vergangenen Jahren wurden Mittel bereitgestellt für die soziale Wieder-

eingliederung ehemaliger Kindersoldaten in Angola, Äthiopien und Sierra Leone, die Bekämpfung

des Kinderhandels in Westafrika und die Bekämpfung der kommerziellen sexuellen Ausbeutung

von Kindern im Fremdenverkehr sowie die Beseitigung des Phänomens der Genitalverstümmelung

von Frauen und Mädchen.

Im Rahmen der EIDHR werden derzeit mehrere einschlägige Aktionen finanziert:

� "Durchgängige Berücksichtigung der Kinderrechte und Förderung der Gewaltlosigkeit – ein

subregionales Projekt für palästinensische Kinder", Projekt in den besetzten palästinensi-

schen Gebieten, Syrien, Libanon und Jordanien, das in Zusammenarbeit mit UNICEF durch-

geführt wird (970.000 EUR);

� "Geburtenregistrierung", Projekt in Bangladesch, das in Zusammenarbeit mit UNICEF

durchgeführt wird (990.000 EUR);

� "Reform des Kinderschutzes", Projekt in Aserbaidschan, das in Zusammenarbeit mit

UNICEF durchgeführt wird (350.000 EUR);

� "Einsetzung eines Beauftragten für Kinderrechte in Kasachstan", Projekt, das in Zusammen-

arbeit mit UNICEF durchgeführt wird (399.700 EUR);

� "Integration und Beteiligung Minderjähriger und junger Erwachsener in Serbien und

Albanien", Projekt, das in Zusammenarbeit mit CCFK durchgeführt wird (389.260 EUR);

� "Innovative Instrumente für die Abschaffung der Genitalverstümmelung von Frauen und

Mädchen", Projekt, das in Kenia in Zusammenarbeit mit AIDOS durchgeführt wird

(304.986 EUR);

� "Zentrum für die Förderung der Rechte des Kindes", Projekt, das in Sudan in Zusammen-

arbeit mit "Enfants du Monde-Droits de l’Homme" durchgeführt wird (480.000 EUR).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79 – Drucksache 16/5603

Die EU setzt sich im Rahmen der Vereinten Nationen aktiv für die Förderung der Rechte des

Kindes ein. Auf der 60. Tagung der VN-Generalversammlung legte sie eine Resolution zu den

Kinderrechten (60/231) als Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und

einigen Ländern Lateinamerikas und der Karibik vor. In dieser Resolution wird unter anderem auf

die besondere Schutzlosigkeit HIV-infizierter Kinder hingewiesen. Auf der 60. Tagung der Gene-

ralversammlung hat die EU ferner eine gesonderte Resolution zu Mädchen unterstützt.

Am 25. Januar 2006 hat die Kommission sieben Mitteilungen zu thematischen Programmen im

Rahmen der künftigen Finanziellen Vorausschau (2007-2013) angenommen, darunter das themati-

sche Programm für die weltweite Förderung der Demokratie und der Menschenrechte. Die Rechte

des Kindes werden in dieses Programm als ein Thema aufgenommen, das bei allen Interventionen

durchgängig zu berücksichtigen ist.

Die Kommission hat im Juli 2004 eine strategische Partnerschaft mit der IAO unterzeichnet, bei der

die Verhinderung der Kinderarbeit eine der Prioritäten ist. In diesem Zusammenhang hat sich die

Kommission 2005 mit AKP-Partnern auf ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Kinderarbeit

im Rahmen des Internationalen Programms zur Abschaffung der Kinderarbeit

(IAO-IPEC-Programm) verständigt. Im Mittelpunkt dieses mit insgesamt 15 Mio. EUR ausge-

statteten Aktionsprogramms stehen der Aufbau von Kapazitäten, gezielte Interventionen und der

Rechtsrahmen für die Befreiung von Kindern von Kinderarbeit zugunsten der schulischen Grund-

ausbildung.

Drucksache 16/5603 – 80 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Bildungspolitik der EU ist fester Bestandteil der von der Völkergemeinschaft eingegangenen

Bildungsverpflichtungen, wie sie in den Millennium-Entwicklungszielen und den Zielen gemäß der

Weltdeklaration "Bildung für alle" (EFA) definiert sind, und hat die allgemeine Grundbildung und

die Gleichstellung der Geschlechter zum Schwerpunkt. Insgesamt wurden im Zeitraum 2002 bis

2005 im Jahresdurchschnitt schätzungsweise 260 Mio. EUR für Bildung bereitgestellt. Der weitaus

größte Teil dieser Mittel dient der allgemeinen Grundbildung für Kinder. Die Kommission berät

derzeit ferner mit den EU-Mitgliedstaaten und den AKP-Partnerländern über eine Unterstützung

(63 Mio. EUR) für die Initiative zur beschleunigten Finanzierung von Maßnahmen im Bereich der

allgemeinen Grundbildung in verschiedenen AKP-Staaten.

Im März 2002 hat die Kommission eine Mitteilung über "Gesundheit und Armutsbekämpfung" vor-

gelegt, in der ein Rahmen für EG-Maßnahmen zugunsten von Investitionen in die Bereiche

Gesundheit und AIDS-Vorbeugung abgesteckt wird; eines der darin genannten vier Ziele betrifft

den Schutz der Bedürftigsten – darunter der in Armut lebenden Kinder. Der überwiegende Teil der

EG-Unterstützung für den Gesundheitssektor hat sich zu einem sektorumfassenden Konzept

gewandelt, bei dem die Gesundheit von Kindern eine Priorität darstellt.

Durch HIV/AIDS infizierte Waisen und bedürftige Kinder sind einem erhöhten Risiko einer Verlet-

zung der Menschenrechte ausgesetzt. Die Kommission hat durchschnittlich über 150 Mio. EUR (für

den Zeitraum 2003 bis 2006) jährlich eingeplant, um das HIV/AIDS-Problem in den Entwick-

lungsländern durch Unterstützung für Länderprogramme, globale Initiativen, nichtstaatliche Orga-

nisationen und Forschung anzugehen.

Die EU tritt mit konkreten Maßnahmen über unterschiedliche Instrumente für die Förderung der

sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte junger Menschen ein. So leistet die Kommis-

sion beispielsweise in einer Reihe von Ländern finanzielle Hilfe im Zusammenhang mit Indikatoren

für die Verhütungsrate, Fälle von HIV in der Altersgruppe der 15- bis 24-jährigen oder auch quali-

fizierte Geburtshilfe. Auf weltweiter Ebene ist im Rahmen einer gesonderten Haushaltslinie für

sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte der Schwerpunkt auf Jugendliche gelegt worden,

so z.B. bei Projekten in Malawi und Simbabwe.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81 – Drucksache 16/5603

Die EU arbeitet auch mit dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen mit dem Ziel zusammen,

die nationalen Kapazitäten in 23 AKP-Ländern zur Gewährleistung der Verfügbarkeit, der Nutzung

und der Qualität von Diensten und Einrichtungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven

Gesundheit zu steigern. Die Unterstützung der Kommission (20 Mio. EUR) ist in erster Linie für

junge Menschen bestimmt und zielt darauf ab, das Bewusstsein für Fragen der sexuellen und repro-

duktiven Gesundheit und der damit verbundenen Risiken zu schärfen, die Nutzung der diesbezüg-

lichen Dienste zu steigern und die Qualität und geografische Streuung dieser Dienste zu verbessern.

Die Kommission plant, einen weiteren Beitrag in Höhe von 15 Mio. EUR zum Bevölkerungsfonds

der Vereinten Nationen mit dem Ziel zu leisten, die Krise im Bereich der Bereitstellung von und des

Zugangs zu Einrichtungen für die reproduktive Gesundheit abzumildern. Darunter fällt die Unter-

stützung für AKP-Länder innerhalb des Zeitrahmens des 9. EEF (2003 bis 2007). Für ALAMED-

Länder (Asien, Lateinamerika, Europa-Mittelmeer-Partnerschaft) schwanken die Planungszeiträume

zwischen 2002-2004 und 2002-2006.

Im Berichtszeitraum hat die Kommission ein breites Spektrum an Maßnahmen im Zusammenhang

mit den Rechten und Bedürfnissen der Kinder in Entwicklungsländern eingeleitet. So hat die Kom-

mission zusätzliche Programme auf Länderebene aufgestellt, z.B. zur Bekämpfung des Kindesmiss-

brauchs (u.a. in Südafrika), zur Verbesserung der Jugendgerichtsbarkeit (u.a. in Kamerun), zur Ver-

besserung der Geburtenregistrierung (u.a. in Bangladesch) und zur Förderung des Sozialschutzes

von HIV-Infizierten (u.a. in Lesotho und Swasiland). Die Umsetzung der vor dem Berichtszeitraum

eingeleiteten Projekte wurde fortgesetzt, so z.B. in Ägypten, Moldau, Pakistan und Brasilien.

Nach der Annahme des Europäischen Konsenses über die Entwicklungspolitik im Dezember 2005,

bei dem der Schwerpunkt auf die Lage arbeitender Kinder (einschließlich der schlimmsten Formen

der Kinderarbeit) gelegt wurde, hat die Kommission spezifische Folgestrategien für Afrika, Latein-

amerika und die Karibik ausgearbeitet, in denen sich ihr Eintreten für den Schutz von Kindern vor

Armut, Marginalisierung und Missbrauch widerspiegelt.

Drucksache 16/5603 – 82 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4.4. Menschenrechtsverteidiger

Im Berichtszeitraum hat die EU ihre globalen Bemühungen mit dem Ziel, Menschenrechtsverteidi-

gern Schutz und Beistand zu gewähren, fortgesetzt und intensiviert. Im Einklang mit den im Juni

2004 angenommenen EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern wurden Fragen

im Zusammenhang mit der Einbeziehung von Menschenrechtsverteidigern in die einschlägigen

Politiken und Maßnahmen der EU behandelt, und es sind mehrere proaktive Schritte unternommen

worden, um die konkrete Umsetzung der Leitlinien voranzubringen und die Kenntnis der Leitlinien

zu verbessern. Eine Bilanz der bisherigen Fortschritte bei der Umsetzung der Leitlinien diente als

Grundlage für die Formulierung von Empfehlungen für weitere Schritte in Richtung auf die voll-

ständige und wirksame Umsetzung der Leitlinien.

Die EU unterstrich die Bedeutung des Mandats der Sonderbeauftragten des VN-Generalsekretärs

für Menschenrechtsverteidiger sowie deren zentrale Rolle bei der Umsetzung der VN-Erklärung zu

den Menschenrechtsverteidigern und der Verbesserung des Schutzes von Menschenrechtsvertei-

digern weltweit. Die EU hat die Sonderbeauftragte umfassend unterstützt und die enge Zusammen-

arbeit mit dieser so wichtigen Instanz fortgesetzt. Die von der Sonderbeauftragten in ihrem sechsten

und abschließenden Bericht im Januar 2006 ausgesprochenen Empfehlungen wurden bei der Über-

prüfung der Umsetzung der EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern berück-

sichtigt.

Im Zusammenhang mit dem neuen Menschenrechtsrat, der im März 2006 an die Stelle der VN-

Menschenrechtskommission getreten ist, hat die EU betont, wie wichtig es ist, dass Menschen-

rechtsverteidiger und Nichtregierungsorganisationen von Beginn an Zugang zu diesem Rat haben

und sich aktiv an seinen Arbeiten beteiligen können.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 83 – Drucksache 16/5603

Im zweiten Halbjahr 2005 wurde eine Lobbyingkampagne der EU-Missionsleiter zugunsten von

Menschenrechtsverteidigern in allen Teilen der Welt durchgeführt, die aufgrund der Ausübung ihres

Rechts auf freie Meinungsäußerung leiden. Die Kampagne zugunsten der Meinungsfreiheit hat

erneut gezeigt, wie entschlossen die EU für dieses Grundrecht eintritt, das eine Grundvoraussetzung

für die Wahrnehmung vieler Menschenrechte ist und dazu beiträgt, dass effektive demokratische

Systeme entstehen können und Bestand haben. Aus der Durchführung der Kampagne konnte eine

Reihe nützlicher Lehren gezogen werden, so z.B. in Bezug auf die Sensibilisierung für die EU-

Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern, die Außenwirkung und Art der getroffenen

Maßnahmen und die Nutzung der Erfahrung von Experten vor Ort sowie des Fachwissens der

betroffenen Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsverteidiger.

Spezifische Zielländer

Kampagne für die Meinungsfreiheit

Ägypten, Algerien, Angola, Aserbaidschan, Äthiopien, Bangladesch, Belarus, China, Cuba, Demo-

kratische Volksrepublik Korea, Ecuador, Eritrea, Georgien, Guatemala, Indien, Indonesien, Kolum-

bien, Liberia, Libyen, Nepal, Peru, Philippinen, Russische Föderation, Saudi-Arabien, Sierra Leone,

Simbabwe, Sudan, Swasiland, Tadschikistan, Tschad, Tunesien, Turkmenistan, Usbekistan, Vene-

zuela, Vietnam

Im Rahmen des siebten jährlichen EU/NRO-Forums zu Menschenrechtsfragen, das vom EU-Vor-

sitz am 8. und 9. Dezember 2005 in London veranstaltet wurde, stand im Mittelpunkt eines der vier

Seminare die Frage der bisherigen Umsetzung der EU-Leitlinien; Grundlage für die Beratungen

bildete eine von Amnesty International durchgeführte Bewertung der EU-Aktion in Angola, der

Demokratischen Republik Kongo, Guatemala, der Russischen Föderation und Simbabwe. Als

Drucksache 16/5603 – 84 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ergebnis der Beratungen wurden Empfehlungen formuliert, wie die Wirksamkeit der Maßnahmen

der EU zugunsten von Menschenrechtsverteidigern verbessert werden kann. Es wurde insbesondere

die Notwendigkeit herausgestellt, die Bediensteten der EU-Organe, der zuständigen Ministerien der

Mitgliedstaaten und der diplomatischen Vertretungen stärker zu sensibilisieren,

Menschenrechtsverteidiger stärker in den von der EU und ihren Mitgliedstaaten geführten poli-

tischen und Menschenrechtsdialog mit Drittländern einzubinden und die Überwachung und Bewer-

tung sowohl der Lage der Menschenrechtsverteidiger als auch der Umsetzung der EU-Leitlinien zu

verbessern. Ferner wurde die EU ersucht, größeres Augenmerk auf die Wirksamkeit des öffentli-

chen Vorgehens zu legen und Systeme und Verfahren zu entwickeln, mit denen die Leitlinien durch

Maßnahmen zugunsten von Menschenrechtsverteidigern auf kohärentere und konsequentere Weise

umgesetzt werden können.

Im Nachgang zur Kampagne für die Meinungsfreiheit stellt die EU nun das gesamte Jahr 2006 über

die Lage von Frauen als Menschenrechtsverteidigern in den Vordergrund. Mit einer entsprechenden

globalen Kampagne soll das Eintreten der diplomatischen Vertretungen der EU für diese Frauen

ausgeweitet und gestärkt werden, wobei deren spezifische Schutzbedürfnisse herausgestellt und ent-

sprechende Maßnahmen der EU eingeleitet werden. Die Missionsleiter arbeiten mit einer repräsen-

tativen Auswahl Menschenrechtsverteidigerinnen in Fragen der Menschenrechte der Frau sowie der

Menschenrechte im Allgemeinen zusammen. Behandelt werden dabei die Förderung und der Schutz

bürgerlicher und politischer Rechte sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte und die

Rechte von Angehörigen bestimmter Gruppen wie der indigenen Gemeinschaften. Die Missions-

leiter sind angehalten, Empfehlungen für Maßnahmen zugunsten einzelner Menschenrechts-

verteidiger – Frauen wie Männer – auszusprechen, wo und wann immer dies erforderlich ist.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 85 – Drucksache 16/5603

Ziele der Kampagne 2006 für Menschenrechtsverteidigerinnen

x Gewährleistung, dass Frauen gleichermaßen das Recht zur Verteidigung der Menschenrechte

sowie alle anderen Rechte ausüben können, die ihnen durch die VN-Erklärung zu Menschen-

rechtsverteidigern sowie alle weiteren internationalen Menschenrechtsinstrumente übertragen

werden;

x Auseinandersetzung mit den spezifischen Risiken, denen Menschenrechtsverteidigerinnen

bei der Menschenrechtsarbeit ausgesetzt sind;

x Sensibilisierung für die spezifischen Schutzbedürfnisse von Menschenrechtsverteidigerinnen;

x Unterstützung beim Aufbau und bei der Stärkung von Netzen von Menschenrechtsverteidi-

gerinnen;

x dem Beitrag der Frauen zum Aufbau und zur Stärkung einer Menschenrechtskultur zu

Anerkennung, öffentlicher Aufmerksamkeit und Unterstützung verhelfen.

Bei der Kampagne für Menschenrechtsverteidigerinnen stehen die Länder im Vordergrund, in

denen nach Auffassung der EU prioritär gehandelt werden muss. Dazu gehören Drittländer, in

denen die VN-Sonderbeauftragte für Menschenrechtsverteidiger im Jahr 2005 Fälle von Menschen-

rechtsverteidigerinnen dokumentiert hat, Länder, die trotz wiederholter Aufforderungen keine Ein-

ladung an die Sonderbeauftragte ausgesprochen haben, Länder, die auf einschlägige Mitteilungen

nicht geantwortet haben, Länder, in denen im Rahmen der Kampagne für die Meinungsfreiheit

(2005) Fälle von Menschenrechtsverteidigerinnen aufgegriffen wurden, sowie Länder in und nach

Konfliktsituationen.

Drucksache 16/5603 – 86 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Länder für prioritäre Maßnahmen der EU

Kampagne für Menschenrechtsverteidigerinnen

Afghanistan, Ägypten, Albanien, Algerien, Angola, Äquatorialguinea, Aserbaidschan, Bahrain,

Bangladesch, Belarus, Brasilien, Burundi, Chile, China, Côte d'Ivoire, Demokratische Republik

Kongo, Ecuador, Guatemala, Honduras, Indien, Indonesien, Iran, Irak, Israel/besetzte palästinen-

sische Gebiete, Kolumbien, Jamaika, Libanon, Liberia, Libyen, Kasachstan, Kenia, Kirgisistan,

Malediven, Malaysia, Mexiko, Mongolei, Montenegro, Marokko, Mosambik, Birma/Myanmar,

Nepal, Nigeria, Pakistan, Paraguay, Peru, Philippinen, Russische Föderation, Sambia, Serbien,

Simbabwe, Singapur, Sierra Leone, Sri Lanka, Thailand, Tschad, Tunesien, Türkei, Turkmenistan,

Uganda, Usbekistan, Venezuela, Vietnam

In der ersten Jahrshälfte 2006 wurde die Umsetzung der EU-Leitlinien zu Menschenrechtsvertei-

digern einer gründlichen Prüfung unterzogen. Als Grundlage für die zusammenfassende Untersu-

chung und die Empfehlungen, die der Rat im Juni 2006 gebilligt hat, dienten Beiträge der Mitglied-

staaten und der Kommission und die Antworten der EU-Missionsleiter in 79 Ländern sowie ein

Gedankenaustausch mit internationalen NRO, insbesondere mit Amnesty International, Peace

Brigades International und der Beobachtungsstelle zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern. Im

Mittelpunkt der Empfehlungen stehen die folgenden Anliegen: Sensibilisierung und Schulung der

EU-Akteure, die verstärkte Informationsarbeit nach außen, um die Leitlinien und die Maßnahmen

der EU zu deren Umsetzung besser bekannt zu machen, verstärkte Koordinierung und Informati-

onsaustausch unter den EU-Missionen und wirksame Unterstützung und Schutz von Menschen-

rechtsverteidigern.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 87 – Drucksache 16/5603

In den Empfehlungen wird hervorgehoben, dass die EU anstrebt, die Menschenrechtsverteidiger

bestmöglich zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund werden die EU-Missionen angehalten, ihr

Vorgehen an das örtliche Umfeld und die spezifischen Herausforderungen anzupassen, die dieses

Umfeld für die Menschenrechtsverteidiger mit sich bringen kann. Grundsätzlich sollten die Men-

schenrechtsverteidiger dazu gehört werden, auf welcher Ebene sie Kontakte unterhalten möchten

und ob es ratsam ist, die einschlägigen Tätigkeiten bzw. die Zusammenarbeit mit den EU-Missio-

nen publik zu machen. Jedwede Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern sollte deren spezi-

fischen Bedürfnissen in Bezug auf Finanzierung und Schutz sowie der Dringlichkeit dieser Bedürf-

nisse Rechnung tragen.

In den Empfehlungen wird ferner betont, dass die Lage der Menschenrechtsverteidiger und das

Umfeld, in dem sie arbeiten, beim politischen Dialog der EU mit Drittländern und auch beim bilate-

ralen Dialog der EU-Mitgliedstaaten mit Drittländern systematisch berücksichtigt werden sollten.

Des Weiteren wird hervorgehoben, dass die Zusammenarbeit mit der VN-Sonderbeauftragten für

Menschenrechtsverteidiger und den regionalen Menschenrechtsmechanismen in Bezug auf alle

Aspekte der Umsetzung der Leitlinien weiter ausgebaut werden sollte. Die Umsetzung der Leit-

linien wird auch weiterhin in regelmäßigen Abständen überprüft. Ferner wird die EU Überlegungen

darüber anstellen, wie die EU-Maßnahmen zugunsten von Menschenrechtsverteidigern – vorbehalt-

lich der Sicherheit der Betroffenen – in verstärktem Maße öffentlich gemacht und transparenter

gestaltet werden können.

Als Teil der Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern in Drittländern wurden auch im Rah-

men der EIDHR Tätigkeiten finanziert. So haben im Programmplanungszeitraum 2005/2006 rund

54 Delegationen der Europäischen Kommission insgesamt 65,5 Mio. EUR für die Finanzierung von

Mikroprojekten lokaler nichtstaatlicher Menschenrechtsorganisationen zur Verfügung gestellt. In

diesem Zusammenhang sind Menschenrechtsverteidiger eine der Zielgruppen für die Projektfinan-

zierung.

Drucksache 16/5603 – 88 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Länder, für die im Rahmen der EIDHR Unterstützung

für Mikroprojekte geleistet werden kann

Westliche Balkanstaaten und Bewerberstaaten: Albanien, Bosnien und Herzegowina, ehemalige

Jugoslawische Republik Mazedonien, Serbien und Montenegro, Türkei; Osteuropa und Süd-

kaukasus: Armenien, Belarus, Georgien, Ukraine, Russische Föderation; Mittelmeerraum und

Naher und Mittlerer Osten: Ägypten, Algerien, besetzte palästinensische Gebiete, Israel, Jorda-

nien, Libanon, Marokko, Syrien, Tunesien; Mittelasien: Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan;

Asien: Afghanistan, Bangladesch, China, Indien, Indonesien, Kambodscha, Laos, Nepal, Pakistan,

Sri Lanka, Vietnam; Afrikanische Länder südlich der Sahara: Angola, Äthiopien, Burundi, Côte

d'Ivoire Demokratische Republik Kongo, Eritrea, Mosambik, Nigeria, Ruanda, Simbabwe, Sudan,

Uganda; Lateinamerika, Karibik: Bolivien, Brasilien, Ecuador, Guatemala, Kolumbien, Kuba,

Mexiko, Peru, Venezuela, Haiti.

Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit, der alljährlich vom Europäischen Parlament an außerge-

wöhnliche Menschen und Organisationen für ihren Kampf gegen Intoleranz, Fanatismus und Unter-

drückung vergeben wird, stellt ein wichtiges Element im Engagement der EU für die Unterstützung

und den Schutz von Menschenrechtsverteidigern dar. 2005 ging der Preis an zwei Organisationen,

nämlich an Damas de Blanco (Damen in Weiß) und Rapporteurs sans Frontières (Reporter ohne

Grenzen), sowie an Hauwa Ibrahim, eine führende nigerianische Menschenrechtsanwältin (siehe

Kapitel 2.3).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 89 – Drucksache 16/5603

4.5. Menschenrechte der Frau

Das Engagement der EU für die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern hat eine

lange Tradition, und die EU hat in diesem Zusammenhang eine aktive Rolle auf der Weltbühne

gespielt. Auf der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking im Jahr 1995 war die EU an der Aus-

arbeitung der Aktionsplattform maßgeblich beteiligt. Seitdem ist die durchgängige Berücksichti-

gung der Gleichstellung von Frauen und Männern zu einem wichtigen strategischen Instrument zur

Erreichung des Ziels der Gleichstellung von Frauen und Männern geworden. Die durchgängige Be-

rücksichtigung des Gleichstellungsaspekts ist ein Prozess, bei dem die vorrangigen Belange und

Bedürfnisse von Frauen und Männern in alle grundlegenden politischen Konzepte integriert werden.

Dieser Prozess wird durch eine Reihe spezifischer Maßnahmen, Programme und Projekte gestützt,

um die Stellung der Frau zu stärken.

Die Kommission hat am 8. März 2006 eine Mitteilung mit dem Titel "Ein Fahrplan für die

Gleichstellung von Frauen und Männern" herausgegeben. Dieser Fahrplan baut auf den Erfah-

rungen der Rahmenstrategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern für den Zeitraum

2001-2005 auf. Er ist eine Kombination aus neuen Initiativen und der Stärkung bestehender erfolg-

reicher Tätigkeiten. Er bekräftigt den dualen Gleichstellungsansatz, der auf dem Rezept der durch-

gängigen Berücksichtigung der Gleichstellung von Frauen und Männern und auf spezifischen Maß-

nahmen beruht. In dem Fahrplan wurden sechs Schwerpunkte für EU-Maßnahmen zur Gleichstel-

lung für den Zeitraum 2006-2010 gesetzt: gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit für Frauen und

Männer, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, ausgewogene Repräsentanz in Entscheidungs-

prozessen, Beseitigung aller Formen geschlechterbezogener Gewalt, Beseitigung von Geschlechter-

stereotypen und Förderung der Gleichstellung in der Außen- und der Entwicklungspolitik. Für jeden

Bereich werden in dem Fahrplan vorrangige Ziele festgelegt. Jedes dieser Ziele geht mit spezifi-

schen Schlüsselaktionen einher, mit denen die Gleichstellung näher rücken soll. Zu den Aktionen

zählen eine stärkere Sensibilisierung für Gleichstellungsfragen in den Schulen, die Förderung

unternehmerischer Initiativen von Frauen, der Aufbau eines EU-Netzwerks von Frauen in

wirtschaftlichen und politischen Entscheidungspositionen im Jahr 2007, die Herausgabe einer

Mitteilung über das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen und eine besondere Berücksichti-

gung von Gleichstellungsfragen im Jahr 2007 als dem Europäischen Jahr der Chancengleichheit für

alle.

Drucksache 16/5603 – 90 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Mai 2006 hat die Europäische Kommission, Generaldirektion Entwicklung - Menschliche und

soziale Entwicklung -, ein Expertentreffen zu Gleichstellungsfragen organisiert, auf dem der Ent-

wurf einer Mitteilung über die Gleichstellung von Frauen und Männern und Entwicklung vorgestellt

wurde. Dieses Treffen bot den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Rückmeldungen zu dem Entwurf zu

geben. Die Mitteilung stützt sich auf bestehende Instrumente und steckt eine EU-Strategie ab, die

darauf abstellt, durch Verwendung der Hilfe der EU für die Entwicklungsländer die Verwirklichung

der Gleichstellung von Frauen und Männern und die Stärkung der Stellung der Frau rascher zu

erreichen.

Wie anlässlich des Internationalen Frauentages im vergangenen Jahr vereinbart, dürfte das neue

Europäische Institut für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2007 funktionsfähig sein

(siehe Kasten). Aus dem mit 650 Millionen EUR ausgestatteten neuen PROGRESS-Programm

sollen das neue Gleichstellungsinstitut, aber auch bestimmte der in dem Fahrplan aufgeführten

Maßnahmen finanziert werden. Ein neues Netzwerk nationaler Gleichstellungsstellen soll im

Rahmen der Richtlinie 2002/73/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von

Männern und Frauen eingerichtet werden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91 – Drucksache 16/5603

Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen

Die Kommission hat am 8. März 2005 einen Vorschlag für ein Europäisches Institut für Gleich-

stellungsfragen37 angenommen, der derzeit vom Europäischen Parlament und vom Rat geprüft

wird. Die Verordnung zur Errichtung des Instituts dürfte Anfang 2007 angenommen werden und

das Institut seine Arbeit im Jahr 2007 aufnehmen. Die Finanzierung soll durch die Kommission

erfolgen, wobei für den Zeitraum 2007–2013 Haushaltsmittel in Höhe von 52,5 Mio. EUR vorge-

schlagen werden. Das Institut wird die europäischen Organe, insbesondere die Kommission, und

die Mitgliedstaaten bei der Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau in allen in die

Zuständigkeit der Gemeinschaft fallenden Bereichen technisch unterstützen. Es wird Informationen

sammeln, analysieren und verbreiten, Methoden zur durchgängigen Berücksichtigung des Gleich-

stellungsaspekts in den Politikbereichen der Gemeinschaft entwickeln und den Erfahrungsaus-

tausch und die Entwicklung eines Dialogs auf europäischer Ebene erleichtern.

Das Institut wird eng mit allen Gemeinschaftsprogrammen und -agenturen zusammenarbeiten, ins-

besondere mit der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen,

der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, dem Europäi-

schen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung und der zukünftigen Agentur für Grundrechte.
37 KOM(2005) 81.

Drucksache 16/5603 – 92 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwicklungen in der Außenpolitik

Die 50. Tagung der Frauenrechtskommission fand vom 27. Februar bis 10. März 2006 statt. Dabei

wurden hauptsächlich die beiden Themen einer verstärkten Teilhabe von Frauen bei der Entwick-

lung und der gleichen Teilhabe von Frauen und Männern in Entscheidungsprozessen behandelt. In

diesem Forum hat die EU eine führende Rolle übernommen, um die Anliegen der Aktionsplattform

von Peking zu vermitteln. In ihrer Erklärung erläuterte die EU ihre Vorstellung von einem "förder-

lichen Umfeld" für die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Wenn man die

Kluft zwischen den Normen und der Praxis schließen wolle, müsse man der Ausrottung der Gewalt

gegen Frauen und Mädchen, der Bildung und der Beteiligung von Männern und Jungen bei der Um-

setzung von Verpflichtungen besondere Beachtung schenken. Zur Frage eines gleichberechtigten

Zugangs der Frauen zum Wirtschaftsleben, zu den Medien, den NRO und zum Privatsektor und ei-

ner entsprechenden uneingeschränkten Beteiligung der Frauen seien weitere Studien erforderlich.

Die EU verwies auf die wichtige Rolle der Frauen bei Friedensprozessen und bezeichnete die

Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrats als Meilenstein. Auch könne die Gleichstellung von Frauen

und Männern nicht verwirklicht werden, wenn sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte

der Frauen nicht gewährleistet seien.

Auf der 60. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen hat die EU die Resolution

über eine eingehende Studie über alle Formen der Gewalt gegen Frauen mitgetragen. Bei der

Erläuterung des Resolutionsentwurfs erklärte Frankreich, dass es zwar einen allgemeinen Konsens

in dieser Frage gebe, die Messung des Ausmaßes der Gewalt und daher auch die Wahl der Mittel

zur Bekämpfung dieser Gewalt jedoch Schwierigkeiten aufwerfe. Das Ziel der Resolution erklärt

sich hauptsächlich durch Verfahrensgründe; auf diese Weise soll die Studie auch weiterhin auf der

Tagesordnung der VN stehen und die bisher geleistete Arbeit gewürdigt werden. Die EU hat auch

Resolutionen zum VN-Frauenentwicklungsfonds (UNIFEM) und zum Übereinkommen zur Beseiti-

gung jeder Form von Diskriminierung der Frau mitgetragen, damit sollen dem Ausschuss zur Be-

seitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau die nötigen Instrumente zur Verfügung gestellt

werden, damit er seine Aufgaben effizienter erfüllen kann.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93 – Drucksache 16/5603

Die Präsidenten der Kommission, des Rates und des Europäischen Parlaments haben am

20. Dezember 2005 den Europäischen Entwicklungskonsens unterzeichnet. Dieser europäische

Konsens beinhaltet – auf Ebene der Mitgliedstaaten wie auf Gemeinschaftsebene – erstmalig eine

gemeinsame Sicht des Vorgehens der EU im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und

unterstreicht die Bedeutung der Gleichstellung von Frauen und Männern im Rahmen der neuen

Hilfemodalitäten. Erstmalig wird in der EU-Politik für Entwicklungszusammenarbeit erklärt, dass

die Geschlechtergleichstellung ein Ziel an sich verkörpert. Das Dokument führt ferner den Gleich-

stellungsaspekt als einen der fünf gemeinsamen Grundsätze der Entwicklungszusammenarbeit der

EU auf.

Im November 2005 hat die Europäische Kommission gemeinsam mit dem VN-Frauenentwicklungs-

fonds (UNIFEM) eine Konferenz mit dem Titel "Owning Development: Promoting Gender Equality

in New Aid Modalities and Partnerships" (Eigenverantwortung für Entwicklung: Förderung der

Gleichstellung der Geschlechter in neuen Hilfemodalitäten und Partnerschaften) organisiert. Auf

dieser Konferenz wurden die Auswirkungen einer sich verändernden Landschaft der Entwicklungs-

zusammenarbeit auf die Bemühungen um die Gleichstellung von Frauen und Männern geprüft, und

zwar insbesondere, da hier Überschneidungen mit Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut

bestehen. Die Konferenz leistete einen Beitrag zu einer Mitteilung der Kommission zur Gleichstel-

lung von Frauen und Männern und zur Entwicklungszusammenarbeit, die in der zweiten Jahres-

hälfte 2006 fertig gestellt werden soll.

Die Euro-Med-Frauenkonferenz wurde im November 2005 in Barcelona im Rahmen der Feiern

zum 10. Jahrestag des Europa-Mittelmeer-Gipfeltreffens von 1995 abgehalten. Eine der Empfeh-

lungen der Konferenz bestand darin, in der zweiten Jahreshälfte 2006 unter der Schirmherrschaft

des finnischen EU-Vorsitzes eine Euro-Med-Ministerkonferenz über Frauen im Mittelmeerraum zu

organisieren, um Frauen- und Gleichstellungsfragen, die diese Region betreffen, zu behandeln.

Diese für den 14. und 15. November 2006 geplante Ministerkonferenz wird in Istanbul stattfinden

und einen fünfjährigen Aktionsplan (2007-2011) billigen.

Drucksache 16/5603 – 94 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Kommission hat im Juni 2006 in Rabat eine Vorbereitungskonferenz organisiert, zu der

130 Teilnehmer aus den Euro-Med-Partnerstaaten sowie Libyen und Mauretanien als Beobachter

zusammentrafen. Die Teilnehmer waren Vertreter der Organisationen der Zivilgesellschaft sowie

Regierungs- und Parlamentsvertreter. Die Konferenz sprach eine Reihe von Empfehlungen für den

Aktionsplan aus, der in Istanbul angenommen werden soll.

Gewalt gegen Frauen

Die Europäische Kommission, der Bevölkerungsfonds der VN (UNFPA) und die belgische Regie-

rung haben im Juni 2006 in Brüssel gemeinsamen ein internationales Symposium über sexuelle

Gewalt während und nach Konflikten veranstaltet. Mehr als 250 Personen aus 30 Ländern nahmen

an der Veranstaltung teil, darunter auch die Leiter von UNFPA und UNIFEM, Regierungsbeamte

auf Ministerebene, Vertreter von Streit- und Polizeikräften, Parlamentarier, Vertreter des Internati-

onalen Strafgerichtshofs, Vertreter von NRO, Wissenschaftler und Journalisten. Während der drei-

tägigen Veranstaltung stellten Vertreter aus konfliktbetroffenen Ländern ihre nationalen Aktions-

pläne vor, mit denen sie sexueller Gewalt gegen Frauen begegnen wollen. In einem von den Teil-

nehmern verfassten Aufruf werden die Regierungen, die internationalen Organisationen und die

Zivilgesellschaft aufgefordert, dem Thema der sexuellen Gewalt bei allen humanitären, friedens-

konsolidierenden und entwicklungspolitischen Anstrengungen in konfliktbetroffenen Ländern Prio-

rität einzuräumen.

Der österreichische EU-Vorsitz organisierte im Januar in Brüssel eine Ministerkonferenz über

traditionsbedingte Gewalt. Auf dieser Konferenz wurde das "Netzwerk gegen traditionsbedingte

Gewalt" gegründet, das als internationale Plattform dienen soll und Vertreter von Regierungen,

NRO und einschlägigen Berufsgruppen zusammenbringt. Das Netzwerk wird sich auf Mittel und

Wege zur Beendigung traditionsbedingter Gewalt konzentrieren, u.a. durch Datenerhebung, spe-

zielle Fortbildungsmaßnahmen, Sensibilisierungskampagnen und Opferschutz.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95 – Drucksache 16/5603

Finanzielle Förderung

Im Jahr 2005 wurden im Anschluss an eine Ausschreibung, die schwerpunktmäßig auf den verbes-

serten Zugang von Frauen zu bezahlter Beschäftigung in nichtlandwirtschaftlichen Sektoren in

China, Costa Rica sowie in Argentinien, Kolumbien, Paraguay und Peru ausgerichtet war, vier

Projekte für eine finanzielle Förderung aus der Haushaltslinie für den Bereich Gleichstellung des

EG-Haushaltsplans ausgewählt.

Gewalt gegen Frauen bekämpfen

Jegliche Art von Gewalt gegen Frauen (Gewalt in der Ehe, Vergewaltigung als Kriegsstrategie,
Menschenhandel, Ehrenverbrechen, traditionsbedingte Gewalt wie die Genitalverstümmelung von
Frauen usw.) verhindert nicht nur, dass Frauen in den Genuss ihrer Menschenrechte kommen, son-
dern ist auch ein großes Hindernis auf dem Weg zu Gleichstellung, Entwicklung und Frieden.
Gewalt gegen Frauen ist der Ausdruck einer ungleichen Machtverteilung in den Beziehungen
zwischen Mann und Frau.

Die Anstrengungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen dürfen sich nicht auf die Behand-
lung der Symptome und der Auswirkungen der Gewalt beschränken, sondern müssen bei den
Ursachen ansetzen und in Anerkennung der Tatsache erfolgen, dass die Gleichstellung der
Geschlechter nicht nur Sache der Frauen ist. Es ist daher besonders wichtig, auf Männer und
Jungen und auf die Frage einzugehen, was sie zur Ausübung von Gewalt bewegt. Nur wenn
Männer aktiv einbezogen werden, wird es möglich sein, die gesellschaftlichen Normen zu verän-
dern, aufgrund deren sie die Anwendung von Gewalt gegenüber Frauen akzeptieren.

Die Kommission hat im Jahr 2005 im Rahmen der Haushaltslinie für den Bereich Gleichstellung
des EG-Haushaltsplans eine Fördermaßnahme für Projekte ausgeschrieben, die schwerpunktmäßig
auf innovative und umfassende Bildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen ausgerichtet sind,
durch die sowohl Jungen als auch Mädchen im Jugendalter zur Teilnahme an Programmen bewegt
werden sollen, die zu einer Änderung der Einstellung und des Verhaltens in Bezug auf
geschlechtsspezifische Rollen und die Verantwortung hinsichtlich der Gewalt gegen Mädchen und
Frauen beitragen. Die Förderung der Frauenrechte, die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in
Konfliktgebieten und traditionsbedingte Gewalt sind ebenfalls eine Priorität der Kampagne zur
Förderung einer Kultur der Menschenrechte, die durch die EIDHR ins Leben gerufen wurde.

Drucksache 16/5603 – 96 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Neben den oben genannten geschlechtsspezifischen Projekten haben auch die Projekte und

Programme in den Bereichen Bildung, Gesundheit, verantwortungsvolle Staatsführung und

Ernährungssicherheit eine große Auswirkung auf die Förderung der Geschlechtergleichstellung.

Die Programme DAPHNE II und III bieten Möglichkeiten zur finanziellen Förderung von

Maßnahmen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen.

Die Kommission hat Programmplanungsleitlinien entwickelt, mit denen die Delegationen und die

für geografische Gebiete zuständigen Kontaktstellen darüber informiert werden, auf welche Weise

die Geschlechtergleichstellung bei der länderspezifischen Programmplanung zu berücksichtigen ist;

diese Leitlinien basieren auf dem politischen Rahmen, der dem Ansatz der Kommission zur Gleich-

stellung der Geschlechter in der entwicklungspolitischen Arbeit zugrunde liegt.

Entwicklungen im internen Vorgehen

Bei der Kommission wurden Initiativen fortgeführt, um die Kapazitäten der Mitarbeiter in

geschlechtsspezifischen Fragen – vor allem durch Fortbildung – zu verbessern. Im Zeitraum 2005-

2006 nahmen 800 Mitarbeiter vom Hauptsitz der Kommission, der EG-Delegationen und der

ausführenden Einrichtungen (einschließlich von nationalen Behörden in Partnerländern) an Fort-

bildungsmaßnahmen zu geschlechtsspezifischen Fragen teil. Außerdem gibt es einen innovativen

Online-Fortbildungskurs. Neben allgemeinen Fortbildungen wurden auch spezifische Fortbildungs-

kurse zu den Themen Geschlechterfragen und Handel und geschlechtsspezifische Haushaltsplanung

durchgeführt.

In der Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates wird gefordert, Frauen auf allen Ebenen stärker in

die Konfliktverhütung, die Krisenbewältigung und die Bewältigung von Kriegsfolgen sowie in

Bereiche wie Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (DDR) einzubeziehen und Frauen

als Anwälte des Friedens zu fördern. Der Rat hat am 28. September 2005 ein Arbeitspapier zur

Umsetzung der Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates im Kontext der ESVP begrüßt und zur

Kenntnis genommen. Die darin enthaltenen Maßnahmen erstrecken sich auf den gesamten

Planungs- und Umsetzungsprozess von der Phase vor bis zur Phase nach einem Konflikt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97 – Drucksache 16/5603

Das EP hat am 1. Juni 2006 eine Entschließung zur Lage der Frau in bewaffneten Konflikten und

ihrer Rolle beim Wiederaufbau und beim Demokratisierungsprozess in diesen Ländern nach

Beilegung des Konflikts angenommen. In dieser Entschließung fordert das Parlament die EU zu

einer wirksameren Umsetzung der Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates auf. Es fordert

außerdem dazu auf, die Lebensmittelverteilung, die Ausgabe von Kleidung und Medizin- und

Hygieneprodukten während Nothilfeoperationen besser zu kontrollieren, um den spezifischen

Bedürfnissen von Frauen Rechnung zu tragen. Außerdem sollten Maßnahmen zum Schutz der

Frauen in Flüchtlingslagern ergriffen werden, um das Risiko von Gewalt und sexuellen Miss-

brauchs gegenüber Frauen und Mädchen zu verringern. Das Parlament wies auf die Problematik

von Selbstmordattentäterinnen hin und betonte, dass Vergewaltigung als Kriegswaffe alle Frauen

ungeachtet ihrer ethnischen, religiösen und ideologischen Unterschiede betrifft. Es hob die positive

Rolle hervor, die Frauen bei der Lösung von Konflikten spielen, und rief die EU dazu auf,

ausreichend technische und finanzielle Mittel zur Unterstützung von Programmen bereitzustellen,

die Frauen die Teilnahme an Friedensgesprächen ermöglichen und ihnen in der gesamten Zivil-

gesellschaft mehr Mitsprache einräumen.

Im Januar lief eine weltweite Kampagne der EU zur Unterstützung von Menschenrechtsvertei-

digerinnen für das Jahr 2006 an. Diese Kampagne stützt sich auf die EU-Leitlinien betreffend den

Schutz von Menschenrechtsverteidigern aus dem Jahr 2004 (siehe Kapitel 4.4).

4.6. Menschenhandel

Die Bekämpfung des Menschenhandels stellte im Berichtszeitraum eine der wichtigsten Prioritäten

der EU dar.

Die Kommission hat im Oktober 2005 ihre Mitteilung mit dem Titel "Bekämpfung des Menschen-

handels – ein integriertes Vorgehen und Vorschläge für einen Aktionsplan" angenommen und auf

einer Konferenz vorgestellt, die vom britischen Vorsitz des Rates, Schweden als Vorsitzland der

nordisch-baltischen Taskforce gegen Menschenhandel und von der Kommission gemeinsam organi-

siert wurde.

Drucksache 16/5603 – 98 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In der Mitteilung, die sich an den Bericht der Expertengruppe "Menschenhandel" (Experts Group

on Trafficking in Human Beings) anlehnt, wird ein auf die Menschenrechte gestütztes Vorgehen

befürwortet, bei dem die Rechte der Opfer im Mittelpunkt der Maßnahmen auf diesem Gebiet

stehen. Es wird unter anderem empfohlen, Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels, ins-

besondere die Menschenrechtsaspekte, im politischen Dialog mit Drittländern sowie auf regionalen

und internationalen Foren ausdrücklich zu thematisieren. Was die Entwicklungszusammenarbeit

angeht, so wird in der Mitteilung vorgeschlagen, auf den Menschenhandel sowie die politischen

Rahmenbedingungen und die Strategien für seine Vermeidung und Eindämmung im Rahmen

regionaler und einzelstaatlicher Strategien für die Bekämpfung der Armut und für die Zusammen-

arbeit einzugehen und Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels bei der Entwicklungs-

zusammenarbeit zu unterstützen.

In der Mitteilung wird ein interdisziplinäres Vorgehen in Bezug auf den Menschenhandel befür-

wortet, das sich nicht auf Strafverfolgungsstrategien beschränkt, sondern sehr unterschiedliche

Maßnahmen insbesondere auf der Ebene der Prävention und der Unterstützung der Opfer umfasst.

Ein in der Mitteilung hervorgehobener wichtiger Aspekt ist das Leiden bestimmter Gruppen: Frauen

und Kinder, aber auch aus ganz unterschiedlichen Gründen diskriminierte Personen wie Angehörige

von Minderheiten oder indigenen Völkern. Daher werden die Förderung der Nichtdiskriminierung

als wirksame Maßnahme zur Bekämpfung des Menschenhandels, speziell auf diese Gruppen ausge-

richtete Maßnahmen, die Erhebung verlässlicher Daten und die Durchführung analytischer

Forschungsarbeiten empfohlen.

Teile dieser Mitteilung sind in den Aktionsplan der EU über bewährte Vorgehensweisen, Normen

und Verfahren zur Bekämpfung und Verhütung des Menschenhandels eingeflossen. Dieser Plan

wurde vom Rat im Einklang mit dem Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und

Recht in der Europäischen Union im Dezember 2005 angenommen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 99 – Drucksache 16/5603

Im Juni 2006 hat in Brüssel eine vom Ratsvorsitz und der Europäischen Kommission organisierte

Expertenkonferenz betreffend die Umsetzung des Aktionsplans stattgefunden. Sie konzentrierte sich

auf mehrere Aspekte des Aktionsplans: a) Ausarbeitung von Vorschlägen zur Schaffung der auf

EU-Ebene erforderlichen Koordinierungs- und Kooperationsmechanismen zur EU-weiten Gewähr-

leistung gemeinsamer Normen bei der Koordinierung des EU-Handelns, b) Bestandsaufnahme

bewährter Vorgehensweisen bei der Identifizierung von Opfern, c) Förderung der Synergieeffekte

von NRO und internationalen Organisationen, die Unterstützung und Hilfe bei der Wieder-

eingliederung leisten, und d) Weiterentwicklung des OSZE-Handbuchs (Handbuch des "National

Referral Mechanism").

Im Fahrplan der Kommission für die Gleichstellung von Frauen und Männern wird die Notwendig-

keit, den Menschenhandel zu beseitigen, als vorrangig eingestuft. In diesem Fahrplan wird die

Kommission verpflichtet, Folgearbeiten zur Mitteilung und zum Aktionsplan gegen Menschen-

handel durchzuführen und den Einsatz aller bestehenden Instrumente, darunter des Europäischen

Sozialfonds, zu fördern, um Opfer von Gewalt und Menschenhandel wieder in die Gesellschaft zu

integrieren.

Die Mitteilung der Kommission vom Juli 2006 im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie ent-

hält eine Bestandsaufnahme des mit dem Kinderhandel verbundenen Leids und eine Verpflichtung

zur Optimierung der derzeitigen Maßnahmen sowie zur Annahme weiterer einschlägiger

Maßnahmen.

Projekte zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und der Ausbeutung von

Menschen, insbesondere von Frauen und Kindern, in der EU und in Drittländern werden weiterhin

durch Finanzierungsprogramme (DAPHNE, AGIS, TACIS, AENEAS usw.) unterstützt.

Im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte wurden 2005-2006

Programme für Sensibilisierung und Interessenvertretung im Zusammenhang mit Handel mit

Frauen und Kindern im Rahmen der Kampagne 2 (Förderung der Menschenrechtskultur) gefördert

(Näheres zur EIDHR siehe Kapitel 3.7).

Drucksache 16/5603 – 100 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die internationale Zusammenarbeit auf weltweiter und europäischer Ebene wurde insbesondere im
Einklang mit dem VN-Protokoll über den Menschenhandel (Palermo-Protokoll) und im Rahmen
des Europarats fortgesetzt, dessen Übereinkommen über Maßnahmen zur Bekämpfung des
Menschenhandels bereits von mehreren Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde. Der Beitritt der Euro-
päischen Gemeinschaft zum Palermo-Protokoll wurde im Juli 2006 abgeschlossen. Die EU hat auch
ihre Zusammenarbeit mit der OSZE fortgesetzt, und zwar insbesondere was die Allianz gegen den
Menschenhandel betrifft, die vom OSZE-Sonderbeauftragten für die Bekämpfung des Menschen-
handels initiiert wurde.

Bekämpfung des Menschenhandels durch von der EU finanzierte Programme – eine
regionale Momentaufnahme

Die EG hat damit begonnen, ihre Tätigkeit auf Russland und den südlichen Kaukasus auszuweiten,
nachdem in den letzten fünf Jahren der Schwerpunkt auf den westlichen NUS-Staaten (Ukraine,
Republik Moldau, Weißrussland) lag, für die etwa 10 Mio. EUR für die Bekämpfung des
Menschenhandels bereitgestellt wurden.

Anfang 2006 ist ein umfassendes Projekt im Bereich des Menschenhandels in Russland ange-
laufen, für das 4 Mio. EUR aufgewendet werden. Als größtes von nur einem Geber finanziertes
Projekt im Bereich des Menschenhandels in Russland wird es einen entscheidenden Beitrag zu den
Arbeiten leisten, die bereits von der russischen Regierung, NRO und internationalen Organisa-
tionen auf den Weg gebracht wurden. Das Projekt beinhaltet eine eingehendere Analyse des
Ausmaßes des Menschenhandels in Russland und wird einen Beitrag sowohl zur Verbesserung der
Rechtsvorschriften als auch zur Koordinierung der Geber leisten. Über die Unterstützung der Opfer
hinaus, die eine entscheidende Dimension des Projekts darstellt und unter anderem in Form der
Finanzierung einer Zufluchtsstätte in Moskau mit den erforderlichen sozialen und medizinischen
Diensten erfolgt, wird das Projekt insbesondere dazu beitragen, die Sensibilisierung und den
Aufbau der behördlichen Kapazitäten in den am stärksten betroffenen Regionen Russlands zu
verbessern. Auf dieser Ebene wird ebenso wie auf staatlicher Ebene ein agenturübergreifendes
Vorgehen angestrebt, das die Zusammenarbeit mit spezialisierten Nichtregierungsorganisationen
umfasst. Das Projekt wird sich schließlich auch mit den sozioökonomischen Faktoren befassen, die
dem Menschenhandel zu Grunde liegen, und die Beschäftigungschancen von stark gefährdeten
Gruppen analysieren sowie der Wiedereingliederung von Opfern Beachtung schenken. Die
Analyse sollte zu gezielten Tätigkeiten, mit denen ein Einkommen erzielt wird, und dazu führen,
die auf dem Arbeitsmarkt bestehenden Möglichkeiten und die legalen und nicht mit Risiken
verbundenen Möglichkeiten für die Aufnahme einer Beschäftigung im Ausland oder in anderen
Teilen Russlands bekannt zu machen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 101 – Drucksache 16/5603

Was die drei Länder des südlichen Kaukasus (Georgien, Armenien und Aserbaidschan) betrifft, so

wird 2006 ein mit 1,5 Mio. EUR ausgestattetes regionales Projekt anlaufen, so dass in Bezug auf

den Menschenhandel in allen von der ENP abgedeckten östlichen Ländern Maßnahmen ergriffen

werden.

4.7. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) und die Bekämpfung der Straffreiheit

Die Europäische Union setzt sich entschlossen dafür ein, Verbrechen von internationalem Belang

zu verhüten und der Straffreiheit derjenigen ein Ende zu setzen, die solche Verbrechen begehen.

Aus diesem Grund hat die EU immer wieder ihrer vollen politischen Unterstützung für die Tätigkeit

des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Ausdruck gegeben, unter anderem durch einen

Gemeinsamen Standpunkt und einen Aktionsplan der EU zum Internationalen Strafgerichtshof.

Ziel des Gemeinsamen Standpunkts38 ist es, die effiziente Arbeitsweise des Gerichtshofs zu

unterstützen und die universelle Unterstützung für ihn dadurch zu fördern, dass auf die größt-

mögliche Beteiligung am Römischen Statut hingewirkt wird. Artikel 2 Absatz 1 des Gemeinsamen

Standpunkts sieht Folgendes vor:

"Als Beitrag zum Ziel der größtmöglichen Beteiligung am Römischen Statut setzen die Europäische

Union und ihre Mitgliedstaaten alles daran, um diesen Prozess voranzutreiben, indem sie bei

Verhandlungen oder politischen Dialogen mit Drittstaaten, Staatengruppen oder einschlägigen

regionalen Organisationen, wann immer dies angebracht ist, zur Sprache bringen, dass möglichst

viele Staaten das Statut ratifizieren, annehmen, genehmigen oder ihm beitreten sollten und dass das

Statut umgesetzt werden muss."
38 2003/444/GASP.

Drucksache 16/5603 – 102 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In Einklang mit dem Gemeinsamen Standpunkt der EU stand der IStGH auf der Tagesordnung von

zahlreichen wichtigen Gipfeltreffen und Ministertagungen mit Drittländern sowie von speziellen

Menschenrechtskonsultationen. Die EU hat im Berichtszeitraum Demarchen in Drittländern durch-

geführt, um sie zur Ratifizierung und Umsetzung des Römischen Statuts und zur Ratifizierung des

Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten zu bewegen und Länder wann immer

möglich davon abzubringen, bilaterale Nichtüberstellungsabkommen zu unterzeichnen. Wie schon

in den vergangenen Jahren hat die EU auch Gespräche mit den USA über die Verlängerung des

Nethercutt Amendments geführt und ihr Bedauern darüber geäußert, dass die USA die Wirtschafts-

hilfe für Entwicklungsländer, die kein bilaterales Nichtüberstellungsabkommen unterzeichnen,

eingestellt haben, sowie die USA nachdrücklich aufgefordert, die in der FY06 Foreign Operations

Bill enthaltenen Befreiungen anzuwenden.

Liste der Demarchen zur Förderung der Universalität und Integrität des Römischen Statuts

im Berichtszeitraum:

Angola, Armenien, Bahamas, Bahrain, Bangladesch, Botsuana, Kap Verde, Tschad, Chile, China,

Komoren, Demokratische Republik Kongo, Ägypten, Äthiopien, Ghana, Guatemala, Indien,

Indonesien, Irak, Israel, Côte d'Ivoire, Jamaika, Japan, Kirgisistan, Laos, Libanon, Madagaskar,

Malaysia, Moldau, Marokko, Mosambik, Oman, Pakistan, Papua Neuguinea, Peru, Philippinen,

Russische Föderation, Ruanda, Samoa, Saudi-Arabien, Seychellen, Salomonen, Sri Lanka,

St. Lucia, Suriname, Togo, Türkei, Ukraine, die Vereinigten Staaten, Vanuatu, Vietnam,

Jemen und Simbabwe.

Der Aktionsplan der EU39 ergänzt den Gemeinsamen Standpunkt. Der Aktionsplan hat unter

anderem die Einrichtung eines Systems nationaler Kontaktstellen und einer in den EU-Institutionen

angesiedelten EU-Kontaktstelle zur Koordinierung der EU-Politik hinsichtlich des IStGH zum Ziel.

Was die Förderung der Universalität und Integrität des Römischen Statuts anbelangt, so ist als eine

der konkreten Maßnahmen Folgendes vorgesehen:
39 4. Februar 2004.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 103 – Drucksache 16/5603

Der IStGH solle in den Außenbeziehungen der EU durchgängig berücksichtigt werden. In diesem

Zusammenhang sollte die Ratifizierung und Umsetzung des Römischen Statuts bei der Aushandlung

von Abkommen der EU mit Drittländern als eine Menschenrechtsfrage behandelt werden.

In den Jahren 2005 und 2006 handelte die Europäische Kommission mit Jordanien, Moldau und

Ukraine die Aufnahme von IStGH-Klauseln in die Aktionspläne im Rahmen der Europäischen

Nachbarschaftspolitik aus. Derzeit wird mit Armenien, Aserbaidschan, Ägypten, Georgien und

Libanon über ähnliche Klauseln verhandelt. Außerdem verhandelt die EU über Entwürfe von

IStGH-Klauseln im Zusammenhang mit Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit

Indonesien, Singapur und Thailand. Das überarbeitete Cotonou-Abkommen, das nun eine IStGH-

Klausel enthält, wurde vom Rat am 25. Juni 2005 angenommen und ist nun in der Phase der Ratifi-

zierung durch die Mitgliedstaaten.

Die 100. Ratifizierung des Römischen Statuts, die im November 2005 durch Mexiko erfolgte,

markiert eine wichtige Etappe für den Gerichtshof und lässt eine universelle Ratifizierung wahr-

scheinlicher werden. Weitere wichtige Etappen im Berichtszeitraum waren unter anderem der

Erlass des ersten Haftbefehls des Gerichtshofs im Oktober 2005 und die Verhaftung von Thomas

Lubanga, der aufgrund einer Anklage wegen Kriegsverbrechen im März 2006 von der

Demokratischen Republik Kongo überstellt und von Frankreich an den Gerichtshof überführt

wurde.

Drucksache 16/5603 – 104 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Erklärung der EU zur Verhaftung und Überstellung von Thomas Lubanga:

Die Europäische Union begrüßt, dass Thomas Lubanga Dyilo von den Behörden der Demokrati-

schen Republik Kongo überstellt und von Frankreich am 17.März 2006 an den Internationalen

Strafgerichtshof überführt wurde. Herrn Lubanga wird vorgeworfen, Kriegsverbrechen begangen

zu haben; insbesondere soll er Kinder als Soldaten angeworben und rekrutiert und für die aktive

Teilnahme an Kampfhandlungen eingesetzt haben. >…@

Diese Verhaftung stellt einen bedeutenden Erfolg bei der Bekämpfung der Straflosigkeit in der

Region der Großen Seen im Hinblick auf die langfristige Stärkung der Stabilität in der Region dar.

Darüber hinaus zeigt diese Verhaftung, dass die internationale Gemeinschaft die Demokratische

Republik Kongo und ihre Bürger bei ihren Bemühungen um Frieden und Aussöhnung unterstützt

und fördert. >…@

Die Verhaftung und Überstellung von Herrn Lubanga zeigen, dass der Internationale Straf-

gerichtshof voll funktionsfähig ist. Die EU ist zuversichtlich, dass der Internationale Strafgerichts-

hof mit der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft eine abschreckende Wirkung entfalten

und als Instrument der Konfliktbeilegung wirken wird.

Im Berichtszeitraum haben die Mitgliedstaaten viele den IStGH betreffende Initiativen unterstützt

(z.B. Seminare in Moldau, Jordanien, Mexiko, Mosambik, den Philippinen und Libanon). Der EU–

Vorsitz veranstaltete im Mai 2006 eine Konferenz auf hoher Ebene über den IStGH und die GUS-

Staaten, an der zahlreiche Vertreter der GUS-Staaten, der EU-Mitgliedstaaten, der Europäischen

Kommission und des Gerichtshofs teilnahmen. Die Konferenz bot Gelegenheit zu einem ausführ-

lichen Austausch über die Hindernisse, die im Zusammenhang mit der Ratifizierung und der

Umsetzung des Römischen Statuts auftreten; an die Konferenz schloss sich ein NRO-Workshop an,

der von der Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof veranstaltet wurde. Im April/Mai

2006 organisierte die Kommission eine IStGH-Studienfahrt für eine Delegation mit etwa 20 Amts-

trägern aus Vietnam, die vom stellvertretenden Justizminister angeführt wurde. An den Besuch in

Den Haag schloss sich ein Fachworkshop in Brüssel über die Arbeit des Gerichtshofs und die

Umsetzung des Römischen Statuts an, bei dem Vertreter des IStGH, der Mitgliedstaaten und der

EU-Institutionen Vorträge hielten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 105 – Drucksache 16/5603

Während des gesamten Berichtszeitraums gewährte die Kommission durch die Europäische

Initiative für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) weiterhin finanzielle Unterstützung für die

Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof und die Parliamentarians for Global Action (ein

Netzwerk von Parlamentariern für die globale Behandlung von Fragen mit internationaler Dimen-

sion), deren Tätigkeit für die Förderung der Ratifizierung und Umsetzung des Römischen Statuts

und die Beobachtung der Arbeit des Gerichthofs von unschätzbarem Wert ist. Die Kommission und

die Mitgliedstaaten finanzierten außerdem verschiedene Projekte und Programme des Gerichtshofs,

wie das Praktikanten- und Gastprogramm für Fachleute. Darüber hinaus haben die Kommission und

die Mitgliedstaaten kontinuierlich politische und finanzielle Unterstützung für andere bestehende

Sondergerichtshöfe geleistet, wie für die Internationalen Strafgerichtshöfe für Ruanda und für das

ehemalige Jugoslawien, den Sondergerichtshof für Sierra Leone und die Khmer-Rouge-Sonder-

kammer in Kambodscha.

Am 25. April 2005 ermächtigte der Rat den Vorsitz, Verhandlungen zum Abschluss eines Abkom-

mens über Zusammenarbeit und Unterstützung mit dem IStGH aufzunehmen. Nach langen Ver-

handlungen sowohl innerhalb der EU als auch mit dem IStGH wurde das Abkommen zwischen dem

IStGH und der EU über Zusammenarbeit und Unterstützung von der österreichischen Bundes-

ministerin für auswärtige Angelegenheiten, Ursula Plassnik, im Namen der EU und von Präsident

Kirsch im Namen des IStGH am 10. April 2006 feierlich unterzeichnet. Mit dem auf Artikel 24 des

Vertrags über die Europäische Union gestützten Abkommen werden die EU und der IStGH allge-

mein verpflichtet, zusammenzuarbeiten und einander zu unterstützen; unter anderem sieht das

Abkommen den regelmäßigen Austausch von Informationen und Dokumenten von beiderseitigem

Interesse vor. Das Abkommen findet weder Anwendung auf Ersuchen des IStGH um Informationen

von einzelnen Mitgliedstaaten – für die vielmehr bilaterale Abkommen gelten – noch berührt es die

Befugnis der Europäischen Gemeinschaft, die Ziele des Abkommens durch gesonderte Maßnahmen

zu verwirklichen. Es werden regelmäßige Kontakte zwischen der EU-Kontaktstelle für den

Gerichtshof und dem Gerichtshof hergestellt und Durchführungsbestimmungen in Bezug auf die

Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen und den Zugang selbst erarbeitet.

Drucksache 16/5603 – 106 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4.8. Menschenrechte und Terrorismus

Bei der Terrorismusbekämpfung misst die EU der Gewährleistung eines umfassenden und wirk-

samen Schutzes der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowohl in Europa als auch in der übrigen

Welt große Bedeutung bei.

Im Dezember 2005 nahm der Rat die Strategie der EU zur Terrorismusbekämpfung an. Das strate-

gische Engagement im Zentrum der Strategie lautet: "Terrorismus weltweit bekämpfen und dabei

die Menschenrechte achten, Europa sicherer machen und es seinen Bürgern ermöglichen, in Frei-

heit, Sicherheit und Recht zu leben". Unter Nummer 22 der Strategie ist vorgesehen, dass alle

Anstrengungen, um terroristische Tätigkeiten zu unterbinden und Terroristen vor Gericht zu stellen,

unter Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts unternommen werden. Ferner wird im

Zusammenhang mit Radikalisierung unter Nummer 11 der Strategie festgestellt, dass die Union

noch stärker als bisher verantwortungsvolle Staatsführung, Menschenrechte, Demokratie sowie

Bildung und wirtschaftliche Prosperität fördern und sich im Bereich der Konfliktlösung engagieren

muss. Im Dezember 2005 nahm der Rat außerdem die Strategie der Europäischen Union zur

Bekämpfung von Radikalisierung und Anwerbung für den Terrorismus an. In dieser Strategie setzt

sich die EU zum Ziel, die Aktivitäten von Netzen und Personen, die Menschen für den Terrorismus

anwerben, zu bekämpfen, dafür zu sorgen, dass die Stimmen der Mehrheit die der Extremisten

übertönen, und sich noch stärker für Sicherheit, Recht, Demokratie und Chancen für alle einzuset-

zen. In der Strategie wird auf einige Faktoren hingewiesen, die eine radikale Botschaft attraktiver

machen können. Dazu zählen: schlechte oder autokratische Staatsführung, Übergang mittels unzu-

reichender Reformen von einer autokratischen Herrschaft zu einer partiellen Demokratie, schnelle,

aber unkontrollierte Modernisierung, Mangel an politischen und wirtschaftlichen Perspektiven und

unzureichende und ungeeignete Ausbildung oder kulturelle Möglichkeiten für junge Menschen. Die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 107 – Drucksache 16/5603

Strategie verpflichtet die Europäische Union, auf die Beseitigung dieser strukturellen Faktoren

hinzuwirken. Ferner verpflichtet sie die EU, gegen Ungleichheit und Diskriminierung innerhalb der

Union vorzugehen und den interkulturellen Dialog, das Gespräch und die langfristige Integration zu

fördern. Die Union verpflichtet sich, außerhalb Europas durch den politischen Dialog und Hilfs-

programme gute Staatsführung, Menschenrechte und Demokratie sowie Bildung und wirtschaftliche

Prosperität zu fördern. Im politischen Dialog mit Drittländern (Ländern, die nicht Mitglied der EU

sind) hat die Europäische Union immer wieder hervorgehoben, dass unbedingt sichergestellt werden

muss, dass die Menschenrechte, das Flüchtlingsrecht und das humanitäre Völkerrecht bei allen

Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gewahrt bleiben.

Die EU hat in Erklärungen in verschiedenen VN-Gremien bekräftigt, wie wichtig es ist, die

Achtung der Menschenrechte bei der Bekämpfung des Terrorismus zu gewährleisten. So hat der

Vorsitz beispielsweise in seiner Erklärung im Namen der EU anlässlich der Konsultationen der

Generalversammlung über eine Strategie zur Terrorismusbekämpfung im Mai 2006 auf den

zentralen Stellenwert der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte hingewiesen. Der Vorsitz

erklärte, dass sich effiziente Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und der Schutz der

Menschenrechte gegenseitig ergänzen und verstärken.

Die Europäische Union hat wiederholt ihre Besorgnis über Guantánamo Bay geäußert. Sie wies

darauf hin, dass niemand in einem rechtlichen Vakuum leben dürfe; Menschenrechte und

humanitäre Standards seien auch im Kampf gegen den Terrorismus einzuhalten. Die EU vertrat

ferner den Standpunkt, dass Guantánamo nicht der Norm entspreche und so schnell wie möglich

geschlossen werden sollte. Sie unterstützte auch das Ersuchen der Sonderberichterstatter der

Vereinten Nationen, Guantánamo Bay gemäß ihren Standardvorgaben zu besuchen, was den freien

Zugang zu den Inhaftierten einschließt. Die EU und die USA führen einen Dialog über das

Völkerrecht und die Terrorismusbekämpfung. Dieses Fragen wurden auch auf dem Gipfeltreffen

EU-USA im Juni 2006 erörtert.

Drucksache 16/5603 – 108 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das Europäische Parlament nahm am 13. Juni 2006 eine Entschließung an, in der es seine Forde-

rung nach der Schließung von Guantánamo Bay wiederholte und darauf drängte, dass alle

Inhaftierten im Einklang mit dem Völkerrecht behandelt werden und – falls sie angeklagt werden –

unverzüglich ein Verfahren mit einer fairen und öffentlichen Verhandlung vor einem unabhängigen

und unparteiischen Gericht erhalten.

Die EU unterstützte die Arbeit des im Januar 2006 eingerichteten nichtständigen Ausschusses des

Europäischen Parlaments über die angebliche Nutzung europäischer Länder für den Transport und

die illegale Inhaftierung von Personen durch die CIA. Diese Untersuchungen konzentrierten sich

nicht nur auf die Frage, in welchem Umfang europäische Länder beteiligt gewesen sind, sondern

auch darauf, in welcher Weise die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Vertragsparteien die

wirksame Umsetzung der einzelnen Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention

gewährleisten.

Der für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung verant-

wortliche Sonderberichterstatter der VN, Professor Martin Scheinin, sprach am 16. Mai 2006 vor

der für Terrorismusbekämpfung zuständigen Gruppe des Rates.

4.9. Menschenrechte und gewerbliche Wirtschaft

Nach seiner Ernennung zum Sonderbeauftragten der VN für die Frage der Menschenrechte und

transnationaler Unternehmen sowie anderer Wirtschaftsunternehmen im Juli 2005 legte

John Ruggie Anfang des Jahres 2006 seinen ersten Zwischenbericht vor. Der Bericht ist darauf

ausgerichtet, Standards für die soziale Verantwortung und Rechenschaftspflicht transnationaler und

anderer Unternehmen in Bezug auf die Menschenrechte herauszuarbeiten und die Rolle des Staates

bei einer wirksamen Regulierung und Beurteilung transnationaler und anderer Unternehmen

hinsichtlich der Menschenrechte zu definieren.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109 – Drucksache 16/5603

Ende März 2006 nahm die Kommission eine Mitteilung mit folgendem Titel an: "Umsetzung der

Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verant-

wortung der Unternehmen führend werden".40 Soziale Verantwortung der Unternehmen ist ein

Konzept, wonach Unternehmen auf freiwilliger Basis bei ihrer Geschäftstätigkeit und in ihrer Inter-

aktion mit ihren Aktionären soziale und ökologische Belange berücksichtigen. Die Kommission

will mit dieser Mitteilung die soziale Verantwortung der Unternehmen weiterhin auch auf globaler

Ebene fördern, um einen maximalen Beitrag der Unternehmen zur Verwirklichung der

Millenniums-Entwicklungsziele der VN zu erreichen. Außerdem zielt die Mitteilung darauf ab, die

Dimension der nachhaltigen Entwicklung in bilateralen Handelsverhandlungen zu stärken und die

Förderung von grundlegenden Arbeitsnormen in bilateralen Abkommen voranzutreiben. Die

Kommission befürwortete außerdem erneut den Einsatz von Handelsvergünstigungen als Mittel, zur

Einhaltung der wichtigsten internationalen Grundsätze in den Bereichen Menschen- und Arbeit-

nehmerrechte, Umweltschutz und verantwortungsvolle Staatsführung anzuregen, vor allem im

Rahmen des am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen neuen "Allgemeinen Präferenzsystems"

("ASP+") der EU.

In ihrer Mitteilung "Menschenwürdige Arbeit für alle fördern"41 vom Mai 2006 verpflichtete sich

die Europäische Kommission ebenfalls dazu, mit der Zivilgesellschaft und den Unternehmen

zusammenzuarbeiten, um die Agenda für menschenwürdige Arbeit auf globaler Ebene voranzu-

bringen. Insbesondere wird in der Mitteilung dargelegt, wie die außenpolitischen Strategien der EU

am besten für die Förderung menschenwürdiger Arbeit eingesetzt werden können, so dass unter

anderem auch die schwersten Verstöße gegen die grundlegenden Arbeitsnormen, beispielsweise

Kinderarbeit, bekämpft werden können.

40 "Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet
der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden", KOM(2006) 136 endgültig
vom 22.3.2006.

41 "Menschenwürdige Arbeit für alle fördern - Der Beitrag der Europäischen Union zur
weltweiten Umsetzung der Agenda für menschenwürdige Arbeit", KOM(2006) 249 vom

24.5.2006; abrufbar unter http://ec.europa.eu/employment_social/news/2006/may/com_2006_249_en.pdf]

Drucksache 16/5603 – 110 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Schließlich beteiligte sich die Kommission noch an den Arbeiten des Investitionsausschusses

der OECD (des Ausschusses, der die Umsetzung der Leitlinien der OECD für multinationale

Unternehmen überwacht), die zur Fertigstellung des Risikobewertungsinstruments der

OECD für multinationale Unternehmen in Gebieten mit mangelhafter Staatsführung führten.

Dieses Instrument wurde am 8. Juni 2006 vom OECD-Rat angenommen42. Gebiete mit

mangelhafter Staatsführung gehören für internationale Unternehmen zu den schwierigsten

Investitionsumgebungen der Welt. In solchen Gebieten ist die Gefahr von Menschenrechts-

verstößen ein großes Problem. In dem Risikobewertungsinstrument wird unter anderem auf

die Notwendigkeit, die internationalen Menschenrechtsinstrumente zu beachten, und auf

Menschenrechtsrisiken im Zusammenhang mit der Führung von Sicherheitskräften

verwiesen.

4.10. Demokratie und Wahlen

Die Entwicklung und Stärkung der Demokratie ist grundlegendes politisches Ziel der Gemeinsamen

Außen- und Sicherheitspolitik (GASP – Artikel 11 Absatz 1 EUV) der EU und ihrer Zusammen-

arbeit mit Drittländern (Artikel 177 Absatz 2 und Artikel 181a Absatz 1 EGV).
42 Abrufbar unter www.oecd.org/dataoecd/26/21/36885821.pdf

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 111 – Drucksache 16/5603

Demokratie ist ein dynamischer Prozess, der es den Bürgern ermöglicht, in den ihr Leben betreffen-

den Bereichen am Beschlussfassungsprozess mitzuwirken. Es gibt zwar kein einheitliches Modell

für Demokratie, echte Demokratien verfügen aber über Gemeinsamkeiten, die internationalen

Standards entsprechen und unter anderem Folgendes umfassen: Die Verfassung sieht vor, dass

Regierungsbeschlüsse von aus regelmäßigen und freien Wahlen hervorgegangenen Vertretern über-

prüft werden; alle erwachsenen Bürger verfügen über das aktive und passive Wahlrecht; die

Menschen können sich zu politischen Fragen äußern, ohne eine Bestrafung fürchten zu müssen, und

haben das Recht, sich aus unterschiedlichen Quellen zu informieren; die Menschen haben das

Recht, unabhängige Verbände und Organisationen, einschließlich politischer Parteien, zu gründen

und ihre Meinung zu verbreiten; die Entscheidungsfreiheit der Regierung ist nicht durch eine über-

mächtige Opposition eingeschränkt, die beispielsweise aus nicht gewählten Amtsträgern, dem

Militär oder internationalen Gruppierungen besteht. Echte Demokratie berücksichtigt die Rechte

und Standpunkte der Minderheiten.

Die politische Unterstützung der EU für die Demokratie ist beträchtlich: Dies schließt die politi-

schen Prozesse im Rahmen ihrer Partnerschafts- und Kooperationsabkommen und die Arbeit ihrer

Organe, wie in anderen Kapiteln dargelegt, ein. In diesem Abschnitt wird über den ganz praktischen

Beitrag berichtet, den die EU durch die Unterstützung von Wahlen zu den Mechanismen der

Demokratie leistet.

Wahlunterstützung

Eines der wichtigsten Menschenrechte im Zusammenhang mit der Demokratisierung ist das Recht,

durch Wahlen an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen (Artikel 25 des

Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte). Dies beinhaltet das Recht, "bei

echten, wiederkehrenden … Wahlen … zu wählen und gewählt zu werden." Die EU leistet einen

Beitrag zur Verwirklichung dieses Rechts, indem sie Wahlbeobachtungen durchführt und

technische Hilfe bei der Durchführung von Wahlen bietet.

Drucksache 16/5603 – 112 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wahlbeobachtung und Bewertung der Wahlverfahren

Seit der im Jahr 2000 erfolgten Annahme einer Mitteilung der Kommission über Wahlunterstützung

und Wahlbeobachtung43, in der eine kohärente und wirksame Politik für die Beobachtung von

Wahlen festgelegt wurde, hat das Engagement der EU in diesem Bereich zunehmend an Professio-

nalität und Öffentlichkeitswirksamkeit gewonnen,44 und die Mitgliedstaaten der EU haben eine

zunehmende Bereitschaft zur Unterstützung der Planung und Durchführung von Wahlbeobach-

tungsmissionen geäußert. Seit dem Beginn der Umsetzung der Mitteilung wurden insgesamt

44 Wahlbeobachtungsmissionen der EU und sieben besondere Unterstützungsmissionen in Afrika,

im Nahen und Mittleren Osten sowie in zentral- und südamerikanischen und asiatischen Ländern

durchgeführt 45. Im Einklang mit der vereinbarten Konzentration auf die wichtigsten Wahlvorgänge

und unter Berücksichtigung der aufgestockten finanziellen und humanen Ressourcen hat sich die

Kommission das Ziel gesetzt, jährlich etwa vierzehn Wahlen zu beobachten.

Das Ziel von EU-Wahlbeobachtungsmissionen ist es,

x vor allem zu beurteilen, inwieweit die Durchführung einer Wahl den internationalen Normen

für demokratische Wahlen entspricht,

x eine abschreckende/eindämmende Wirkung im Hinblick auf Wahlbetrug und Unregelmäßig-

keiten zu entfalten;

x eine abschreckende/eindämmende Wirkung im Hinblick auf Gewalt und Einschüchterung zu

entfalten;

x das Vertrauen der Kandidaten, der Zivilgesellschaft und der Wähler im Hinblick auf die

Wahlteilnahme zu stärken;

43 KOM(2000) 191.
44 Die Mitteilung wurde im Jahr 2001 vom Rat und vom Europäischen Parlament gebilligt.
45 In Europa und Zentralasien hat die EU keine Wahlbeobachtungsmissionen durchgeführt, da in

diesen Regionen gegenwärtig eine glaubwürdige Wahlbeobachtung durch das Büro für demo-
kratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE), mit Unterstützung durch von den Mitgliedstaaten der EU
entsandte Beobachter, Delegationen von Abgeordneten des Europäischen Parlaments und – in
Ausnahmefällen – die Kommission im Rahmen des Krisenreaktionsmechanismus und der

EIDHR erfolgt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 113 – Drucksache 16/5603

x eine Momentaufnahme hinsichtlich eines breiten Spektrums von Demokratisierungsaspekten

zu liefern (z.B. Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit der Justiz sowie allgemeine Achtung

der Menschenrechte) und

x Empfehlungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wahlen und des demokrati-

schen Umfelds zu formulieren.

Zwischen Juli 2005 und Juni 2006 wurden zwölf EU-Wahlbeobachtungsmissionen und vier beson-

dere Unterstützungsmissionen entsandt, deren Finanzierung zumeist aus Mitteln der Europäischen

Initiative für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) erfolgte. Alle Missionen erfolgten nach

Maßgabe der internationalen Grundsätze für internationale Wahlbeobachtungsmissionen, die im

Oktober 2005 unter der Ägide der Vereinten Nationen vereinbart wurden.

Wahlbeobachtungsmissionen und Wahlunterstützungsprojekte im Berichtszeitraum

Für die Wahlen zum Unterhaus der Nationalversammlung (Wolesi Jirga) und zu den Provinzräten

in Afghanistan wurde eine Wahlbeobachtermission der EU unter Leitung von Emma Bonnino

(MEP) entsandt. Die Entsendung erfolgte am 7. Juli 2005. Die Mission wurde von einer

Beobachterdelegation des Europäischen Parlaments unter Leitung von José Ignacio Salafranca

(MEP) begleitet. Die Wahlbeobachtermission stellte in ihrem Abschlussbericht fest, dass die

Parlamentswahlen und die Wahlen zu den Provinzräten vom 18. September 2005 einen wichtigen

Schritt in einem Übergangsprozess darstellten, der zur Einsetzung einer repräsentativen Regierung

führen und dadurch dazu beitragen soll, Afghanistan nach 25 Jahren Konflikt wieder Frieden zu

bringen. Die Wahlen fanden unter extrem schwierigen Bedingungen und nach einem sehr eng

gefassten Zeitplan statt. >…@ Insgesamt waren die Wahlen unter Berücksichtigung ihrer

Komplexität und der praktischen Herausforderungen ein Erfolg, obwohl es erhebliche Mängel gab,

die in Zukunft behoben werden müssen. Die Wahlvorbereitungen waren im Allgemeinen gut, und

Drucksache 16/5603 – 114 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die Stimmabgabe am Wahltag verlief überwiegend friedlich. Obgleich die Wahlbeteiligung deutlich

niedriger war als 2004, nahmen doch Millionen Afghanen und Tausende von Kandidaten unter

häufig prekären Sicherheitsbedingungen an den Wahlen teil. Die Entwicklungen nach dem Wahltag

machten jedoch deutlich, dass der größere Wahlprozess mit erheblichen Mängeln behaftet war. Die

Integrität der Wahlen wurde in einer Reihe von Provinzen durch Unregelmäßigkeiten und

Wahlbetrug überschattet - eine beunruhigende Entwicklung, die ernsthaft analysiert werden muss

und der in Zukunft wirksam zu begegnen ist.

Die Parlamentswahlen in Burundi vom 4. Juli 2005 wurden von einer Wahlbeobachtungsmission

der EU unter Leitung von Alain Hutchinson (MEP) beobachtet; Johan Van Hecke (MEP) begleitete

die Mission im Namen des Europäischen Parlaments. Die Mission kam zu dem Schluss, dass die

Wahlen im Prozess der Versöhnung und Stabilisierung im Lande einen wichtigen Schritt dargestellt

haben. Trotz eines durch Spannungen und Gewalt geprägten Wahlkampfs verlief der Wahltag im

Allgemeinen friedlich. Die unabhängige nationale Wahlkommission verwaltete den Prozess auf

effiziente Weise, was eine freie Meinungsäußerung der Menschen möglich machte. Die Wähler

zeigten – Einschüchterungen und einer allgemein enttäuschenden Haltung der politischen Akteure

zum Trotz – durch eine hohe Wahlbeteiligung, dass sie dem Wahlprozess große Bedeutung

beimessen.

Vom 17. November 2005 bis zum 7. Februar 2006 wurde eine Wahlbeobachtungsmission unter

Leitung von General Philippe Morillon (MEP) entsandt, um das Verfassungsreferendum vom

18./19. Dezember 2005 in der Demokratischen Republik Kongo zu beobachten und detaillierte

Empfehlungen für die allgemeinen Wahlen im Jahr 2006 abzugeben. Die Mission zog in ihrem

Abschlussbericht das Fazit, dass das Referendum einen entscheidenden Schritt im politischen Über-

gangsprozess darstellte und zur Einsetzung legitim gewählter Institutionen geführt hat. Nach einem

Jahrzehnt verheerender Kriege zeigten die kongolesischen Wähler ihre Verbundenheit mit dem

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115 – Drucksache 16/5603

Wahlprozess durch eine hohe und friedliche Beteiligung an den Wahlen. Die Wahlen wurden trotz

beträchtlicher logistischer und operationeller Schwierigkeiten auf effiziente Weise durch eine unab-

hängige nationale Wahlkommission verwaltet und ermöglichten eine freie Meinungsäußerung der

Menschen. Angesichts der Schwierigkeiten bei der Organisation des Referendums und insbesondere

bei der Gesamtberechnung des Ergebnisses wurde es jedoch als wichtig erachtet, bestimmte opera-

tionelle Konzepte mit Blick auf die kommenden Wahlen, für die das Referendum einen Testlauf

darstellte, zu überprüfen – dies gilt in Bezug auf eine stärkere Dezentralisierung der Verwaltung des

Wahlprozesses und eine Stärkung der Kapazitäten der Wahlverwaltung.

Mitte März 2005 wurde eine Wahlbeobachtungsmission der EU unter Leitung von Ana Gomes

(MEP) nach Äthiopien entsandt, um die nationalen und regionalen Parlamentswahlen vom 15. Mai

2005 zu beobachten. Die Mission verfolgte den Prozess bis zu seinem Abschluss, einschließlich

aller Beschwerde- und Berufungsaspekte, sowie die Wahlen in der Somali-Region, die für den

21. August 2005 angesetzt waren. Sie legte 2006 einen Abschlussbericht vor, in dem sie feststellte,

dass die Parlamentswahlen von 2005 die bisher am Stärksten von Wettbewerb geprägten Wahlen in

Äthiopien gewesen sind und eine bis dahin nicht erreichte hohe Wahlbeteiligung zu verzeichnen

war. Es gab zwar eine Reihe positiver Entwicklungen in der Phase vor den Wahlen und die

Stimmabgabe am 15. Mai verlief auf friedliche und im Wesentlichen geordnete Weise, allerdings

waren bei der Auszählung und der Berechnung des Gesamtergebnisses Unregelmäßigkeiten,

Verwirrung und ein Mangel an Transparenz festzustellen. Beschwerde- und Berufungs-

mechanismen, auf die im Anschluss zurückgegriffen wurde, erwiesen sich nicht als wirksames

Hilfsmittel. Die Menschenrechtslage verschlechterte sich nach den Wahlen rapide: Dutzende

Bürger wurde von der Polizei getötet und Tausende wurden festgenommen. Insgesamt entsprachen

die Wahlen nicht den internationalen Grundsätzen für demokratische Wahlen. Der Bericht enthält

eine Reihe detaillierter Empfehlungen für künftige Wahlprozesse.

Drucksache 16/5603 – 116 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Wahlen in Fidschi vom 6.-13. Mai 2006 wurden von einer Wahlbeobachtungsmission der EU

unter Leitung von István Szent- Iványi (MEP) beobachtet. Die Mission stellte fest, dass die Wahlen

ausreichend gut und transparent organisiert waren, einschließlich der Auszählung und der Bericht-

erstattung in den Medien, und eine hohe Wahlbeteiligung zu verzeichnen war. Die Grundrechte der

freien Meinungsäußerung und der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wurden geachtet. >…@

In Bezug auf die Wählerregistrierung und die Wählerbildung sowie in Bezug auf die Beschwerde-

verfahren müssen noch Fortschritte gemacht werden. >…@ Das Fehlen klarer Verfahren für die

Behandlung von Beschwerden und mangelnde Transparenz führten zu einer unzureichenden

Erfüllung der Rechenschaftspflicht. Die Mission der EU stellte Mängel in Bezug auf das Wähler-

verzeichnis fest. >…@ Das Verzeichnis wies verschiedene Unregelmäßigkeiten auf. Wahlbezirke

wurden falsch zugeordnet und wahlberechtigte Wähler wurden nicht zugelassen, womit ihnen das

Wahlrecht entzogen wurde. Die Mission stellte einen ungewöhnlich hohen Prozentsatz ungültiger

Stimmen fest (9%) und wies darauf hin, dass das System der Wählerbildung ineffizient war. >…@

Sie wies darauf hin, dass viele Wähler das alternative vote-System, nach dem in drei aufeinander

folgenden Wahlen gewählt wurde, immer noch schwer verständlich finden. Die Mission stellte

außerdem eine unangemessene Einmischung des Hauptbefehlshabers der Streitkräfte Fidschis vor

und während der Wahlen fest.

Eine Wahlbeobachtungsmission der EU unter Leitung von Johan Van Hecke (MEP) wurde zu den

Präsidentschaftswahlen vom 19. Juni und 24. Juli nach Guinea-Bissau entsandt. Die Mission zog in

ihrem Abschlussbericht das Fazit, dass die Wahlen im Allgemeinen gut und auf transparente und

umfassende Weise organisiert waren und den wichtigsten internationalen Grundsätzen für demo-

kratische Wahlen entsprachen. An den Wahltagen herrschten weitgehend Ruhe und Ordnung und

die Wähler konnten ihr Wahlrecht frei ausüben, auch wenn die Phase vor der zweiten Runde von

Spannungen, einschließlich einiger gewaltsamer Zwischenfälle geprägt war. Die Wahlbeobach-

tungsmission der EU hat eine wichtige Rolle bei der Schaffung eines stabilen Umfelds gespielt, in

der die Wahlen durchgeführt werden konnten.

Die Präsidentschaft- und Parlamentswahlen in Haiti vom 7. Februar und 21. April 2006 wurden von

einer Wahlbeobachtungsmission der EU unter Leitung von Johan Van Hecke (MEP) beobachtet.

Die Mission wurde von November 2005 bis April 2006 durchgeführt und wurde von einer

Delegation des Europäischen Parlaments unter Leitung von Glyn Ford (MEP) begleitet.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 117 – Drucksache 16/5603

In ihrem Abschlussbericht bezeichnete die Mission die Wahlen als einen wichtigen Schritt auf dem

Weg zu mehr Stabilität und Demokratie in Haiti. Sie betonte, dass die administrative und organisa-

torische Kapazität der Wahlbehörden unzureichend war und die Wahlbehörden nicht im Stande

waren, den Wahlprozess ordnungsgemäß durchzuführen, vor allem nicht im Vorfeld der ersten

Runde der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, die mehrfach verschoben wurden. Ferner

ermöglichte der politische und rechtliche Rahmen, in dem die Wahlen erfolgten, keinen reibungs-

losen Ablauf des Wahlprozesses. Die logistische und technische Unterstützung der Mission der

Vereinten Nationen und der Organisation Amerikanischer Staaten war unerlässlich, wurde jedoch in

der Praxis durch eine mangelnde Koordinierung der nationalen und internationalen Akteure

behindert. Die politische Kampagne wurde durch die Debatte über die Rückkehr des früheren

Präsidenten Aristide nach Haiti anstatt durch ideologische und programmatische Diskussionen

beherrscht. Bezeichnenderweise lag die Beteiligung an den Wahlen vom 21. April (zweite Runde

der Parlamentswahlen) erheblich niedriger als bei der ersten Runde der Präsidentschafts- und

Parlamentswahlen vom 7. Februar. Die Wahlbeobachtungsmission der EU hat eine weit reichende

Wahlreform gefordert, mit dem Ziel, in Haiti eine autonome und dauerhafte Kapazität für die

Planung, Verwaltung, Finanzierung und Durchführung von Wahlen aufzubauen.

In Irak wurde ein Projekt zur Unterstützung der Parlamentwahlen vom 18. Dezember 2005 durch-

geführt, das auch die Entsendung von drei Wahlexperten in die unabhängige Wahlkommission Iraks

umfasste.

Im Rahmen eines gesonderten Projekts wurden überdies drei Experten eingesetzt, um durch Fort-

bildungsmaßnahmen die Arbeit von 50 lokalen Vertretern zu unterstützen, die von den EU-

Mitgliedstaaten entsandt worden waren, um den Wahlprozess insbesondere in Bagdad, Basra und

im Norden des Iraks mitzuverfolgen, darüber Bericht zu erstatten und außerdem Empfehlungen für

die Zukunft zu formulieren.

Drucksache 16/5603 – 118 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Eine Wahlbeobachtungsmission der EU unter Leitung von Max van den Berg (MEP) wurde zu den

Präsidentschafts-, Senats- und Repräsentantenhauswahlen vom 11. Oktober und die Stichwahl für

das Präsidentenamt vom 8. November nach Liberia entsandt. Die Mission nahm ihre Arbeit in

Liberia am 9. September 2005 auf und blieb bis zum 27. November. Die Mission wurde von einer

Delegation des Europäischen Parlaments unter Leitung von Marie-Arlette Carlotti (MEP) begleitet.

In ihrem Abschlussbericht zog die Wahlbeobachtungsmission der EU das Fazit, dass die Wahlen

friedlich verliefen, im Allgemeinen gut verwaltet wurden und einen wichtigen Schritt bei der Rück-

kehr Liberias zu einem normal funktionierenden Staat bedeuteten. Den Wählern stellte sich ein

breites Spektrum politischer Kandidaten in einem tatsächlich auf Wettbewerb beruhenden Wahlver-

fahren, und im Gegensatz zu den Wahlen von 1997 konnten die Wähler ihre Stimme ohne Angst

abgeben. Trotz der schwierigen Bedingungen aufgrund der zerstörten Infrastruktur und der Durch-

führung der Wahlen während der Regenzeit trafen die Wahlbehörden angemessene und

ausreichende Vorkehrungen für die Wähler. >…@ Die neue Regierung muss vorrangig einen aktiven

Versöhnungsprozess im Einklang mit den Wahrheits- und Versöhnungsverfahren des umfassenden

Friedensabkommens einleiten. Der Straflosigkeit muss ein Ende gesetzt werden und diejenigen

Personen, denen Verbrechen gegen die Menschheit zur Last gelegt werden, müssen vor Gericht

gestellt werden. >…@ Die neue Regierung, der neue Senat und das neue Repräsentantenhaus müssen

uneingeschränkt mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, damit sichergestellt wird,

dass der frühere Präsident Charles Taylor vor Gericht gestellt wird.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119 – Drucksache 16/5603

Vom 1. bis 30. Juni 2006 entsandte die Kommission zwei Experten nach Mauretanien, um das

Referendum über die Verfassungsänderung im Land zu beobachten. Die Mauretanier stimmten den

Verfassungsänderungen zu, was auch die Möglichkeit einschloss, im Juni 2006 per Referendum

einen politischen Wechsel herbeizuführen. Die Wahlexpertenmission lobte die Effizienz, mit der

das Innenministerium die Wahlen organisiert hatte, stellte aber fest, dass nicht das gesamte

Wahlpersonal die anzuwendenden Verfahren kannte. Die Aufsichtsinstanz CENI (Commission

Electorale Nationale Indépendante) dagegen erfüllte ihre Aufgabe nicht auf unabhängige,

maßgebende Weise. Folgendes wurde von den Experten moniert: die mangelnde Neutralität der

lokalen Behörden, die Anwesenheit von Sicherheitskräften in den Wahllokalen und die Tatsache,

dass lokale Beobachter die Wahlen nicht beobachten konnten. Die Empfehlungen der Experten zur

Überprüfung des Rechtsrahmens und der Transparenz der Wahlverfahren wurden an die maureta-

nischen Behörden mit Blick auf die Organisation der Parlaments- und Kommunalwahlen im

November 2006 und der Präsidentschaftswahlen im März 2007 weitergeleitet.

Nach Sri Lanka wurde für die Präsidentschaftswahlen vom 17. November eine Wahlbeobach-

tungsmission der EU unter Leitung von John Cushnahan, ehemaliges MEP und leitender

Beobachter bei den Wahlen in Sri Lanka in den Jahren 2000, 2001 und 2004, entsandt. Die Mission

dauerte vom 23. Oktober bis zum 4. Dezember 2005.

In ihrem Abschlussbericht stellte die Mission fest, dass die Präsidentschaftswahlen vom

17. November zwar im Süden des Landes unter wesentlich verbesserten Wahlbedingungen durch-

geführt wurden, die Situation im Norden und Osten des Landes jedoch im krassen Gegensatz dazu

stand. In den Gebieten, die von den Tamilischen Befreiungstigern kontrolliert wurden oder in denen

diese Einfluss ausübten, gab es kaum Belege dafür, dass tatsächlich ein Wahlprozess stattgefunden

hatte. Es gab keinen Wahlkampf und Wähler wurden durch einen Boykott der Tamilischen

Drucksache 16/5603 – 120 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Befreiungstiger und ihrer Vertreter daran gehindert, ihr Wahlrecht auszuüben. Bedauerlicherweise

ist die Störung des Wahlprozesses in diesen Gebieten keine neue Erscheinung und darf daher nicht

außer Acht gelassen werden. Frühere Wahlbeobachtungsmissionen der EU haben eine Reihe von

Empfehlungen abgegeben, von denen die meisten jedoch noch nicht umgesetzt wurden. Diese

Empfehlungen werden bekräftigt, da sie weiterhin wesentliche Faktoren zur Stärkung des Wahl-

prozesses darstellen. Für sich allein genommen reichen sie jedoch nicht aus, um der negativen

Stimmung zu begegnen, die in den Gebieten im Norden und Osten herrscht, in denen den Wählern

kontinuierlich die Möglichkeit vorenthalten wurde, sich voll am demokratischen Prozess zu

beteiligen.

Die Kommission entsandte zwei Experten zur Beobachtung der Präsidentschafts-, Parlaments- und

Lokalratswahlen in Tansania (14. Dezember 2005) und Sansibar (30. Oktober 2005), unter

anderem, um die Missionsleiter der EU in Daressalam in Wahlfragen zu beraten.

Die Experten kamen in Bezug auf die Wahlen in Tansania zu dem Schluss, dass zwar politischer

Pluralismus besteht, die Wahlen von 2005 aber zeigen, dass de facto keine Oppositionspartei in der

Lage ist, die Vorherrschaft der regierenden Partei CCM in Frage zu stellen. Obgleich die Wahlen

gut durchgeführt wurden und sich der Ruf der nationalen Wahlkommission in Bezug auf Professio-

nalität und Unabhängigkeit verbessert hat, entsprachen doch einige Aspekte der Wahlen nicht den

internationalen Standards. >…@ Der Gesamtrahmen der Wahlen ist zwar solide, es ist aber nicht klar,

ob er auch dann noch stabil genug ist, eine wirklich demokratische Wahl zu gewährleisten, wenn es

in Zukunft zu einer Wahl mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommen sollte.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121 – Drucksache 16/5603

Was die Wahlen in Sansibar anbelangt, so wurden zwar Fortschritte in Bezug auf die Verwaltung

der Wahlen, auch im Bereich der Wählerregistrierung, und in Bezug auf die Integrität des Wahl-

prozesses im Vergleich zu den Wahlen vom Jahr 2000 festgestellt, die Experten verzeichneten aber

auch eine Reihe ernster Mängel, die eine Wahlreform dringend notwendig machen. Zu diesen

Mängeln gehörten das Eingreifen der politischen Behörden in den Wahlprozess, mangelnde

Transparenz bei der Tätigkeit der Wahlbehörden und unzulängliche Beschwerde- und Berufungs-

mechanismen. Der Wahlprozess war von einem tiefen Misstrauen zwischen den beiden wichtigsten

Parteien in Sansibar sowie von einem Wahlkampf geprägt, der durch Gewalttaten beeinträchtigt

wurde, die unter anderem von mit der regierenden Partei verbundenen Miliz verübt wurde.

Eine Wahlbeobachtungsmission der EU unter Leitung von Max van den Berg wurde nach Uganda

entsandt, um die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom 23. Februar 2006 zu beobachten -

die ersten pluralistischen Wahlen im Land seit 26 Jahren. Die Mission dauerte vom 27. Januar bis

zum 10. April 2006 und wurde von einer Delegation des EP unter Leitung von Johan van Hecke

(MEP) begleitet.

Die Mission berichtete, die Bevölkerung Ugandas habe sich entschlossen dafür eingesetzt, mit

friedlichen, demokratischen Mitteln über ihre politische Zukunft zu entscheiden, indem sie in

großer Zahl an den Wahlen teilgenommen habe und Vertrauen in eine freie, eigene Entscheidung

für Kontinuität oder Veränderung gesetzt habe. >…@ Die Wahlkommission konnte das Vertrauen der

Öffentlichkeit auf einem hohen Niveau halten und organisierte die Wahlen auf effizientere und

transparentere Weise; allerdings genoss sie nicht das volle Vertrauen aller politischer Parteien. Laut

der Wahlbeobachtungsmission der EU entsprachen die Wahlen nicht uneingeschränkt den inter-

nationalen Grundsätzen für demokratische Wahlen, insbesondere deshalb nicht, weil nicht für alle

Drucksache 16/5603 – 122 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gleiche Bedingungen herrschten. >…@ Der Präsident und seine Partei hatten in einem Maße Vorteile

gegenüber ihren Konkurrenten, das über die üblichen Vorteile von Amtsinhabern und die

bestehenden legalen Vorrechte des Präsidenten hinausging; die staatlichen Fernseh- und Rundfunk-

sender widmeten ihnen eine überwältigende und positive Berichterstattung. >…@ In der Phase vor

den Wahlen und während des Wahlkampfs gab es auch umstrittene Anklagen und Gerichts-

verfahren gegen einen Kandidaten der Opposition, dem dadurch nur wenig Zeit für den Wahlkampf

blieb. Das oberste Gericht stellte in einem Urteil fest, dass es bei der Präsidentschaftswahl eine

Reihe schwerwiegender Unregelmäßigkeiten im Wahlprozess gegeben habe, auch wenn dies die

Ergebnisse der Wahl nicht wesentlich berührt habe. Das Gericht verwies in seinem Urteil auf Fälle,

in denen Bürgern das Wahlrecht entzogen worden war, auf Einschüchterung, parteiische Wahl-

beamte, mehrfache Stimmabgabe, mit gefälschten Wahlzetteln gefüllte Wahlurnen und Eingriffe

der Sicherheitskräfte.

Eine Wahlbeobachtungsmission der EU unter Leitung von José Silva Peneda (MEP) wurde zu den

Parlamentswahlen vom 4. Dezember 2005 nach Venezuela entsandt. Die Mission wurde von einer

Delegation des EP unter Leitung von Arunas Degutis (MEP) begleitet.

In ihrem Abschlussbericht stellte die Mission fest, dass die Wahlbehörden (CNE) den Prozess gut

verwaltet haben und ihre logistischen Vorbereitungen für die Wahl akzeptabel waren. Allerdings ist

die Leistung der Wahlbehörden durch Vorwürfe der Befangenheit und der Parteilichkeit seitens der

Opposition überschattet worden. Die Phase vor der Wahl war vor allem dadurch geprägt, dass große

Teile der Gesellschaft kein Vertrauen in den Wahlprozess und die Unabhängigkeit der Wahl-

behörden hatten. >…@ Die Möglichkeit der elektronischen Wahl ist eindeutig im Rechtsrahmen

verankert. Allerdings führten die gegenwärtige Entwicklung und die Anwendungen des elektroni-

schen Wahlsystems in mehrerer Hinsicht über den Rechtsrahmen hinaus. Die Wahlbehörden

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123 – Drucksache 16/5603

reagierten rechtzeitig und angemessen auf die Entdeckung von Gestaltungsfehlern in der Software

der Wahlmaschinen - die eventuell Verstöße gegen das Wahlgeheimnis zur Folge hätten haben

können - , indem sie die Geräte zur Fingerabdruckserfassung aus dem Betrieb nahmen. Aus diesem

Grund war die Wahlbeobachtungsmission erstaunt darüber, dass die Mehrzahl der Oppositions-

parteien ihre Kandidatur nur vier Tage vor den Wahlen zurückzog. >…@ Die Parlamentswahlen

trugen nicht dazu bei, den Graben in der Gesellschaft Venezuelas zu verkleinern. In dieser Hinsicht

waren die Wahlen eine verpasste Gelegenheit. Um diesen Graben zu überwinden, sind konstruk-

tivere und ausgereiftere Anstrengungen aller politischen Kräfte vonnöten.

In das Westjordanland und den Gaza-Streifen wurde eine Wahlbeobachtungsmission unter

Leitung von Véronique De Keyser (MEP) entsandt, um die Wahlen zum Palästinensischen

Legislativrat vom 25. Januar 2006 zu beobachten. Die Mission dauerte vom 13. Dezember 2005 bis

zum 13. Februar 2006. Sie wurde von einer Delegation des EP unter Leitung von Edward

McMillan-Scott (MEP) begleitet. Die Mission stellte in ihrem Abschlussbericht fest, dass bei den

Wahlen deutlich wurde, dass der Wahlprozess offen und fair war und effizient verwaltet wurde.

>…@ Die zentrale Wahlkommission erfreute sich eines großen Vertrauens der Öffentlichkeit in ihre

Professionalität und Unabhängigkeit. Die Kommission bewahrte auch angesichts von Einschüch-

terungen ihre Integrität. >…@ Die Wahlbeteiligung war beeindruckend hoch, was zeigte, dass dem

palästinensische Volk in sehr hohem Maße daran gelegen war, mit demokratischen Mitteln über

seine politische Zukunft zu entscheiden, und zwar trotz der unsicheren Bedingungen, unter denen

die Wahlen stattfanden, einschließlich Verzögerungen, eines unannehmbar hohen Maßes an Gewalt

in der Phase vor dem Wahlkampf und einer Besatzung, durch die die Ausübung der die Wahlen

betreffenden Grundrechte eingeschränkt wurden.

Drucksache 16/5603 – 124 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Während des Berichtszeitraums entsandte die EU außerdem Sondierungsmissionen in die

indonesische Provinz Aceh, nach Mauretanien, Nicaragua, Jemen und Sambia mit Blick auf

Wahlen, die für den Herbst 2006 angesetzt sind.

Wahlbeobachtungsmissionen / Wahlunterstützungsprojekte Juli 2005 – Juni 2006

Land Leiter der

Mission

Gesamtbudget Teilnehmer

Afghanistan Emma Bonino

(MEP)

EUR 4.000.000 91 Beobachter (11 im Kernteam,

60 Langzeitbeobachter und

20 Kurzzeitbeobachter)

Burundi Alain Hutchinson

(MEP)

EUR 1.240.000 80 Beobachter (8 im Kernteam,

12 Langzeitbeobachter und

60 Kurzzeitbeobachter)

Demokratische

Republik

Kongo

Philippe Morillon

(MEP)

EUR 1.800.000 117 Beobachter (11 im Kernteam,

26 Langzeitbeobachter und

80 Kurzzeitbeobachter)

Äthiopien Ana Gomes (MEP) EUR 2.810.000 159 Beobachter (9 im Kernteam,

50 Langzeitbeobachter und

100 Kurzzeitbeobachter)

Fidschi István Szent-Iványi

(MEP)

EUR 1.500.000 37 Beobachter (7 im Kernteam,

12 Langzeitbeobachter und

18 Kurzzeitbeobachter)

Guinea-Bissau Johan van Hecke
(MEP)

EUR 2.500.000 87 Beobachter (7 im Kernteam,

20 Langzeitbeobachter

und 60 Kurzzeitbeobachter)

Haiti Johan van Hecke

(MEP)

EUR 4.500.000 93 Beobachter (9 im Kernteam,

44 Langzeitbeobachter, und

40 Kurzzeitbeobachter)

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 125 – Drucksache 16/5603

Irak (2 Wahl-

unterstützungs-

missionen)

keine Angaben EUR 2.300.000 5 Experten

Liberia Max van den Berg

(MEP)

EUR 2.000.000 49 Beobachter (9 im Kernteam,

20 Langzeitbeobachter und

20 Kurzzeitbeobachter)

Mauretanien keine Angaben EUR 50.000 2 Experten

Sri Lanka John Cushnahan EUR 1.000.000 92 Beobachter (6 im Kernteam,

22 Langzeitbeobachter und

64 Kurzzeitbeobachter)

Tansania keine Angaben EUR 200.000 2 Experten

Venezuela J. Albino Silva

Peneda (MEP)

EUR 1.000.000 152 Beobachter (10 im Kernteam,

40 Langzeitbeobachter und

102 Kurzzeitbeobachter)

Uganda Max van den Berg

(MEP)

EUR 1.800.000 177 Beobachter (9 im Kernteam,

8 Langzeitbeobachter und

160 Kurzzeitbeobachter)

Westjordanland

& Gazastreifen

Véronique

De Keyser

(MEP)

EUR 2.300.000 173 Beobachter (13 im Kernteam,

32 Langzeitbeobachter und

128 Kurzzeitbeobachter)

Die EU hat sich verstärkt darum bemüht, geeignete Folgemaßnahmen für die Ergebnisse und

Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmissionen zu treffen und diese Ergebnisse und

Empfehlungen in ihre Erklärungen, den politischen Dialog, Kooperationsprogramme und die

Programmplanung der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte einfließen

lassen. Wie seit 2004 üblich, sind alle leitenden Beobachter von EU-Wahlbeobachtungsmissionen

in das betreffende Land zurückgekehrt und haben dort den Abschlussbericht ihrer Mission einem

breiten Spektrum von Gesprächspartnern vorgestellt.

Drucksache 16/5603 – 126 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Berichtszeitraum hat die EU weiterhin die Bemühungen um die Konsolidierung eines

europaweiten Wahlbeobachtungskonzepts auf EU-Expertenebene und mit den Partnerländern der

EU unterstützt. Es wurden Mittel für das Projekt "Europäisches Netz für die Unterstützung von

Wahlen und Demokratie (NEEDS)" bereitgestellt, dass von einer Gruppe europäischer Fach-

einrichtungen im Bereich Wahlen umgesetzt wird, um ein umfassendes Schulungsprogramm für

EU-Beobachter und -Experten durchzuführen und regionale Tagungen für einheimische Wahl-

beobachter zu veranstalten. NEEDS hat im Berichtszeitraum fünf Schulungen für über

149 Langzeitbeobachter und Experten durchgeführt, ein Treffen der Kontaktstellen für Wahl-

beobachtung der Mitgliedstaaten veranstaltet und ein regionales Seminar für einheimische

Beobachter in Jakarta (Indonesien) organisiert, an dem 19 Vertreter von 17 asiatischen

Organisationen teilnahmen.

Die Europäische Kommission wird sich weiterhin für die Förderung der höchsten Standards der

Wahlbeobachtung einsetzen. Sie beteiligte sich an dem Prozess zur Erarbeitung wichtiger inter-

nationaler Standards für die Wahlbeobachtung, der unter der Schirmherrschaft der VN ablief und

von allen großen auf diesem Gebiet tätigen Organisationen unterstützt wurde. Die Kommission war

im Oktober 2005 bei der feierlichen Annahme der Grundsatzerklärung über internationale Wahl-

beobachtungsmissionen in New York vertreten und nahm an der Folgesitzung teil, die im Juni 2006

vom Commonwealth in London organisiert wurde.

Finanzielle Unterstützung für Wahlen

Die EU stellt erhebliche Mittel für Wahlunterstützungsprojekte in Reformländern bereit. Damit soll

unter anderem Folgendes gefördert werden:

x der Aufbau von Fähigkeiten und Strukturen staatlicher Wahlbehörden und Einrichtungen für

die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Wahlen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 127 – Drucksache 16/5603

x die Wahlbeobachtung durch einheimische Beobachter und Medienbeobachtungsgruppen;

x politische Bildung und Wählerbildung durch Wahlbehörden oder Organisationen der

Zivilgesellschaft und

x internationale und regionale Organisationen, die auf dem Gebiet der Wahlunterstützung tätig

sind.

Die Wahlunterstützung für staatliche Behörden einschließlich der Wahlbehörden wird ausschließ-

lich aus Mitteln für geografische Zusammenarbeit bestritten, die für Drittländer zur Verfügung

stehen (zum Beispiel im Rahmen des EEF und der Programme ALA, CARDS und TACIS 46). Auf

dem Gebiet der Wahlunterstützung tätige nichtstaatliche Organisationen können aus diesen Quellen

sowie aus Mitteln der EIDHR unterstützt werden. Außerdem wurde in Fällen, in denen im

Anschluss an Konflikte kurzfristig Wahlen anberaumt wurden, im Wege des Krisenreaktions-

mechanismus Wahlunterstützung geleistet.

Die Unterstützung der EU für aktuelle Wahlbeobachtungsprojekte erstreckte sich im Zeitraum

zwischen Juli 2005 und Juni 2006 unter anderem auf Folgendes:

x Unterstützung der kongolesischen unabhängigen Wahlkommission (Demokratische

Republik Kongo) bei allen Schritten zur Organisation des Wahlzyklus im Zusammenhang

mit den verschiedenen Wahlen in den Jahren 2005 (Verfassungsreferendum) und 2006

(Präsidentschaft-, Parlaments- und Provinzialwahlen). Die EU hat einen Beitrag von

149 Mio. EUR zu einem Gesamthaushalt von 330 Mio. EUR geleistet;

46 EEF: Europäischer Entwicklungsfonds, ALA: Programm für finanzielle und technische
Zusammenarbeit der EU mit den Ländern Lateinamerikas und Asiens, CARDS: Gemein-
schaftshilfe für Wiederaufbau, Entwicklung und Stabilisierung; TACIS: Im Rahmen des
TACIS-Programms erhalten 12 Länder in Osteuropa und Zentralasien (Armenien,
Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldau, Russische Föderation,
Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine und Usbekistan) technische Hilfe, die durch Finanz-
beihilfen finanziert wird und in erster Linie darauf abzielt, den Übergangsprozess in diesen

Ländern zu verbessern.

Drucksache 16/5603 – 128 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

x Beitrag von über 30 Mio. EUR zum Treuhandfonds der Vereinten Nationen für die Vorbe-

reitung der Wahlen in Irak und 1,5 Mio. EUR für die Entsendung von drei EU-Wahlexperten

zur irakischen unabhängigen Wahlkommission und für ein Schulungsprogramm für über

170 einheimische Beobachtergruppen;

x Beitrag von 14 Mio. EUR in den vergangenen Jahren für die Vorbereitung der Wahlen im

Westjordanland und im Gazastreifen, einschließlich für die Einsetzung einer unabhängigen

zentralen Wahlkommission;

x Starthilfe in Höhe von 400.000 EUR für die unabhängige nationale Wahlkommission von

Burundi; darauf folgte ein Beitrag von 4 Mio. EUR zum UNDP-Treuhandfonds für die

Organisation der Wahlen im Jahr 2005;

x Beitrag von 1,2 Mio. EUR zu dem vom UNDP verwalteten Treuhandfonds für die Durch-

führung der Präsidentschaftswahlen in Guinea-Bissau im Jahr 2005.

Die Europäische Kommission hat Wahlunterstützung vor allem über das UNDP geleistet. Die

Kommission und das UNDP haben am 21. April 2006 Praxisleitlinien für die Durchführung von

Wahlunterstützungsprogrammen und -projekten angenommen. In diesen Leitlinien werden

praktische Maßnahmen beschrieben, mit denen die konzeptionelle und operationelle Zusammen-

arbeit der beiden Organisationen auf dem Gebiet der Wahlunterstützung – auch vor Ort – gefestigt

werden soll.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 129 – Drucksache 16/5603

4.11. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Die EU misst den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten die gleiche Bedeutung bei wie

den bürgerlichen und politischen Rechten, wobei sie der 1993 in Wien auf der Weltkonferenz über

Menschenrechte bekräftigten Allgemeingültigkeit, Unteilbarkeit, wechselseitigen Abhängigkeit und

Verknüpfung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten Rechnung trägt. Beide Kategorien von

Rechten ergeben sich aus der dem Menschen innewohnenden Würde, und die effektive Umsetzung

eines jeden Rechts ist eine unabdingbare Voraussetzung für die vollständige Umsetzung weiterer

Rechte. Diese Verknüpfung geht besonders eindeutig aus dem Übereinkommen über die Rechte des

Kindes hervor, dem alle Mitgliedstaten beigetreten sind, und kommt auch in der unlängst ange-

nommenen Mitteilung der Kommission im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie zum Aus-

druck.

Die EU hat sich im Berichtszeitraum aktiv an der dritten Sitzung der offenen Arbeitsgruppe der

Menschenrechtskommission (Februar 2006) beteiligt, die Möglichkeiten für die Erstellung eines

Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

ausloten soll. Die EU begrüßt den Bericht der Arbeitsgruppe sowie den Beschluss des Menschen-

rechtsrats vom Juni 2006, das Mandat der Arbeitsgruppe um zwei Jahre zu verlängern, damit diese

ein alle Optionen berücksichtigendes Fakultativprotokoll erstellt.

Die EU hat mehrere Mandate der Menschenrechtskommission im Zusammenhang mit wirtschaft-

lichen, sozialen und kulturellen Rechten, insbesondere die Sonderberichterstatter über Bildung,

Wohnen, Gesundheit und Nahrung und die Unabhängige Expertin für extreme Armut, unterstützt.

Die EU begrüßt die wertvollen Beiträge, die mit diesen Sonderverfahren der Menschenrechts-

kommission im Rahmen der Ausübung der jeweiligen Mandate für die Förderung und den Schutz

der Menschenrechte geleistet werden.

Drucksache 16/5603 – 130 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zum Verständnis der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ist zu berücksichtigen, dass

diese eng an Entwicklungsfragen gekoppelt sind. Sechs der acht Millennium-Entwicklungsziele

(MDG) stellen die Entwicklung von Mensch und Gesellschaft in den Vordergrund. Die EU ist zur

treibenden Kraft der internationalen Anstrengungen für die Verwirklichung der MDG geworden,

indem sie sich im Vorfeld des VN-Gipfels vom September 2005 zur Erhöhung der Wirksamkeit und

des Umfangs der Hilfen verpflichtet hat und im Dezember 2005 den Europäischen Konsens über die

Entwicklungspolitik 47 angenommen hat. Diese Erklärung besteht aus zwei Teilen. Teil I mit dem

Titel "Die Entwicklungsvision der Europäischen Union" legt die allgemeinen Ziele und Grundsätze

für die Entwicklungszusammenarbeit dar. Darin wird das Eintreten der EU für die Beseitigung der

Armut, für Eigenverantwortung und Partnerschaft, für die Bereitstellung von mehr und besserer

Hilfe und für die Förderung der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung bekräftigt. Er wird

einen im Geiste der Komplementarität abgefassten Leitfaden für die Tätigkeiten der Gemeinschaft

und der Mitgliedstaaten im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit in allen Entwicklungsländern

darstellen. Menschenrechte und verantwortungsvolle Staatsführung sind weitere wichtige Ziele. In

Teil II mit dem Titel "Die Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft" wird dargelegt, wie

die Gemeinschaft die in Teil I beschriebene Entwicklungsvision mit den ihr zur Verfügung stehen-

den Ressourcen in die Praxis umsetzen wird.

Darüber hinaus hat die Gemeinschaft Ziele der sozialen Entwicklung in die jüngsten bilateralen,

regionalen und interregionalen Abkommen aufgenommen. In diesen Abkommen verpflichten sich

beide Seiten zur Anerkennung und Förderung der sozialen Rechte, einschließlich zur Einhaltung der

Kernübereinkommen der ILO über grundlegende Arbeitnehmerrechte. Beispiele hierfür sind die

Abkommen mit Südafrika (1999) und Chile (2002) sowie die laufenden Verhandlungen mit dem

Golf-Kooperationsrat.

47 Vorschlag für eine gemeinsame Erklärung des Rates, des Europäischen Parlaments und der Kommission - Die

Entwicklungspolitik der Europäischen Union - "Der Europäische Konsens", KOM(2005) 311 vom 13. Juli 2005.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 131 – Drucksache 16/5603

Seit 1998 gewährt die Gemeinschaft Handelspräferenzen im Rahmen der als Anreiz für den Schutz

der Arbeitnehmerrechte konzipierten Sonderregelungen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS).

Diese Sonderanreize werden jenen Entwicklungsländern auf Antrag zugestanden, die die Einhal-

tung der ILO-Kernarbeitsnormen sicherstellen. Das vom Rat am 27. Juni 2005 angenommene All-

gemeine Präferenzsystem APS+, das am 1. Januar 2006 in Kraft getreten ist, umfasst ein neues

APS-Anreizsystem mit zusätzlichen Zollpräferenzen für nachhaltige Entwicklung und verantwor-

tungsvolle Regierungsführung für gefährdete Länder, die eine Reihe internationaler Überein-

kommen in den Bereichen Umwelt, verantwortungsvolle Regierungsführung, Menschenrechte und

Sozialrechte – darunter die acht Kernübereinkommen der ILO über Arbeitnehmerrechte – unter-

zeichnet und tatsächlich umgesetzt haben. Die Regelung APS+ ersetzt mehrere frühere Systeme für

Sonderanreize.

Derzeit haben ca. 180 Entwicklungsländer und abhängige Gebiete Zugang zum grundsätzlichen

APS-Schema. Zusätzlich wurden 15 gefährdeten Staaten für einen Zeitraum von drei Jahren (2006-

2008) Begünstigungen nach dem APS+ gewährt; hierzu zählen fünf Andenstaaten (Bolivien,

Kolumbien, Ecuador, Peru und Venezuela), sechs zentralamerikanische Länder (Costa Rica,

El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama) sowie Moldau, Georgien, Mongolei

und Sri Lanka.

In außergewöhnlichen Fällen mit schwerwiegenden und systematischen Verstößen gegen die

Grundsätze eines der acht ILO-Übereinkommen über Kernarbeitsnormen sieht das gemeinschaft-

liche APS-Schema eine vorübergehende Rücknahme der Handelspräferenzen vor. Nach der gelten-

den APS-Verordnung des Rates können Bewertungen durch ILO-Aufsichtsorgane als Ausgangs-

punkt für die Untersuchung der Frage dienen, ob die vorübergehende Rücknahme von APS gerecht-

fertigt ist. Im März 1997 hat der Rat der EU im Fall von Myanmar (Birma) eine vorübergehende

Rücknahme des Zugangs zu den EU-Präferenzregelungen wegen schwerwiegenden und systema-

tischen Verstößen gegen das ILO-Übereinkommen gegen die Zwangsarbeit beschlossen. Diese

vorübergehende Rücknahme ist aufgrund der weiterhin anhaltenden schwerwiegenden und syste-

matischen Verstöße noch immer in Kraft.

Drucksache 16/5603 – 132 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4.12. Recht auf Entwicklung

Die EU hat im Berichtszeitraum beständig darauf hingewiesen, dass sie dem Recht auf Entwicklung

verpflichtet ist, wie es in der Erklärung und dem Aktionsprogramm von Wien (1993) sowie in der

Erklärung über das Recht auf Entwicklung (1986) verankert ist, in der der Mensch und seine Men-

schenrechte als zentrales Subjekt der Entwicklung bezeichnet werden. Diese Verpflichtung schlägt

sich auch in den Partnerschaften und Abkommen über Entwicklungszusammenarbeit nieder, die mit

Drittstaaten in der ganzen Welt geschlossen worden sind, insbesondere im Cotonou-Abkommen

zwischen der EU und den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und

im Pazifischen Ozean.

Im Dezember 2005 hat die Europäische Union den "Europäischen Konsens über die Entwicklungs-

politik" angenommen und hat mit dieser gemeinsamen Erklärung über die Entwicklungspolitik

erneut ihr Engagement für Entwicklung und Armutsbekämpfung und somit für die Millennium-Ent-

wicklungsziele bekräftigt. Auf der Grundlage dieser Erklärung, in der Menschenrechte und verant-

wortungsvolle Staatsführung als wichtige Ziele und durchgängig einzubeziehende Themen bezeich-

net werden, werden die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten danach streben, Koordinierung,

Komplementarität und Eigenverantwortung der begünstigten Länder bei der Umsetzung der Ent-

wicklungshilfe zu verbessern. Die EU hat sich zudem verpflichtet, darauf hinzuarbeiten, dass eine

gemeinsame mehrjährige Programmplanung betrieben wird, gemeinsame Durchführungs-

mechanismen einschließlich gemeinsamer Analysen eingerichtet und gemeinsame geberübergrei-

fende Missionen durchgeführt sowie Kofinanzierungsvereinbarungen getroffen werden.

Im November 2005 hat der Dritte Ausschuss der VN-Generalversammlung die traditionelle Reso-

lution über das Recht auf Entwicklung, die Malaysia im Namen der Bewegung blockfreier Staaten

eingebracht hatte, angenommen. Diese bestätigt die vereinbarten Schlussfolgerungen und Empfeh-

lungen, die in der sechsten Sitzung der offenen Arbeitsgruppe für das Recht auf Entwicklung (14.

bis 18. Februar 2005) angenommen worden waren, und fordert deren unverzügliche, umfassende

und wirksame Umsetzung durch das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Men-

schenrechte (OHCHR) und andere Akteure. Die Resolution unterstreicht die Bedeutung der in den

Schlussfolgerungen der dritten Sitzung der Arbeitsgruppe festgehaltenen Grundprinzipen (Billig-

keit, Transparenz, Rechenschaftspflicht, Nichtdiskriminierung).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 133 – Drucksache 16/5603

Die EU hat für die Resolution gestimmt. In ihrer Erklärung zur Stimmabgabe hat die EU die Ver-

pflichtung der Staaten hervorgehoben, auf die Verwirklichung des Rechts auf Entwicklung hinzu-

arbeiten. Nach Auffassung der EU fällt den Staaten die Hauptverantwortung dafür zu, auf nationaler

Ebene die Bedingungen zu schaffen, die der Verwirklichung dieses Rechtes förderlich sind. Dies

lässt sich am besten durch Einbeziehung einer Menschenrechtsperspektive in nationale Entwick-

lungspläne und globale Partnerschaften erzielen, um auf diese Weise die Allgemeingültigkeit,

Unteilbarkeit, wechselseitige Abhängigkeit und Verknüpfung aller Menschenrechte hervorzuheben.

Die EU setzt sich entschlossen für eine Partnerschaft zwischen den entwickelten Ländern und den

Entwicklungsländern ein, wie sie im Konsens von Monterrey dargelegt ist: "Jedes Land trägt die

Hauptverantwortung für die eigene wirtschaftliche Entwicklung […]. Die nationalen Entwicklungs-

bemühungen müssen durch förderliche internationale wirtschaftliche Rahmenbedingungen unter-

stützt werden."

Die EU hat sich aktiv an der 7. Sitzung der Arbeitsgruppe beteiligt, die vom 9. bis 13. Januar 2006

stattgefunden hat. Die Arbeitsgruppe ist von der VN-Menschenrechtskommission beauftragt, die

Fortschritte bei der Förderung und Durchsetzung des Rechts auf Entwicklung zu verfolgen und zu

überprüfen und Berichte und andere Informationen von Staaten, internationalen Organisationen

oder Nichtregierungsorganisationen zu prüfen. Die Gruppe hat den Bericht der Hochrangigen Task

Force "Durchsetzung des Rechts auf Entwicklung" geprüft, in dem insbesondere auf das Millen-

nium-Entwicklungsziel 8 über globale Partnerschaften und den Bericht des OHCHR für die 62. und

letzte Tagung der Menschenrechtskommission eingegangen wird. Die EU hat betont, dass die Ein-

haltung der Menschenrechte eine Vorbedingung für wirksame und nachhaltige Entwicklungs-

maßnahmen und Partnerschaften darstellt.

Der neu eingesetzte Menschenrechtsrat hat am 30. Juni 2006 das Mandat der Arbeitsgruppe um ein

weiteres Jahr verlängert. Die Hochrangige Task Force wird vor Jahresende an fünf weiteren Tagen

zusammentreten und sich mit der Umsetzung der Empfehlungen befassen, die die Arbeitsgruppe in

ihrem Bericht zu ihrer siebten Sitzung ausgesprochen hat.

Drucksache 16/5603 – 134 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4.13. Interkultureller Dialog

Die EU legt großen Wert auf die Förderung des interkulturellen Dialogs sowohl innerhalb der

Union als auch mit Drittländern. Mit dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten ist die Union noch viel-

fältiger geworden, und im Jahr 2007 wird die Gesamtbevölkerung auf fast 500 Millionen Menschen

angewachsen sein, was einen enormen Reichtum an kultureller, sozialer und sprachlicher Vielfalt

bedeutet. Dies trifft überdies mit einem größeren demografischen Wandel zusammen, der mit einer

Alterung der Bevölkerung, einer sinkenden Zahl von Erwerbspersonen und einem anhaltenden

Einwanderungsstrom einhergeht, was zu noch größerer kultureller Vielfalt führt.

In einem solchen Kontext können wir die gemeinsamen Werte, die unsere Gesellschaften zusam-

menhalten, wie Freiheit, Gerechtigkeit, Toleranz und Solidarität, nicht erhalten, ohne der Förderung

des Wissens über den anderen, des gegenseitigen Verständnisses und des interkulturellen Dialogs

immer größere Priorität zu geben.

In Europa wird zunehmend anerkannt und bewusst wahrgenommen, dass es eines vertieften und

stärker strukturierten interkulturellen Dialogs bedarf, in den nicht nur die nationalen Stellen einbe-

zogen werden, sondern auch die Zivilgesellschaft in ihrer ganzen Breite. Außerdem muss ein breit

gefächerter Dialog gefördert werden, an dem die verschiedenen Religionen und Anschauungen

sowie die ethnischen Gemeinschaften beteiligt werden.

Die EU und die Europäische Gemeinschaft haben im Laufe vieler Jahre verschiedene, sich ergän-

zende Instrumente entwickelt, um den interkulturellen Dialog sowohl innerhalb der EU als auch mit

Drittländern zu fördern (siehe Kasten weiter unten).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 135 – Drucksache 16/5603

x Das Programm "Erasmus Mundus" (2004-2008) ist ein Programm für die

Zusammenarbeit und Mobilität im Bereich der Hochschulbildung, mit dem der Austausch

zwischen der EU und Drittländern gefördert wird.

x "Tempus" ist ein Programm zur Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten und der Partner-

länder im Hochschulbereich. Das Programm wurde dreimal neu aufgelegt (Tempus II,

Tempus IIa und Tempus III - 2000-2006). Es ist heute mehr denn je erforderlich, dass die

Länder im Bildungsbereich zusammenarbeiten und sich parallel dazu ein besseres

Verständnis zwischen den Kulturen entwickelt. Im Beschluss des Rates über Tempus III

(vom 29. April 1999) heißt es: "Die Zusammenarbeit im Hochschulbereich stärkt und vertieft

die Gesamtheit der Beziehungen zwischen den Völkern Europas, hebt die gemeinsamen

kulturellen Werte hervor, ermöglicht einen lohnenden Meinungsaustausch und erleichtert die

multinationalen Aktivitäten in Wissenschaft, Kultur, Kunst sowie im wirtschaftlichen und im

sozialen Bereich."

x Das Programm "Jugend" (2000-2006) fördert die Mobilität und den Austausch von

Jugendlichen aus 31 europäischen Ländern.

x Das Programm "Euro-Med-Jugend" erstreckt sich auf die Mitgliedstaaten und 12 Mittel-

meerländer.

Drucksache 16/5603 – 136 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

x Das Programm "Kultur 2000" (2000-2004, bis 2006 verlängert) leistet durch die Förderung

von kulturellen Kooperationsprojekten, an denen sich Organisationen aus mehreren europäi-

schen Ländern beteiligen, einen aktiven Beitrag zum interkulturellen Dialog. Einige Projekte

werden in Drittländern durchgeführt. Viele Projekte sind auf ein besseres Verständnis der

europäischen Kulturen in Drittländern ausgerichtet. Das neue Programm "Kultur 2007" wird

ähnliche Ziele verfolgen, und der interkulturelle Dialog wird eine seiner drei Prioritäten dar-

stellen.

x Das Programm "INTI" ist ein Programm der Europäischen Union für Vorbereitungsmaß-

nahmen, mit denen die Integration von Menschen, die nicht Bürger der EU sind, in den EU-

Mitgliedstaaten gefördert wird. Es dient auch der Förderung des Dialogs mit der Zivilgesell-

schaft, der Entwicklung von Integrationsmodellen, der Auswahl und Beurteilung bewährter

Praktiken auf dem Gebiet der Integration und dem Aufbau von Netzwerken auf europäischer

Ebene.

x In den neuen Ausschreibungen für die meisten Programme in den Bereichen Bildung und

Kultur wird der interkulturelle Dialog durchgängig als Querschnittskriterium berücksichtigt

(z.B. Jugend, Leonardo, Kultur 2000, Media, eLearning, Bürgerschaft, audiovisuelle

Politik). Bei der neuen Generation von Programmen in diesen Bereichen (2007-2013) wird

der interkulturelle Dialog ebenfalls zu den Zielen gehören. Dies gilt für die Programme

"Jugend in Aktion" und "Kultur 2007" sowie für das Programm zur Förderung einer

aktiven europäischen Bürgerschaft.

Die Kommission schlug im Oktober 2005 vor, das Jahr 2008 zum Europäischen Jahr des interkultu-

rellen Dialogs zu erklären. Das Europäische Jahr, das mit einem Budget von 10 Mio. EUR ausge-

stattet sein wird, wird aus der Fülle und der Vielfalt einer Reihe spezifischer Projekte schöpfen, die

im Laufe des Jahres 2008 im Rahmen von Gemeinschaftsprogrammen und anderen Maßnahmen

durchgeführt werden. Dies betrifft vor allem die Bereiche Kultur, Bildung, Jugend, Sport und

Bürgerschaft.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137 – Drucksache 16/5603

Was die Außenbeziehungen anbelangt, so äußerte sich der Rat der EU im Februar 2006 tief

besorgt über die Vorfälle im Anschluss an die Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten

Mohammed in europäischen Medien. Er sprach sich für die Freiheit der Meinungsäußerung aus und

verurteilte nachdrücklich alle Gewaltakte und Drohungen, erkannte aber auch an und bedauerte,

dass diese Karikaturen von Muslimen auf der ganzen Welt als beleidigend und verletzend

empfunden wurden.

Was die Mittelmeerpartnerländer angeht, so hat sich die Europa-Mittelmeer-Partnerschaft (der

Barcelona-Prozess) in den vergangenen zehn Jahren zu dem wichtigsten Instrument für den politi-

schen Dialog entwickelt. Die politischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Initiativen, die mit

Hilfe der Barcelona-Instrumente ins Leben gerufen wurden, verfolgen allesamt das Ziel der Schaf-

fung eines Raums des Friedens, der Stabilität und des Dialogs mit den Nachbarn der EU. Die

Kommission legte nach der Veröffentlichung der Karikaturen ein breites Maßnahmenpaket für den

Dialog zwischen den Kulturen vor, zu dem auch die umfassende Nutzung der Anna-Lindh-Stiftung

gehört. In diese Initiativen werden die Medien, die Meinungsführer, die Zivilgesellschaft und die

Jugend einbezogen. Die in Alexandria angesiedelte Stiftung fördert den Dialog der Kulturen und

trägt dazu bei, den Barcelona-Prozess durch einen intellektuellen, kulturellen und zivilgesellschaft-

lichen Austausch sichtbar zu machen. Ein zentraler Aspekt der Europa-Mittelmeer-Stiftung für den

Dialog zwischen den Kulturen ist die Rolle, die die so genannten nationalen Netzwerke spielen

sollen.

Drucksache 16/5603 – 138 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die politischen Beschlüsse, die Workshops, die regionalen Programme und die nationalen Initiati-

ven der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft entsprechen dem Erfordernis, die Menschen der Region

einander näher zu bringen; dabei ist auch festzustellen, dass das Vorgehen der Regierungen in

hohem Maße durch wichtige Beiträge anderer Akteure, wie der für den Barcelona-Prozess zustän-

digen Nichtstaatlichen Euromed-Plattform, der Civil Fora und der Parlamentarischen Versammlung

der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft, ergänzt wird. Auf dem Europa-Mittelmeer-Gipfeltreffen zum

10. Jahrestag der Erklärung von Barcelona am 27. und 28. November 2005 in Barcelona wurde die

entscheidende Rolle anerkannt, die Bildung für die politische, soziale und wirtschaftliche Entwick-

lung spielt. In dem Fünfjahres-Arbeitsprogramm wurde u.a. vorgesehen, bei der Bekämpfung von

Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zusammenzuarbeiten, für größere Toleranz

zu sorgen, Verständnis und Achtung aller Religionen und Kulturen zu fördern und die Rolle der

Medien bei der Entwicklung des interkulturellen Dialogs zu stärken.

In den Aktionsplänen im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik haben sich die Partner-

länder verpflichtet, zusammenzuarbeiten, um alle Formen der Diskriminierung, der religiösen Into-

leranz, des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen. Auch andere Instrumente, wie

der ASEM-Prozess in Asien, stellen ein wichtiges Werkzeug für die Beteiligung am interkulturellen

Dialog dar.

Multilaterale Foren, wie die VN, sind eine geeignete Plattform für die Förderung des interkulturel-

len Dialogs. Die EU hat daher auf der 60. VN-Generalversammlung eine Resolution zu religiöser

Intoleranz eingebracht, in der der Schwerpunkt verstärkt auf den Dialog zwischen den Kulturen

gelegt wird. In der durch Konsens angenommenen Resolution wird anerkannt, wie wichtig es ist,

den Dialog als konstruktives Mittel zur Vertiefung des Verständnisses und der Kenntnisse zu

fördern. Auch das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kulturel-

ler Ausdrucksformen wird als wichtiges Instrument zur Verbesserung der Beziehungen in

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 139 – Drucksache 16/5603

unseren von Vielfalt geprägten Gesellschaften betrachtet. Die Kommission setzt sich aktiv für die

zügige Ratifizierung dieses Übereinkommens ein. Außerdem setzt sich die EU für einen verstärkten

Dialog mit anderen internationalen Organisationen (Europarat, OSZE usw.) und dafür ein, Gemein-

schaftsinstrumente zu nutzen, um weitere Möglichkeiten zur Verstärkung des interkulturellen

Dialogs zu bieten. Die EU sucht nach Wegen, um mit Partnern und anderen internationalen Akteu-

ren in der muslimischen Welt, einschließlich der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC)

und der Arabischen Liga, zusammenzuarbeiten, um Toleranz und die Achtung religiöser und ande-

rer Anschauungen und Überzeugungen zu fördern. Besonders betont wird dabei die Rolle, die freie

Medien und NRO in diesem Zusammenhang spielen können.

Auf dem VN-Gipfeltreffen im September 2005 rief der VN-Generalsekretär die von dem spani-

schen und dem türkischen Ministerpräsidenten mit eingebrachte Initiative "Allianz der Zivilisatio-

nen" ins Leben. Die Allianz will die kollektive politische Willensbildung und konzertierte Aktionen

auf der institutionellen und auf der zivilgesellschaftlichen Ebene anregen, damit die Vorurteile, die

Missdeutungen und die Polarisierung überwunden werden, die einem Konsens entgegenstehen; sie

hofft außerdem, einen Beitrag zu einer globalen Vereinigungsbewegung zu leisten, die den Willen

der großen Mehrheit der Menschen widerspiegelt und Extremismus in allen Gesellschaften ablehnt.

Die Arbeit der "Allianz der Zivilisationen" wird von einer hochrangigen Gruppe geleitet, die aus

zwanzig prominenten Persönlichkeiten aus den Bereichen Politik, Hochschulen, Zivilgesellschaft,

internationale Finanzwelt und Medien aus allen Regionen der Welt besteht und sich mit den Kräften

befasst, die zum Extremismus beitragen, sowie Empfehlungen für ein kollektives Vorgehen zur

Bekämpfung dieser Kräfte abgibt. Die hochrangige Gruppe wird dem VN-Generalsekretär Ende des

Jahres 2006 einen Abschlussbericht vorlegen. Dieser Bericht wird eine Analyse der aktuellen

Probleme und Empfehlungen für praktische Maßnahmen zur Bekämpfung des Extremismus und zur

Bewahrung des friedlichen Zusammenlebens der Gesellschaften enthalten.

Drucksache 16/5603 – 140 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4.14. Asyl, Migration, Flüchtlinge und Vertriebene

Die EU unternimmt im Hinblick auf die Rechte von Asylbewerbern Schritte zur Schaffung einer

gemeinsamen EU-Asylregelung und hat bereits entsprechende grundlegende Maßnahmen beschlos-

sen. Mit dem Haager Programm, dem Arbeitsprogramm im Bereich Justiz und Inneres für die

nächsten fünf Jahre, wird die Schaffung einer umfassenden gemeinsamen europäischen Asyl-

regelung bis 2010 angestrebt. Als Teil der gemeinsamen europäischen Asylregelung wurde am

1. Dezember 2005 die Richtlinie des Rates (2005/85/EG) über Mindestnormen für Verfahren in den

Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft angenommen. Mit

dieser Richtlinie wird gewährleistet, dass für alle erstinstanzlichen Verfahren in den EU-Mitglied-

staaten dieselben Mindestnormen gelten und gleichzeitig den internationalen Verpflichtungen in

diesem Bereich nachgekommen wird.

Um die Schutzkapazität derjenigen Herkunftsregionen von Flüchtlingen zu verbessern, in denen

sich die meisten Flüchtlinge aufhalten, und die Flüchtlingsbevölkerung dort besser zu schützen, hat

die Kommission vorgeschlagen, in Partnerschaft mit dem UNHCR durch praktische Projekte und

Bereitstellung finanzieller Mittel regionale Schutzprogramme durchzuführen, um zu dauerhaften

Lösungen wie der Rückkehr, der lokalen Integration oder der Neuansiedlung beizutragen. Der Rat

hat den von der Kommission in ihrer Mitteilung vom September 2005 (KOM(2005) 388 endg.) über

regionale Schutzprogramme vorgeschlagenen Ansatz unterstützt und anerkannt, dass solche Pro-

gramme ein erster Schritt sind, um Personen, die internationalen Schutz benötigen, so rasch wie

möglich und möglichst nah an ihrem Wohnort einen besseren Zugang zu Schutz und zu dauerhaften

Lösungen zu gewähren. Die Programme bauen auf den Grundsätzen der Partnerschaft und der

geteilten Verantwortung auf und stärken die Schutzkapazität von Drittländern, die eine große

Anzahl von Flüchtlingen beherbergen oder in denen viele Menschen Asyl suchen. Die ersten

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 141 – Drucksache 16/5603

regionalen Pilotschutzprogramme werden derzeit in den westlichen neuen unabhängigen Staaten

(westlichen NUS), insbesondere in der Ukraine, Moldau und Belarus, durchgeführt. Der Schwer-

punkt dieser Programme liegt auf dem Ausbau der bereits vorhandenen Schutzkapazität durch

praktische Unterstützung bei der Prüfung der Asylanträge sowie auf der Verstärkung des subsidiä-

ren Schutzes, der Integration und der Dokumentation. Derzeit wird noch geprüft, wo das zweite

Pilotprogramm durchgeführt werden könnte. In Frage kommen unter anderem das Gebiet der

Großen Seen und das Horn von Afrika.

Die EU erkennt an, dass die Menschenrechte von Migranten, insbesondere von Frauen, geschützt

und koordinierte Maßnahmen gegen illegale Einwanderung, Menschenhandel und Schleuserkrimi-

nalität ergriffen werden müssen. In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zu Migration

und Außenbeziehungen vom November 2005 wurde bekräftigt, dass es sehr nützlich wäre, die

Arbeiten in Bezug auf Migration und Außenbeziehungen in den Bereichen Inneres, auswärtige

Angelegenheiten und Entwicklung miteinander zu verknüpfen. Die Kommission hat die Migrations-

und Asylfragen sowohl in ihre politischen Dialoge mit Drittländern als auch in ihre Kooperations-

strategien einbezogen. In ihrer Mitteilung vom November 2005 "Vorrangige Maßnahmen zur

Lösung von Migrationsproblemen: Erste Folgemaßnahmen nach Hampton Court" hat sie einen

Vorschlag für eine bessere und koordiniertere Nutzung der bestehenden Instrumente und Strategien

gemacht. In der Mitteilung wird der Schwerpunkt vorwiegend auf bestimmte Aspekte der Steuerung

der Migrationsströme im Zusammenhang mit dem Mittelmeerraum und Afrika gelegt. Grundlage

hierfür war der "Gesamtansatz zum Thema Migration: Vorrangige Maßnahmen mit Schwerpunkt

Afrika und Mittelmeerraum", der im Dezember 2005 von den Staats- und Regierungschefs der EU

mit Blick auf die Durchführung konkreter Maßnahmen im Laufe des Jahres 2006 angenommen

wurde.

Drucksache 16/5603 – 142 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Mitteilung "Eine gemeinsame Integrationsagenda - Ein Rahmen für die Integration von Dritt-

staatsangehörigen in die Europäische Union" war eine erste Antwort der Kommission auf die im

Haager Programm enthaltene Forderung nach einem kohärenten europäischen Rahmen für die

Integration. Eckpunkte der Mitteilung, die auf den vom Rat (Justiz und Inneres) im November 2004

angenommenen gemeinsamen Grundprinzipien für die Integration aufbaut, sind Vorschläge für

konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der gemeinsamen Grundprinzipien und für eine Reihe von

EU-Unterstützungsmechanismen. In der Mitteilung wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, die

Rechte und Pflichten von Migranten in der Europäischen Union eindeutiger zu regeln, gezielte

Kooperations- und Informationsaustauschmaßnahmen in Bezug auf die Integration zu entwickeln,

den Aspekt der Integration in andere Bereiche einzubeziehen und Evaluierungen durchzuführen.

Die Europäische Kommission hat die Ausarbeitung und Annahme des IAO-Aktionsplans betreffend

Wanderarbeitnehmer durch die Internationale Arbeitskonferenz im Juni 2004 sowie die Ausarbei-

tung und Annahme des multilateralen Rahmens für einen auf Rechtsansprüche gegründeten

Programmansatz zur Migration, der dem IAO-Verwaltungsrat im März 2006 vorgelegt wurde,

unterstützt.

In den vergangenen Jahren hat sich die EU in Bezug auf die Migration zu einem ganzheitlichen

Ansatz hin orientiert, bei dem die Beziehung zwischen Migration und Entwicklung voll und ganz

berücksichtigt wird. In der Erklärung zur Entwicklungspolitik mit dem Titel "Der Europäische

Konsens" bringt die EU die Absicht zum Ausdruck, aus der Migration einen positiven Entwick-

lungsfaktor zu machen, indem sie konkrete Maßnahmen unterstützt, mit denen ihr Beitrag zur Ver-

ringerung der Armut gestärkt werden soll; hierzu gehört eine Erleichterung der Überweisungen in

die Heimat und eine Einschränkung der Abwanderung hoch qualifizierter Personen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143 – Drucksache 16/5603

In der Mitteilung der Kommission mit dem Titel "Migration und Entwicklung: Konkrete Leitlinien"

(September 2005) wurde ein Instrumentarium vorgeschlagen, mit dem der Bereich der Migration

stärker mit der Entwicklung in den Herkunftsländern verknüpft werden soll und gleichzeitig Fragen

im Zusammenhang mit Überweisungen, der Rolle der Diaspora, der Wissenszirkulation, der zirku-

lären Migration und der Beschränkung der Abwanderung von Fachkräften angegangen werden

sollen. In der Mitteilung wurde geprüft, wie sich migrationsbezogene Phänomene auf die Entwick-

lung der Herkunftsländer auswirken können.

Die Weltkommission für Internationale Migration hat dem VN-Generalsekretär am 5. Oktober 2005

ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die EU hat sich mit umfangreichen Folgemaßnahmen zu diesem

Bericht befasst und den im VN-Rahmen auf hoher Ebene zu führenden Dialog über Migration und

Entwicklung vorbereitet, der im September 2006 beginnt. Dieser Dialog ist für die Förderung eines

Gesamtansatzes zu Migrations- und Entwicklungsfragen von wesentlicher Bedeutung.

Die EU ist fest entschlossen, die illegale Einwanderung umfassend zu bekämpfen, da durch dieses

Phänomen das Recht der Mitgliedstaaten, darüber zu entscheiden, wer in ihr Hoheitsgebiet einreist

bzw. sich dort aufhält, untergraben wird und zudem Migranten in Lebensgefahr geraten und Opfer

von Ausbeutung werden können. Gleichzeitig ist es ein Anliegen der EU sicherzustellen, dass die

Grundrechte von illegalen Einwanderern geachtet werden. Von besonderer Bedeutung hierbei sind

die Vorschriften über Verfahrensgarantien, den Erhalt der Einheit der Familie und Garantien im

Hinblick auf Haft- und Zwangsmaßnahmen. Die Kommission hat im Juli 2005 den ersten jährlichen

Überwachungs- und Evaluierungsbericht angenommen, in dem die Kooperationsbereitschaft von

Drittländern bei der Bekämpfung der illegalen Zuwanderung bewertet wird. Der Bericht wurde dem

Rat der EU mit dem Ziel vorgelegt, die Zusammenarbeit im Bereich der illegalen Einwanderung in

Partnerschaft mit den einschlägigen Drittländern zu bewerten und zu verbessern.

Drucksache 16/5603 – 144 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über gemeinsame Normen und Verfahren in den

Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger sind eindeutige und

transparente gemeinsame Regeln für die Rückführung, die Abschiebung, die Anwendung von

Zwangsmaßnahmen, die vorläufige Ingewahrsamnahme und die Wiedereinreise vorgesehen, die

den Menschenrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Personen voll und ganz Rechnung

tragen. Mit dem Vorschlag soll eine Reihe von horizontalen Vorschriften festgelegt werden, die auf

jede Art von illegalem Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen anwendbar sind; ferner wird ein zwei-

stufiges Verfahren vorgesehen, das zur Beendigung des illegalen Aufenthalts führt. Gegen jeden

illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen muss eine Rückführungsentscheidung ergehen. Dabei ist

der freiwilligen Rückkehr Vorrang einzuräumen. Nur wenn der betreffende Drittstaatsangehörige

nicht freiwillig zurückkehrt, vollstrecken die Mitgliedstaaten die Verpflichtung zur Rückkehr

mittels einer Abschiebungsanordnung. Mit dem Richtlinienvorschlag erhalten die einzelstaatlichen

Rückführungsmaßnahmen durch ein Wiedereinreiseverbot, das sich auf das gesamte Gebiet der

Europäischen Union erstreckt, europaweit Geltung.

Die illegale Einwanderung ist sehr oft mit Menschenrechtsverletzungen und Menschenhandel

verbunden. Die Kommission hat im Oktober 2005 ihre Mitteilung mit dem Titel "Bekämpfung des

Menschenhandels – ein integriertes Vorgehen und Vorschläge für einen Aktionsplan" (KOM(2005)

514 endg.) vorgelegt. Die Mitteilung bietet eine Grundlage für weitere Diskussionen und zeigt

Möglichkeiten auf, um die Politik der Europäischen Union zur Bekämpfung des Menschenhandels

zu konsolidieren und zu verbessern. Sie wird dazu beitragen, dass der Menschenhandel nicht nur

durch Maßnahmen im Bereich Justiz und Inneres, sondern auch durch angemessene Initiativen in

anderen Politikbereichen, insbesondere im Bereich der Außenbeziehungen und der Entwicklungs-

politik der EU, bekämpft wird.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 145 – Drucksache 16/5603

Die Kommission hat im Januar 2006 eine Mitteilung zu den Zielen und Prioritäten eines neuen

themengebundenen Programms für die Zusammenarbeit in Migrations- und Asylfragen

angenommen, mit dem die Aktivitäten des AENEAS-Programms im Rahmen der neuen Finanziel-

len Vorausschau 2007-2013 fortgesetzt werden. Dieses themengebundene Programm wird in den

neuen Rechtsrahmen für die externen Politikbereiche der Gemeinschaft, d.h. das Europäische

Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument (ENPI) und das Instrument für Entwicklungszusam-

menarbeit und wirtschaftliche Zusammenarbeit (DCECI), eingebunden werden. Die Kommission

schlägt vor, den Schwerpunkt des neuen Programms auf die nachstehenden Bereiche zu legen:

x Förderung der Wechselwirkungen zwischen Migration und Entwicklung;

x Förderung einer gut organisierten Steuerung der Arbeitskräftemigration;

x Bekämpfung der illegalen Einwanderung und Erleichterung der Rückübernahme

illegaler Einwanderer;

x Schutz von Migranten vor Ausbeutung und Ausgrenzung;

x Förderung von Asyl und internationalem Schutz, einschließlich durch regionale Schutz-

programme.

Die Kommission hat Beratungen mit dem Europäischen Parlament und dem Rat über den Anwen-

dungsbereich, die Ziele und die Prioritäten dieses themengebundenen Programms eingeleitet. Auf

der Grundlage des Ergebnisses dieses Verfahrens werden die politischen Leitlinien für die weiteren

Phasen der Programmplanung in einem themenbezogenen Strategiepapier festgelegt werden.

4.15. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Nichtdiskriminierung und Achtung der Vielfalt

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind mit den Grundprinzipien der Europäischen Union unver-

einbar. Die EU-Organe haben sämtliche Formen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wieder-

holt abgelehnt und verurteilt. Die EU verfolgt im Rahmen der ihr in den Verträgen zugewiesenen

Befugnisse entschlossen eine eindeutige Politik zur Bekämpfung dieser Phänomene innerhalb der

EU ebenso wie im Rahmen ihres außenpolitischen Handelns.

Drucksache 16/5603 – 146 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1997 erhielt die Europäische Union im Vertrag von Amsterdam eine Rechtsgrundlage für "geeig-

nete Vorkehrungen zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der

Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des

Alters oder der sexuellen Ausrichtung" (vgl. Artikel 13 des EG-Vertrags). In Ausübung dieser

Befugnisse hat der Rat der EU im Juni 2000 einstimmig die Richtlinie zur Anwendung des Gleich-

behandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse (2000/43/EG) und im November 2000 die

Richtlinie zur Gleichbehandlung in der Beschäftigung (2000/78/EG) angenommen.

Die Mitgliedstaaten haben im vergangenen Jahr weitere Fortschritte bei der Umsetzung dieser

beiden Richtlinien gemacht, die die direkte und indirekte Diskriminierung sowie Belästigungen aus

Gründen der Religion oder der Weltanschauung, des Alters, einer Behinderung und der sexuellen

Ausrichtung im Bereich der Erwerbstätigkeit und aus Gründen der Rasse oder der ethnischen

Herkunft in einer Reihe von Bereichen (Erwerbstätigkeit, Sozialschutz, Bildung und Zugang zu

Gütern, Dienstleistungen und Wohnraum usw.) verbieten. Mit diesen Richtlinien ist der Schutz

gegen Diskriminierung in der gesamten EU erheblich verstärkt worden. In einigen Ländern führte

dies zur Einführung eines vollkommen neuartigen, an den Rechten orientierten Ansatzes in Bezug

auf Rechtsvorschriften und Strategien zur Bekämpfung von Diskriminierungen.

Die Kommission sah sich jedoch verpflichtet, gegen einige Mitgliedstaaten wegen einer verspäteten

oder unvollständigen Umsetzung dieser Richtlinien Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. 2005

urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Luxemburg und Deutschland die Richtlinie zur Anwen-

dung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse nicht und Österreich und

Finnland diese Richtlinie nicht in vollem Umfang umgesetzt hatten. Die Kommission prüft derzeit,

ob die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten die Richtlinien korrekt wider-

spiegeln. Sie unterstützt ferner flankierende Maßnahmen zur Sensibilisierung und zur Fortbildung

von Richtern, Rechtsanwälten und Vertretern der Zivilgesellschaft im Bereich der Grundsätze des

Antidiskriminierungsrechts.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 147 – Drucksache 16/5603

Die Kommission wird in einer eingehenden Studie die Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit

möglicher neuer Maßnahmen zur Ergänzung des derzeitigen Rechtsrahmens prüfen. Zu diesem

Zweck nimmt sie in den Mitgliedstaaten und in einigen Drittländern eine Bestandsaufnahme vor, in

der die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften geprüft werden sollen, die über die Anforderungen der

EG-Richtlinien hinausgehen. Die Ergebnisse werden Ende 2006 erwartet.

Das "Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle" (2007) bildet das Kernstück der Rahmen-

strategie der Europäischen Kommission für Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit. Im Laufe

des Themenjahres werden sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene Maßnahmen

durchgeführt. Ein Großteil der Aktivitäten wird sich auf die nationalen Koordinierungsstellen und

die nationalen Aktionspläne konzentrieren. Im Rahmen weiterer neuer Initiativen wurde eine hoch-

rangige Expertengruppe eingesetzt, die sich mit der sozialen Integration von Minderheiten, ein-

schließlich der Roma, und ihrer Beteiligung am Arbeitsmarkt befassen wird48.

Die Kommission hat im November 2001 einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur

Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorgelegt. Dieser Rahmenbeschluss verfolgt

zwei Ziele: Erstens soll sichergestellt werden, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in allen

Mitgliedstaaten mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafen geahndet werden, und

zweitens soll die justizielle Zusammenarbeit durch Beseitigung möglicher Hindernisse verbessert

und gefördert werden.

48 Beschluss der Kommission (2006/33/EG) vom 20. Januar 2006. Für die Zwecke dieses
Berichts umfasst der Begriff "Roma" Personen, die sich selbst als Roma, Gitanos, Travellers,

Manouches, Sinti bezeichnen oder zu ihrer Bezeichnung andere Begriffe verwenden.

Drucksache 16/5603 – 148 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Mit dem Vorschlag werden vorsätzliche Handlungen wie die Aufstachelung zu Gewalt oder Hass

gegen eine nach den Kriterien Rasse, Hautfarbe, Abstammung, Religion oder Weltanschauung oder

nationale oder ethnische Herkunft definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer

solchen Gruppe sowie das öffentliche Leugnen oder Verharmlosen von Verbrechen gegen die

Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe gestellt. Der Vorschlag richtet sich gegen jede

Form von Rassismus (einschließlich Rassismus aus religiösen Gründen), ohne spezifische Gruppen

von Personen zu nennen, die Opfer eines rassistischen Verhaltens sein könnten. Allerdings ist es

den Mitgliedstaaten auch nach mehreren Jahren der Diskussion noch nicht gelungen, Einigung über

den Rahmenbeschluss zu erzielen, wobei das Hauptproblem darin besteht, ein ausgewogenes

Gleichgewicht zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Bekämpfung rassistischer

Verhaltensweisen zu finden. Die Beratungen im Rat sind derzeit blockiert.

Die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) in

Wien führt Forschungs- und Analysearbeiten durch, die von entscheidender Bedeutung für das Ver-

ständnis des Ausmaßes und der Entwicklung von rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemiti-

schen Phänomenen in der EU sind. Die EUMC führt ihre regelmäßige Datenerhebung anhand von

RAXEN, einem EU-weiten Netz von nationalen Kontaktstellen, auf der Grundlage gemeinsamer

Leitlinien für alle EU-Mitgliedstaaten durch. Die Ergebnisse werden in ihren Jahresberichten - der

letzte Jahresbericht erschien im November 2005 - sowie in anderen Veröffentlichungen wie verglei-

chenden Berichten zu zentralen Themenbereichen veröffentlicht.

Im Berichtszeitraum hat die EUMC drei vergleichende Berichte veröffentlicht: 1. Polizeiliche Ver-

folgung rassistisch motivierter Straftaten und Gewalt, 2. Migranten, Minderheiten und Wohnen und

3. Roma und Traveller im öffentlichen Bildungswesen. Mit Hilfe von RAXEN ist die EUMC auch

in der Lage, Daten und Informationen im Falle von unmittelbarem Handlungsbedarf zu erheben.

Nach den Bombenattentaten vom 7. Juli 2005 in London hat die EUMC eine spezielle Daten-

erhebung durchgeführt, um Nachweise für die Folgen der Attentate für die Muslimgemeinschaften

in der EU zu sammeln. Ferner hat die EUMC aktualisierte Informationen über Erscheinungsformen

von Antisemitismus und antisemitische Verhaltensweisen in der EU zwischen 2001 und 2005

bereitgestellt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149 – Drucksache 16/5603

Darüber hinaus hat die EUMC ihre spezifische Arbeit zu den Roma fortgesetzt. Zusammen mit der

OSZE und dem Europarat hat sie die so genannte Internationale Konferenz über die Umsetzung und

Harmonisierung der nationalen Politiken in Bezug auf Roma, Sinti und Travellers organisiert. Sie

hat weiterhin ein einzigartiges Netz von Roma-Aktivistinnen, das "International Roma Women

Network", unterstützt. Die EUMC hat ferner mit einer Reihe europäischer Städte zusammen-

gearbeitet und frühere Arbeiten zur Erfassung bewährter Praktiken für die Integration von Muslim-

gemeinschaften auf örtlicher Ebene weitergeführt. Die Ergebnisse wurden auf einer Konferenz mit

dem Ausschuss der Regionen über den Beitrag der örtlichen und regionalen Gebietskörperschaften

zum Schutz von Minderheiten und zur Antidiskriminierungspolitik vorgestellt.

Die EUMC arbeitet mit der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI)

zusammen; diese Kommission ist das wichtigste Gremium des Europarates für die Bekämpfung von

Rassismus und Intoleranz im weiteren europäischen Rahmen. Anhand ihrer Länderberichte über-

wacht und analysiert die ECRI die Fortschritte bei der Bekämpfung von Gewalt, Diskriminierung

und rassistischen Vorurteilen in jedem der 46 Mitgliedstaaten des Europarats und legt den Regie-

rungen Vorschläge für die Bewältigung der von ihr ermittelten Probleme vor.

Die Europäische Kommission hat im Juni 2005 einen Vorschlag zur Errichtung der EU-Agentur für

Grundrechte veröffentlicht, mit dem das Mandat der EUMC ausgeweitet werden sollte. Als Datum

für die Errichtung der Agentur ist der 1. Januar 2007 vorgesehen.

Die EUMC hat sich im Mai 2006 an der Organisation des Europa-Mittelmeer-Seminars zum

Thema "Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Medien: Achtung und Verständnis aller Religionen

und Kulturen" beteiligt. Diese Konferenz bot Entscheidungsträgern und Medienvertretern die Mög-

lichkeit, die Debatte über Fragen der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus in den Medien aus-

zuweiten und zu vertiefen und zu prüfen, wie die Achtung und das Verständnis aller Religionen und

Kulturen gefördert werden können.

Drucksache 16/5603 – 150 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Bereich der Außenbeziehungen beteiligt sich die EU aktiv an Bemühungen im Rahmen der

Vereinten Nationen zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung. Auf der 60. Tagung der

VN-Generalversammlung hat die EU die Nachbereitung der Resolution von Durban49 unterstützt,

deren Annahme im Vergleich zu den Vorjahren - dank der erheblichen Unterstützung von Seiten

des Verhandlungsführers Costa Rica und der gemäßigten Haltung Südafrikas - im Großen und Gan-

zen ziemlich reibungslos verlief. Die EU hat in ihrer Erklärung zur Stimmabgabe betont, wie wich-

tig das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung ist,

und alle Staaten aufgefordert, dieses Übereinkommen vorrangig zu ratifizieren und umzusetzen und

auf nationaler Ebene wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Symptome und Ursachen von

Rassismus und Diskriminierung zu ergreifen.

Die EU hat die Themen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in ihre politischen Dialoge mit Dritt-

ländern, beispielsweise Russland und China, einbezogen. Diese Themen wurden auch in die Koope-

rationsstrategien integriert; so verpflichten sich die Partnerländer im Rahmen der Aktionspläne der

Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftspolitik dazu, bei der Bekämpfung aller Formen

von Diskriminierung, religiöser Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zusammenzu-

arbeiten.

Die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und der Diskriminierung von Minderheiten

und indigenen Bevölkerungsgruppen stellt bei der Bereitstellung von Mitteln im Rahmen der

EIDHR eine Priorität dar. Das Thema wurde in allgemeine und spezifische Aufrufe zur Einreichung

von Vorschlägen für die Auswahl von förderfähigen Projekten aufgenommen. Im Januar 2005

erging ein Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen zu diesem Thema, für die ein Betrag von

5 Mio. EUR vorgesehen war. Insgesamt wurden 13 Projekte ausgewählt, für die ein Gesamtbetrag

von 4,55 Mio. EUR zur Verfügung gestellt wurde und für die konkrete Folgemaßnahmen zur Erklä-

rung und zum Aktionsprogramm von Durban (2001) ergriffen werden (siehe Kapitel 3.7).

49 Weltweite Bemühungen zur vollständigen Beseitigung von Rassismus, Rassendiskrimi-
nierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz und die vollständige
Umsetzung und Nachbereitung der Erklärung von Durban und des Aktionsprogramms

(59/177)

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 151 – Drucksache 16/5603

Eine unabhängige externe Evaluierung des EIDHR-Programms zu Rassismus, Fremdenfeindlichkeit

und Diskriminierung wurde im Oktober 2005 abgeschlossen. Im Rahmen der Evaluierung wurde

eine Schreibtischstudie durchgeführt, und 17 von der EIDHR geförderte Projekte wurden vor Ort

überprüft. Die Ergebnisse dieser Evaluierung sind positiv. So stellen die Gutachter beispielsweise

fest, dass viele Projekte zu greifbaren Ergebnissen geführt haben, wodurch die Lebensqualität der

Opfer von Rassismus und Diskriminierung zweifelsohne verbessert wurde. Mit diesen Projekten

können die am stärksten benachteiligten Mitglieder von diskriminierten Gemeinschaften, die unter

schwierigsten Bedingungen leben, erreicht werden. Nach Auffassung der Gutachter könnte diese

Arbeit am besten durch die NRO durchgeführt werden, die das Vertrauen dieser Minderheiten

gewinnen können. Die stärkste Wirkung und die besten Aussichten auf dauerhafte Ergebnisse

hatten jene Projekte, in denen die Menschenrechtsnormen ganz bewusst angewandt werden sowie

ein an Rechten orientierter Ansatz und ein kohärentes Konzept auf der Grundlage einer eingehen-

den Analyse der Lage im Land verfolgt wurden und mit denen auf sich ändernde Umstände reagiert

werden konnte. Die festgestellten Mängel hingen meistens mit bestimmten Verfahren sowie mit

Verzögerungen und einer mangelnden Flexibilität zusammen, durch die die Effizienz der Projekte

beeinträchtigt wurde.

Zur Verbesserung der Koordinierung hat die Kommission Anfang 2006 eine dienststellenübergrei-

fende Gruppe für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eingesetzt. Diese Gruppe tritt vier Mal im

Jahr zusammen und fungiert als Plattform für einen Informationsaustausch innerhalb der Kommis-

sionsdienststellen und, soweit erforderlich, mit anderen Organen.

Drucksache 16/5603 – 152 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Europäische Initiative für Demokratie und Menschenrechte – Bekämpfung von Rassismus und

Konfliktbewältigung in Israel

Das von dem "Mossawa Center" durchgeführte Projekt zielt darauf ab, Rassismus zu bekämpfen

und die Beziehungen zwischen den Zielgruppen, die die jüdische Mehrheit, die arabische Minder-

heit und ethnische Gruppen, darunter Russen, Äthiopier und Mizrahim, umfassen, umzugestalten.

Ferner soll mit dem Projekt ein Wandel in den jüdischen Gemeinschaften in Israel bewirkt werden,

indem das gegenseitige Verständnis der Gemeinschaften und die Wahrung der Rechte aller Minder-

heiten gefördert und Konflikte und Gewalt zwischen den Gruppen letztendlich verhindert werden.

Die im Rahmen des Projekts durchgeführten Aktivitäten sind auf ein dreigliedriges Konzept

gestützt: 1) Rassismusbekämpfung, 2) erzieherische Maßnahmen zur Vermeidung von Diskriminie-

rung und Konflikten und 3) Förderung neuer Werte zugunsten einer demokratischen, multikulturel-

len und interkulturellen Gesellschaft, in der allen Minderheitengruppen umfassende Rechte gewährt

werden. Zu den Hauptaktivitäten zählen die Beobachtung von Hassverbrechen, Rechtshilfearbeit

und Lobbyingaktivitäten auf Regierungsebene, Medienkampagnen, Förderung der Kontakte

zwischen den Gemeinschaften, Ausbildung sowie Überwachung der Umsetzung internationaler

Übereinkommen – auch mit der EU. Die von der Kommission über die EIDHR bereitgestellten

Mittel belaufen sich auf 298 660 EUR. Das Projekt ist im Dezember 2005 angelaufen.

4.16. Menschen mit Behinderungen

Das Engagement der EU für Personen mit Behinderungen ist in Artikel 26 der EU-Grundrechte-

charta verankert.

"Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen

zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer

Teilnahme am Leben der Gemeinschaft."

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 153 – Drucksache 16/5603

Die EU hat sich im Einklang mit der EU-Strategie für Menschen mit Behinderungen weiterhin für

die Förderung und den Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen in Europa engagiert.

Der Schwerpunkt dieser Strategie liegt auf Würde, Grundrechten, Schutz vor Diskriminierungen,

Fairness und sozialem Zusammenhalt. Das Instrument zur Umsetzung dieser Strategie ist der Akti-

onsplan für Menschen mit Behinderungen50, der sich auf drei Säulen stützt: (1) Zugang zu

individuellen Rechten; (2) Beseitigung von Barrieren, die Menschen mit Behinderungen davon

abhalten, von ihren Fähigkeiten Gebrauch zu machen, und (3) Einbeziehung von Behinderungs-

fragen in das breite Spektrum der Gemeinschaftsstrategien, die sich mittelbar oder unmittelbar auf

die Lage von Menschen mit Behinderungen auswirken.

Die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten wird durch die hochran-

gige EU-Gruppe "Behinderungsfragen" gefördert, in der die Mitgliedstaaten, Vertreter der

Kommission, Vertreter von Menschen mit Behinderungen und interessierte Kreise regelmäßig

zusammenkommen, um auf Synergien bei behinderungspolitischen Maßnahmen auf EU-Ebene

hinzuarbeiten. Dieses Austauschforum bündelt Informationen, Erfahrungen und Sachverstand und

trägt zu einer besseren Berichterstattung der Europäischen Kommission über die Lage von Men-

schen mit Behinderungen in der EU bei. Dies wiederum ermöglicht weitere Fortschritte bei der

Schaffung eines Umfelds, in dem die aktive Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in die

Gesellschaft und die Wirtschaft gefördert wird. Die Zusammenarbeit wird durch Sensibilisierungs-

initiativen wie den Zyklus von Strategiekonferenzen der Europäischen Kommission, die jedes Jahr

am Europäischen Tag der Menschen mit Behinderungen im Dezember stattfinden, sowie die regel-

mäßigen Konferenzen des Vorsitzes weiter erleichtert.
50 http://europa.eu.int/comm/employment_social/news/2003/oct/com650_final_en.html

Drucksache 16/5603 – 154 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nach Auffassung der EU sollten Menschen mit Behinderungen an der Planung, Überwachung und

Evaluierung von Politik und Praxis in Bezug auf die Behinderungsproblematik beteiligt werden.

Daher bemüht sie sich in einem fortgesetzten Dialog mit dem Europäischen Behindertenforum

(einer Dachorganisation, die europäische NRO aus dem Behindertenbereich und die nationalen

Behindertenräte vertritt) und den Sozialpartnern (Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und

Arbeitnehmerverbänden sowie den damit verbundenen Organisationen der Zivilgesellschaft in der

Arbeitswelt) weiterhin um die aktive Eingliederung von Menschen mit Behinderungen.

Die Kommission erstellt im Zusammenhang mit ihrer Mitteilung über Folgemaßnahmen zum Euro-

päischen Jahr der Menschen mit Behinderungen (2003) 51 alle zwei Jahre einen Behindertenbericht,

in dem der Stand der Durchführung der EU-Strategie für Menschen mit Behinderungen analysiert

und die nächste Phase des Aktionsplans (2006-2007) in Angriff genommen wird. Der erste Bericht

wurde im November 2005 im Rahmen einer weiteren Mitteilung mit dem Titel "Situation behin-

derter Menschen in der erweiterten Europäischen Union: Europäischer Aktionsplan"52

veröffentlicht. In dem Bericht wird die Gesamtsituation von Menschen mit Behinderungen in der

erweiterten Europäischen Union dargelegt. Dabei werden neue Entwicklungen in den

Mitgliedstaaten berücksichtigt und die positiven Ergebnisse herausgestellt, die mit der Richtlinie

2000/78/EG des Rates erzielt wurden; mit dieser Richtlinie wurde in allen Mitgliedstaaten der

Europäischen Union ein allgemeiner Rechtsrahmen für die Gleichbehandlung unter anderem von

Menschen mit Behinderungen in Beschäftigung und Beruf festgelegt.

Die Initiative der Europäischen Kommission, 2007 zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit

zu erklären, ist das Kernstück einer Rahmenstrategie, mit der sichergestellt werden soll, dass die

Diskriminierung wirksam bekämpft, die Vielfalt gewürdigt und die Chancengleichheit gefördert

wird. Die Strategie ist in einer Mitteilung der Europäischen Kommission vom Juni 2005 dargelegt

und zielt darauf ab sicherzustellen, dass die Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminie-

rung, einschließlich der Richtlinie 2000/78/EG, voll und ganz umgesetzt und angewandt werden.

51 COM (2003) 650 vom 30. Oktober 2003
52 COM (2005) 604 vom 28. November 2005
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/en/com/2005/com2005_0604en01.pdf

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 155 – Drucksache 16/5603

Nach Schätzungen des Informationsnetzes der Vereinten Nationen für Bevölkerungsfragen leben in

Afrika nahezu 50 Millionen Menschen mit Behinderungen. […] Nur 2% haben Zugang zu irgend-

einer Form der Rehabilitation; 90% der Kinder mit geistiger Behinderung sterben vor dem

5. Lebensjahr und 70% der Erwachsenen mit Behinderungen haben keine Erwerbstätigkeit und

leben in Armut. […] Obwohl nur wenige Informationen zur Prävalenz und Inzidenz von zu Behinde-

rungen führenden Krankheiten in Afrika vorliegen, wird angenommen, dass viele Behinderungen

auf den unzureichenden Ernährungszustand, auf übertragbare Krankheiten und auf niedrige

Impfungs- und Immunisierungsraten53 zurückzuführen sind. Geistig behinderte Menschen können

sich kein Gehör verschaffen und sind dadurch noch stärker den zahlreichen, weit reichenden und

verflochtenen Folgen von Diskriminierung, Stigmatisierung und Armut ausgesetzt, die Menschen

mit Behinderungen weltweit erfahren .

In Afrika ist die Behinderung mit einem gewissen Stigma verbunden; wenn jemand eine Behinde-

rung erleidet oder ein behindertes Kind geboren wird, führt dies oft dazu, dass der Betroffene und

die Familie in eine neue Welt gelangen, von der sie so gut wie nichts wissen und in der Klischee-

vorstellungen vorherrschen. Diese Vorstellungen sind oft durch kulturelle oder religiöse Traditio-

nen geprägt, wonach Behinderung als Fluch oder als äußeres Zeichen von Sünde und Schande in

der Familie betrachtet wird. […] Darüber hinaus wurden diese Klischeevorstellungen durch Port-

räts von Menschen mit Behinderungen in den Medien noch verstärkt […], bei denen Bilder der Ab-

hängigkeit, der Unfähigkeit und des Unvermögens gezeigt wurden. Zwischen Behinderung und

Armut besteht eine unmittelbare Wechselbeziehung, […]; das Risiko der Armut wird durch eine

Behinderung gesteigert, und Armut vergrößert die Gefahr einer Behinderung54.

53 Aus dem Informationsblatt der NRO "Pearls of Africa" zu dem Thema "Behinderung in
Afrika".
http://www.pearlsofafrica.org/htmlDIA.html

54 Aus dem Informationsblatt der NRO "Pearls of Africa" zu dem Thema "Behinderung in

Afrika".
http://www.pearlsofafrica.org/htmlDIA.html

Drucksache 16/5603 – 156 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen gibt es weltweit mehr als eine halbe Milliarde Menschen

mit Behinderungen, deren Lebensführung häufig durch physische, technische oder soziale Barrieren

eingeschränkt ist, die sowohl zur Diskriminierung dieser Menschen beitragen als auch darauf

zurückzuführen sind. Die EU engagiert sich voll und ganz in den in der Generalversammlung

geführten Verhandlungen über den Entwurf eines internationalen Übereinkommens der Vereinten

Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. 2001 hat die Generalversammlung

einen Ad-hoc-Ausschuss eingesetzt, der Vorschläge zur Ausarbeitung eines internationalen Über-

einkommens über diese Fragen prüfen sollte; die EU beteiligt sich umfassend an dieser Initiative.

Die sechste und die siebte Tagung des Ad-hoc Ausschusses fanden im August 2005 und im Januar

2006 jeweils in New York statt. 55

Insgesamt verfolgt die EU das Ziel, ein Übereinkommen zu schließen, mit dem gewährleistet wird,

dass Menschen mit Behinderungen die Menschenrechte und Grundfreiheiten uneingeschränkt und

gleichberechtigt wahrnehmen können. In diesem Zusammenhang hat die EU ferner hervorgehoben,

dass die derzeitigen Menschenrechtsinstrumente uneingeschränkt für Menschen mit Behinderungen

gelten. Mit diesem Übereinkommen sollten daher die bestehenden Menschenrechtsbestimmungen

ergänzt und sollte eine maßgeschneiderte Grundlage zur Regelung der Situationen, in denen sich

Menschen mit Behinderungen befinden können, geschaffen werden, um ihnen die uneingeschränkte

und gleichberechtigte Wahrnehmung ihrer Rechte zu gewährleisten. Das Übereinkommen sollte

konkrete Verpflichtungen enthalten und von möglichst vielen Ländern ratifiziert werden. Die

Schlussphase der Verhandlungen über das Übereinkommen soll im August 2006 beginnen.

Die aktive Beteiligung an den Bemühungen auf internationaler Ebene zur Entwicklung effizienter

Mechanismen zur Bekämpfung der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen zeigt, wel-

che Bedeutung die EU der Förderung und dem Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderun-

gen beimisst. Durch die Ratifizierung und das Inkrafttreten des internationalen Übereinkommens

wird es der EU möglich sein, sich auch nach außen hin für die Förderung und den Schutz der

Rechte von Menschen mit Behinderungen auf globaler Ebene einzusetzen, und somit ihre Arbeit

innerhalb der Union zu ergänzen.

55 In der achten Sitzung des Ad-hoc-Ausschusses im August 2006 wurde Übereinstimmung über

einen Text zum Übereinkommen über die Rechte von Personen mit Behinderungen erzielt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157 – Drucksache 16/5603

EIDHR und Rechte für Menschen mit Behinderungen in Uganda

Menschen mit Behinderungen in Uganda leben – wie in den meisten Entwicklungsländern in der

Welt – in extremer Armut; sie haben nur einen beschränkten Zugang zu Bildung, Gesundheits-

fürsorge, angemessenen Wohnungen und Erwerbstätigkeit und sind infolge unangemessener

Beförderungssysteme und baulicher Hindernisse oft bewegungsunfähig. In den meisten Fällen sind

sich Menschen mit Behinderungen ihrer Rechte und Möglichkeiten nicht bewusst.

Die "Action on Disability and Development (ADD)", eine mit Hilfe von der EIDHR unterstützte

internationale NRO für Menschen mit Behinderungen, hat mit den Organisationen für Menschen

mit Behinderungen zusammengearbeitet, um ihnen zu helfen, sich zu effizienten, unabhängigen,

demokratischen und repräsentativen Organisationen zu entwickeln, und um sicherzustellen, dass

die Behinderungsproblematik in die Programme von Regierung und Gebern einbezogen wird und

dass diese Programme auf die Forderungen von Behinderten und der Bewegung für Menschen mit

Behinderungen in Uganda eingehen.

Dazu plant die EIDHR die folgenden Maßnahmen:

x Aufbau starker Vereine von Menschen mit Behinderungen;

x Sensibilisierung der Regierung und der NRO für die Behindertenproblematik im Land;

x Unterstützung von Organisationen, die Mobilitätslösungen entwickeln;

x Schulung und Ausbildung von Menschen mit Behinderungen;

x Information und Aufklärung in den Bereichen Gesundheit, Mobilität und staatliche Dienst-

leistungen.

Drucksache 16/5603 – 158 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4.17. Angehörige von Minderheiten

Die EU setzt sich dafür ein, dass die Menschenrechte aller Personen – auch der Angehörigen von

Minderheiten – gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in vollem Umfang geachtet

werden. In der EU-Grundrechtecharta wird zum Schutz der kulturellen, der religiösen und der

sprachlichen Vielfalt aufgerufen, während im Vertrag über die Europäische Union dem Grundsatz

des uneingeschränkten Genusses der Rechte und Freiheiten ohne Unterschied, auch in Bezug auf

die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, gemäß der Europäischen Menschenrechts-

konvention (Artikel 14) Geltung verschafft wird. Darüber hinaus kann die Gemeinschaft gemäß

Artikel 13 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft angemessene Maßnahmen

zur Bekämpfung von u.a. ethnisch motivierten Diskriminierungen ergreifen.

Zu den Minderheiten in der EU gehören auch die Roma56, die als eine der größten Minderheiten-

gemeinschaften betrachtet werden. Aus zahlreichen Analysen ihrer Lage in den Mitgliedstaaten

geht hervor, dass die Roma-Gemeinschaft weiterhin Opfer von eindeutiger Diskriminierung und

von sozialer Ausgrenzung ist und Schwierigkeiten hat, einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung,

Beschäftigung, Sozialschutz, Gesundheitsfürsorge, Wohnung, öffentlichen Versorgungsdiensten

und Justiz zu erhalten. Roma-Frauen werden oft mehrfach diskriminiert; diese Tatsache wurde auch

vom Europäischen Parlament in seiner am 1. Juni 2006 angenommenden Entschließung zur Situa-

tion der Roma-Frauen in der Europäischen Union anerkannt. In der Entschließung werden die

Behörden aufgefordert, Anschuldigungen wegen extremer Menschenrechtsverletzungen gegenüber

Roma-Frauen unverzüglich zu untersuchen, Straftäter umgehend zu bestrafen und den Opfern

angemessene Wiedergutmachung zu leisten.

56
Für die Zwecke dieses Berichts umfasst der Begriff "Roma" Personen, die sich selbst als
Roma, Gitanos, Travellers, Manouches, Sinti bezeichnen oder zu ihrer Bezeichnung andere
Begriffe verwenden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 159 – Drucksache 16/5603

In der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (Juni 2006) zur Entschließung des Europäi-

schen Parlaments zum Schutz von Minderheiten und Antidiskriminierungsmaßnahmen in einem

erweiterten Europa57 wird hervorgehoben, wie wichtig eine bessere interinstitutionelle Zusammen-

arbeit zwischen den EU-Organen, mit dem Europarat, den Vereinten Nationen sowie der OSZE für

den wirksamen Schutz von Minderheiten ist. Ferner wurde darin die Rolle von Nichtregierungs-

organisationen sowie von nationalen, transnationalen und europäischen Vereinigungen regionaler

und lokaler Gebietskörperschaften bei diesem Prozess betont.

Das Netz unabhängiger Sachverständiger im Bereich Grundrechte58 hat in seinem Bericht von

200559 über die Fortschritte bei der Verhinderung von Grundrechtsverletzungen in der

Europäischen Union seine große Besorgnis hinsichtlich der Integration von Kindern von

Minderheiten in das Bildungssystem und insbesondere angesichts der weit verbreiteten

Ausgrenzung von Roma-Kindern in Schulen geäußert. Die in dem Bericht getroffenen

Feststellungen entsprechen jenen der EUMC60 und des Menschenrechtskommissars des

Europarats61. Insgesamt wurde in dem Bericht des Netzes festgestellt, dass in der Union zwar

erhebliche Anstrengungen unternommen werden (beispielsweise führt die effiziente Anwendung

der einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften in Österreich dazu, dass die Einrichtungen für

den Unterricht von Minderheitensprachen im Burgenland auch ausschließlich Deutschsprachigen

zugänglich sind), in einigen Mitgliedstaaten jedoch die entsprechenden Bestimmungen noch

beträchtlich weiterentwickelt werden müssen.

57 ABl. C 124E vom 25.5.2006; Bull. 6-2005, Ziffer 1.2.3.
58 Das Netz unabhängiger Sachverständiger im Bereich Grundrechte wurde von der

Europäischen Kommission auf Ersuchen des Europäischen Parlaments eingerichtet und war
seit seiner Einrichtung auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Kommission und
der UCL Louvain La Neuve tätig. Die Vereinbarung läuft im September 2006 aus. Die
Kommission wird die Arbeiten des Netzes im Laufe des Jahres evaluieren.

59 http://ec.europa.eu/justice_home/cfr_cdf/doc/report_eu_2005_en.pdf
60 http://www.eumc.europa.eu/eumc/index.php

61 http://www.coe.int/t/commissioner/default_EN.asp

Drucksache 16/5603 – 160 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Eine tief verwurzelte Diskriminierung ethnischer, kultureller und sprachlicher Minderheiten

bedeutet, dass diese in vielen Teilen der Welt weiterhin zu den Ärmsten der Armen gehören und

ihnen der Zugang zur Justiz und zu Entwicklungsmöglichkeiten, durch die sie gegen ihre Diskrimi-

nierung angehen und aus ihrer langjährigen Armut ausbrechen könnten,[…] verwehrt bleibt.

Bildung ist für die Lebenschancen […] von Minderheitengemeinschaften von zentraler Bedeutung,

und es ist nahezu unmöglich zu ermitteln, ob es die Armut ist, die zu Bildungsmangel führt, oder ob

es der Bildungsmangel ist, der zu Armut führt. Minderheitengemeinschaften bewegen sich faktisch

oft in einem Teufelskreis, in dem ihnen der Zugang zu den Fertigkeiten, die sie benötigen, um einen

Ausweg aus der Armut zu finden, verwehrt bleibt. Umgekehrt spiegeln sich die Vorteile einer guten

Ausbildung nicht nur in einer stärkeren Verbreitung von Lesen und Schreiben wider, sondern sie

führen auch zu besseren Möglichkeiten und einem besseren Zugang zu wirtschaftlicher und sozia-

ler Gerechtigkeit62. Die Ausgrenzung von Roma bei der Schulbildung kann als Ergebnis des

Zusammenspiels einer Reihe von Faktoren betrachtet werden, darunter ein tief verwurzelter

Rassismus gegenüber Roma, Gleichgültigkeit in den Bildungssystemen für die kulturelle Vielfalt

und Mangel an einer effizienten Politik der Chancengleichheit oder an Schutz vor Diskriminierung

sowie der Druck von Seiten von Nicht-Roma zur Ausgrenzung von Roma.

In dem Berichtszeitraum waren auf europäischer Ebene zwei wichtige Entwicklungen zu verzeich-

nen: Erstens wurde eine Expertengruppe zur Förderung der sozialen Integration ethnischer Minder-

heiten in der EU eingesetzt63, die zum ersten Mal im Februar 2006 zusammentrat. Die Gruppe soll

bis Ende 2007 einen Bericht mit politischen Empfehlungen dazu vorlegen, wie die EU das Problem

62 Jahresbericht der NRO "Minority Rights Group International" (MRG):
http://www.minorityrights.org/admin/Download/pdf/AnnualReport.pdf

63 Die hochrangige Expertengruppe wurde von der Europäischen Kommission im Rahmen ihrer
Strategie zur Bekämpfung der Diskriminierung eingesetzt und soll die soziale Integration
ethnischer Minderheiten in der EU analysieren. Der Gruppe gehören zehn herausragende
Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Lokalpolitik, Zivilgesellschaft, akademischen Kreisen und
Medien an. EU. Den Vorsitz hat die ehemalige Präsidentin des deutschen Bundestages, Rita
Süssmuth, inne. Die Gruppe wird sich vorwiegend mit Themen wie den bewährten Praktiken
für die Integration von benachteiligten ethnischen Gruppen in den Arbeitsmarkt und der
Förderung pragmatischer, durchführbarer Konzepte in diesem Bereich befassen. Sie wird sich
bei ihrer Arbeit auf eine neue, von der Kommission durchgeführte Studie sowie auf die mit
bestehenden EU-Programmen gewonnen Erfahrungen stützen und bis Ende 2007 einen
Bericht mit politischen Empfehlungen dazu vorlegen, wie die EU das Problem der
Ausgrenzung benachteiligter Minderheiten aus der Gesellschaft und vom Arbeitsmarkt

angehen kann.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 161 – Drucksache 16/5603

der Ausgrenzung benachteiligter Minderheiten aus der Gesellschaft und vom Arbeitsmarkt angehen

kann64. Zweitens wurde das Jahr 2006 – wie bereits erwähnt – von der Europäischen Kommission

zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle erklärt65. In der mit dem Europäischen Jahr

verknüpften Rahmenstrategie wird auch geprüft, was die EU noch weiter unternehmen kann, um

Diskriminierung zu bekämpfen und Gleichberechtigung über den mit dem Recht auf Gleich-

behandlung verbundenen Rechtsschutz hinaus zu fördern. Diese beiden Entwicklungen verschaffen

der EU einen größeren Handlungsspielraum, um ihr Verständnis für Minderheitenfragen weiter zu

entwickeln und sicherzustellen, dass diese Fragen in ihrer Politik berücksichtigt werden.

Das Ziel der EU, den Raum, in dem Wohlstand, Stabilität und Sicherheit herrschen, auszuweiten,

kommt in ihrem Erweiterungsprozess zum Ausdruck. Die Beitrittskriterien für Länder, die der EU

beitreten wollen, wurden 1993 vom Europäischen Rat auf seiner Tagung in Kopenhagen festgelegt.

Darin ist Folgendes vorgesehen:

"Als Voraussetzung für die Mitgliedschaft muss der Beitrittskandidat eine institutionelle Stabilität

als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung für die Wahrung der Menschenrechte

sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten verwirklicht haben."

Auch 2005 und im ersten Halbjahr 2006 wurde den Personen, die Minderheiten angehören, im

Rahmen des EU-Erweiterungsprozesses und des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses mit

den Ländern des westlichen Balkan66 besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Einen entscheidenden

Fortschritt stellte der Beitritt von Montenegro zum Rahmenübereinkommen des Europarats zum

Schutz nationaler Minderheiten dar67.

64 Laut Mandat soll die Expertengruppe zur Förderung der Integration ethnischer Minderheiten
in der EU untersuchen, wie in Bezug auf die Lage der Roma vorgegangen werden kann.

65

http://europa.eu.int/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/05/647&format=HTML
&aged=0&language=EN&guiLanguage=en

66 Albanien, Bosnien und Herzegowina, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien,
Serbien und Montenegro.

67 Der Wortlaut des Übereinkommens ist auf der folgenden Website zu finden:

http://conventions.coe.int/treaty/en/Treaties/Html/157.htm

Drucksache 16/5603 – 162 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In diesem Zusammenhang wurde die Lage in den beitretenden und beitrittswilligen Ländern (Bulga-

rien, Rumänien, Türkei, Kroatien, ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien) weiterhin in

Berichten der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und den Rat analysiert,

wobei die Roma als eine der am meisten benachteiligten Gemeinschaften betrachtet wurden.

Anhand dieser Berichte soll ermittelt werden, welche Fortschritte auf dem Weg zum Beitritt erzielt

wurden, sie erhalten aber auch detaillierte Empfehlungen für die Verbesserung der Praxis der

beitretenden und beitrittswilligen Länder. Im Rahmen der derzeitigen und künftigen Finanzinstru-

mente für die Heranführung an den Beitritt werden EU-Mittel für die Förderung der Nichtdiskrimi-

nierung und der Chancengleichheit in Ländern bereitgestellt, die sich auf die Mitgliedschaft in der

EU vorbereiten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 163 – Drucksache 16/5603

EIDHR: Schutz der Rechte von Personen, die zu einer Minderheit gehören, und Verbot der

Diskriminierung in der Türkei

"Minority Rights Groups International" (MRG)68 führt zurzeit ein dreijähriges Projekt durch, das

auf den Schutz aller religiösen, ethnischen und sprachlichen Minderheiten in der Türkei abzielt. Das

Projekt, das in Zusammenarbeit mit drei örtlichen Partnern realisiert wird, umfasst die folgenden

vier Hauptkomponenten:

x Erstellung eines umfassenden Länderberichts, der im Frühjahr 2007 in türkischer und engli-

scher Sprache sowie in den Sprachen der Minderheiten veröffentlicht werden und eine

Grundlage für die weiteren Lobbyingaktivitäten darstellen soll;

x Forschungsarbeiten in Bezug auf die Diskriminierung von Minderheiten im Bildungsbereich

und Ausarbeitung von Leitlinien für den Schutz ihrer Rechte in diesem Bereich;

x Forschungsarbeiten in Bezug auf Diskriminierungsfragen und Prüfung innerstaatlicher

Lösungen, einschließlich der Ausarbeitung eines Antidiskriminierungsgesetzes, sowie

Befassung innerstaatlicher Gerichte mit fünf strategischen Streitfällen;

x Forschungsarbeiten in Bezug auf Fragen im Zusammenhang mit dem Rückreiserecht sowie

dem Eigentum von Binnenflüchtlingen.

Im Rahmen des Projekts wurde im Juni 2006 in Sarajevo ein Treffen am "runden Tisch" organisiert,

bei dem die Erfahrungen von Vertriebenen in Bosnien und Herzegowina analysiert wurden. Ziel

war es, Erkenntnisse zu gewinnen und gute und schlechte Praktiken zu ermitteln. Als Folgemaß-

nahme wird im Rahmen des Projekts ein Aktionsplan ausgearbeitet, der Informationen über das

Problem der Binnenflüchtlinge in der Türkei und einschlägige internationale Normen enthält und in

dem zum Schluss spezifische Empfehlungen an die türkische Regierung und andere Entschei-

dungsträger gerichtet werden.
68 http://www.minorityrights.org/

Drucksache 16/5603 – 164 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Was die Rolle der EU in Drittländern anbelangt, so waren die Förderung und der Schutz der Rechte

von Personen, die ethnischen und religiösen Minderheiten angehören, weiterhin ein zentrales

Thema der Außenbeziehungen. Die Frage der Rechte von Personen, die zu einer Minderheit gehö-

ren, wurde auch weiterhin mit verschiedenen Drittländern im Rahmen des Menschenrechtsdialogs

erörtert, den die EU mit diesen Ländern führt. Im Rahmen der EIDHR wurde eine Reihe von Pro-

jekten, die auf die Förderung der Rechte von Personen, die zu einer Minderheit gehören, zuge-

schnitten waren, in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Indien, Israel, Kasachstan und

der Türkei finanziell unterstützt.

Auf VN-Ebene hat die unabhängige Expertin für Minderheitenfragen 69 im Einklang mit ihrem

Mandat am 6. Januar 2006 ihren ersten Jahresbericht vorgelegt 70, in dem sie ihre Tätigkeiten und

Arbeitsmethoden sowie Problembereiche und Prioritäten für ihre zweijährige Amtszeit darlegt. In

dem Bericht betont sie, welche Bedeutung die Rechte von Personen, die zu einer Minderheit

gehören, im Rahmen der Armutsverringerung und der Förderung politischer und sozialer Stabilität

haben; ferner weist sie darauf hin, dass in diesem Zusammenhang ein besseres Verständnis und eine

größere Anerkennung dieser Rechte notwendig sind. In ihrem Fazit hat sie den in der Begründung

zur Erklärung zum Minderheitenschutz 71 enthaltenen Grundsatz bekräftigt, wonach Staaten nicht

nur positive Verpflichtungen zur Toleranz haben, sondern

auf Seiten des Staates und der breiteren Gesellschaft eine positive Haltung gegenüber kultu-

reller Vielfalt bestehen muss. Erforderlich ist nicht nur Akzeptanz, sondern auch Achtung der

unterschiedlichen Merkmale und der Beiträge von Minderheiten zum Leben einer nationalen

Gesellschaft insgesamt.

69 Gay McDougall wurde 2005 mit der Resolution 2005/79 von der VN-Menschenrechtskommission zur
unabhängigen Expertin für Minderheitenfragen ernannt.

70 http://daccessdds.un.org/doc/UNDOC/GEN/G06/101/26/PDF/G0610126.pdf?OpenElement

71 http://www.unhchr.ch/html/menu3/b/d_minori.htm

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 165 – Drucksache 16/5603

Die unabhängige Expertin ist der einzige VN-Sondermechanismus, der einen ganzheitlichen Über-

blick über die positiven Werte der Integration von Minderheiten bietet. In diesem Zusammenhang

ist ihre Arbeit eine wertvolle Quelle von Informationen für die Gestaltung der Vorgehensweise der

EU in Bezug auf Minderheitenfragen in den Beziehungen zu Drittländern. Darüber hinaus verfolgt

und unterstützt die EU weiterhin mit Interesse die Arbeit der VN-Arbeitsgruppe für Minderheiten

und beteiligt sich aktiv an der Arbeit internationaler Organisationen, die sich mit Minderheiten-

fragen befassen; dazu gehören die OSZE und deren Büro des Hohen Kommissars für nationale

Minderheiten.

Der Schutz der Rechte von Angehörigen nationaler, ethnischer, religiöser, kultureller und sprach-

licher Minderheiten sowohl innerhalb der EU als auch in Drittländern stellt allgemein weiterhin

eine große Herausforderung dar. Die EU ist sich nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen in ihren

Mitgliedstaaten der Tatsache bewusst, dass es möglicherweise keine einfachen Antworten oder

Patentlösungen gibt. Als wichtigste Anliegen nationaler Minderheiten lassen sich Teilhabe, Sprache

und Bildung bezeichnen. Es ist erforderlich, sich – mit konkreten Maßnahmen – für die effiziente

Verwirklichung der Chancengleichheit für die Angehörigen von Minderheiten einzusetzen, damit

sie ihre Rechte ausüben und uneingeschränkt an allen Aspekten des Lebens teilnehmen können.

4.18. Indigene Bevölkerungsgruppen

Die Leitprinzipien des Engagements der EU in Bezug auf indigene Bevölkerungsgruppen sind in

der Entschließung des Rates vom 30. November 1998 72 enthalten, in der die Frage in den Kontext

der Entwicklungszusammenarbeit eingeordnet wird.
72 Siehe http://europa.eu.int/comm/external_relations/human_rights/ip/

Drucksache 16/5603 – 166 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU stützt sich bei ihrem Vorgehen auf Partizipation und Konsultation, wobei sie die Bedeu-

tung, die indigene Bevölkerungsgruppen ihrer Selbstentwicklung und ihrer eigenen sozialen, wirt-

schaftlichen und kulturellen Identität beimessen, anerkennt. In den Schlussfolgerungen des Rates

vom 18. November 2002 73 wurden Maßnahmen für die schnellere Umsetzung der 1998

festgelegten Grundsätze 74 vorgeschlagen. Diese Maßnahmen umfassten die Berücksichtigung der

Belange der indigenen Bevölkerungsgruppen in allen Bereichen der EU-Politik, -Praxis und

-Arbeitsmethoden, die Benennung von Kontaktstellen in der Kommission und in den Mitglied-

staaten, Fortbildung für Kommissionsbeamte am Sitz der Kommission und in den Delegationen

sowie die Entwicklung eines langfristig angelegten Dialogs mit den indigenen Bevölkerungs-

gruppen.

Die EIDHR finanziert Programme zur Förderung der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen.

Erstmals wurde 2005 weltweit zur Einreichung von Vorschlägen aufgerufen; dabei sollten Projekte

ausgewählt werden, die die Beteiligung indigener Bevölkerungsgruppen an Mechanismen der VN

und anderer internationaler Organisationen unterstützten. Insgesamt wurden im Rahmen dieses

weltweiten Aufrufs 14 Projekte ausgewählt, und weitere kleinere Projekte wurden im Rahmen

lokaler Aufrufe von EG-Delegationen zur Einreichung von Vorschlägen finanziert. Für 2006 wurde

das Verfahren der Auswahl der Projekte, die im Rahmen des EIDHR finanziert werden können,

noch nicht abgeschlossen (siehe Kapitel 3.7).

Im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Länder- und Regionalstrategiepapieren für den Zeit-

raum von 2007 bis 2013 wurde besonders auf die Einbeziehung der Belange indigener Bevölke-

rungsgruppen geachtet, unter anderem im Wege der Formulierung einfacher Leitlinien für Länder-

beauftragte und Delegationen. Die Kommission setzte das spezielle Training für Beamte und die

enge Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, insbesondere dem OHCHR, der IAO und

UNICEF fort. Die Maßnahmen der Kommission in diesem Bereich werden von einer dienststellen-

übergreifenden Gruppe koordiniert, die aus Kollegen zusammengesetzt ist, die sich in den verschie-

denen Dienststellen mit dieser Frage befassen. Die Gruppe fungiert zunehmend als ein Forum für

die Vertreter von indigenen Bevölkerungsgruppen und nichtstaatlichen Organisationen, in dem sie

ihre Anliegen vortragen und Gedanken austauschen, wenn sie in Brüssel sind.

73 Siehe http://europa.eu.int/comm/external_relations/human_rights/ip/
74 Die Grundsätze des Engagements der EU in Bezug auf indigene Bevölkerungsgruppen sind in der Entschließung

des Rates vom 30. November 1998 enthalten, in der die Frage in den Kontext der Entwicklungszusammenarbeit

eingeordnet wird.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 167 – Drucksache 16/5603

Zusätzlich zu dem Beitrag der EU-Mitgliedstaaten zu den Programmen der VN zu Gunsten indige-

ner Bevölkerungsgruppen hat die EIDHR folgende Arbeiten im Rahmen internationaler und regio-

naler Prozesse in Bezug auf die indigenen Völker aktiv unterstützt:

x ein Projekt in Mexiko und Guatemala in Zusammenarbeit mit dem OHCHR zur Unterstüt-

zung der Umsetzung der Empfehlungen des Sonderberichterstatters zur Lage der Menschen-

rechte und Grundfreiheiten indigener Völker der Welt;

x ein Projekt mit der IAO, das die folgenden Ziele verfolgt: i) Dokumentierung und Austausch

bewährter Praktiken für die Umsetzung der Rechte indigener Völker, ii) Unterstützung der

Anstrengungen der Afrikanischen Kommission der Menschenrechte und der Rechte der

Völker zur Dokumentierung der bestehenden Rechtsvorschriften zu den Belangen indigener

Völker und iii) Unterstützung des Dialogs und der Konfliktbeilegung in Nepal (siehe Kasten),

Indien und Bangladesch;

x ein Projekt mit der NRO DoCip zur Unterstützung der Beteiligung von Vertretern indigener

Völker an den Arbeiten in den einschlägigen VN-Foren.

Die EU hat ihre Mitarbeit in internationalen Foren, in denen Fragen in Bezug auf indigene

Bevölkerungsgruppen behandelt werden, fortgesetzt. Sie hat die Annahme der "Erklärung über die

Rechte der indigenen Menschen" durch den Menschenrechtsrat auf dessen ersten Tagung unterstützt

und tritt dafür ein, dass die VN-Generalversammlung bis Ende 2006 die Erklärung endgültig

annimmt.

Drucksache 16/5603 – 168 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

EIDHR: Unterstützung des Friedensprozesses in Nepal

Durch eine gezielte Projektbezuschussung an die IAO fördert die EIDHR im Wege des Ausbaus

von Kapazitäten zum Dialog den Friedensprozess in Nepal.

Der schwere und dauerhafte bewaffnete Konflikt in Nepal ist teilweise auf die Marginalisierung

größerer Teile der Bevölkerung zurückzuführen, von der ungefähr 38 % indigenen Völkern ange-

hören. Dieses Projekt wird auf dem zwischen allen Beteiligten bestehenden Konsens darüber auf-

bauen, dass es notwendig ist, die Fragen der sozialen Ausgrenzung, einschließlich der Ausgren-

zung, der indigene Völker ausgesetzt sind, anzugehen, um einen nachhaltigen und dauerhaften

Frieden zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang bieten die Bestimmungen des IAO-Überein-

kommens 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker einen umfassenden Entwick-

lungsrahmen für die Berücksichtigung der Belange dieser Völker. Ferner sollten Verhandlungen

über ein etwaiges Friedensabkommen auch separate Verhandlungen über die von indigenen Völ-

kern angesprochenen Fragen der Identität und der Rechte umfassen, einschließlich der Bildung, der

Sprache, des Geschlechts, der Kultur, der traditionellen Kenntnisse und der Landrechte, die alle

vom Übereinkommen 169 erfasst sind.

Durch die Unterstützung der EIDHR kann die IAO in Nepal eine Schlüsselrolle spielen. Der

Schwerpunkt des Projekts liegt auf dem Ausbau der Kapazitäten zum Dialog und der Förderung

der Ratifikation und der Umsetzung des Übereinkommens 169 sowie anderer einschlägiger IAO-

Übereinkommen. Ferner werden durch das Projekt die wichtigsten Elemente der Agenda "Men-

schenwürdige Arbeit" für eingeborene und in Stämmen lebende Völker in Nepal gefördert. Die

Entwicklung der Agenda "Menschenwürdige Arbeit" bietet der Zivilgesellschaft, insbesondere den

IAO-Komponenten (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen), ferner die Möglichkeit, in

einer Partnerschaft mit indigenen Völkern zusammenzuarbeiten. Dies wird zur Sensibilisierung für

die Fragen indigener Völker auf Seiten derjenigen, die den Friedensprozess gestalten, sowie bei der

breiten Bevölkerung beitragen; ferner kann hierdurch die Aufmerksamkeit auf die Probleme

gelenkt werden, denen indigene Völker in der Arbeitswelt ausgesetzt sind, beispielsweise Diskri-

minierung, die zu Arbeitslosigkeit führt, Unterbeschäftigung, Kinder- und Zwangsarbeit, und durch

die Unzufriedenheit und Konflikte geschürt werden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 169 – Drucksache 16/5603

4.19 Analyse der Wirksamkeit der EU-Maßnahmen in Bezug auf die Themenbereiche

EU-Maßnahmen sind besonders wirksam in Bezug auf Themenbereiche, bei denen die EU so wahr-

genommen wird, dass sie bestimmte Menschenrechte erfolgreich fördert und schützt. Ein gutes Bei-

spiel hierfür ist die Abschaffung der Todesstrafe für sämtliche Straftaten durch alle EU-Mitglied-

staaten. Dies versetzt die EU in die Lage, sich diesbezüglich als anerkannte Autorität zu äußern. In

den Fällen, in denen die EU sich mit Menschenrechtsfragen in ihrem eigenen Gebiet befasst – etwa

Rassismus und anderen Formen der Intoleranz –, kann sie zum Einen die Fragen auf internationaler

Ebene wirksam zur Sprache bringen und zum Anderen in einen Gedankenaustausch über vorbild-

liche Praktiken eintreten. Internationale Kritik an der Situation innerhalb der EU kann sich hingegen

nachteilig auf die Überzeugungskraft der EU gegenüber Drittländern auswirken.

Es gibt daher einen klaren Zusammenhang zwischen den Maßnahmen der EU auf interner und

auf externer Ebene. So wurden im Laufe des Jahres Themen im Zusammenhang mit der Terroris-

musbekämpfung angesprochen und ist auch über die Frage der CIA-Flüge in Europa debattiert wor-

den. Die durch die Veröffentlichung von Karikaturen in einer dänischen Zeitung ausgelösten Ereig-

nisse haben deutlich gemacht, dass auf der Grundlage allgemein gültiger Normen und unter Beteili-

gung der Zivilgesellschaft ein interkultureller Dialog geführt werden muss.

Die Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte innerhalb der EU wurden in zunehmenden

Maße von Drittländern in Sitzungen im Rahmen des Dialogs sowie im Rahmen anderer Kontakte

aufgegriffen. Neben der Erörterung von Menschenrechtsfragen in anderen Ländern muss die EU

selbstverständlich bereit sein, auch Menschenrechtsfragen, die ihr eigenes Gebiet betreffen, zu

erörtern. Der Zusammenhang zwischen dem internen und dem externen Menschenrechtsvorgehen

hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, weiterhin zu erörtern, wie die EU sicherstellt, dass diese

grundlegenden Werte in ihrem eigenen Gebiet verwirklicht werden und somit die Kohärenz ihrer

eigenen Menschenrechtsmaßnahmen auch in diesem Sinne gewährleistet wird.

Drucksache 16/5603 – 170 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Berichtszeitraum hat die EU ihre Maßnahmen beispielsweise in Bezug auf die Menschen-

rechtsverteidiger überprüft. In diesem Zusammenhang wurde der Beitrag, den die Leitlinien für

Menschenrechtsverteidiger zur Koordinierung eines gemeinsamen und stärker "vernetzten" Vorge-

hens der EU in vielen Ländern geleistet haben, begrüßt. Eine weitere Sensibilisierung für die Leitli-

nien ist jedoch noch erforderlich. Proaktive Schritte wie die Kampagnen für freie Meinungsäuße-

rung im Zeitraum Juli bis Dezember 2005, die Forumveranstaltung der EU und nichtstaatlicher

Organisationen zum Thema freie Meinungsäußerung und Menschenrechtsverteidiger im Dezember

2005 und die laufende Kampagne zur Unterstützung von Menschenrechtsverteidigerinnen haben die

Umsetzung dieser Leitlinien in die Praxis zweifelsohne beschleunigt und sie bei EU-Missionen,

Entscheidungsträgern in den Hauptstädten und in Brüssel sowie bei Menschenrechtsverteidigern

selbst stärker ins Bewusstsein gerückt.

Der Rat hat in seinen Schlussfolgerungen vom 12. Dezember 2005 die Fortschritte begrüßt, die bei

der Umsetzung der Leitlinien zu Kindern und bewaffneten Konflikten erzielt wurden. Er wies

zugleich darauf hin, dass dieser Aspekt noch stärker im gesamten EU-System, einschließlich der

Krisenbewältigung, berücksichtigt werden müsse; ebenso müsse die Zusammenarbeit mit den

VN-Gremien im Hinblick auf die Umsetzung der Resolution 1612 des VN-Sicherheitsrats gestärkt

werden. Für die Umsetzung der Leitlinien bedarf es zudem einer gründlichen Berichterstattung über

die Maßnahmen, die vor Ort ergriffen werden, und alle Beteiligten sollten diesem Aspekt besonders

Rechnung tragen.

5. VORGEHEN DER EU IN INTERNATIONALEN GREMIEN

5.1. 60. Tagung der VN-Generalversammlung: Der Dritte Ausschuss

Der Dritte Ausschuss der VN-Generalversammlung hielt seine Tagung vom 3. Oktober bis

23. November 2005 ab. Von den 62 vom Dritten Ausschuss geprüften Resolutionen wurden 58

angenommen und lediglich 3 zurückgezogen (Menschenrechte und Korruption [von den USA

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 171 – Drucksache 16/5603

eingebracht], Durchgängige Einbeziehung der Menschenrechte [NL/BE] und Situation und Unter-

stützung von palästinensischen Kindern [Ägypten]); nur zu einer Resolution (Menschenrechtslage

in Sudan [EU]) gab es einen Stillhalteantrag. Acht von Experten des Dritten Ausschusses erörterte

Resolutionen wurden unmittelbar im Plenum der Generalversammlung behandelt.

Wie in der Vergangenheit hat die EU bei den Arbeiten des Ausschusses eine führende Rolle

gespielt. Der EU-Vorsitz hat im Dritten Ausschuss insgesamt 27 Erklärungen sowie Erklärungen

zur Stimmabgabe oder zu Standpunkten abgegeben, und die EU als Ganzes hat, einschließlich der

einzelnen Initiativen der Mitgliedstaaten, 19 Resolutionsentwürfe eingebracht, was in etwa einem

Drittel der angenommenen Resolutionen entsprach. Über 6 dieser Entwürfe erfolgte eine Abstim-

mung.

Die EU hat – trotz der sich verschlechternden Atmosphäre und einer zunehmenden Zahl von Still-

halteanträgen – einige wichtige Erfolge in Bezug auf Länderresolutionen erzielt. Sie hat sechs

länderspezifische Resolutionen vorgelegt, von denen fünf angenommen wurden (Myanmar,

Demokratische Republik Kongo, Demokratische Volksrepublik Korea, Usbekistan und

Turkmenistan). Die Resolution zu Turkmenistan wurde zusammen mit den Vereinigten Staaten

und die Resolution zur Demokratischen Volksrepublik Korea zusammen mit Japan vorgelegt. Die

Tagung des Dritten Ausschusses fand vor dem Hintergrund der Verhandlungen über die Einsetzung

des Menschenrechtsrats statt, und der umstrittenste Punkt bei diesen Verhandlungen war die Frage,

wie in Bezug auf die Lage in bestimmten Ländern zu verfahren sei. Dieses Problem stellte sich

dann auch im Dritten Ausschuss, in dem sich der seit 2004 bestehende Trend, Stillhalteanträge zu

Länderresolutionen einzubringen, auf alle EU-Initiativen (mit Ausnahme der Initiative zur DRK)

ausweitete. Der Stillhalteantrag zu Sudan wurde leider mit knapper Stimmenmehrheit angenom-

men. Zu Birma/Myanmar, der Demokratischen Volksrepublik Korea, Usbekistan und Turkmenistan

wurden die Stillhalteanträge jedoch abgelehnt und die Resolutionen anschließend angenommen.

Eine von Kanada vorgelegte und von der EU der 25 Mitgliedstaaten mitgetragene Resolution zu

Iran wurde nach einer Abstimmung angenommen.

Drucksache 16/5603 – 172 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In der Resolution zu Birma/Myanmar wurde die tiefe Besorgnis unter anderem darüber geäußert,

dass Menschenrechtsverteidigern immer noch die Freiheit verweigert wird, ihre Tätigkeit auszu-

üben. Ferner wird nachdrücklich an die Regierung von Myanmar appelliert, den systematischen

Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu setzen, Personen, die die Menschenrechte verletzen, vor

Gericht zu bringen und den Beitritt zu allen internationalen Menschenrechtsinstrumenten zu einer

hohen Priorität zu machen. Darüber hinaus werden die Behörden Myanmars nachdrücklich aufge-

fordert, die Rekrutierung von Kindersoldaten einzustellen und deren Demobilisierung zu verstärken

und den engen Dialog mit UNICEF fortzusetzen, um die häufigen Fälle von Vergewaltigungen und

Anwendung sexueller Gewalt durch die Streitkräfte sowie die systematische Zwangsvertreibung,

die zu Flüchtlingsströmen in die Nachbarländer geführt hat, zu beenden. Ferner werden die Behör-

den Myanmars aufgerufen, alle politischen Gefangenen freizulassen und mit dem Sonderbeauftrag-

ten und dem Sonderberichterstatter im Hinblick auf die Einrichtung einer Zivilregierung unein-

geschränkt zusammenzuarbeiten. Die Resolution wurde ohne Abstimmung angenommen.

Die Resolution zur Menschenrechtslage in Usbekistan war eine neue Resolution in der VN-Gene-

ralversammlung. Darin wurde die tiefe Besorgnis über Anschuldigungen wegen ernsthafter Men-

schenrechtsverletzungen in Usbekistan geäußert, insbesondere die unterschiedslose und unverhält-

nismäßige Anwendung von Gewalt durch die Regierung zur Unterdrückung der Demonstrationen

vom Mai 2005 in Andidschan, die zu vielen Opfern unter der Zivilbevölkerung geführt hat, den

Druck auf usbekische Flüchtlinge, um sie davon abzuhalten, in Drittländer zu reisen, willkürliche

Festnahmen und Inhaftierungen, zunehmende Beschränkungen für Journalisten und Belästigungen

und Zensur von Journalisten und bei Aktivitäten der Zivilgesellschaft, eine ständige Einschränkung

des Handlungsspielraums der Oppositionsparteien, mangelnde Gedanken- und Religionsfreiheit und

schwerwiegende Einschränkungen und Schikanierungen im Falle von Nichtregierungsorganisatio-

nen und Menschenrechtsverteidigern, einschließlich des IKRK. Die Resolution wurde mit

73 Stimmen bei 38 Gegenstimmen und 58 Enthaltungen angenommen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173 – Drucksache 16/5603

2005 hatten die Vereinigten Staaten und die EU gemeinsam die ursprünglich von den Vereinigten

Staaten ausgearbeitete Resolution zu Turkmenistan vorgelegt, die im Anschluss an einige Bemer-

kungen der EU und anderer, die die Resolution mit eingebracht hatten, geändert worden war. Der

Text wurde mit 70 Stimmen bei 38 Gegenstimmen und 58 Enthaltungen angenommen. Die Resolu-

tion wurde von 40 Staaten mit eingebracht und auch von vielen südamerikanischen Staaten unter-

stützt. Die OIC äußerte sich geschlossen als Gruppe und sprach sich für die Unterstützung des

Misstrauensantrags und anschließend für die Ablehnung des Textes aus, obwohl sich bestimmte

Delegationen der Stimme enthielten (Tunesien, Algerien) bzw. zum Zeitpunkt der Abstimmung –

wie in Vorjahren – nicht anwesend waren (TR). Die Russische Föderation enthielt sich bei der

Abstimmung über die Resolution selbst ebenfalls der Stimme. Gleiches galt für viele Länder der

Afrikanischen Gruppe, die sich nicht als geschlossene Gruppe äußerte. In der Resolution wurde die

tiefe Besorgnis über die Menschenrechtsverletzungen, einschließlich der Unterdrückung der politi-

schen Opposition, der willkürlichen Inhaftierungen und Überwachung sowie der schlechten Haft-

bedingungen, über die glaubwürdigen Berichte über Folter und Misshandlung von Häftlingen sowie

über die vollständige Medienkontrolle durch die Regierung und die fortgesetzten Beschränkungen

der Gedanken-, Gewissens-, Religions- oder Glaubensfreiheit zum Ausdruck gebracht.

Was die Resolution über die Demokratische Republik Kongo betrifft, so hat sich die DRK selbst

äußerst konstruktiv verhalten, unter anderem, indem sie für den Text gestimmt hat. In der Resolu-

tion verurteilt die Generalversammlung die anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte und des

humanitären Völkerrechts. Sie fordert alle Konfliktparteien nachdrücklich auf, die Feindseligkeiten

einzustellen, und appelliert an die Regierung der nationalen Einheit und des Übergangs, freie und

transparente Wahlen abzuhalten und die Stabilität und Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen, den

internationalen Menschenrechtsverpflichtungen uneingeschränkt nachzukommen und weiterhin mit

den Menschenrechtsmechanismen der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten. Die Resolution

wurde durch namentliche Stimmabgabe mit 96 Stimmen bei 2 Gegenstimmen (Uganda und

Ruanda) und 66 Enthaltungen angenommen.

Drucksache 16/5603 – 174 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Verabschiedung der traditionellen Resolution der Menschenrechtskommission zur Menschen-

rechtslage in der Demokratischen Volksrepublik Korea durch die Generalversammlung fand

erstmals große Aufmerksamkeit in der Presse. Darin äußert die Generalversammlung ihre ernsthafte

Besorgnis angesichts der langen Liste von Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen

Volksrepublik Korea sowie der Weigerung der Regierung des Landes, mit dem Sonderbericht-

erstatter der Menschenrechtskommission zusammenzuarbeiten. Zudem bringt sie ihre große Sorge

über die harten Strafen gegen die aus dem Ausland zurückgeholten Bürger, die Entführung von

Ausländern, die Beschränkung der Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie den

Frauenhandel zum Ausdruck. Die Resolution wurde vom Vereinigten Königreich im Namen der EU

und Japan eingebracht und von mehr als 40 Ländern mitgetragen. Sie wurde mit 84 Stimmen bei

22 Gegenstimmen und 62 Enthaltungen verabschiedet.

Was die thematischen Initiativen betrifft, so wurde die von der EU eingebrachte Resolution über

religiöse Intoleranz nach langen Verhandlungen einvernehmlich mit einem neuen, allseits begrüß-

ten Passus über das Recht auf Wechsel der Religion oder Weltanschauung verabschiedet. Bei der

Resolution über die Rechte des Kindes war die Gruppe der lateinamerikanischen und karibischen

Staaten (GRULAC) wie bereits 2004 in der Frage der körperlichen Züchtigung in Schulen gespal-

ten, und die Karibische Gemeinschaft (CARICOM) insgesamt verweigerte den Hauptinitiatoren

ihre Unterstützung. Der endgültige Text, der einen aussagekräftigen Abschnitt speziell zu Kindern

mit HIV/Aids enthält, war für die EU akzeptabel und wurde – allerdings erst nach vielen Wahl-

gängen – angenommen. Der Entwurf wurde mit 173 Stimmen bei einer Gegenstimme (USA) und

einer Enthaltung (Nauru) verabschiedet. Die Resolution wurde von über 100 Ländern mitgetragen.

Neben ihrer eigenen Initiative zu den Rechten des Kindes hat die EU-25 auch die von Namibia ein-

gebrachte Resolution über Mädchen unterstützt.

Die EU hat nur bei zwei der insgesamt 69 Resolutionen (nämlich der Resolution betreffend die

zweite internationale Dekade der indigenen Völker und der Resolution betreffend das Ausbil-

dungsinstitut zur Förderung der Frau (INSTRAW)) keinen gemeinsamen Standpunkt vertreten.

Lediglich bei zwei Resolutionen – betreffend INSTRAW und das Recht auf Entwicklung – stimmte

die EU nicht geschlossen ab, wobei sie sich nur in einem Fall (INSTRAW) bis zur Annahme in der

Generalversammlung nicht auf ein einheitliches Votum verständigen konnte.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175 – Drucksache 16/5603

Auch die nationalen Initiativen von EU-Mitgliedstaaten – zu Folter (DK), internationalen Pakten

(SE) sowie zu Minderheiten und Justiz (AT) – wurden mit Erfolg zur Abstimmung gebracht.

Gewisse Erfolge konnte die EU zudem bei Texten anderer Länder verzeichnen; zwar konnte sie sich

bei den problematischsten Passagen einiger Resolutionen von Drittstaaten nur in begrenztem

Umfang durchsetzen, doch ist es ihr durch ihr entschlossenes Auftreten vielleicht gelungen, die Tür

zu weiteren Gesprächen und Verbesserungen in der Zukunft aufzustoßen.

5.2. Einrichtung des Menschenrechtsrates, VN-Reform

Die Staats- und Regierungschefs beschlossen auf dem VN-Gipfel im September 2005, die Men-

schenrechtskommission durch einen Menschenrechtsrat abzulösen. Die Generalversammlung wurde

beauftragt, möglichst kurzfristig während ihrer 60. Tagung detaillierte Regelungen zur Funktions-

weise, zum Mandat, zu den Aufgaben und den Arbeitsmethoden des Menschenrechtsrates auszuar-

beiten.

Ausgehend von den Festlegungen im Ergebnisdokument des VN-Gipfels wurden unter Federfüh-

rung des Präsidenten der Generalversammlung Jan Eliasson, dem zwei Ko-Präsidenten (Republik

Panama und Republik Südafrika) zur Seite standen, unverzüglich Konsultationen über die Modali-

täten und Details betreffend den Menschenrechtsrat eingeleitet. Ziel war es, bis Ende 2005 die Ver-

handlungen abzuschließen und einen Menschenrechtsrat einzurichten. Trotz zahlreicher Bemühun-

gen der beiden Ko-Präsidenten, einschließlich der Durchführung von vier offenen Konsultations-

runden, sowie der unfangreichen Lobbyarbeit der EU und anderer gleich gesinnter Staaten machten

anhaltende, tief greifende Differenzen zwischen den Delegationen über den Menschenrechtsrat eine

Einigung vor Weihnachten unmöglich.

Drucksache 16/5603 – 176 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Konsultationen wurden im Januar 2006 in New York wieder aufgenommen und dauerten bis

März an. Schließlich wurde am 15. März nach einer Abstimmung die Resolution 60/251 der

Generalversammlung zur Einrichtung des Menschenrechtsrates verabschiedet. Das eindeutige

Ergebnis – 170 Ja-Stimmen, 4 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen – setzte ein klares Zeichen und

verlieh dem laufenden Reformprozess einen starken Impuls. Unter den Delegationen bestand weit

gehendes Einvernehmen darüber, dass die Einrichtung des Menschenrechtsrates ein entscheidendes

Element bei der weiteren Stärkung der VN-Menschenrechtsmechanismen ist und einen wichtigen

Schritt im VN-Reformprozess darstellt. Die USA stimmten gegen die Resolution, sagten aber zu,

partnerschaftlich und konstruktiv mit dem Menschenrechtsrat zusammenzuarbeiten. In der

Erklärung zum Abstimmungsverhalten, die die USA zum Zeitpunkt der Annahme der Resolution

der Generalversammlung zur Einrichtung des Menschenrechtsrates abgaben, legten sie dar, dass sie

die Resolution deshalb abgelehnt hätten, weil ein wirksamer Mechanismus fehle, um zu verhindern,

dass Länder mit fragwürdiger Menschenrechtsbilanz einen Sitz im Rat erhielten.

Die EU beteiligte sich sehr aktiv an den gesamten Verhandlungen. Sie hatte von vornherein einen

Rat angestrebt, dessen Status, Mandat, Strukturen und Mitgliederzusammensetzung so gestaltet sein

sollten, dass den Menschenrechten die in der VN-Charta vorgesehene zentrale Rolle eingeräumt

wird. Die EU hatte Vorschläge unterstützt , aufgrund deren der neue Rat eine echte Verbesserung

gegenüber der bestehenden Menschenrechtskommission darstellen würde. Insbesondere hatte sich

die EU dafür eingesetzt, dem neuen Rat den Status eines ständigen Gremiums zu verleihen, das in

der Lage sein sollte, Menschenrechtsfragen und -situationen – wo und wann immer sie auftreten –

mit der für die Arbeit des Rates gebotenen Flexibilität anzugehen und bei der Behandlung von

Menschenrechtsdefiziten Dialog, Kooperation und Unterstützung in den Mittelpunkt zu stellen.

Eindeutige Priorität hatten für die EU ferner die ständige Beteiligung der NRO und die weitere

Anwendung von Sonderverfahren im neuen Rat unter Zugrundelegung der Errungenschaften der

Menschenrechtskommission.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177 – Drucksache 16/5603

Die EU leistete während des gesamten Prozesses Lobbyarbeit und betrieb die Aufnahme und Pflege

von Kontakten in den Hauptstädten sowie in New York mit dem Ziel, Unterstützung für einen

starken Rat zu gewinnen. Diese Bemühungen waren am Ende von Erfolg gekrönt, denn der vom

Präsidenten der Generalversammlung eingebrachte abschließende Kompromisstext fand die Unter-

stützung einer breiten Mehrheit. Die EU-Mitgliedstaaten sagten zu, bei den Wahlen zum

Menschenrechtsrat keinem Land ihre Stimme zu geben, gegen das der VN-Sicherheitsrat aus

Gründen, die die Menschenrechte betreffen, Sanktionen verhängt hat.

Nicht alle von der EU angestrebten Ziele finden sich im abschließenden Text der Resolution

wieder. Gleichwohl stellt der neu eingesetzte Rat eine Verbesserung gegenüber der

Menschenrechtskommission dar. Die Resolution enthält mehrere Punkte, die zu einer größeren

Glaubwürdigkeit und Effizienz des VN-Menschenrechtssystems beitragen werden. Genannt seien

der höhere institutionelle Status als Nebenorgan der Generalversammlung, der nach fünf Jahren

überprüft wird, mehr reguläre Tagungen im Laufe des Jahres, Direktwahl der Ratsmitglieder mit der

absoluten Mehrheit der Stimmen der VN-Mitglieder, Verpflichtung der Ratsmitglieder, beim Schutz

und bei der Förderung der Menschenrechte höchsten Standards gerecht zu werden und uneinge-

schränkt mit dem Rat zusammenzuarbeiten, und Suspendierung von Ratsmitgliedern im Falle von

schweren und systematischen Menschenrechtsverletzungen. Im Rahmen des neuen Systems einer

allgemeinen regelmäßigen Überprüfung werden alle Staaten einer kritischen Prüfung unterzogen

und wird ihre primäre Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte angemahnt. Die Beteiligung

von NRO und das System der Sonderverfahren werden weiterhin entscheidende Voraussetzungen

für das effiziente und wirksame Funktionieren des Rates bilden.

Drucksache 16/5603 – 178 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Gemäß der Resolution der Generalversammlung fand die Wahl der ersten 47 Ratsmitglieder am

9. Mai statt. Wie in der Resolution 60/251 vorgesehen, gaben alle Bewerber freiwillige Zusagen

und Verpflichtungen ab, die in offiziellen VN-Dokumenten veröffentlicht wurden. Die EU räumte

der Verbesserung der Situation in Bezug auf die Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat hohe Priorität

ein. Zu diesem Zweck vereinbarte die EU ein gemeinsames Konzept als Orientierungshilfe für die

einzelnen Mitgliedstaaten bei den Wahlen. Dazu verständigten sich die EU-Mitgliedstaaten darauf,

kein Bewerberland zu unterstützen, das sich schwerer, systematischer Menschenrechtsverletzungen

schuldig gemacht hat; dies gilt insbesondere für Bewerber, gegen die der VN-Sicherheitsrat aus

Gründen, die die Menschenrechte betreffen, Sanktionen verhängt hat oder gegen deren Regierungen

von der EU aus Gründen, die die Menschenrechte betreffen, restriktive Maßnahmen erlassen

wurden.

Mit der Einrichtung des Menschenrechtsrates ging die Ära der Menschenrechtskommission zu

Ende. Die letzte Tagung der Menschenrechtskommission, in der es um reine Verfahrensfragen

ging, fand am 27. März statt und dauerte lediglich einen halben Tag.

Auf ihrer letzten Tagung übertrug die Kommission gemäß Artikel 6 der Resolution 60/251 der

Generalversammlung vom 15. März 2006 alle bestehenden Mandate, Mechanismen, Funktionen

und Verpflichtungen an den Menschenrechtsrat. Ferner wurden alle Berichte der Menschenrechts-

kommission an den Menschenrechtsrat zur weiteren Beratung auf seiner ersten Tagung im Juni

2006 weitergeleitet. Die EU gab auf der letzten Tagung der Menschenrechtskommission keine

Erklärung ab, da lediglich die fünf regionalen Gruppierungen Gelegenheit erhielten, das Wort zu

ergreifen.

In der in Brüssel anlässlich der letzten Tagung der Menschenrechtskommission abgegebenen

Erklärung erinnerte die EU daran, dass die Kommission ungeachtet der Kritik, die in den letzten

Jahren an ihrer Arbeit geäußert worden war, in erheblichem Maße dazu beigetragen hat, dass im

Zusammenhang mit dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte bestehende Probleme

erkannt werden konnten und dass an ihrer Lösung gearbeitet werden konnte. Die EU würdigte

ferner die von der Kommission geschaffenen Menschenrechtsinstrumente und -mechanismen und

begrüßte es, dass diesen im Menschenrechtsrat noch stärkere Geltung verschafft werden soll.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179 – Drucksache 16/5603

Die Eröffnungstagung des Menschenrechtsrates fand vom 19. bis 30. Juni in Genf statt. Der

Präsident der VN-Generalversammlung Jan Eliasson sowie der neu gewählte Präsident des

Menschenrechtsrates Luis Alfonso de Alba, der VN-Generalsekretär Kofi Annan, die Hohe

Kommissarin der VN für Menschenrechte Louise Arbour und die Trägerin des Friedensnobelpreises

2004 Wangari Maathai wandten sich in der Eröffnungszeremonie mit Ansprachen an diese neue

Institution. Es folgte ein Tagungsabschnitt auf hoher Ebene unter Beteiligung von insgesamt

85 Würdenträgern. Die Atmosphäre war insgesamt positiv und zukunftsoptimistisch. Die Würden-

träger äußerten hochgesteckte Erwartungen und großes Vertrauen in den neuen Rat, betonten aber

auch, dass praktische Ergebnisse und ein Follow-up notwendig seien. Die EU war durch die öster-

reichische Außenministerin Frau Dr. Ursula Plassnik vertreten.

Bei der Schaffung der Voraussetzungen für seine künftige Arbeit erzielte der Rat auf seiner ersten

Tagung im Juni 2006 einige positive, aber auch weniger begrüßenswerte Ergebnisse. Unter

erheblichem Zeitdruck und trotz der breiten Palette von abzuarbeitenden Fragen führte Präsident de

Alba mit Unterstützung der Vizepräsidenten die Delegationen zu einem Konsens über alle noch

offenen Verfahrensbeschlüsse.

Mit insgesamt zwölf abgegebenen Erklärungen und zwei Erläuterungen zur Stimmabgabe war die

EU auf der ersten Tagung einer der Hauptakteure. Die meisten der EU-Prioritäten für die erste

Tagung wurden erfolgreich umgesetzt, einschließlich der Verabschiedung zweier normativer

Dokumente (Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, Erklärung

über die Rechte der indigenen Völker), der Verlängerung aller Mandate für Sonderverfahren mit

dem Ziel, Schutzlücken in der Zeit der Überprüfung ihrer Mandate zu vermeiden, und der

Verständigung auf einen Rahmenplan und ein flexibles Arbeitsprogramm für das erste Jahr.

Während der Verhandlungen über die Arbeitsgruppe zur Mandatsüberprüfung und die

Arbeitsgruppe zur Einführung des Mechanismus der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung

(Universal Periodic Review, UPR) konnte die EU durchsetzen, dass die Prozesse alle Fragen

einbeziehen, transparent ablaufen und zusätzliche Förderung erhalten. Der interaktive Dialog mit

Drucksache 16/5603 – 180 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der Hohen Kommissarin für Menschenrechte schuf einen beispielhaften Präzedenzfall, bietet er

doch Gelegenheit für eine offene, konstruktive Aussprache über alle Menschenrechtsfragen und

-situationen. In ihrer Erklärung verwies die EU auf die Situation in mehreren Ländern, wie Nepal,

Sudan, die besetzten palästinensischen Gebiete und Birma/Myanmar. Ferner wurde ein Konsens

über fünf Schwerpunktthemen erzielt, die als aktuelle Fragen in der zweiten Woche der Ratstagung

behandelt werden sollten. Die EU konnte erreichen, dass die Lage in Darfur sowie die Frage der

Menschenrechtsverteidiger in den Katalog der Schwerpunktthemen aufgenommen wurden. Zu den

weiteren Themen in der Aussprache, die in einer konstruktiven Atmosphäre geführt wurde, gehörte

die Situation in den besetzten palästinensischen Gebieten, religiöse Intoleranz und Migration.

Während all dieser Verhandlungen war die Teilnahme von NRO gewährleistet. Die aktive Einbe-

ziehung der NRO in den interaktiven Dialog mit der Hohen Kommissarin für Menschenrechte kann

als kleine, aber dennoch wichtige Aufwertung ihrer Rolle im Menschenrechtsrat betrachtet werden,

die im Hinblick auf künftige interaktive Dialoge noch weiter ausgebaut werden sollte.

Ungeachtet dieser positiven Entwicklungen waren die letzten Sitzungstage von der sich

verschlechternden Lage in Palästina überschattet, die eine Einigung auf eine einvernehmliche Rats-

erklärung zu den fünf ermittelten Themen verhinderte und dazu führte, dass die Organisation der

Islamischen Konferenz (OIC) zwei umstrittene Beschlüsse über die besetzten palästinensischen

Gebiete und über religiöse Diffamierung einbrachte. Die EU erklärte einerseits ihre klare Bereit-

schaft zu Aussprache und Dialog über beide Fragen, äußerte aber auch deutliche Bedenken gegen

ein einseitiges Herausgreifen bestimmter Situationen und Fragen und sah sich daher außer Stande,

die Dokumente zu unterstützen. Die Verhandlungen und die Abstimmung über diese Dokumente

haben die Gefahr eines Rückfalls in eine Politik der regionalen Blockbildung verdeutlicht und

werden die EU vor eine große Herausforderung stellen, wenn es gilt, eine breite regionen-

übergreifende Unterstützung für die entscheidenden Menschenrechtsfragen zu gewinnen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 181 – Drucksache 16/5603

Am letzten Sitzungstag des Menschenrechtsrates führten die Ereignisse im Nahen Osten zu einem

Antrag der arabischen Gruppe auf Einberufung einer Sondersitzung zur Problematik der besetzten

palästinensischen Gebiete 75, die dann am 5. und 6. Juli stattfand. Wenngleich die Aussprache im

Plenum von einer konstruktiven Atmosphäre geprägt war, fand sich in der von der Organisation der

Islamischen Konferenz eingebrachten Endfassung der Resolution wiederum eine unausgewogene

Darstellung der Situation, so dass sie für die EU nicht annehmbar war. Trotz Ablehnung durch die

EU wurde die Resolution mit klarer Mehrheit verabschiedet. Bei der Annahme der Resolution

beschloss der Menschenrechtsrat die dringende Entsendung einer Erkundungsmission unter Leitung

des Sonderberichterstatters für die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinen-

sischen Gebieten, John Dugard.

5.3. Europarat

Die EU und der Europarat lassen sich beim Schutz und bei der Förderung von Demokratie und

Rechtsstaatlichkeit sowie bei der Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten von den

gleichen Werten und Zielen leiten. Die EU strebt eine verstärkte Zusammenarbeit in diesen

vorrangigen Bereichen an.

Die EU arbeitet bei einer Reihe von gemeinsamen Projekten, die über die EIDHR finanziert

werden, erfolgreich mit dem Europarat zusammen. Die meisten gemeinsamen Programme

beinhalten landesspezifische Projekte und betreffen Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien

und Herzegowina, Georgien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Montenegro, die

Russische Föderation, Serbien, die Türkei und die Ukraine. Daneben gibt es gemeinsame

multilaterale thematische Programme, die sich beispielsweise mit nationalen Minderheiten, den

Roma sowie der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption befassen.

75 In der Resolution 60/251 der Generalversammlung ist die Einberufung von Sondertagungen auf Antrag eines

Drittels der Ratsmitglieder vorgesehen.

Drucksache 16/5603 – 182 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Höchste EU-Priorität wurde im Europarat der verstärkten Umsetzung der Beschlüsse des

Warschauer Gipfeltreffens beigemessen, in denen die grundlegende Rolle des Europarats bei der

Förderung und Verteidigung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bestätigt

wurde. Ziel der EU ist es, die Beziehung zwischen der EU und dem Europarat zu stärken und die

langfristige Effektivität der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Europäischen

Gerichtshofs für Menschenrechte durch alle geeigneten Mittel zu gewährleisten.

Die EU unterstützte und förderte die Untersuchungen des Generalsekretärs des Europarats, Terry

Davis, und des Berichterstatters des Ausschusses für Recht der Parlamentarischen Versammlung,

Dick Marty, zu angeblichen geheimen Inhaftierungen und illegalen zwischenstaatlichen

Verbringungen, an denen Mitgliedstaaten des Europarats beteiligt sein könnten.

5.4. Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)

Nach Auffassung der EU sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sowie Förderung und Schutz der

Menschenrechte und Grundfreiheiten Hauptgegenstand der Maßnahmen der OSZE. Die OSZE

verfügt über eine umfassende Palette politisch bindender Normen in den Bereichen

Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie über Mechanismen, um deren Einhal-

tung durch die beteiligten Staaten zu überwachen.

Die EU bringt ihre Besorgnis angesichts von Menschenrechtsverstößen und -defiziten im Ständigen

Rat der OSZE und auf den der menschlichen Dimension gewidmeten Tagungen und Konferenzen

energisch zum Ausdruck. Im Ständigen Rat wurden von der EU unter anderem Fragen wie

Menschenrechtsverletzungen in Belarus, Turkmenistan und Usbekistan, die Todesstrafe in den

Vereinigten Staaten von Amerika, die Wahlen in der Kirgisischen Republik, Aserbaidschan und

Kasachstan oder der Erlass des russischen Gesetzes über gemeinnützige Organisationen zur Sprache

gebracht.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 183 – Drucksache 16/5603

Die EU trug aktiv zu den Vorbereitungen für die Tagung des Ministerrats der OSZE bei, die am

6. Dezember 2005 in Ljubljana stattfand. Auf dieser Tagung verabschiedeten die Minister

Beschlüsse über Toleranz und Nichtdiskriminierung, Förderung der Menschenrechtserziehung und

-ausbildung im OSZE-Bereich, Wahrung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in den

Strafrechtssystemen, Bekämpfung des Menschenhandels, Rolle der Frauen bei der Konflikt-

verhütung, der Krisenbewältigung und der Bewältigung von Konfliktfolgen, Vermeidung und

Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Durchsetzung strengster Verhaltens- und Disziplinar-

normen für Personal, das in internationalen Truppenkontingenten oder Missionen eingesetzt wird.

Toleranz und Nichtdiskriminierung genießen für die OSZE nach wie vor hohe Priorität. Die teil-

nehmenden Staaten haben Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und andere Formen

von Intoleranz und Diskriminierung, auch gegen Muslime und Christen vorbehaltlos verurteilt. Die

EU trat aktiv für die umfassende Förderung von Toleranz und Nichtdiskriminierung ein und

betonte, dass keine Form von Intoleranz und Diskriminierung außer Acht gelassen werden dürfe.

Kasachstan veranstaltete am 12./13. Juni in Almaty ein außerordentliches Treffen zu dem Thema

interkulturelles, interreligiöses und interethnisches Verständnis. Die EU hat die Arbeit des Büros für

demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), einschließlich des Plans des Büros, die

Erfassung von Daten und statistischen Angaben zu verbessern, aktiv unterstützt, und setzt sich für

eine gute Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und

Fremdenfeindlichkeit (EUMC) und dem ODIHR ein.

Die EU würdigt die bedeutende Rolle des jährlichen Implementierungstreffens der OSZE zur

menschlichen Dimension. Ziel der zweiwöchigen Zusammenkunft in Warschau ist es, die Tätig-

keiten der OSZE im Bereich der menschlichen Dimension zu bewerten und für eine entsprechende

Weiterverfolgung dieser Tätigkeiten zu sorgen. Im Mittelpunkt des letzten Treffens standen die

Themen Medienfreiheit, Verhütung von Folter sowie Toleranz und Nichtdiskriminierung. Die EU

betrachtet das Treffen als besonders nützlich, da es ein Forum für einen echten Dialog mit der

Zivilgesellschaft schafft, die gleichberechtigt mit Regierungen an der Veranstaltung teilnehmen

kann.

Drucksache 16/5603 – 184 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In den laufenden Beratungen über die Erhöhung der Effektivität der OSZE hat die EU der

Weiterführung der Arbeit der OSZE im Bereich der menschlichen Dimension, der Wahl-

beobachtung und der Einhaltung wahlbezogener Verpflichtungen oberste Priorität eingeräumt. Die

EU unterstützt das ODIHR weiterhin als einen der Hauptakteure bei den Bemühungen der OSZE im

Bereich der menschlichen Dimension.

5.5. Analyse der Wirksamkeit des Vorgehens der EU in den internationalen Gremien

Das in diesem Bericht betrachtete Jahr war von der Entwicklung der globalen Menschenrechts-

mechanismen her außergewöhnlich. Die Ergebnisse des VN-Gipfeltreffens im September 2005, der

im März 2006 gefasste Beschluss zur Einrichtung des Menschenrechtsrates und schließlich die erste

Tagung des neuen Rates im Juni 2006 waren allesamt wichtige Weichenstellungen. Die EU hat

während des gesamten Prozesses eine sehr aktive Rolle bei den Verhandlungen gespielt, und wenn

auch nicht alle EU-Ziele verwirklicht wurden, so lässt sich doch feststellen, dass die EU

maßgeblichen Anteil an der Förderung dieser Entwicklung hatte. Auch im Dritten Ausschuss der

VN-Generalversammlung konnte die EU die meisten ihrer Initiativen, einschließlich der

länderspezifischen Initiativen, durchbringen.

Die neue Situation, insbesondere die Arbeit in einem Menschenrechtsrat, der häufiger

zusammentritt und neue Arbeitsmethoden anwendet, wird eine Herausforderung für die EU mit

ihren herkömmlichen Arbeitsmethoden darstellen. Im Laufe des Jahres erreichte die EU eine

weitere Verbesserung ihrer internen Arbeitsverfahren für das Vorgehen in Menschenrechtsgremien,

zum Beispiel durch eine eindeutigere Festlegung von Prioritäten und verstärkte Kontakte zu

Drittländern. Die EU ist sich bewusst, dass ihre Arbeitsverfahren weiterentwickelt werden müssen,

insbesondere deshalb, weil der neu gegründete Menschenrechtsrat mehrmals im Jahr

zusammentreten und sein Erfolg von der Anwendung innovativer Arbeitsmethoden abhängen wird.

Bereits auf der ersten Ratstagung haben sich eine stärkere Aufteilung der Lasten zwischen den

Partnern sowie häufige Kontakte zu anderen Delegationen als äußerst nützlich erwiesen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 185 – Drucksache 16/5603

Das Gebot der Kohärenz steht auch auf multilateraler Ebene klar im Vordergrund, und zwar die

Kohärenz der EU-Tätigkeiten in den verschiedenen internationalen Organisationen, die planmäßige

Nachbereitung der Beratungen in multilateralen Gremien im Rahmen der bilateralen Beziehungen

und Kontakte und die systematischere Arbeit mit den Berichten und Empfehlungen von regionalen

und VN-Menschenrechtsmechanismen.

Die Stärke der EU als Akteur in den VN-Gremien stützt sich auf der Einheit der Mitgliedstaaten.

Hierbei gilt es, die gebündelten Ressourcen der EU-Mitgliedstaaten optimal zu nutzen.

6. LÄNDERSPEZIFISCHE THEMEN

6.1. Europa und seine Nachbarländer

Im genannten Zeitraum hat sich die EU im Rahmen der durch die Europäische

Nachbarschaftspolitik verstärkten Europa-Mittelmeer-Partnerschaft (Barcelona-Prozess) weiterhin

um eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Mittelmeerregion bemüht.

Drucksache 16/5603 – 186 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU hat sich weiterhin von den zehn Empfehlungen, die die Kommission in ihrer Mitteilung

über die Intensivierung der EU-Maßnahmen für die Mittelmeer-Partnerländer in den Bereichen

Menschenrechte und Demokratisierung76 abgegeben und denen der Rat zugestimmt hatte, leiten

lassen; mit der Durchführung der Europäischen Nachbarschaftspolitik wurde daran angeknüpft,

insbesondere durch Verpflichtungen, die im Rahmen bilateraler Aktionspläne festgelegt wurden.

Während der Verhandlungen über die Aktionspläne konzentrierten sich die Bemühungen darauf,

denjenigen Elementen der Europäischen Nachbarschaftspolitik, die die Menschenrechte,

Demokratisierung, verantwortungsvolle Regierungsführung und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit

betreffen, mehr Geltung zu verschaffen.
76 Dok. ST 14413/03.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 187 – Drucksache 16/5603

Auf dem Europa-Mittelmeer-Gipfeltreffen zum 10. Jahrestag der Erklärung von Barcelona

(Barcelona, 27. und 28. November 2005) wurde ein gemeinsames Fünfjahres-Arbeitsprogramm und

ein Europa-Mittelmeer-Verhaltenskodex für die Bekämpfung des Terrorismus77 angenommen, mit

denen der Versuch unternommen wird, die Achtung der Menschenrechte bei der Terrorismus-

bekämpfung im Einklang mit dem Völkerrecht zu gewährleisten. Im Arbeitsprogramm wurden u.a.

folgende Verpflichtungen eingegangen: mehr politischer Pluralismus und mehr Bürgerbeteiligung

durch aktive Förderung fairer politischer Rahmenbedingungen, einschließlich fairer und freier

Wahlen; Befähigung der Bürgerinnen und Bürger zur Mitwirkung an der Beschlussfassung auf

lokaler Ebene; stärkere Einbeziehung von Frauen in die Entscheidungsfindung, unter anderem im

politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Fragen; Gewährleistung der freien

Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit durch Erleichterung der Arbeit unabhängiger

Anbieter von Informationen; Förderung der Rolle der Zivilgesellschaft; Förderung der weiteren

Umsetzung der VN- und der Regionalchartas sowie der Übereinkünfte über bürgerliche, politische,

soziale und wirtschaftliche Rechte. Um diese Verpflichtungen einhalten zu können, wurde folgende

Maßnahmen vereinbart:

� Die EU wird mit den Vorbereitungen zur Einführung eines umfangreichen

Finanzierungsinstruments beginnen, mit dem erfolgreiche Reformbemühungen unterstützt

werden sollen.

� Vertreter in den Ständigen Missionen und bei den Vereinten Nationen werden vor den

Tagungen der VN-Menschenrechtskommission, die im Juni 2006 durch den VN-

Menschenrechtsrat abgelöst wurde, und der VN-Generalversammlung einen informellen

Meinungsaustausch führen; erforderlichenfalls werden Maßnahmen ergriffen, um die

Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen, Diskriminierungen zu verhindern und den

Schutz der Rechte von Frauen zu gewährleisten; die Bildungsmöglichkeiten für Mädchen und

Frauen werden als grundlegendes Recht ausgeweitet und verbessert.
77 Dok. EURO-MED 2/05.

Drucksache 16/5603 – 188 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im genannten Zeitraum erfolgte auch die verstärkte Einbindung der Zivilgesellschaft; dabei ging

von dem Euromed-Forum der Zivilgesellschaft, das die nichtstaatliche Europa-Mittelmeer-Platt-

form vom 1. bis 3. April 2005 in Luxemburg veranstaltete, insofern ein wichtiges Signal aus, als die

350 Vertreter der Zivilgesellschaft aus 42 Ländern unterstrichen, dass staatliche Politik die Men-

schenrechte zu achten hat. Auch die Anna-Lindh-Europa-Mittelmeer-Stiftung für den Dialog

zwischen den Kulturen leistet einen wichtigen Beitrag; so hilft sie u.a. bei der Vorbereitung der

ersten Europa-Mittelmeer-Ministerkonferenz über die Stärkung der Rolle der Frau in der Gesell-

schaft (die am 14. und 15. November 2006 in Istanbul stattfinden soll) und fördert Jugendprojekte,

die Mobilität junger Menschen im Rahmen von akademischen Austauschprogrammen sowie ganz

allgemein ein besseres Verständnis für die kulturelle Vielfalt. Ferner hat das 1997 gegründete

Europa-Mittelmeer-Netz für Menschenrechte (EMHRN) seine Arbeit fortgesetzt, die in erster Linie

darauf ausgerichtet ist, die in der Erklärung von Barcelona vom November 1995 und in den bilate-

ralen Assoziationsabkommen und Aktionsplänen zwischen der EU und ihren Partnern im Mittel-

meerraum verankerten Menschenrechtsgrundsätze zu schützen und zu fördern.

Die Umsetzung des regionalen Richtprogramms Europa-Mittelmeerraum für die Jahre 2004-2006

wurde vorangetrieben, wobei insbesondere die Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit,

der verantwortungsvollen Regierungsführung und der Unabhängigkeit der Justiz im Vordergrund

stand.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189 – Drucksache 16/5603

Auch das (auf der Europa-Mittelmeer-Ministerkonferenz vom April 2002 in Valencia verabschie-

dete) regionale Kooperationsprogramm in den Bereichen Justiz, Bekämpfung des Drogenhandels,

organisierte Kriminalität und Terrorismus sowie für Zusammenarbeit bei der Behandlung von

Fragen im Zusammenhang mit der sozialen Eingliederung von Einwanderern, Migration und

Wanderbewegungen78 wurde weiter umgesetzt; so soll mit Hilfe des im Januar 2005 angelaufenen

Europa-Mittelmeer-Projekts Justiz mit einer Laufzeit von 30 Monaten eine berufsübergreifende

Gemeinschaft von Richtern und Staatsanwälten, Rechtsanwälten und Justizbeamten im Rahmen

eines modernen Justizsystems geschaffen und auf diese Weise die Rechtsstaatlichkeit gestärkt und

die wirksame Durchsetzung der Menschenrechte gefördert werden.
78 EURO-MED 2/02.

Drucksache 16/5603 – 190 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auf dem Europa-Mittelmeer-Seminar zum Thema "Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in den

Medien: Wege zu mehr Achtung und Verständnis zwischen den Religionen und Kulturen", das am

22. und 23. Mai 2006 in Wien stattfand, wurde eine Reihe von konstruktiven Vorschlägen vorge-

bracht; insbesondere wurde unterstrichen, dass zwischen den Kulturen und Religionen, aber auch

den Medien, der Zivilgesellschaft, Glaubensgemeinschaften und den politisch Verantwortlichen ein

Dialog geführt werden muss, um dem Rassismus zu begegnen.

6.1.1. EU-Bewerberländer und potenzielle Bewerberländer

Die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft ist für die potenziellen neuen Mitgliedstaaten weiterhin

ein starker Anreiz, politische und wirtschaftliche Reformen einzuleiten. Besonders spektakulär war

diese Wirkung in den Bereichen Demokratie, verantwortungsvolle Regierungsführung und Men-

schenrechte: Die massiven Bemühungen der potenziellen neuen Mitgliedstaaten u.a. um die Ein-

führung demokratischer Systeme, die Wahrung von Minderheitenrechten und den Aufbau freier

Medien zeugen von der großen Anziehungskraft der EU. Die Aussicht auf eine Integration in die

EU spornt derzeit zu Reformen in den Beitrittsländern (Bulgarien und Rumänien) und den Bewer-

berländern, mit denen Verhandlungen über den Beitritt geführt werden (Türkei und Kroatien), im

Westlichen Balkan und in der weiteren europäischen Nachbarschaft an.

Bulgarien hat bei der Förderung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten beträcht-

liche Fortschritte erzielt und verbessert kontinuierlich seine Rechtsvorschriften und Verfahren. Es

ist bereits allen wichtigen Menschenrechtskonventionen beigetreten und hat Gesetze über den

Schutz des Kindes, Diskriminierung, Minderheitenrechte und Menschenhandel verabschiedet.

Obwohl Bulgarien in der Lage sein dürfte, der EU zum Januar 2007 beizutreten, gibt es in einigen

Bereichen nach wie vor Anlass zur Sorge: So müssen die Korruption noch energischer bekämpft

und die Justizreformen stärker vorangetrieben werden. Auch wurde festgestellt, dass mehr für die

soziale Eingliederung der Roma-Gemeinschaft getan und jegliche Form von Intoleranz bekämpft

werden muss.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 191 – Drucksache 16/5603

Zudem dient Bulgarien offensichtlich als Transitland (und im geringeren Ausmaß als Herkunfts-

land) für den Menschenhandel. Die EU beobachtet nach wie vor aufmerksam die Fortschritte bei

den Reformen in diesen und anderen Bereichen der Politik. Sobald der für den Herbst angekündigte

umfassende Monitoring-Bericht der Kommission vorliegt, wird die Union entscheiden, ob

Bulgarien der EU wie geplant am 1. Januar 2007 beitreten kann.

Rumänien hat bei der Förderung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und bei der

Verbesserung seiner Rechtsvorschriften und Verfahren große Fortschritte erzielt. Die Heranführung

an die EU hatte wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung und wird den Wandel auch weiterhin

beschleunigen. Rumänien hat alle wichtigen Menschenrechtskonventionen ratifiziert und Gesetze

über den Schutz des Kindes, Diskriminierung, Minderheitenrechte und Menschenhandel verab-

schiedet. Obwohl Rumänien der EU zum Januar 2007 beizutreten dürfte, gibt es in einigen

Bereichen nach wie vor Anlass zur Sorge: Dies gilt für die Korruptionsbekämpfung sowie die

Behandlung von inhaftierten und in Einrichtungen untergebrachten Personen, von Menschen mit

Behinderung und Minderheiten (vor allem Roma). Überdies bedarf es generell eines energischeren

Vorgehens gegen alle Formen der Intoleranz. Ferner dient Rumänien offensichtlich als Transitland

(und im geringeren Ausmaß als Herkunfts- und Bestimmungsland) für den Menschenhandel. Die

EU verfolgt die Fortschritte im Bereich der Justiz und Strafverfolgung und die anderen politischen

Reformen weiterhin aufmerksam. Sobald der für den Herbst angekündigte umfassende Monitoring-

Bericht der Kommission vorliegt, wird die Union entscheiden, ob Rumänien der EU wie geplant am

1. Januar 2007 beitreten kann.

In der Türkei schreitet der politische Wandel voran, und das Land erfüllt die politischen Kriterien

von Kopenhagen weiterhin in hinreichendem Maße; allerdings hat sich das Reformtempo 2005

verlangsamt, und die Durchführung der Reformen ist nach wie vor uneinheitlich. Nach der Eröff-

nung der Beitrittsverhandlungen am 3. Oktober 2005 bedarf es nun unbedingt weiterer greifbarer

Fortschritte vor Ort, wie dies im Verhandlungsrahmen und in der Beitrittspartnerschaft deutlich

festgelegt ist. Die Türkei sollte ihren Reformkurs energisch und verstärkt vorantreiben und

Drucksache 16/5603 – 192 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gleichzeitig sicherstellen, dass er von allen öffentlichen Stellen im ganzen Land in vollem Umfang,

wirksam und umfassend umgesetzt wird, um seine Unumkehrbarkeit und Nachhaltigkeit zu garan-

tieren. Was die Wahrnehmung der Grundfreiheiten und Menschenrechte betrifft, so wurden zwar

Fortschritte erzielt und eine Reihe von positiven Schritten unternommen, doch sind weitere

Anstrengungen u.a. in folgenden Bereichen notwendig: freie Meinungsäußerung (so gibt es nach

wie vor Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen gewaltfreier Meinungsäußerung), Religions-

freiheit (vor allem nicht-muslimische religiöse Minderheiten sind immer noch mit besonderen

Schwierigkeiten konfrontiert), Minderheitenrechte, kulturelle Rechte und Minderheitenschutz (es

bedarf geeigneter Maßnahmen zur Gewährleistung der kulturellen Vielfalt und zur Förderung des

Minderheitenschutzes im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention), Frauenrechte

(die hohe Anzahl der Fälle häuslicher Gewalt und insbesondere der "Ehrenmorde" gibt weiterhin

Anlass zur Sorge), und die Bekämpfung von Folter und Misshandlungen (mit den beschlossenen

Reformen wurde zwar ein geeigneter gesetzlicher Rahmen geschaffen, doch bedarf es weiterer

Anstrengungen, um sicherzustellen, dass dieser vollständig umgesetzt wird, und um Straflosigkeit

stärker zu bekämpfen). Die EU wird die Fortschritte der Türkei bei den politischen Reformen, die

Bestandteil der Vorbereitung des Landes auf den Beitritt sind, weiterhin aufmerksam verfolgen;

gemäß dem Verhandlungsrahmen für die Türkei und der Beitrittspartnerschaft werden diese

Fortschritte darüber entscheiden, in welchem Tempo die Verhandlungen voranschreiten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 193 – Drucksache 16/5603

Der Rat (Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen) hat auf seiner Tagung vom

3. Oktober 2005 bestätigt, dass Kroatien uneingeschränkt mit dem ICTY zusammenarbeitet und die

Beitrittsverhandlungen somit eröffnet werden können. Kroatien erhielt den Status eines Bewerber-

landes, nimmt jedoch weiterhin am Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess teil. Es gibt nunmehr

eine Beitrittspartnerschaft mit Kroatien79, in der die Achtung der Menschenrechte und der Minder-

heitenschutz als politische Anforderungen verankert sind. Die Verhandlungen werden sich nach den

individuellen Leistungen Kroatiens richten und ihr Tempo wird davon abhängen, wie das Land bei

seinen Beitrittsvorbereitungen vorankommt, und zwar insbesondere bei der Erfüllung seiner

Verpflichtungen aufgrund des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA)80, unter denen

die Achtung der Menschenrechte als wesentlicher Bestandteil aufgeführt ist, und bei der Anwen-

dung der Bestimmungen der Beitrittspartnerschaft.

79 ABl. L 55 vom 25.2.2006, S. 30.

80 ABl. L 26 vom 28.1.2005, S. 3-220 (Art. 2).

Drucksache 16/5603 – 194 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auf der Tagung des Stabilisierungs- und Assoziationsrates EU-Kroatien vom 10. April 2006 sind

die Fortschritte Kroatiens bei der Erfüllung der SAP-Kriterien erörtert worden. Dabei hob die EU

hervor, dass die Strafverfolgung bei Kriegsverbrechen verbessert werden müsse. Kroatien räumte

ein, dass es aufgrund unzureichender Kapazitäten Probleme gebe, die für den Rückstand verant-

wortlich seien.

Die westlichen Balkanländer (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, die ehemalige

jugoslawische Republik Mazedonien, Serbien einschließlich des Kosovo und Montenegro) nehmen

am Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP) teil. Wie schnell sich die einzelnen Länder der

EU annähern werden, wird gemäß der Agenda von Thessaloniki81 davon abhängen, inwieweit es

ihnen gelingt, die Kriterien von Kopenhagen82 und die Bedingungen für den SAP zu erfüllen. Im

Rahmen des SAP erhalten die Länder der Region Gemeinschaftshilfe für Wiederaufbau, Entwick-

lung und Stabilisierung (CARDS)83. Die Wahrung der demokratischen Grundsätze, der

Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte, der Rechte der Minderheiten und der Grundfreiheiten

sowie der Grundsätze des Völkerrechts ist eine Voraussetzung für die Gewährung von Hilfe aus

dem Programm CARDS. Die Einhaltung der SAP-Auflagen wird im Rahmen einer jährlichen

Überprüfung anhand der Kommissionsberichte überwacht, wobei sich die westlichen Balkanstaaten

verpflichtet haben, den Empfehlungen, die dabei ausgesprochen werden, Folge zu leisten. Die

nächste jährliche Überprüfung findet Ende 2006 statt.

81 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (Thessaloniki, 19./20. Juni 2003), Nr. 41 und
Dok. 10446/4/03, Anlage A.

82 Stabile Institutionen, die die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit, die Achtung der Menschen-
rechte, die Wahrung der Rechte von Minderheiten und ihren Schutz gewährleisten, eine
funktionierende Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Kräften
des Marktes im Innern der Union zu begegnen, die aus dem Beitritt erwachsenden
Verpflichtungen zu erfüllen und insbesondere die allgemein-, die wirtschafts- und die
währungspolitischen Ziele der Union zu übernehmen.
83 ABl. L 306 vom 7.12.2000, S. 1.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 195 – Drucksache 16/5603

Die weitestreichenden neuen SAP-Instrumente sind die Europäischen Partnerschaften84, die sich an

den Beitrittspartnerschaften85 orientieren. Im Rahmen dieser Partnerschaften, die mit allen west-

lichen Balkanstaaten geschlossen wurden, werden in regelmäßigen Abständen Prioritäten und

Auflagen festgelegt. Die Finanzhilfen der EU werden gezielt für die Umsetzung der in den Partner-

schaften festgelegten Prioritäten eingesetzt. Die Achtung der Menschenrechte und der Minder-

heitenschutz stellen eine politische Voraussetzung für Partnerschaften dar. Jedes Land entwirft

einen nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der Partnerschaft, mit einem klaren Zeitplan, an

dem die Fortschritte gemessen werden können.

Die uneingeschränkte Einhaltung der Zusagen in Bezug auf den Internationalen Strafgerichtshof

für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) ist eine zentrale Bedingung des SAP; sie dient – neben der

Rückkehr der Vertriebenen und der Strafverfolgung bei Kriegsverbrechen – dazu, vergangene

Menschenrechtsverletzungen aufzuarbeiten.

Mit seinem Beschluss 2006/205/GASP vom 10. März 2006 hat der Rat den Anhang zu seinem

Gemeinsamen Standpunkt 2004/694/GASP mit der Liste der vor dem Internationalen Strafgerichts-

hof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) angeklagten Personen aktualisiert. Der Gemeinsame

Standpunkt diente dazu, die wirksame Ausführung des Mandats des ICTY durch das Einfrieren des

Vermögens flüchtiger Angeklagter zu unterstützen.

Gleichzeitig nahm der Rat den Gemeinsamen Standpunkt 2006/204/GASP an, mit dem der

Gemeinsame Standpunkt 2004/293/GASP mit Maßnahmen zur Unterstützung der wirksamen

Ausführung des Mandats des ICTY bis zum 16. März 2007 verlängert wurde. Dieser Gemeinsame

Standpunkt belegt Personen, die vor dem ICTY angeklagten Personen helfen, sich der Justiz zu

entziehen, mit einem Ein- und Durchreiseverbot.

84 ABl. L 35 vom 7.2.2006 (Albanien, Bosnien und Herzegowina, ehemalige jugoslawische
Republik Mazedonien, Serbien und Montenegro einschließlich des Kosovo).
85 ABl. L 55 vom 25.2.2006, S. 30 (Kroatien).

Drucksache 16/5603 – 196 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Was den Kosovo betrifft, so hat sich die EU aktiv für die Anwendung von Standards, insbesondere

hinsichtlich des Minderheitenschutzes, eingesetzt; auch der Europäische Rat hat im Juni 2006

betont, dass die Anwendung von Standards unbedingt vorangebracht werden muss.

Was den Kosovo betrifft, so hat sich die EU aktiv für die Anwendung von Standards, insbesondere

hinsichtlich des Minderheitenschutzes, eingesetzt; auch der Europäische Rat hat im Juni 2006

betont, dass die Anwendung von Standards unbedingt vorangebracht werden muss.

Am 10. Mai hat die EU die Verhandlungen mit Serbien und Montenegro über das Stabilisierungs-

und Assoziierungsabkommen ausgesetzt, da in Bezug auf die Verpflichtung zur uneingeschränkten

Zusammenarbeit mit dem ICTY keine hinreichenden Fortschritte zu verzeichnen waren. Die

Zusammenarbeit mit dem ICTY ist eine wesentliche Bedingung des SAP.

Am 21. Mai 2006 fand in Montenegro ein Referendum über die Unabhängigkeit des Landes statt.

Dem BDIMR zufolge wurde das Referendum insgesamt im Einklang mit den Verpflichtungen im

Rahmen der OSZE und des Europarats sowie anderen internationalen Standards für demokratische

Wahlen durchgeführt. Am 3. Juni 2006 verabschiedete das montenegrinische Parlament eine

Erklärung über die Unabhängigkeit der Republik Montenegro nach Artikel 60 der Verfassungs-

charta der Staatenunion Serbien und Montenegro. Am 5. Juni 2006 verabschiedete das serbische

Parlament einen Beschluss, mit dem die Republik Serbien zum Nachfolgestaat der Staatenunion

Serbien und Montenegro erklärt wird. Der Hohe Vertreter der Europäischen Union für die Gemein-

same Außen- und Sicherheitspolitik hatte Herrn Botschafter Miroslav Lajþák zu seinem persön-

lichen Vertreter ernannt, um die Verhandlungen zwischen den politischen Kräften in Montenegro

über die Vorkehrungen für das Referendum zu erleichtern.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 197 – Drucksache 16/5603

6.1.2. Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP)

Die fachlichen Konsultationen mit Armenien, Aserbaidschan und Georgien über die ENP-

Aktionspläne sind in den letzten Wochen des Jahres 2005 angelaufen. Die förmliche Annahme der

drei ENP-Aktionspläne soll im Herbst 2006 erfolgen.

Die Aktionspläne für Armenien, Aserbaidschan und Georgien sollen als umfassende Fahrpläne für

die Reformen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung dienen. Bei den fachlichen Konsultationen mit

den drei Staaten des Südkaukasus über die ENP-Aktionspläne hat die EU nachdrücklich darauf

hingewiesen, dass sie Fragen im Zusammenhang mit der Stärkung der Demokratie in diesen

Ländern – unter anderem durch den fairen und transparenten Ablauf von Wahlen entsprechend den

internationalen Anforderungen – und Fragen im Zusammenhang mit einem verstärkten Schutz der

Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit im Einklang mit den von den

drei Ländern eingegangenen internationalen Verpflichtungen (PKA, Europarat, OSZE, VN) große

Bedeutung beimisst.

Der EU-Ministerrat hat am 7. November 2005 sowie am 30. Januar und am 10. April 2006 Schluss-

folgerungen zu Belarus angenommen, in denen er jedes Mal seine Besorgnis über die Lage der

Menschenrechte und der Demokratie in diesem Land zum Ausdruck gebracht hat. Die EU hat sich

in mehreren Erklärungen zur Entwicklung in Belarus geäußert, vor allem zu den Präsidentschafts-

wahlen vom 19. März 2006, die nach ihrer Auffassung mit grundlegenden Mängeln behaftet waren.

Die Ukraine und die Republik Moldau haben sich u.a. der Erklärung vom 22. März angeschlossen,

in der die EU eine Bewertung der Wahlen abgegeben und zugesagt hat, ihre Unterstützung für die

Zivilgesellschaft und für die Demokratisierung in Belarus weiter zu verstärken. Auch der Hohe

Vertreter Solana hat mehrere Erklärungen zur Entwicklung in Belarus abgegeben, in denen er

insbesondere sein Bedauern über den Verlauf der Präsidentschaftswahlen und seine Hochachtung

vor der demokratischen Opposition und der Zivilgesellschaft (Erklärung vom 20. März) zum

Ausdruck gebracht hat.

Drucksache 16/5603 – 198 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Am 23./24. März 2006 hat der Europäische Rat restriktive Maßnahmen gegen diejenigen ange-

kündigt, die für die Verletzungen internationaler Wahlstandards verantwortlich sind, auch gegen

Präsident Lukaschenko. Mit seinen Gemeinsamen Standpunkten (2006/276/GASP bzw.

2006/362/GASP) vom 10. April und 18. Mai 2006 beschloss der Rat restriktive Maßnahmen gegen

einzelne belarussische Amtsträger, die für die Wahlfälschungen und das harte Vorgehen gegen die

demokratische Opposition und die Zivilgesellschaft im Zusammenhang mit den Präsidentschafts-

wahlen verantwortlich sind. Im Jahre 2004 hatte er bereits restriktive Maßnahmen gegen diejenigen

angenommen, die im Pourgourides-Bericht als Hauptverantwortliche für das Verschwinden von

vier bekannten Persönlichkeiten in Belarus in den Jahren 1999/2000 und die anschließende Behin-

derung der Justiz genannt werden, sowie gegen die belarussischen Amtsträger, die für die

Fälschungen bei den Wahlen und beim Referendum vom 17. Oktober 2004 in Belarus und für die

schweren Menschenrechtsverletzungen beim Vorgehen gegen friedliche Demonstranten im

Anschluss an die Wahlen verantwortlich sind.

Die EU-Politik gegenüber Belarus wurde zuletzt auf der Tagung des Rates (Allgemeine Angelegen-

heiten und Außenbeziehungen) im November 2005 einer Überprüfung unterzogen. Dabei hat der

Rat versucht, in seinen Schlussfolgerungen Härte und Nachgiebigkeit gezielt zu kombinieren, um

auf diese Weise mehr direkten Druck auf Präsident Lukaschenko und seine unmittelbare Umgebung

auszuüben – sich aber gleichzeitig einige Kommunikationswege für den Krisenfall offen zu halten –

und die Kontakte mit weiteren Kreisen der belarussischen Bevölkerung einschließlich Beamten der

mittleren Ebene auszubauen.

Was die Palästinensische Behörde betrifft, so richtete sich das Augenmerk in den übrigen

Monaten des Jahres 2005 vor allem auf den israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen und Teilen

des nördlichen Westjordanlandes, der im September 2005 erfolgreich abgeschlossen wurde. Von

Beginn an hatte die EU betont, dass die soziale und wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Gaza-

streifens nach dem Truppenabzug sichergestellt werden und dass der Gazastreifen insbesondere

einen Zugang nach Außen erhalten müsse. Um dies zu bewerkstelligen und insbesondere um die

von der internationalen Gemeinschaft ergriffenen Maßnahmen zur Unterstützung der Rückzugs-

initiative zu steuern, zu überwachen und zu koordinieren, hat das Nahost-Quartett

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 199 – Drucksache 16/5603

Herrn James Wolfensohn nach Ablauf seiner Amtszeit als Präsident der Weltbank zu seinem

Sonderbeauftragten für den Rückzug aus dem Gazastreifen ernannt. Die EU begrüßte das

Abkommen über die Bewegungsfreiheit und den Zugang, das Israel und die Palästinensische

Behörde am 15. November 2005 geschlossen haben. Auf der Grundlage dieses Abkommens wurde

am 25. November 2005 in Rafah ein internationaler Grenzübergang zwischen Ägypten und dem

Gaza-Streifen eingerichtet, wobei die EU – im Rahmen einer ESVP-Mission – wie im Abkommen

vorgesehen die Rolle der dritten Partei übernommen hat. Das Koordinierungsbüro der Europäischen

Union für die Unterstützung der palästinensischen Polizei (EU COPPS) leistete im Berichtszeitraum

einen wichtigen Beitrag zur Reform und Stärkung der palästinensischen Sicherheits- und

Polizeistrukturen sowie zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit insgesamt. Am 7. November 2005

beschloss der Rat, Anfang 2006 für die Dauer von drei Jahren eine ESVP-Polizeimission in die

palästinensischen Gebiete zu entsenden, die auf der Arbeit des EU COPPS aufbauen soll.

Die Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat (PLC) im Januar 2006, die nach Einschätzung der

EU und der anderen internationalen Beobachter unter sicheren Bedingungen sowie frei und fair

verlaufen sind, haben zu einem überwältigenden Wahlsieg der Hamas geführt. Nach der

anschließenden Bildung einer Hamas-geführten Regierung kam es zum Abbruch der Beziehungen

(auch der finanziellen Beziehungen) seitens der gesamten internationalen Gemeinschaft, da diese

Regierung nicht bereit war, die drei Kriterien – Gewaltlosigkeit, Anerkennung des Existenzrechts

Israels und Zustimmung zu den vorangegangenen Vereinbarungen einschließlich des Nahost-

Fahrplans – zu erfüllen. Allerdings bestehen nach wie vor Kontakte zu Präsident Abbas, der sich für

eine Friedensplattform einsetzt. Gemeinsam mit anderen internationalen Akteuren wie der

Weltbank hat die EU einen vorläufigen internationalen Mechanismus eingerichtet, der Direkthilfen

der internationalen Geber für die palästinensische Bevölkerung ermöglichen und die Überwachung

dieser Hilfe sicherstellen soll. Das Berichtsjahr war gekennzeichnet durch innerpalästinensische

Auseinandersetzungen, denen viele Menschen zum Opfer fielen, sowie durch das Unvermögen der

Palästinensischen Behörde, die Rechtsstaatlichkeit in den Palästinensergebieten wiederherzustellen.

Drucksache 16/5603 – 200 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU hat mit Israel weiter Gespräche über schwerwiegende Menschenrechtsfragen geführt.

Dabei ging es insbesondere um die Lage der Palästinenser in den besetzten Gebieten, die Blockaden

und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, den Bau und die Ausdehnung von Siedlungen, die

Trennmauer auf palästinensischem Grund und Boden und die Zerstörung palästinensischer Häuser –

ein Vorgehen, das jegliche auf der Koexistenz zweier Staaten basierende Lösung physisch unmög-

lich zu machen droht. Die EU äußerte zudem ihre Besorgnis über die Lage in und um Jerusalem und

im Jordantal sowie über die israelischen Militäroperationen, bei denen Zivilopfer zu beklagen sind.

Diese Fragen hat die EU immer wieder thematisiert und gegenüber der israelischen Seite während

des politischen Dialogs zur Sprache gebracht, der bei allen bilateralen Treffen im Rahmen des

Assoziationsabkommens EU-Israel geführt wurde, insbesondere auf der Tagung des Assoziations-

rates EU-Israel vom 13. Juni 2006, der Tagung des Assoziationsausschusses vom 17. Mai 2006 und

in der Sitzung des Unterausschusses für politischen Dialog und Zusammenarbeit vom

21. November 2005.

Im Rahmen des ENP-Aktionsplans EU-Israel, der nun umgesetzt wird, haben beide Seiten eine

engere politische Zusammenarbeit und einen engeren Dialog auf Grundlage ihrer gemeinsamen

Werte – Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Demokratie, verantwortungsvolle

Regierungsführung und humanitäres Völkerrecht – vereinbart. Der Aktionsplan enthält einen

eigenen Abschnitt über die Menschenrechte und Grundfreiheiten, der konkrete Maßnahmen

vorsieht. Die EU erwartet, dass diese Fragen weiter verfolgt werden. Die europäisch-israelische

Arbeitsgruppe für Menschenrechte, die in der Sitzung des Unterausschusses für politischen Dialog

und Zusammenarbeit vom 21. November 2005 eingerichtet wurde, soll sich zu einem Forum

entwickeln, in dessen Rahmen diese Fragen eingehender erörtert und geprüft werden können. Ihre

erste Sitzung hat am 7. Juni 2006 stattgefunden. Bei dieser Gelegenheit konnten einige der

vordringlichsten Menschenrechtsfragen angesprochen und konnte damit der Grundstein für einen

engeren Dialog mit Israel über diese Themen gelegt werden. Zu den Punkten, die erörtert wurden,

zählten die Lage der Minderheiten und Fragen des humanitären Völkerrechts. Die EU warf

spezifische Fragen auf, die ihr Sorge bereiten, insbesondere die Auswirkungen der Trennmauer und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201 – Drucksache 16/5603

der Einschränkung der Bewegungsfreiheit in den palästinensischen Gebieten auf das Leben und die

Lebensgrundlagen der Palästinenser, der Zugang insbesondere für humanitäre NRO zu den

besetzten palästinensischen Gebieten, zivile Opfer, die bei außergerichtlichen Tötungen zu beklagen

waren, und die Praxis der Verwaltungshaft. Was die Lage der Minderheiten anbelangt, so erkun-

digte sich die EU nach der Umsetzung der Empfehlungen der Or-Kommission und des Lapid-Aus-

schusses und warf die Frage des israelischen Nationalitäts- und Einwanderungsgesetzes auf, das im

Falle bestimmter israelischer und palästinensischer Ehegatten und Kinder die Familienzusammen-

führung verhindert. Zum Abschluss der Sitzung stellten beide Seiten einvernehmlich fest, dass der

Dialog fortgeführt werden sollte.

Die EU hat ihren regelmäßigen Menschenrechtsdialog mit Jordanien im Rahmen der mit dem

Assoziationsabkommen EU-Jordanien geschaffenen institutionellen Struktur und im Einklang mit

den im ENP-Aktionsplan EU-Jordanien festgelegten vorrangigen Handlungsbereichen fortgeführt.

Die Gespräche fanden vor allem auf der Tagung des Assoziationsrates vom 21. November 2005 und

auf der Tagung des Assoziationsausschusses vom 28. Juni 2006 statt. Jordanien berichtete über

seine Fortschritte bei der Umsetzung seines politischen Reformprogramms. Die nationale Agenda,

ein ehrgeiziges Reformprogramm von mehr als 3000 Seiten, wurde im November 2005 endgültig

verabschiedet. Die jordanische Regierung arbeitet derzeit an Programmen, die den Rahmen für die

Umsetzung der geplanten Reformen bilden sollen. Zu den vorrangigen Handlungsbereichen zählen

das Parteienrecht, das Kommunalrecht, das Gesetz zur Einsetzung eines Bürgerbeauftragten, das

Korruptionsbekämpfungs- und das Anti-Geldwäschegesetz sowie – nach den Terroranschlägen vom

9. November 2005 in Amman – das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung. Die EU hat Jordanien

darin bestärkt, diesen Kurs weiter zu verfolgen und dabei dem Grundsatz der Achtung der

Menschenrechte und der Grundfreiheiten Rechnung zu tragen. Sie hat ferner angeboten, Jordanien

dabei zu unterstützen.

Drucksache 16/5603 – 202 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU hat die Menschenrechtslage in Ägypten weiter beobachtet. Der Nationale Rat für

Menschenrechte (NCHR) hat mit seinem Engagement für den Schutz der Menschenrechte und die

Sensibilisierung für Menschenrechtsstandards in Ägypten sowie mit seinem zweiten Jahresbericht

unter Beweis gestellt, dass er entschlossen ist, sich mit einer Reihe von Fragen konstruktiv und

offen zu befassen. Die EU sieht dem nationalen Plan für den Schutz der Menschenrechte, den der

NCHR zurzeit ausarbeitet, erwartungsvoll entgegen. Ägypten hat erhebliche Anstrengungen zur

Verbesserung der Stellung von Frauen und Kindern unternommen. Zudem hat es in Bezug auf die

Inhaftierung von Verdächtigen und die Milderung von Schwerststrafen einige positive Maßnahmen

ergriffen. Allerdings bieten einige Punkte nach wie vor Anlass zur Sorge. Hierzu zählen das unver-

hältnismäßig harte Vorgehen gegen die Opposition, die Behandlung von Minderheiten, Hinweise

auf die Anwendung von Folter, die Verhängung von Todesstrafen gegen Personen, die für strafbare

Handlungen verurteilt wurden, sowie die Fortdauer des Notstands, der seit 1981 in Kraft ist.

Die EU hat Ägypten nachdrücklich aufgefordert, weitere Schritte zu unternehmen, um die

Entwicklung einer Zivilgesellschaft zu fördern und die Vereinigungsfreiheit und Freiheit der

Meinungsäußerung zu gewährleisten. Die Verhandlungen über den ENP-Aktionsplan wurden fort-

gesetzt. Der geplante Unterausschuss für politische Fragen wie Menschrechte und Demokratie

sowie internationale und regionale Fragen soll als Hauptgremium für einen verstärkten Dialog über

konkrete Menschenrechtsfragen dienen. Die EU hofft, dass so bald wie möglich eine Vereinbarung

darüber erreicht werden kann, wie in dem Unterausschuss mit konkreten Fällen von Menschen-

rechtsverletzungen verfahren werden soll. Sie ist bereit, in Zusammenarbeit mit den ägyptischen

Behörden Bereiche zu ermitteln, in denen sie Ägypten bei seinen nationalen Reformmaßnahmen im

Bereich der Menschenrechte praktische Unterstützung leisten kann.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203 – Drucksache 16/5603

Libyen hat zwar weitere Fortschritte bei seiner Wiedereingliederung in die internationale Gemein-

schaft erzielt, doch bestehen nach wie vor ernste Bedenken hinsichtlich der Menschenrechtslage,

vor allem was die bürgerlichen Freiheiten, die politischen Rechte und das Recht auf freie

Meinungsäußerung betrifft. Die EU hat Ende 2005 eine Demarche gegenüber der libyschen

Regierung wegen der Verhängung der Todesstrafe unternommen. Anlass zu besonderer Sorge bietet

weiterhin der Fall der inhaftierten bulgarischen und palästinensischen Mediziner, gegen die derzeit

neu verhandelt wird, nachdem der libysche Oberste Gerichtshof die Todesstrafen, die im Mai 2004

verhängt wurden, im Dezember 2005 aufgehoben hat. Die EU hat die Widerrufung der Urteile

begrüßt. Sie vertraut weiter auf die Unparteilichkeit der libyschen Justiz und erwartet, dass die

positive Entwicklung im Verlauf des neuen Prozesses bestätigt und ein Urteil gesprochen wird, dass

der Gerechtigkeit dient. Im Wege von Initiativen zur Linderung der menschlichen Tragödie in

Benghazi bemüht sich die EU aktiv um eine faire Beilegung der Angelegenheit.

Marokko hat seine Bemühungen um die Durchführung politischer Reformen und die Einführung

größerer Freiheiten fortgesetzt und im Bereich der Menschenrechte gute Fortschritte erzielt. Hierbei

wurde es von der Union im Rahmen des ENP-Aktionsplans EU-Marokko unterstützt, der einen

ausführlichen Abschnitt über die vorrangigen Maßnahmen in den Bereichen Menschenrechte,

Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung enthält. Die Kommission für Gerechtigkeit und Versöh-

nung (Instance Equité et reconciliation/IER), die zur Untersuchung der Menschenrechts-

verletzungen in den Jahren 1956 bis 1999 eingesetzt worden war, hat im November 2005 ihren

Abschlussbericht vorgelegt. Die Arbeit dieses Gremiums wurde im In- und Ausland sehr positiv

bewertet. Die Kommission hat eine Reihe von Empfehlungen abgegeben; so hat sie insbesondere

vorgeschlagen, die Verfassung zu ändern und stärkere Menschenrechtsgarantien darin zu verankern.

Das Programm zur Modernisierung der Justiz, mit dem die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit

der Gerichte gestärkt und die Korruption bekämpft werden sollen, wurde weiter umgesetzt. Die

marokkanische Zivilgesellschaft ist aktiver geworden und hat an Einfluss gewonnen, und es gab

Verbesserungen bei der Pressefreiheit. Die EU ist aber nach wie vor besorgt wegen einiger Rechts-

vorschriften, die das Recht auf freie Meinungsäußerung beschränken, und hat die marokkanische

Regierung aufgefordert, insbesondere die Vorschriften zu überprüfen, auf deren Grundlage

Journalisten zu hohen Geldbußen oder Freiheitsstrafen verurteilt werden können.

Drucksache 16/5603 – 204 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU war zwar im Großen und Ganzen zufrieden mit den Entwicklungen in Marokko, Grund zur

Sorge boten ihr jedoch nach wie vor Berichte über die Behandlung von sahrauischen Menschen-

rechtsverteidigern nach den Vorfällen in der Westsahara im Mai 2005. Zu den ihr gemeldeten

Menschenrechtsverletzungen zählen Beschränkungen der Versammlungsfreiheit und des Rechts auf

freie Meinungsäußerung sowie übertriebene Gewaltanwendung seitens der Polizei, willkürliche

Festnahmen und angebliche Folterungen; außerdem bestehen Zweifel am fairen Verlauf von

Gerichtsverhandlungen und an der Rechtmäßigkeit der dabei verhängten Gefängnisstrafen. Die EU

hat diese Punkte wiederholt gegenüber der marokkanischen Regierung zur Sprache gebracht. Die

EU hat in Bezug auf Menschenrechtsfragen in den Flüchtlingslagern in der Sahara Demarchen

unternommen.

Fragen im Zusammenhang mit den Menschenrechten und der Demokratisierung sind auf Ebene der

regelmäßigen Strukturen, die mit dem Assoziationsabkommen EU-Marokko geschaffen wurden,

systematisch erörtert worden, insbesondere bei einem Treffen im Rahmen des verstärkten

politischen Dialogs am 9. November 2005 sowie auf der Tagung des Assoziationsrates EU-

Marokko vom 22. November 2005. Die EU hat die Bereitschaft Marokkos, in einen intensiveren

Dialog über alle diese Fragen einzutreten, begrüßt. Schon 2003 hatte Marokko grundsätzlich darin

eingewilligt, dass zur weiteren Behandlung dieser Fragen ein besonderes Gremium – der Unteraus-

schuss für Menschenrechte, Demokratisierung und Staatsführung – eingerichtet wird. Dieses

Gremium hat inzwischen seine Arbeit aufgenommen; seine erste Sitzung soll im Oktober-

November 2006 stattfinden.

Nach Erkenntnissen der EU hat sich die Menschenrechtslage in Syrien weiter verschlechtert. Die

Behandlung von Angehörigen der politischen Opposition, Menschenrechtsverteidigern und

Menschen, die sich in der Zivilgesellschaft engagieren, bot Anlass zu ernster Besorgnis. Besonders

besorgniserregend waren dabei die Praxis der willkürlichen Verhaftung und Isolationshaft sowie die

weit verbreitete Anwendung der Folter. Menschenrechtsverteidiger sind Einschüchterungen ausge-

setzt, und ihnen droht ständig die willkürliche Verhaftung und ein politischer Prozess, u.a. vor den

Staatssicherheitsgerichten. Im Berichtszeitraum hat die EU wiederholt ihre Sorge über die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205 – Drucksache 16/5603

Verhaftungen von Menschenrechtsverteidigern und über die gegen sie laufenden Prozesse zum

Ausdruck gebracht. Neben den ordentlichen Gerichten gibt es Militärgerichte sowie das Staats-

sicherheitsgericht, das mit dem seit 1963 geltenden Notstandsgesetz eingerichtet wurde. Die

Verfahren vor diesen Gerichten erfüllen nicht die internationalen Standards, und es bestehen grund-

sätzlich Bedenken in Bezug auf die Unabhängigkeit der Richter. Die EU hat versucht, bei den

Verhandlungen dieser Gerichte präsent zu sein; dies wurde von der Regierung weitgehend toleriert,

was als positive Entwicklung zu vermerken ist.

Im Januar 2006 wurden fünf Vertreter der politischen Opposition, die dem "Frühling von

Damaskus" von 2001 angehört hatten, darunter die Parlamentsmitglieder Riad Seif und Mamoun

Homsi, für deren Freilassung sich das Europäische Parlament eingesetzt hatte, aus der Haft

entlassen. Der EU-Vorsitz hat dies begrüßt und gleichzeitig die Hoffnung zum Ausdruck gebracht,

dass demnächst alle politischen Gefangenen freigelassen werden. Nach ihrer Freilassung waren die

Betroffenen allerdings wiederholten Einschüchterungen, Verhören und vorübergehenden Fest-

nahmen ausgesetzt. Seither wurde das Vorgehen gegen Menschenrechtsaktivisten weiter verschärft.

Im Februar 2006 wurde das von der EIDHR unterstützte EU-Zentrum zum Aufbau der Zivilgesell-

schaft zwei Tage nach seiner Eröffnung von der syrischen Regierung wegen angeblicher

Verfahrensverstöße wieder geschlossen. Im Mai 2006 wurden die prominentesten der über hundert

syrischen Unterzeichner einer gemeinsamen syrisch-libanesischen Erklärung, in der zur Normalisie-

rung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufgerufen wurde, verhaftet, darunter auch der

designierte Direktor des EU-Zentrums zum Aufbau der Zivilgesellschaft, ein bekannter Menschen-

rechtsanwalt. Die EU hat diese Fälle gegenüber der syrischen Regierung zur Sprache gebracht und

am 19. Mai 2006 eine Erklärung abgegeben.

Die EU hat die Lage der kurdischen Minderheit und insbesondere die Diskriminierung, der die

200.000 bis 300.000 staatenlosen Kurden ausgesetzt sind, weiter aufmerksam beobachtet und

gegenüber der syrischen Regierung wiederholt zur Sprache gebracht. Zwar hatte die Regierung im

Anschluss an die kurdischen Unruhen im März 2004 zugesagt, einige seit langem bestehende

Missstände zu beseitigen, und angeblich haben die internen Beratungen über entsprechende

konkrete Maßnahmen bereits begonnen, doch haben sie bislang zu keinen Ergebnissen geführt.

Drucksache 16/5603 – 206 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Seit 2004 hat zudem die Anzahl der Verhaftungen und Strafverfahren wegen angeblicher Mitglied-

schaft in der – in Syrien verbotenen – syrischen Muslimbruderschaft zugenommen. Anklagen

wegen Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft werden vor den Staatssicherheitsgerichten

verhandelt. Mitgliedschaft in der syrischen Muslimbruderschaft kann mit der Todesstrafe geahndet

werden, auch wenn diese Strafe in der Praxis meist in eine lange Haftstrafe umgewandelt wird.

Die syrische Regierung hat große Vorbehalte, mit Gesprächspartnern aus dem Ausland

Menschenrechtsfragen zu erörtern, da sie diese als innere Angelegenheit betrachtet. Die EU sieht

der Einrichtung eines nationalen Menschenrechtsrates, für den angeblich bereits interne Vorberei-

tungen eingeleitet wurden, erwartungsvoll entgegen. Da das Assoziationsabkommen noch nicht

unterzeichnet ist und somit kein strukturierterer institutioneller Rahmen zur Verfügung steht,

bestand das Hauptinstrumentarium der EU aus regelmäßigen Demarchen der Troika, Erklärungen

des EU-Vorsitzes und Prozessbeobachtung. Die engen Kontakte zu Organisationen der Zivilgesell-

schaft wurden weiter gepflegt. Die Missionen der EU in Damaskus haben die Entwicklung der

Menschenrechtslage sehr aufmerksam verfolgt und regelmäßige Konsultationen geführt.

Der Aktionsplan EU-Ukraine umfasst einen Abschnitt über die Menschenrechte und Grund-

freiheiten. In dieser politischen Vereinbarung wurde festgelegt, dass das Eintreten der Ukraine für

die gemeinsamen Werte wie Achtung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu

einer raschen Intensivierung der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine führen und

ausschlaggebend für die Weiterentwicklung aller Bereiche der Zusammenarbeit zwischen der EU

und der Ukraine sein wird. Gemäß den Schlussfolgerungen des Rates (Allgemeine Angelegenheiten

und Außenbeziehungen) vom 21. Februar 2005 hat die EU inzwischen mit ihren internen

Beratungen über mögliche Bestandteile des geplanten Abkommens EU-Ukraine begonnen. Die

Achtung der Menschrechte und der Rechtsstaatlichkeit zählen zu den gemeinsamen Werten, die

auch in dem neuen verstärkten Abkommen als vorrangige Bereiche genannt werden sollen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 207 – Drucksache 16/5603

Die Umsetzung des Aktionsplans EU-Ukraine ist im Gange; auf der Tagung des Kooperationsrates

EU-Ukraine im zweiten Halbjahr 2006 wird eine Halbzeitbewertung vorgenommen werden. Doch

lässt sich bereits jetzt feststellen, dass sich die Menschrechtslage in der Ukraine seit der sog.

"orangenen Revolution" Ende 2004 erheblich verbessert hat, vor allem in den Bereichen Medien-

freiheit, Korruptionsbekämpfung und Justizreform. Vieles bleibt noch zu tun, und die EU arbeitet

eng mit der ukrainischen Regierung zusammen und unterstützt diese bei der Durchführung der

demokratischen Reformen. Die EU hat wegen der Mitte Februar erfolgten Abschiebung von zehn

usbekischen Flüchtlingen durch die ukrainischen Behörden eine Demarche in Kiew unternommen.

Auch hat sie den Vorfall bei mehreren Treffen im Rahmen des politischen Dialogs mit der Ukraine

scharf kritisiert und die ukrainischen Behörden zur uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte

und der Grundfreiheiten ermahnt.

Seit dem 13. Mai 2005 ist die Ukraine eingeladen, sich den Erklärungen und den gemeinsamen

Standpunkten der EU zu Fragen der Außenpolitik anzuschließen. Sie hat dies bei nahezu allen

Erklärungen zur Menschenrechtslage in Drittstaaten getan.

Der Dreijahresaktionsplan EU-Republik Moldau, der seit Februar 2005 umgesetzt wird, enthält

einen Abschnitt über Menschenrechte und Grundfreiheiten. In dieser politischen Vereinbarung

wurde festgelegt, dass das Eintreten der Republik Moldau für die gemeinsamen Werte wie Achtung

der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Grundlage ihrer Beziehungen zur EU

darstellt. Die EU hat die Durchführung des von der moldauischen Regierung 2003 verabschiedeten

nationalen Aktionsplans für die Menschenrechte, der im TACIS-Richtprogramm für die Republik

Moldau für den Zeitraum 2005-2006 als vorrangiger Bereich aufgeführt ist, 2006 weiter unterstützt.

Drucksache 16/5603 – 208 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Am 14. Februar 2006 hat der Rat den Beschluss 2006/96/GASP angenommen; dieser regelt die

weitere Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/179/GASP vom 23. Februar 2004, mit

dem restriktive Maßnahmen gegen mehrere hochrangige transnistrische Führungspersönlichkeiten,

die für die gewaltsame Schließung moldauischer Schulen verantwortlich sind, ergriffen wurden. Im

Verlauf dieses Jahres hat sich die EU insbesondere mit dem Fall von Herrn Pasat, der aus unklaren

Gründen am 11. November 2005 verhaftet worden war, befasst. Die Missionsleiter konnten

Herrn Pasat inzwischen besuchen und einen Eindruck von den Haftbedingungen gewinnen.

Die EU hat die Entscheidung des moldauischen Parlaments vom 29. Juni 2006 zur Abschaffung der

Todesstrafe begrüßt. Bis dahin konnte nach Artikel 24 der moldauischen Verfassung die Todes-

strafe für im Krieg oder bei Kriegsgefahr begangene Straftaten verhängt werden.

6.1.3. Russland und Mittelasien

Die EU hat weiterhin Bedenken wegen der Menschenrechte in Russland, insbesondere was die

Menschenrechtslage in Tschetschenien, die Lage der NRO, die Rechtsstaatlichkeit und die Medien-

freiheit betrifft.

Nachdem auf dem Gipfeltreffen EU-Russland im November 2004 in Den Haag ein regelmäßiger

Menschenrechtsdialog vereinbart worden war, finden inzwischen zweimal im Jahr Konsultationen

zwischen der EU und Russland über Menschenrechte statt. So gab es Konsultationen am

8. September 2005 in Brüssel und am 3. März 2006 in Wien (Näheres siehe Kapitel 3.4.3).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 209 – Drucksache 16/5603

Die EU erkennt zwar die speziellen Sicherheitsprobleme Russlands an, ist aber dennoch über die

ernste Menschenrechtslage in Tschetschenien nach wie vor äußerst besorgt und bringt diese Sorge

ständig gegenüber den russischen Gesprächspartnern auf allen Ebenen zur Sprache. Noch immer

erreichen sie regelmäßig Berichte über das Verschwinden von Personen, über Folter und über

moskaufreundliche bewaffnete Gruppen, die in völliger Straffreiheit operieren. Im Februar 2006

reiste die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte Louise Arbor in den

Nordkaukasus. Im Anschluss an diesen Besuch äußerte sie Bedenken in Bezug auf die Integrität

bestimmter Institutionen, insbesondere im Bereich der Strafverfolgung. Das Strafverfolgungssystem

der Republik weise schwerwiegende Mängel auf, so dass in Tschetschenien ein Klima der Angst

herrsche.

Die EU hat die Tschetschenienfrage bei allen Menschenrechtskonsultationen mit Russland ein-

gehend erörtert; dabei hat sie Russland aufgefordert, seine Zusammenarbeit mit den internationalen

Menschenrechtsmechanismen zu verstärken. Auch hat sie sich bemüht, Garantien für den Schutz

von Menschenrechtsverteidigern zu erhalten. In Zusammenarbeit mit den russischen Behörden

arbeitet die EU derzeit ein Programm zur sozialen und wirtschaftlichen Unterstützung der Nord-

kaukasusregion aus, das schon bald umgesetzt werden kann.

Am 28. November 2005 fanden erstmals nach acht Jahren wieder Parlamentswahlen in

Tschetschenien statt. Bedauerlicherweise konnten die EU und die OSZE diese Wahlen aus Sicher-

heitsgründen nicht beobachten. Die EU hat jedoch die Schulung von einheimischen Wahl-

beobachtern unterstützt. Unmittelbar nach der Wahl hat der EU-Vorsitz eine Erklärung abgegeben,

in der er feststellte, dass der Verlauf dieser Wahlen nicht als einwandfrei angesehen werden kann

und einige Beobachter Bedenken geäußert haben. Er hat die russischen Behörden dringend aufge-

fordert, den berichteten Unregelmäßigkeiten und Einschüchterungsaktionen nachzugehen. Die

Erklärung schließt mit dem Hinweis, dass eine weitere Stärkung der demokratischen Institutionen

als Teil eines alle Seiten einbeziehenden politischen Prozesses für eine auf lange Sicht nachhaltige

und friedliche Entwicklung Tschetscheniens sowie für Frieden und Stabilität im Nordkaukasus

insgesamt von entscheidender Bedeutung ist.

Drucksache 16/5603 – 210 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Berichten zufolge stoßen Nichtregierungsorganisationen für Menschenrechte bei ihrer Arbeit in

Russland zunehmend auf Schwierigkeiten. Die EU hat wiederholt ihre Bedenken gegen das NRO-

Gesetz geäußert, das von der Duma und vom Föderationsrat Ende Dezember 2005 verabschiedet

und von Präsident Putin am 10. Januar 2006 unterzeichnet worden ist. So hat sie am 19. Januar

2006 eine Erklärung veröffentlicht, in der sie erneut ihre Sorge zum Ausdruck brachte, dass das

Gesetz in seiner nunmehr verabschiedeten Fassung schwerwiegende Auswirkungen auf die legitime

Arbeit der Organisationen der Bürgergesellschaft in Russland haben könnte. In der Erklärung heißt

es weiter, dass die EU die Durchführung des Gesetzes nach seinem Inkrafttreten genau verfolgen

wird und erwartet, dass es im Einklang mit den im Rahmen des Europarats und der OSZE über-

nommenen Standards und Verpflichtungen angewendet wird. Ende 2005/Anfang 2006 wiederholte

der Föderale Sicherheitsdienst (FSB) seine Behauptung, einige nichtstaatliche Organisationen

arbeiteten für ausländische Interessen und gegen Russland.

Auch wird berichtet, dass Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus

sowie Einschränkungen der Religionsfreiheit in Russland zunehmend zum Problem werden. Arti-

kel 14 der russischen Verfassung besagt zwar, dass in Russland Staat und Kirche getrennt sind, aber

im russischen Recht ist die orthodoxe Kirche als die vorherrschende Religion des Landes verankert

und wird lediglich dem Buddhismus, dem Islam und dem Judentum Achtung zugesichert. Anderen

Gruppen erlegt die russische Rechtsordnung Beschränkungen auf. Wiederholt wurden die Position

und die Möglichkeit zur Ausübung des katholischen Glaubens sowie kleinerer Minderheiten-

religionen – wie Zeugen Jehovas – eingeschränkt. Letztere wurden in Moskau verboten und waren

infolgedessen auch in anderen Landesteilen Schwierigkeiten ausgesetzt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211 – Drucksache 16/5603

Ethnische Minderheiten, insbesondere Menschen aus Mittelasien und dem Kaukasus, werden häufig

Opfer ethnischer Diskriminierung und manchmal von Gewalt. Dieser Trend kam erst kürzlich in

mehreren rassistisch motivierten Taten zum Ausdruck, die großen Widerhall in den Medien fanden;

zu den Taten gehörten gewalttätige Übergriffe und Tötungen wie die Ermordung eines peruanischen

Studenten in Woronez sowie von Studenten aus Mali und Kamerun in St. Petersburg. Nach Anga-

ben von NRO hat sich die Zahl der rassistisch motivierten Übergriffe zwischen 2004 und 2005 von

119 auf 179 erhöht. Sova, eine angesehene russische NRO, meldet für das Jahr 2005 366 rassistisch

motivierte Übergriffe, bei denen 28 Menschen getötet wurden. NRO-Berichten zufolge gibt es in

Russland etwa 50.000 Mitglieder von Skinhead-Gruppen, die sich vor allem auf St. Petersburg kon-

zentrieren, und diese Zahl steigt offenbar noch an. Der russische Ombudsmann für Menschenrechte,

Wladimir Lukin, hat die Strafverfolgungsbehörden bezichtigt, nicht genug zu unternehmen, um

extremistisch bedingte Straftaten aufzuklären und zu verhüten. Mehrere politische Parteien haben

im Wahlkampf vor den regionalen Parlamentswahlen fremdenfeindliche Propaganda verbreitet.

Der Fall des 19jährigen Wehrpflichtigen Andrej Sychew, dem wegen Gangräne beide Beine und die

Genitalien amputiert werden mussten, nachdem er von betrunkenen Offizieren heftig verprügelt und

tagelang ohne medizinische Versorgung gelassen worden war, hat große Aufmerksamkeit in den

Medien gefunden. Der Fall entwickelte sich zu einem öffentlichen Skandal, nicht nur wegen der

extremen Brutalität, sondern auch, weil das Verteidigungsministerium zunächst versucht hatte, den

wahren Grund für Sychews Zustand zu verheimlichen. In der Folge kam es noch zu einem ähn-

lichen tragischen Vorfall, wodurch das seit langem bestehende Problem des Schikanierens (russisch

"Dedowschina", bei der Rekruten Gewalt und Demütigungen angetan wird), das anerkanntermaßen

weit verbreitet ist, ins Blickfeld geriet. Auf das Problem der Misshandlungen im Militär hat nicht

nur der russische Ombudsmann Lukin in seinen Menschenrechtsberichten, sondern auch der

Menschenrechtskommissar des Europarats Gil Robles hingewiesen. Nach den Statistiken des

Verteidigungsministeriums starben 2005 sechzehn Soldaten an den unmittelbaren Folgen von

Misshandlungen, 276 begingen Selbstmord und weitere 1.064 kamen außerhalb von Kampf-

handlungen aus unterschiedlichen Gründen ums Leben. Nach Einschätzung von Sachverständigen

sind allerdings Schikanen die Hauptursache der Selbstmorde in der Armee; viele Todesfälle, die als

"Selbstmord" oder "Unfall" deklariert werden, seien zudem in Wirklichkeit möglicherweise die

Folge von Schikanen.

Drucksache 16/5603 – 212 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Russland hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte bei der demokratischen Entwicklung

erzielt, aber die EU hat Bedenken bezüglich der jüngsten Änderungen am Wahlsystem. Die Direkt-

wahl der Regionalgouverneure wurde 2004 abgeschafft; diese werden nunmehr vom Präsidenten

ernannt und von der lokalen gesetzgebenden Körperschaft bestätigt. Präsident Putin hat die Macht

in seinen Händen konzentriert und seine Souveränität gegenüber der Duma, der Regierung und den

Regionen erheblich gestärkt. Gegenwärtig gibt es kaum eine ernstzunehmende politische Opposi-

tion.

Hinsichtlich der Medienfreiheit begrüßt die EU, dass es trotz erwiesener Selbstzensur der Journa-

listen eine relativ große Vielfalt an Printmedien in Russland gibt. Die gedruckte Presse ist zwar ver-

hältnismäßig frei, doch versuchen Berichten zufolge regionale und lokale Behörden nach wie vor

oftmals, Einfluss auf die lokalen Medien auszuüben. Die staatliche Kontrolle des Rundfunks

schränkt die Meinungsvielfalt im Fernsehen des Landes ein. Das bei zahlreichen russischen Journa-

listen herrschende Klima der Selbstzensur hat sich dadurch verstärkt, dass die Regierung immer

noch nicht die Mörder mehrerer Journalisten, die seit 2000 vermutlich aufgrund ihrer Arbeit ermor-

det worden sind, ausfindig gemacht hat.

Die EU hat gegenüber den Ländern Mittelasiens weiter bei allen Tagungen der Kooperations-

ausschüsse und -räte und in den Fällen, in denen es keine entsprechenden Abkommen gibt, auch bei

sonstigen Treffen Menschenrechtsfragen zur Sprache gebracht.

Kasachstan hat sich auf diesen Dialog eingelassen; die EU hat allerdings deutlich gemacht, dass sie

weitere Fortschritte in den Bereichen Demokratisierung, Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit

erwartet. Zwar gibt es positive Entwicklungen, doch erfüllten die Präsidentschaftswahlen nicht die

internationalen Standards; zudem wurden die Bedenken der EU durch die Behinderung der

Oppositionsparteien und der unabhängigen Medien in jüngster Zeit wieder verstärkt. Es gibt

ernsthafte Bedenken zur Fairness des entscheidenden Gerichtsverfahrens wegen des Mordes an dem

Oppositionspolitiker Sarsembayev. Die EU wird die Lage – insbesondere mit Blick auf die

Bewerbung Kasachstans um den OSZE-Vorsitz im Jahre 2009 – weiterhin aufmerksam beobachten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 213 – Drucksache 16/5603

Usbekistan hat die Forderungen der EU, der OSZE und der VN nach einer unabhängigen

Untersuchung der Ereignisse von Andischan vom Mai 2005 (bei denen Hunderte von Zivilisten von

Sicherheitskräften getötet wurden) abgelehnt. Bei den anschließenden Gerichtsverfahren (die zum

Teil vom BDIMR beobachtet wurden) wurden die grundlegenden Kriterien der Offenheit und

Fairness missachtet. Usbekistan hat nicht auf die Berichte des BDIMR über die Berichtsverfahren

reagiert. Die Menschenrechtslage hat sich generell verschlechtert: Menschrechtsverteidiger,

Journalisten und Mitglieder der Opposition werden verfolgt, und durch neue Gesetze werden NRO

und Medien in ihrer Arbeit eingeschränkt. Dem EU-Sonderbeauftragten Jan Kubis, der das Land

einmal besucht hatte, wurde ein zweiter Besuch verwehrt; weder dem persönlichen

Menschenrechtsbeauftragten des Hohen Vertreters Solana noch seinen Amtskollegen bei den VN

und der OSZE wurde die Einreise gestattet. Zu den negativen Ereignissen zählen des Weiteren die

Schließung des UNHCR-Büros und die Schließung der Vertretungen wichtiger internationaler

NRO. Usbekistan hat ein neues, äußerst eingeschränktes Mandat ausgehandelt, mit dem die Rolle

des OSZE-Zentrums auf die eines bloßen Projektkoordinators reduziert wird. Am 3. Oktober 2005

hat der Rat restriktive Maßnahmen gegen die usbekische Führung beschlossen, darunter ein Verbot

der Visumerteilung und ein Waffenembargo. Diese Beschlüsse wurden am 15. Mai 2006 bestätigt;

sie sollen im Herbst dieses Jahres erneut überprüft werden. Der Dritte Ausschuss der VN-

Generalversammlung hat auf seiner 60. Tagung eine Resolution zu Usbekistan (Näheres siehe

Kapitel 5.1) verabschiedet. Usbekistan verweigert die Zusammenarbeit im Rahmen der "1503-

Verfahren" und mit VN-Sonderberichterstattern. Berichten zufolge ist Folter in Usbekistan nach

wie vor weit verbreitet.

Die Beziehungen der EU zu Turkmenistan sind nach wie vor begrenzt. Bei dem jährlichen Treffen

zum Thema Menschenrechte (am 1. Juni 2006) hat der Rat mehrere Fragen, die ihm große Sorge

bereiten – angefangen vom fortschreitenden Qualitätsrückgang im Bildungswesen bis zum völligen

Mangel an Pluralismus und Freiheit der Medien – zur Sprache gebracht, darunter auch einzelne

schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen. Die Regierung hat zwar in diesen begrenzten Dialog

eingewilligt, doch wurden bislang kaum konkrete Fortschritte erzielt. Der Dritte Ausschuss der VN-

Generalversammlung hat auf seiner 60. Tagung eine Resolution zu Turkmenistan (Näheres siehe

Kapitel 5.1) verabschiedet. Turkmenistan verweigert die Zusammenarbeit mit VN-Sonderbericht-

erstattern. Die Schikanierung von Menschenrechtsverteidigern stellt weiterhin ein schwerwiegendes

Problem dar.

Drucksache 16/5603 – 214 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU hat die mutige Entscheidung der Kirgisischen Republik, mehrere Hundert Menschen, die

nach den Ereignissen von Andischan über die Grenze geflohen waren, nicht an Usbekistan auszulie-

fern, begrüßt. Allerdings wurde bei vier dieser Flüchtlinge die Berufung gegen die Abschiebung in

letzter Instanz abgelehnt. Obwohl die EU die kirgisische Regierung nachdrücklich aufgefordert hat,

sich auch bei diesen Fällen ungeachtet des von Usbekistan ausgeübten Drucks an ihre internatio-

nalen Verpflichtungen zu halten, hat Kirgisistan die vier Flüchtlinge und einen Asylbewerber im

August 2006 ausgeliefert. Die EU bedauert diese Nichteinhaltung internationaler Verplfichtungen

seitens der kirgisischen Behörden zutiefst und hat an die usbekischen Behörden appelliert, dafür

Sorge zu tragen, dass die Betroffenen nach den internationalen Standards fair behandelt werden.

Die EU hat Tadschikistan darin bestärkt, seinen Stabilisierungskurs fortzusetzen. Dabei hat die EU

betont, dass der Kampf gegen die Korruption nicht dazu führen dürfe, dass die Entfaltung der Zivil-

gesellschaft abgebremst wird. Die EU wird die kommenden Präsidentschaftswahlen aufmerksam

beobachten und beharrt auf Fortschritten hinsichtlich der internationalen Standards; u.a. wird sie

darauf bestehen, dass die Empfehlungen, die das BDIMR aufgrund der letzten

Präsidentschaftswahlen abgegeben hat, befolgt werden.

6.2. Afrika

Seit mehreren Jahren bemüht sich die EU hinsichtlich der Menschenrechtslage in Afrika um eine

Politik, die auf Kooperation anstatt Konfrontation abstellt, beispielsweise im Rahmen des Dialogs,

der im Rahmen des Cotonou-Abkommens eingerichtet wurde. Dementsprechend hat die EU auch

versucht, regionale Gruppierungen wie die Afrikanische Gruppe auf VN-Ebene dazu zu bewegen,

sich in Zusammenarbeit mit anderen Gruppierungen, wie z.B. der EU, auf lokaler Ebene Problemen

im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen anzunehmen. Allerdings hat es die Afrikani-

sche Gruppe bei der Erörterung der Menschenrechtslage in bestimmten afrikanischen Ländern auf

der Tagung des Dritten Ausschusses der VN-Generalversammlung vorgezogen, sich mit anderen

afrikanischen Ländern zu verbünden und diese mit Stillhalte-Anträgen zu schützen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 215 – Drucksache 16/5603

Der Gemeinsame Standpunkt betreffend die Menschenrechte, die demokratischen Grund-

sätze, die Rechtsstaatlichkeit und die verantwortungsvolle Staatsführung in Afrika86 wird vom

Rat alle sechs Monate überprüft. Eine Bestandsaufnahme der Maßnahmen zur Förderung der Um-

setzung des Gemeinsamen Standpunkts fand am 22. November 2004 statt. Ferner hat die EU politi-

sche und finanzielle Unterstützung für die Agenda der Afrikanischen Union (AU) für eine verant-

wortungsvolle Staatsführung zur Verfügung gestellt, unter anderem für Wahlbeobachtung und für

die Einrichtung einer Stelle für verantwortungsvolle Staatsführung bei der AU-Kommission. EU

und AU haben auf der Tagung der Ministertroika im April 2005 vereinbart, zusammen auf eine

Verbesserung der Arbeit der Afrikanischen Menschen- und Völkerrechtskommission bei der Über-

wachung der Durchführung der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker

hinzuwirken. Am 12. April 2005 hat der Rat einen Gemeinsamen Standpunkt im Hinblick auf die

Verhinderung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten in Afrika87 angenommen. Damit wollte

er vor allem neuen Entwicklungen in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik

(ESVP) Rechnung tragen, nämlich dem Aktionsplan für eine ESVP-Unterstützung für Frieden und

Sicherheit in Afrika und den Schlussfolgerungen zu Frieden und Sicherheit in Afrika, die beide im

November 2004 angenommen worden sind. Die EU hat der AU und afrikanischen subregionalen

Organisationen überdies durch die Finanzierung der Friedensfazilität für Afrika entscheidende Hilfe

geleistet. Dies hat in erheblichem Maße dazu beigetragen, dass die AU in der Lage war, Friedens-

sicherungstruppen nach Darfur zu entsenden. Mittel aus der Friedensfazilität für Afrika werden

auch für die friedensunterstützenden Einsätze in der Zentralafrikanischen Republik (FOMUC) und

auf den Komoren sowie für längerfristige Kapazitätsaufbauprogramme bei der AU verwendet.

86 ABl. L 158 vom 2.6.1998, S. 1.

87 ABl. L 97 vom 15.4.2005, S. 57.

Drucksache 16/5603 – 216 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Am 16. Dezember 2005 hat der Europäische Rat eine EU-Strategie für Afrika88 angenommen.

Diese Strategie baut auf den großen Fortschritten auf, die die Afrikaner selbst gemacht haben. Ihre

wichtigsten Grundsätze sind eine auf das Völkerrecht und die Menschenrechte gestützte Partner-

schaft, Gleichheit und gegenseitige Rechenschaftspflicht. Ihr liegt eine Philosophie der Eigen-

verantwortlichkeit und der Verantwortung Afrikas zugrunde, zu der auch gehört, dass der Angel-

punkt des Vorgehens die afrikanischen Institutionen sind.

Nach der Strategie bedarf es für eine erfolgreiche Entwicklung der Achtung der Menschenrechte,

der demokratischen Grundsätze und der Rechtsstaatlichkeit, effizienter, gut regierter Staaten und

starker und effizienter Institutionen.
88 Die EU und Afrika auf dem Weg zu einer strategischen Partnerschaft, Dok. 15702/1/05.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217 – Drucksache 16/5603

Die EU verpflichtet sich in der Strategie, die Menschenrechte – insbesondere die Rechte von

Frauen, Kindern und anderer besonders schutzbedürftiger Gruppen – zu fördern und zu schützen,

dazu beizutragen, dass der Straflosigkeit– unter anderem mit Hilfe des Internationalen Strafge-

richtshofs – ein Ende gesetzt wird, und die Grundfreiheiten und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit

in Afrika unter anderem durch den Ausbau von Fähigkeiten für das Justizsystem, nationale Men-

schenrechtskommissionen und Organisationen der Zivilgesellschaft zu fördern. Hierzu will die EU

an der umfangreichen finanziellen Förderung durch EG-Programme und bilaterale Programme der

Mitgliedstaaten festhalten. Im Berichtszeitraum wurden zusätzlich zu den 35 Mio. EUR aus der

Friedensfazilität für Afrika weitere 50 Mio. EUR aus dem neunten EEF zum Ausbau der Fähigkei-

ten der Afrikanischen Union bereitgestellt.

Mit Hilfe des politischen Dialogs und von Konsultationen mit den afrikanischen Partnern wird die

EU die afrikanischen Bemühungen um die Überwachung und Verbesserung der Staatsführung

unterstützen, unter anderem durch Förderung des Afrikanischen Peer-Review-Mechanismus

(APRM) der Neuen Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (NEPAD). Dies sollte dazu führen,

dass die NEPAD ihr Ziel, ab 2006 jährlich vier vollständige Peer-Reviews durchzuführen, erreicht

und eine Initiative zur Staatsführung ins Leben gerufen wird, mit der die durch den APRM-Prozess

ausgelösten nationalen Reformen flankiert werden sollen. Außerdem wird die EU im Rahmen des

Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments eine Governance-Fazilität schaffen.

Ferner wird die EU die Bekämpfung der Korruption, des Menschenhandels, illegaler Drogen und

der organisierten Kriminalität unterstützen und die Transparenz fördern, um den Anliegen der afri-

kanischen Bürger Rechnung zu tragen und sicherzustellen, dass der Reichtum Afrikas seinen Men-

schen zugute kommt. Dazu gehört Hilfe zur Verbesserung der öffentlichen Rechenschaftspflicht

und der Systeme zur Verwaltung öffentlicher Gelder in Afrika, eine frühzeitige Ratifizierung des

VN-Übereinkommens gegen die Korruption durch alle EU-Mitgliedstaaten und die afrikanischen

Partner, Hilfe für eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung umstrittener Ressourcen, einschließlich

von Holz und Bodenschätzen und die Unterstützung des Kimberley-Prozesses sowie der

Transparenzinitiative der Minenindustrie (EITI).

Drucksache 16/5603 – 218 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU wird die Stärkung der partizipativen Demokratie und der Rechenschaftspflicht in Afrika

unterstützen, und zwar unter anderem durch Hilfe für afrikanische Parlamente und die Zivilgesell-

schaft und den Ausbau des Programms für Wahlhilfe und EU-Wahlbeobachtungsmissionen, ein-

schließlich einer Überarbeitung ihres Mandats im Jahr 2006.

Vor dem Hintergrund der anhaltend unsicheren Lage in den östlichen Provinzen der Demokrati-

schen Republik Kongo (DRK) gab die hohe Zahl der Menschenrechtsverletzungen im Distrikt

Ituri, in den Kivus und in Katanga Anlass zu größter Sorge. Was den Sicherheitssektor und insbe-

sondere den schlechten Zustand der kongolesischen Streitkräfte (FARDC) betrifft, so konnten auch

hier nur wenig Fortschritte bei der Bekämpfung der Straffreiheit oder bei der Achtung der grund-

legenden Menschenrechte erzielt werden. Der Rat hat daher die ganz dringend notwendige Reform

des Sicherheitssektors in der DRK aktiv unterstützt, indem er die ESVP-Beratungsmission EUSEC

entsandte. Der EU-Sonderbeauftragte Ajello hat in enger Abstimmung mit den VN die erschre-

ckende Menschenrechtslage, die Unsicherheit in einigen Regionen der DRK sowie die Notwendig-

keit weiterer Reformen im Sicherheitssektor gegenüber der Übergangsregierung regelmäßig zur

Sprache gebracht. Der Dritte Ausschuss der VN-Generalversammlung hat auf seiner 60. Tagung

eine Resolution zur DRK (Näheres siehe Kapitel 5.1) verabschiedet.

Die EU ist nach wie vor äußerst besorgt über die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in

Darfur im Westen des Sudan. Die Maßnahmen nach den Artikeln 2, 3 und 4 des Gemeinsamen

Standpunkts vom 30. Mai 2005 über restriktive Maßnahmen gegen Sudan89 sind im Mai 2006 über-

prüft worden. Dabei wurde beschlossen, diese Maßnahmen – Beschränkung der Reisefreiheit und

Einfrieren der Vermögenswerte der Personen, die den Friedensprozess in Sudan behindern, eine

Bedrohung für die Stabilität in Darfur und in der Region darstellen, Verstöße gegen das humanitäre

Völkerrecht, Verletzungen der internationalen Menschenrechte oder andere Gräueltaten begehen,

gegen das Waffenembargo verstoßen und/oder für offensive Militärflüge in und über der
89 ABl. L 139 vom 2.6.2005, S. 25.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219 – Drucksache 16/5603

Region Darfur verantwortlich sind – zu verlängern. Des Weiteren hat der Rat am 1. Juni 2006 einen

Beschluss zur Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts 2005/411/GASP angenommen, mit dem

gemäß der Resolution 1672 (2006) des VN-Sicherheitsrates gegen vier Personen restriktive Maß-

nahmen verhängt wurden. Auf der 60. Tagung des Dritten Ausschusses der VN-Generalversamm-

lung wurde ein Stillhalte-Antrag betreffend Sudan gegen die Stimme der EU-Länder mit knapper

Mehrheit angenommen. (Näheres siehe Kapitel 5.1).

Der Rat hat seine tiefe Sorge über die anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte und des

humanitären Völkerrechts in Darfur wiederholt zum Ausdruck gebracht. So hat er in seinen

Schlussfolgerungen vom 15. Mai 2006 bekräftigt, dass er Sanktionen gegen Personen, die den

Friedensprozess blockieren, die Menschenrechte verletzen oder gegen die Waffenruhe oder das

Waffenembargo verstoßen, unterstützt und die Auffassung vertritt, dass die in der Resolution 1591

(2005) des VN-Sicherheitsrates vorgesehenen Maßnahmen voll ausgeschöpft werden sollten.

Zudem hat er erneut seine uneingeschränkte Unterstützung für die laufenden Ermittlungen des

Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zu Menschenrechtsverletzungen in Darfur bekundet und

alle Parteien, insbesondere die Regierung Sudans, aufgefordert, mit dem IStGH uneingeschränkt

zusammenzuarbeiten.

Im Rahmen des regelmäßigen politischen Dialogs mit Sudan auf der Grundlage von Artikel 8 hat

eine Reihe von Treffen stattgefunden, die ausschließlich der Erörterung von Menschenrechtsfragen

dienten.

Die Lage der Menschenrechte in Äthiopien nach den Parlamentswahlen vom 15. Mai 2005 ist von

der EU besonders aufmerksam beobachtet worden. Nach dem Ausbruch der Gewalt Anfang Juni

forderte die EU die Regierung und die Sicherheitskräfte dringend auf, Zurückhaltung zu üben und

die internationalen Menschenrechte zu achten. Während der politischen Krise nach den Wahlen

haben EU-Vertreter mit der äthiopischen Regierung im Rahmen des Dialogs auf der Grundlage von

Artikel 8 eine Reihe von Themen erörtert, so u.a. die Notwendigkeit, die Menschenrechte zu achten

und die nach den Wahlen verübten Gewalttätigkeiten zum Gegenstand von Untersuchungen zu

machen. Nach dem Wiederaufflammen der Gewalt Anfang November 2005 und den Festnahmen

Drucksache 16/5603 – 220 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

von Oppositionsführern, Zeitungsherausgebern und Journalisten sowie Vertretern der Zivilgesell-

schaft hat die EU gemeinsam mit der gesamten Gebergemeinschaft ihre tiefe Besorgnis deutlich

gemacht und ein Ende der wahllosen Prügeleien und Massenverhaftungen sowie die Freilassung

aller politischen Gefangenen gefordert. Seither haben die Vertreter der EU wiederholt gegenüber

der äthiopischen Regierung ihre große Sorge über die Menschenrechtslage in Äthiopien zum

Ausdruck gebracht und die Situation der Inhaftierten angesprochen und dabei die Achtung der

Menschenrechte, die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, die Freilassung aller Gefangenen, die nach

den politischen Demonstrationen vom Juni und vom November verhaftet wurden, und die Achtung

der Rechte der weiterhin in Haft befindlichen Personen angemahnt. Außerdem hat die EU die

Verfahren gegen die Gefangenen von Anfang an durch Vertreter der Botschaften in Addis Abeba

sowie durch einen Anwalt entsprechend einem einvernehmlich festgelegten Mandat beobachten

lassen.

Die EU hat sich des Weiteren mit der Lage in Norduganda befasst und ihre Besorgnis über den

anhaltenden Konflikt zum Ausdruck gebracht, der gravierende Sicherheitsprobleme und eine ernste

humanitäre Lage hervorgerufen hat. In seinen Schlussfolgerungen vom 15. Mai 2006 hat der Rat

bekräftigt, dass die Bewältigung dieses Konflikts und seiner schwerwiegenden humanitären Folgen

in erster Linie Sache der ugandischen Regierung ist, und die Regierung Ugandas aufgefordert, mehr

für den Schutz ihrer Bürger in Norduganda zu tun. Was die fünf Kommandanten der Lord's

Resistance Army (LRA) betrifft, die vor dem IStGH angeklagt sind, so hat der Rat die Haftbefehle

als einen ersten Schritt von historischer Bedeutung bezeichnet und bekräftigt, dass es bei Völker-

mord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen keine Straffreiheit geben darf.

Er hat die Regierungen Ugandas und der Nachbarländer aufgerufen, gemeinsam dafür zu sorgen,

dass die Haftbefehle ausgeführt werden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221 – Drucksache 16/5603

Im Berichtszeitraum hat der Rat den Gemeinsamen Standpunkt 2006/31/GASP vom 23. Januar

200690 über restriktive Maßnahmen gegen Liberia angenommen, um der Resolution 1647 des

VN-Sicherheitsrates Wirkung zu verleihen. Dies bedeutet, dass die mit dem Gemeinsamen Stand-

punkt 2004/137/GASP91 verhängten Maßnahmen verlängert wurden, und zwar das Waffenembargo

und die Reisebeschränkungen für bestimmte Personen um weitere zwölf und die restriktiven Maß-

nahmen für Diamanten und Nutzholzerzeugnisse mit Ursprung in Liberia um weitere sechs

Monate92. In Anbetracht der Resolution 1689 des VN-Sicherheitsrates vom 20. Juni 2006, mit der

die restriktiven Maßnahmen gegen Holzerzeugnisse unter der Bedingung aufgehoben wurden, dass

angemessene Rechtsvorschriften für den Forstsektor verabschiedet werden, wird der Rat seinen

Standpunkt in Kürze überprüfen. Der Gemeinsame Standpunkt 2004/487/GASP des Rates über

restriktive Maßnahmen gegen den ehemaligen Präsidenten Taylor und einige seiner engsten Ver-

wandten93 bleibt in Kraft.

Am 23. Januar 2006 nahm der Rat den Gemeinsamen Standpunkt 2006/30/GASP94 an, um die mit

dem Gemeinsamen Standpunkt 2004/852/GASP95 verhängten restriktiven Maßnahmen gegen Côte

d'Ivoire zu verlängern. Diese zur Durchführung der Resolution 1572 (2004) des VN-Sicher-

heitsrates beschlossenen Maßnahmen umfassen ein Verbot der Ein- und Durchreise sowie das

Einfrieren der Vermögenswerte der Personen, die die Umsetzung des Friedensabkommens

behindern, sowie ein Waffenembargo. Überdies verbietet der Gemeinsame Standpunkt

2006/30/GASP nach Maßgabe der Resolution 1643(2005) des VN-Sicherheitsrates die Einfuhr aller

Rohdiamanten aus Côte d' Ivoire in die EU. In seinen Schlussfolgerungen vom 15. Mai 2006

begrüßte der Rat den Stimmungswandel, der in Côte d'Ivoire seit der Ernennung von Herrn Konan

Banny zum Premierminister eingetreten ist und wodurch der Friedensprozess im Sinne der Reso-

lution 1633 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, der zur Abhaltung freier, offener, fairer

und transparenter Wahlen spätestens am 31. Oktober 2006 hinführen soll, wieder in Gang gesetzt

werden konnte.

90 ABl. L 19 vom 24.1.2006, S. 38.
91 ABl. L 40 vom 12.2.2004, S. 35.
92 ABl. 124 vom 20.5.2003, S. 49.
93 ABl. L 162 vom 30.4.2004, S. 116.
94 ABl. L 19 vom 24.1.2006, S. 36.

95 ABl. L 368 vom 15.12.2004

Drucksache 16/5603 – 222 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU hat die Menschenrechtslage in Simbabwe weiter aufmerksam verfolgt, vor allem nach der

Operation "Restore Order" im Mai 2005. Sie hat die simbabwische Regierung nachdrücklich aufge-

fordert, Abhilfe für die erschreckenden Auswirkungen der Operation zu schaffen. Da keine Verbes-

serung der Menschenrechtslage in Simbabwe zu verzeichnen war, hat der Rat im Januar 2006 den

Gemeinsamen Standpunkt 2006/51/GASP zur Verlängerung der erstmals im Februar 2002 mit dem

Gemeinsamen Standpunkt 2002/145/GASP eingeführten restriktiven Maßnahmen gegen Simbabwe

angenommen. Zu diesen Maßnahmen zählen ein Verbot der Ein- und Durchreise und das Einfrieren

der Vermögenswerte der Personen, die die Demokratie, die Achtung der Menschenrechte und die

Rechtsstaatlichkeit in Simbabwe ernsthaft untergraben. Außerdem ist die Lieferung von Rüstungs-

gütern und sonstigen Ausrüstungen für militärische Zwecke nach Simbabwe verboten.

6.3. Amerika

Auf ihrem vierten Gipfeltreffen am 12. Mai 2006 in Wien haben die Staats- und Regierungs-

chefs der EU sowie der Länder Lateinamerikas und der Karibik betont, dass Demokratie, Ent-

wicklung und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten die Grundprinzipien

ihrer strategischen biregionalen Partnerschaft darstellen. Sie bekannten sich erneut zur wirksamen

Förderung und zum effizienten Schutz der Menschenrechte und begrüßten die Einsetzung des Men-

schenrechtsrats. Die Staats- und Regierungschefs bekundeten ihre Entschlossenheit, auf eine voll-

ständige Gleichstellung von Männern und Frauen hinzuarbeiten sowie Frauen, Kindern, Menschen

mit Behinderung, indigenen Bevölkerungsgruppen und Minderheiten besondere Aufmerksamkeit zu

widmen. Sie bekräftigten, dass sie entschlossen sind, Rassismus, alle Formen der Diskriminierung,

Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu bekämpfen und den Personen, Organisationen und Instituti-

onen, die für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte eintreten, einschließlich der

Menschenrechtsverteidiger, kohärente und wirksame Unterstützung und Schutz zu bieten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223 – Drucksache 16/5603

Während des vergangenen Jahres hat die EU erneut ihre Besorgnis über die Menschenrechtslage in

Kolumbien zum Ausdruck gebracht und ihre Solidarität mit der kolumbianischen Bevölkerung

bekundet. Sie hat alle illegalen bewaffneten Gruppen aufgerufen, ernsthaft an der Suche nach einer

Verhandlungslösung für den internen bewaffneten Konflikt mitzuwirken, und darauf hingewiesen,

dass bis zur Beilegung des Konflikts eine humanitäre Vereinbarung getroffen werden muss. Der Rat

hat erneut gefordert, dass die illegalen bewaffneten Gruppen, die noch Geiseln festhalten, diese

unverzüglich und bedingungslos freilassen und künftig von Geiselnahmen absehen. Die EU hat

zudem betont, dass die Sicherheit der Personen, Organisationen und Institutionen, einschließlich der

Menschenrechtsverteidiger, die sich für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte ein-

setzen, gewährleistet werden muss und dass die Rechte der Angehörigen von Minderheiten und

indigenen Bevölkerungsgruppen geschützt werden müssen.

Im Anschluss an die Verabschiedung des Gesetzes für Gerechtigkeit und Frieden hat der Rat seiner

Befürchtung Ausdruck verliehen, dass dieses Gesetz den Grundsätzen von Wahrheit, Gerechtigkeit

und Wiedergutmachung entsprechend den international anerkannten Normen nicht hinreichend

Rechnung trägt. Er schloss sich vielen der vom Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Men-

schenrechte vorgebrachten Bedenken an, nämlich dass keine deutliche Unterscheidung zwischen

"politischen" und anderen Straftaten gemacht wurde, dass jeweils nur kurze Fristen für Ermittlun-

gen bei Geständnissen und für die Prüfung von Eigentumsrechten an Vermögensgegenständen, die

möglicherweise im Zusammenhang mit illegalen Aktivitäten erworben wurden, zugestanden wur-

den, dass Opfern nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten für Wiedergutmachungsforderungen einge-

räumt wurden, dass auch für schwerste Verbrechen nur niedrige Höchststrafen vorgesehen wurden

und das kolumbianische Justizwesen von seinen Ressourcen her gesehen unter einem erheblichem

Druck stehen wird, wenn es den aus dem neuen Gesetz resultierenden Anforderungen gerecht wer-

den will. Dennoch ist der Rat der Auffassung, dass das Gesetz – sofern es wirksam und in transpa-

renter Weise umgesetzt wird – einen positiven Beitrag zu den Friedensbemühungen in Kolumbien

leisten kann. Entsprechend hat die EU ihre Bereitschaft bekräftigt, sowohl mit der Regierung, den

Institutionen und der Zivilgesellschaft von Kolumbien als auch mit dem Hohen Kommissar der

Vereinten Nationen für Menschenrechte und anderen Gremien oder Organisationen bei der

Drucksache 16/5603 – 224 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Überwachung der Durchführung des durch das Gesetz eingeleiteten Prozesses eng zusammenzu-

arbeiten. Ferner bestätigte der Rat, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten bereit sind,

der kolumbianischen Regierung und der kolumbianischen Zivilgesellschaft Hilfestellung zu leisten,

indem sie von dem internen Konflikt betroffene Gemeinden, Opfergruppen und lokale Aussöh-

nungsinitiativen unterstützen und die Demobilisierung und Wiedereingliederung von Kinder-

soldaten fördern, wobei sie ergänzend zu bereits bestehenden Programmen von UNICEF und ande-

ren Gremien und Organisationen arbeiten werden.

Am 26. Juni 2006 gab die EU eine Erklärung heraus, in der sie sich für eine Verlängerung des

Mandats des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte aussprach.

Die Union ist dafür, dass das Büro des Hohen Kommissars in Kolumbien weiterhin eine wichtige

Rolle spielt, und betont, dass die kolumbianische Regierung die gesamte Palette der von diesem

Büro angebotenen Dienste aktiv unterstützen und nutzen sollte.

Die Lage in Kolumbien wird weiterhin zu prüfen sein. Dabei wird den Urteilen des Verfassungs-

gerichts, die insbesondere darauf abzielen, die Rechte der Opfer zu stärken, besondere Bedeutung

beigemessen.

In seinen jüngsten Schlussfolgerungen vom 12. Juni 2006 zur 16. Bewertung seines Gemeinsamen

Standpunkts zu Kuba hat der Rat bedauert, dass sich die Menschenrechtslage in Kuba seit der

letzten Bewertung im Juni 2005 weiter verschlechtert hat. Die EU hat festgestellt, dass sich die Zahl

der politischen Häftlinge in Kuba nach Angaben kubanischer Menschenrechtsorganisationen

während der letzten zwölf Monate auf mehr als 330 dokumentierte Fälle erhöht hat, darunter auch

mehrere Personen, die seit 2005 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft sind. Zudem sind

Hunderte junger kubanischer Bürger aufgrund des im kubanischen Strafgesetzbuch enthaltenen

Straftatbestands "Neigung zur Begehung von Straftaten" verhaftet und verurteilt worden. Die EU

hat die kubanische Regierung erneut nachdrücklich aufgefordert, alle politischen Gefangenen,

einschließlich der im Jahr 2003 verhafteten und verurteilten Personen der Gruppe der 75, bedin-

gungslos freizulassen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225 – Drucksache 16/5603

Anlass zu besonderer Sorge geben die mehreren Dutzend gewalttätiger Schikanierungen und Ein-

schüchterungen, einschließlich der Akte der Ächtung von Andersdenkenden, die seit 2005 zu ver-

zeichnen sind. Der Rat hat seine Besorgnis über Berichte geäußert, wonach einige Akte der Äch-

tung von Andersdenkenden mit dem heimlichen Einverständnis der Polizei und der Sicherheits-

kräfte stattfinden. Auf jeden Fall erfüllen die kubanischen Behörden nicht ihre Verpflichtungen zum

Schutz aller Bürger. Der Rat hat eindringlich an die Regierung von Kuba appelliert, umgehend

Maßnahmen zur Unterbindung der fortlaufenden Schikanierung zu treffen und alles zu tun, um

Wiederholungen wirksam zu verhindern. Die EU verurteilt nachdrücklich diese Akte und sonstigen

Einschränkungen der bürgerlichen und politischen Grundrechte, die durch die Allgemeine Erklä-

rung der Menschenrechte und andere internationale Verpflichtungen im Bereich der Menschen-

rechte, die Kuba als Mitglied der VN und Unterzeichner der einschlägigen Erklärungen übernom-

men hat, garantiert sind. Sie hat die kubanische Regierung an ihre Verantwortung erinnert, insbe-

sondere was die grundlegenden Rechte auf freien Zugang zu Informationen, Meinungs-, Vereini-

gungs- und Versammlungsfreiheit sowie auf Schutz der Privatsphäre und auf ein rechtmäßiges Ver-

fahren betrifft. Überdies hat die EU daran erinnert, dass alle in den Menschenrechtsrat gewählten

Mitglieder verpflichtet sind, höchste Standards in Bezug auf die Förderung und den Schutz der

Menschenrechte zu wahren. Die EU wird die Politik der kubanischen Regierung in Bezug auf Men-

schenrechte weiterhin aufmerksam verfolgen.

Die EU hat bei Treffen mit Mitgliedern der kubanischen Regierung wiederholt die Menschen-

rechtsprobleme in Kuba zur Sprache gebracht. Leider waren diese Vorstöße ohne Erfolg, denn

Kuba betrachtet Demarchen betreffend die Menschenrechte als Einmischung in seine inneren

Angelegenheiten, weshalb sich die EU auf die moralische und – sofern möglich – logistische und

materielle Unterstützung von Menschenrechtsaktivisten und -verteidigern beschränken muss. Die

EU würde eine Wiederaufnahme des politischen Dialogs mit der kubanischen Regierung begrüßen.

Dieser Dialog müsste sich auch auf die Frage der Menschenrechte erstrecken und auf der Grundlage

der Gegenseitigkeit und Nichtdiskriminierung geführt werden. Die Union hat die kubanische Regie-

rung nachdrücklich aufgefordert, im Hinblick auf die Förderung eines positiven und beiderseits

nützlichen Dialogs ihre Gesprächsbereitschaft durch konkrete Verbesserungen bei der Menschen-

rechtslage unter Beweis zu stellen. Ferner hat der Rat betont, dass jeder hochrangige Besucher

Menschenrechtsfragen gegenüber den kubanischen Behörden zur Sprache bringen sollte.

Drucksache 16/5603 – 226 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU stellt mit Befriedigung fest, dass Venezuela alle wichtigen internationalen Übereinkommen

ratifiziert und die grundlegenden Menschenrechte in seiner Verfassung verankert hat. In der Praxis

werden diese Rechte jedoch nicht immer angewandt oder geachtet. Die EU stellt mit Besorgnis fest,

dass es Anzeichen einer autoritären Staatsführung, einer unzureichenden Unabhängigkeit und Auto-

rität der Justiz sowie von Korruption in den Reihen der Polizei gibt. Besorgnis erregend sind des

Weiteren u.a. das zunehmende Ausmaß an Gewalt sowie Entführungen. Die EU verfolgt des Wei-

teren aufmerksam eine Reihe von Gerichtsverfahren gegen Oppositionsmitglieder und Menschen-

rechtsverteidiger.

Mexiko hat nach Einschätzung der EU erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Achtung

der Menschenrechte zu fördern. Die Herausforderungen in Bezug auf die Menschenrechtslage sind

in dem Land jedoch nach wie vor groß. Eine umfangreichere Justiz- und Rechtsreform, mit der

viele der für die Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen strukturellen Probleme behoben

worden wären, ist im mexikanischen Kongress zum Stillstand gekommen. Der Besuch des persön-

lichen Beauftragten des Generalsekretärs/Hohen Vertreters in Mexiko (am 2./3. September 2005)

hat sich insofern als äußerst nützlich erwiesen, als er dem EU-Engagement für die Menschenrechte

vor Ort zusätzlich Nachdruck verliehen hat, auch weil bei dieser Gelegenheit unterstrichen wurde,

dass die Union dieser Frage große Bedeutung beimisst. Seit 2002 arbeiten Mexiko und die Euro-

päische Kommission auf dem Gebiet der Menschenrechte im Rahmen der EIDHR zusammen.

Die EU ist besorgt über das große Ausmaß der Gewalt und Unsicherheit in Guatemala, das eine

Gefahr und Behinderung für die Bemühungen um eine stärkere Förderung und Achtung der Men-

schenrechte darstellt. Sie führt mit der guatemaltekischen Regierung einen ständigen Dialog über

Menschenrechtsfragen. Auch bei dem Besuch von Vizepräsident Stein in Brüssel, der mit dem

Generalsekretär/Hohen Vertreter zusammentraf und eine Rede vor der regionalen Arbeitsgruppe

hielt, standen Menschenrechtsfragen im Vordergrund. Bei seinem Besuch in Guatemala hat der per-

sönliche Beauftragte des Generalsekretärs/Hohen Vertreters die Besorgnis der EU über die Men-

schenrechtslage in Guatemala zum Ausdruck gebracht, und zwar insbesondere was Fragen wie

Adoption, die Todesstrafe und die Ratifizierung des Statuts des IStGH betrifft. Die EU hat zudem

bei der guatemaltekischen Regierung eine Demarche betreffend den IStGH unternommen und ihrer

Beunruhigung über die Lage der Menschenrechtsverteidiger Ausdruck verliehen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 227 – Drucksache 16/5603

Die EU ist besorgt über die wachsende Anzahl krimineller Jugendbanden (Maras) in Mittelamerika

und hat daher die Sicherheitslage und -politik in den am stärksten von dieser Art von Gewalt betrof-

fenen Ländern – insbesondere Guatemala, Honduras und El Salvador – überprüft. Sie hat darauf

hingewiesen, dass es zur Bewältigung dieses Problems Reformen im Bereich der öffentlichen

Sicherheit, eines umfassenden Konzepts sowie der regionalen Zusammenarbeit bedarf. Die EU will

die Frage der Maras und damit zusammenhängende Sicherheitsprobleme in den politischen Dialog

von San José einbeziehen.

Die EU hat die Friedensmission des VN-Sicherheitsrates in Haiti (MINUSTAH), deren Mandat

auch den Schutz der Menschenrechte einschließt, unterstützt. Die Wahlbeobachtungsmission der

EU hat sich bei den jüngsten Wahlen in Haiti bewährt. Die EU hat zugesagt, die haitianische Regie-

rung beim Prozess der nationalen Aussöhnung und insbesondere bei der Wiederherstellung der

politischen Stabilität, der Verbesserung der Sicherheits- und der Menschenrechtslage und beim

Wiederaufbau der Wirtschaft des Landes zu unterstützen.

Im vergangenen Jahr hat die EU in den Ländern der Karibik mehrere Demarchen betreffend die

Todesstrafe und den IStGH unternommen.

6.4. Asien

Ungeachtet der immensen Herausforderungen und Probleme, denen sich Afghanistan im Bereich

der Menschenrechte nach wie vor gegenüber sieht, sind seit dem Bonner Abkommen von 2001

kontinuierlich Fortschritte erzielt worden. Die EU konnte aufgrund der Erkenntnisse ihrer

Beobachtungsmission feststellen, dass die Wahlen zum Parlament und zu den Provinzräten am

Drucksache 16/5603 – 228 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

18. September 2005 erfolgreich verlaufen sind und sich das Parlament im November konstituiert

hat. Das neue Parlament spiegelt die politische und ethnische Vielfalt Afghanistans wider;

27 Prozent der Parlamentssitze entfallen auf Frauen. Zwar gingen 121 der insgesamt 420 Sitze in

den Provinzräten an Frauen, in der nationalen Regierung sind sie jedoch offenbar immer weniger

vertreten. Mitte November haben die EU und Afghanistan in Anbetracht des bevorstehenden Endes

des Bonner Prozesses eine Gemeinsame Politische Erklärung abgegeben, mit der eine neue Partner-

schaft begründet und das langfristige Engagement der EU in Afghanistan bekräftigt wurde. Die EU

hat sich den beiden Abschlussdokumenten der Londoner Konferenz im Januar 2006 – dem Strate-

giepapier "Afghanistan Compact" und der Nationalen Interims-Entwicklungsstrategie Afghanistans

(I-ANDS) – angeschlossen. Im "Afghanistan Compact" werden die verantwortungsvolle Staats-

führung, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte als eine der drei Hauptsäulen bezeichnet.

Die EU ist nach wie vor besorgt über die Verhängung der Todesstrafe. Frauen werden in Afgha-

nistan immer noch stark an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert, beispielsweise durch einge-

schränkte Bildungsmöglichkeiten, weit verbreitete Diskriminierungen, einen begrenzten Zugang zur

Justiz und die permanente Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Das Amt des EU-Sonderbeauf-

tragten wird mit der Regierung u.a. im Bereich der Menschenrechte auch künftig eng zusammen-

arbeiten. Es gilt, die Pläne der Regierung zur Einrichtung eines Amts für die Förderung der Tugend

und Bekämpfung des Lasters aufmerksam zu verfolgen.

Die Besorgnis über den Zustand der Staatsführung in Bangladesch hat in der EU weiter zugenom-

men. Welch vielfältigen Herausforderungen das Land gegenübersteht, trat deutlich zutage, als am

17. August 2005 landesweit circa 500 Bomben explodierten. Kurz nach diesen Angriffen verstärkte

die EU ihre Lagebeobachtung in Bangladesch und beschloss, im Januar 2006 eine Troika von EU-

Regionaldirektoren nach Dhaka zu entsenden. Diese Delegation richtete eine Reihe von gezielten

Botschaften an die Regierung, die Opposition und die Zivilgesellschaft, insbesondere den Appell,

die seit Jahren geplante nationale Menschenrechtskommission einzurichten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229 – Drucksache 16/5603

Die EU hat ihre Beziehungen zu Indien weiter ausgebaut, wie es dem Land als einem der sechs

strategischen Partner entspricht. Auf dem Gipfeltreffen EU-Indien am 7. September 2005 in Neu

Delhi wurde ein gemeinsamer Aktionsplan verabschiedet, der ein breites Spektrum von Politik-

feldern, einschließlich Demokratie und Menschenrechte, abdeckt. Dabei wurde vereinbart, den

Dialog über die Menschenrechte im multilateralen und bilateralen Rahmen fortzusetzen, um das

gegenseitige Verständnis zu bessern. Am 1. Dezember 2005 traf die EU-Troika in Neu Delhi mit

ihren indischen Gesprächspartnern zur Erörterung von Menschenrechtsfragen zusammen. Seither

hat die EU die Wahl Indiens zum Gründungsmitglied des VN-Menschenrechtsrats begrüßt und

arbeitet mit dem Land in diesem Gremium zusammen.

Die EU hat die Fortschritte im Rahmen des strukturierten Dialogs zwischen Indien und Pakistan

begrüßt; dieser Dialog trägt dazu bei, dass ein Klima entsteht, in dem die Menschenrechtslage in

Kaschmir leichter zur Sprache gebracht werden kann.

Pakistan steht weiterhin einer ganz spezifischen Reihe von Problemen bei den Menschenrechten

gegenüber. Nur einige wenige der schwersten Menschenrechtsverletzungen während des Berichts-

zeitraums sind die weiterhin hohe Anzahl von Todesurteilen, die zunehmende Anwendung der

Gesetze über Gotteslästerung zur Regelung von Streitigkeiten, die keinen Bezug zur Religion

haben, und die Tatsache, dass bis zu 90% der Frauen in Pakistan Opfer häuslicher Gewalt sind,

wobei die Zwischenfälle zunehmen. Dies stellte während des Besuchs einer EU-Troika politischer

Direktoren in Islamabad am 27. September 2005 ein wichtiges Gesprächsthema dar – dennoch ist

die Anzahl der Hinrichtungen 2005 (über 50) und 2006 (über 40) drastisch gestiegen. Bald danach

stand Pakistan infolge des Erdbebens vom 8. Oktober 2005 in Kaschmir neuen Herausforderungen

gegenüber, wobei die EU rasch tätig wurde und erhebliche Hilfe leistete. Ein positives Zeichen ist,

dass das Parlament über ein von der Regierung vorgelegtes Gesetz zur Änderung der Hudood-Ver-

ordnungen debattiert. Ganz allgemein hat die EU die Regierung weiterhin darauf hingewiesen, wie

wichtig die Rechtsstaatlichkeit als Grundvoraussetzung für den Schutz der Menschenrechte ist.

Drucksache 16/5603 – 230 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nachdem König Gyanendra am 1. Februar 2005 den Ausnahmezustand ausgerufen hatte, war die

Menschenrechtslage in Nepal besonders kritisch geworden. Allerdings hat sich die Lage seit dem

24. April 2006, an dem das Parlament mit einem neuen königlichen Erlass wieder eingesetzt wurde,

weitgehend entspannt. Die EU hat sich, u.a. während des Besuchs einer Troika auf Ebene der Regi-

onaldirektoren im Oktober 2005 in Katmandu, unmissverständlich gegen eine Direktherrschaft des

Königs ausgesprochen und hat den Demokratisierungsprozess begrüsst. Gleichzeitig hat die EU die

OHCHR-Mission in Nepal, die einen wertvollen Beitrag zur Dokumentierung der von maoistischen

Aufständischen und staatlichen Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen

geleistet hat, stark unterstützt.

Als einer der beiden Vorsitzenden der Konferenz von Tokio von 2003 hat die EU den Friedens-

prozess in Sri Lanka weiterhin gefördert. Die EU hat Norwegen entschieden unterstützt, als Nor-

wegen die srilankische Regierung und die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) eindringlich

dazu aufgefordert hat, den Waffenstillstand von 2002 einzuhalten und die direkten Gespräche

wieder aufzunehmen. Leider haben es beide Seiten versäumt, die Gelegenheit zur Aussöhnung zu

nutzen, die sich 2004 infolge des Tsunami geboten hat, und so hat sich seit Frühjahr 2006 die Lage

rasch verschlechtert. Angesichts der zunehmenden Gewaltakte gegenüber der Zivilbevölkerung hat

die EU schließlich am 31. Mai 2006 beschlossen, die LTTE in das Verzeichnis der terroristischen

Vereinigungen aufzunehmen.

Seit der Ankündigung weit reichender politischer Reformen auf den Malediven im Juni 2004 hat

die EU ihren Dialog mit der Regierung und der Opposition intensiviert, um den Dialog zu fördern.

Zwei Sondierungsmissionen der EU auf den Malediven wurden von den Behörden gut unterstützt,

auch was den Zugang zu Gefangenen betrifft. Die EU hat die Regierung unablässig dazu aufgefor-

dert, sich durch klare und zeitlich gut abgestimmte Maßnahmen uneingeschränkt für demokratische

Reformen einzusetzen und sich die Sachkenntnis und den Rat des Auslands beim Reformprozess

stärker zunutze zu machen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 231 – Drucksache 16/5603

Die anhaltenden systematischen Verletzungen der Menschenrechte in Birma/Myanmar wurden in

mehreren Erklärungen der EU oder des Vorsitzes zur Sprache gebracht. Beispielsweise hat der Vor-

sitz der EU am 29. Mai 2006 den Beschluss der birmanischen Regierung verurteilt, den Hausarrest

der Leiterin der Nationalen Liga für Demokratie, Daw Aung San Suu Kyi, zu verlängern, und das

Militärregime aufgefordert, Daw Aung San Suu Kyi und alle anderen politischen Gefangenen frei-

zulassen und im Hinblick auf eine echte nationale Versöhnung und die Einführung der Demokratie

einen wirklichen Dialog zwischen allen politischen und ethnischen Kräften des Landes herzustellen.

Die EU bringt ferner die Menschenrechtslage in Birma/Myanmar bei Treffen mit asiatischen Part-

nern regelmäßig zur Sprache, um ihnen die Anliegen der EU zu vermitteln und sie zu ermutigen,

sich stärker für einen Übergang zur Demokratie in Birma/Myanmar einzusetzen. Mit gleich

gesinnten Partnern prüft die EU regelmäßig, wie sich das Andringen auf einen Wandel in diesem

Land intensivieren lässt. Die EU ist nach wie vor besorgt über die Ereignisse, aufgrund deren

immer mehr Menschen insbesondere aus dem Karenstaat fliehen. Ein weiterer Anlass zu ernster

Sorge ist, dass noch immer über Zwangsarbeit in Birma/Myanmar berichtet wird. Im April 2006 hat

die EU ihren Gemeinsamen Standpunkt über restriktive Maßnahmen gegen diejenigen in

Birma/Myanmar, die den größten Nutzen aus dem Missbrauch der Staatsgewalt ziehen, und die-

jenigen, die den zu nationaler Aussöhnung, Achtung der Menschenrechte und Demokratie füh-

renden Prozess aktiv behindern, um weitere zwölf Monate verlängert.

Der Dritte Ausschuss der VN-Generalversammlung hat auf seiner 60. Tagung eine von der EU

vorgelegte Resolution über Birma/Myanmar angenommen (Näheres siehe Kapitel 5.1.).

Drucksache 16/5603 – 232 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Januar 2006 hat die EU ihre Besorgnis über die sich ihrer Ansicht nach verschlechternde politi-

sche Lage in Kambodscha bekundet, die Ende Dezember 2005 ihren Höhepunkt in der Verhaftung

des Direktors des kambodschanischen Zentrums für Menschenrechte fand. Zwar zerstreute die spä-

tere Freilassung dieses Menschenrechtsverteidigers sowie anderer Personen, die infolge der Ereig-

nisse vom 10. Dezember 2005, dem Menschenrechtstag, verhaftet worden waren, in gewissem

Maße die Bedenken, jedoch verfolgt die EU die Entwicklungen in Kambodscha weiterhin aufmerk-

sam. Die jüngsten Berichte über Korruption sind für die EU ebenfalls ein Anlass zu ernster Besorg-

nis. Die Aneignung von Land in Kambodscha stellt nach wie vor ein Problem dar, das vor allem die

Armen betrifft.

Laos ist nach wie vor ein Einparteienstaat, in dem eine ganze Reihe bürgerlicher und politischer

Rechte eingeschränkt sind. Die Zustände in den Gefängnissen geben weiterhin Anlass zu ernster

Besorgnis. Die EU ist nach wie vor besorgt über die Lage der laotischen Hmongs, unter anderem

über das Schicksal von 26 Kindern, deren Rückführung aus Thailand nach Laos vielfach kritisiert

wurde. Sie ist ferner sehr besorgt über einen Zwischenfall in der Provinz Luang Prabang (Laos), bei

dem angeblich mehrere laotische Hmongs – vorwiegend Frauen und Kinder – getötet wurden. Die

EU unterstützt die Bemühungen des Landes zur Ratifizierung und Umsetzung völkerrechtlicher

Bestimmungen und sonstige Anstrengungen zur Konsolidierung des Rechtsstaates in Laos.

In Thailand gibt die Gewalt in den Südprovinzen weiterhin Anlass zu ernster Besorgnis. Die EU

hält weiterhin engen Kontakt zur thailändischen Regierung und verfolgt die Entwicklungen; sie hat

ihrer Besorgnis über die zahlreichen Todesopfer Ausdruck verliehen, die sich seit Januar 2004 auf

über 1.000 getötete Zivilpersonen und Angehörige der Sicherheitskräfte belaufen. Der Bericht der

Nationalen Versöhnungskommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Premierministers Anand

Panyarachun ist zwar veröffentlicht worden, die darin enthaltenen Empfehlungen sind aber weder

offiziell unterstützt noch ausführlich öffentlich diskutiert worden. Weiterhin ungeklärt sind ver-

schiedene Fälle verschwundener Personen, so auch der Fall des Menschenrechtsanwalts Somchai

Neelapachit. Die derzeitige politische Krise in Thailand hat auch die Lage im Süden des Landes

überschattet.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 233 – Drucksache 16/5603

Die EU hat sich im Berichtszeitraum weiterhin für die aktive, nachhaltige und konstruktive Förde-

rung der Menschenrechte in China eingesetzt. Sie nutzt den konstruktiven Dialog nach wie vor als

bevorzugtes Mittel des Gedankenaustauschs im Interesse einer Verbesserung der Menschenrechts-

lage in China. Menschenrechtsfragen werden zwischen der EU und China sowohl im Rahmen ihres

politischen Dialogs als auch eines speziellen Menschenrechtsdialogs erörtert (vgl. auch Kapitel

3.4.2). Auf dem achten Gipfeltreffen zwischen der EU und China vom 5. September 2005 in Peking

wurde die Verpflichtung zur weiteren Förderung der Zusammenarbeit und des Austauschs in

diesem Bereich erneut bekräftigt. Die 20. Runde des Menschenrechtsdialogs EU-China fand am

24. Oktober 2005 in Peking statt, die 21. Runde am 25./26. Mai 2006 in Wien. Im Vordergrund

standen unter anderem die Beschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Religionsfreiheit,

die Todesstrafe und die Verwaltungshaft sowie das System der Umerziehung durch Arbeit. Die EU

hat ihre Besorgnis hinsichtlich der Religionsfreiheit und der Rechte der Angehörigen von

Minderheiten in Tibet und der Region Xinjiang geäußert und drängt auf die Umsetzung der

Empfehlungen, die der Sonderberichterstatter gegen Folter, Manfred Nowak, nach seinem jüngsten

Besuch abgegeben hat. Die EU hat im Rahmen des Menschenrechtsdialogs eine Liste von

Besorgnis erregenden Einzelfällen vorgelegt und außerdem mehrfach Demarchen in einzelnen

Menschenrechtsfällen unternommen. Die europäischen und die chinesischen Behörden haben im

Rahmen des Dialogs zwei Menschenrechtsseminare veranstaltet, und zwar am 12./13. Dezember

2005 in London und am 22./23. Mai 2006 in Wien.

Aufgrund der Besorgnis erregenden Entwicklungen in China hin zu mehr Einschränkungen für die

Medien und das Internet, Verhaftungen und Einschüchterung von Journalisten und Einzelpersonen

sowie die Schließung von Zeitungen ist die Freiheit der Meinungsäußerung eines der größten

Anliegen. Es wurden neue rechtliche, technische und politische Mittel zur Überwachung und Ein-

schränkung des Informationsflusses und des Meinungsaustauschs in verschiedenen Medien einge-

setzt, darunter Beschränkungen in Bereichen, in denen die Bürger zuvor Freiheiten genossen hatten,

wie etwa private Blogs im Internet. So hat die EU als Schwerpunktthema die Menschenrechts-

erziehung und Frauen, die Menschenrechte verteidigen, in den Vordergrund gestellt. Sie erwartet,

dass China den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, dem es sich verpflichtet

hat, baldmöglichst ratifiziert.

Drucksache 16/5603 – 234 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Administrative Strafen in Form von Umerziehung durch Arbeit stellen nach wie vor einen schwer-

wiegenden Verstoß gegen die Menschenrechte dar. Nach einigen gesetzgeberischen Maßnahmen ist

nunmehr zu erwarten, dass Einsprüche gegen die Todesstrafe mit mehr Offenheit behandelt werden,

allerdings legt China nach wie vor keine Statistiken über die Todesstrafe offen, und gibt damit

Anlass zur Besorgnis über die Anzahl der jährlich hingerichteten Personen. Minderheiten in

Xinjiang sehen sich aus Furcht der Zentralregierung vor Uighur-Aktivisten, die die Unabhängigkeit

von Ost-Turkestan anstreben, Repressionen ausgesetzt.

Die Menschenrechtslage in der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) gilt gemeinhin als

eine der schlechtesten weltweit. Die EU hat im Herbst auf der Tagung des Dritten Ausschusses der

Generalversammlung der Vereinten Nationen eine länderspezifische Resolution eingebracht, in der

die EU die DVRK auffordert, sämtliche Menschenrechte und Grundfreiheiten in vollem Umfang zu

achten, die Qualität der humanitären Hilfe sicherzustellen und uneingeschränkt mit dem Sonderbe-

richterstatter der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten (zu näheren Einzelheiten siehe

Kapitel 5.1). In der Resolution der VN-Generalversammlung werden Maßnahmen der Vereinten

Nationen für den Fall vorgeschlagen, dass die DVRK weiterhin die Aufforderungen der Menschen-

rechtskommission zur Verbesserung der Menschenrechtssituation ignoriert.

Die EU hat im Frühjahr 2006 besondere Anstrengungen unternommen, um die DVRK davon zu

überzeugen, von der Todesstrafe abzurücken, und hat außerdem betont, dass die Zusammenarbeit

der DVRK mit dem VN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in der DVRK, Professor Vitit

Muntarbhorn, wünschenswert wäre. Sie ist besorgt über die Schwierigkeiten, mit denen sich euro-

päische NRO und humanitäre Hilfsorganisationen aufgrund der von Pyongyang ergriffenen restrik-

tiven Maßnahmen konfrontiert sehen.

In Indonesien erkennt die EU eine neue Entschlossenheit der Regierung, Menschenrechtsbelange

anzugehen. Sie ist jedoch nach wie vor besorgt über die Menschenrechtslage in bestimmten Regi-

onen, wie Papua und Zentral-Sulawesi. Die EU hat weitere Demarchen betreffend die Todesstrafe

in Indonesien unternommen und zeigt sich nach wie vor besorgt darüber, wie schwierig es ist, Per-

sonen, die schwere Menschenrechtsverletzungen verübt haben, vor Gericht zu bringen. Ferner hat

die EU in Gesprächen mit der indonesischen Regierung die Lage von religiösen Minderheiten zur

Sprache gebracht.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 235 – Drucksache 16/5603

Die EU konnte durch die Aceh-Beobachtermission zu einer deutlichen Verbesserung der

Menschenrechtslage in der Provinz Aceh beitragen, da die Überwachung der Menschenrechte eine

der zentralen Aufgaben dieser Mission ist. Dies wurde auch durch die Ernennung eines stellvertre-

tenden Missionsleiters für Wiedereingliederung, Amnestie und Menschenrechte deutlich (zu

Einzelheiten siehe Kasten über die Aceh-Beobachtermission unter Kapitel 3.1).

Die EU hat sehr aufmerksam die Entwicklungen in Timor-Leste verfolgt, wo sich die Lage im

Bereich der inneren Sicherheit im Frühjahr 2006 erheblich verschlechtert hat. Gewalttätige Aus-

schreitungen und Unruhen gefährdeten die Fortschritte, die der jüngste asiatische Staat seit seiner

Unabhängigkeit im Jahr 2002 erzielt hat. Die EU hat auch auf Ebene des Europäischen Rates

(Tagung vom Juni 2006) ihre große Besorgnis angesichts der Entwicklungen im Land zum

Ausdruck gebracht und hat begrüßt, dass Portugal auf Drängen der Regierung von Timor-Leste

Polizeibeamte entsandt hat, um zur Aufrechterhaltung der Sicherheit vor Ort beizutragen. Die EU

betont, dass eine gerechte Bestrafung für die schwerwiegenden Verstöße gegen die Menschenrechte

in Timor-Leste von 1999 erfolgen muss. Sie hebt ferner das Ziel der internationalen Gemeinschaft

hervor, das Land bei der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und dem Prozess der

Aussöhnung der Konfliktparteien zu unterstützen. Im Mai 2006 hat die EU ihre Besorgnis ange-

sichts der Entwicklungen in dem Land geäußert und hat die positiven Reaktionen verschiedener

Regierungen auf die Bitten der Regierung von Timor-Leste, das Land bei der Wiederherstellung

und Aufrechterhaltung der Sicherheit zu unterstützen, begrüßt. Am 9. Juni 2006 hat die

Kommission ein Länderstrategiepapier und ein indikatives Programm unterzeichnet, die zusammen

mit der Unterstützung für die ländliche Entwicklung vorrangig auf den Aufbau institutioneller

Kapazitäten abzielen. Die EU nahm zur Kenntnis, dass das Büro des Provedors für Menschenrechte

und Justiz seine Tätigkeit aufgenommen hat, was einen positiven und wichtigen Schritt auf dem

Weg des Landes hin zur vollständigen Ausübung der staatlichen Funktionen darstellt.

Drucksache 16/5603 – 236 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ungeachtet der kontinuierlichen Fortschritte im Bereich der Menschenrechte in den Philippinen

während der letzten Jahre war die EU dennoch besorgt darüber, dass am 24. Februar 2006 der Aus-

nahmezustand ausgerufen wurde. Sie hat die philippinische Regierung in verschiedenen Kontakten

mit dem Amt für Auswärtige Angelegenheiten der Philippinen aufgefordert, die Menschenrechte

und die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, und hat die Hoffnung geäußert, dass der Ausnahmezustand

rasch aufgehoben werde. Tatsächlich wurde der Ausnahmezustand am 3. März 2006, eine Woche

nachdem er verhängt worden war, wieder aufgehoben. Die EU hat nachdrücklich als positiven

Faktor begrüßt, dass Präsidentin Arroyo am 24. Juni 2006 das Gesetz zur Abschaffung der Todes-

strafe unterzeichnet hat. Die EU verfolgt kontinuierlich die Menschenrechtssituation in den

Philippinen und hat ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die meisten Menschen-

rechtsübereinkommen, -pakte und -verträge, insbesondere was außergerichtliche Hinrichtungen

(von politischen Aktivisten, Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, Richtern und Anwälten)

anlangt, nur unzureichend angewendet werden. Die Philippinen wurden im April 2006 in die Liste

vorrangiger Länder in Bezug auf Kinder und bewaffnete Konflikte aufgenommen.

6.5. Naher und Mittlerer Osten

In Iran kommt es weiterhin zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Seit dem letzten Jahresbe-

richt sind in den Hauptproblembereichen wenige bis gar keine Fortschritte zu verzeichnen, in

vielerlei Hinsicht hat sich die Situation sogar verschlechtert. Die Todesstrafe wird selbst bei

jugendlichen Straftätern oft verhängt. Die Freiheit der Meinungsäußerung ist stark eingeschränkt.

Häufig wird von Folter berichtet. Menschenrechtsverteidiger berichten weiterhin von Schikanen

und Einschüchterungen. Die EU ist nach wie vor sehr besorgt darüber, wie Iran religiöse und

ethnische Minderheiten behandelt und sie wirtschaftlich und sozial diskriminiert. Die EU bleibt

besorgt angesichts des Ausbleibens effizienter Maßnahmen zur Reform der Gesetze, Einrichtungen

und staatlichen Praktiken, die Menschenrechtsverletzungen Vorschub leisten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 237 – Drucksache 16/5603

EU-Vertreter haben während des Berichtszeitraums wiederholt Menschenrechtsfragen bei der

iranischen Regierung angesprochen. Erörtert wurden unter anderem die Verhängung der Todes-

strafe oder der Auspeitschung gegen jugendliche Straffällige, die Schikanierung von friedlich ihre

Meinung äußernden Bürgern durch die Behörden sowie die Verfolgung religiöser Minderheiten,

insbesondere der Bahá'is und der Sufis. Die EU hat zudem ihre Besorgnis über die starke

Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit geäußert, wozu die Schließung von Zeitungen, das

harte Vorgehen gegen Web-Blogger und die Haft von politischen Gefangenen gehören. Im

vorliegenden Berichtszeitraum hat im Rahmen des Menschenrechtsdialogs der EU mit Iran keine

Sitzung stattgefunden (nähere Angaben dazu in Kapitel 3.4.2). Im Dezember 2005 haben alle

EU-Mitgliedstaaten bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution über die

Menschenrechte in Iran mit eingebracht. In dieser Resolution wird große Besorgnis über die

kontinuierlichen Verletzungen der Menschenrechte zum Ausdruck gebracht, und Iran wird

aufgerufen, sich an die von ihm freiwillig eingegangenen internationalen Verpflichtungen zu halten.

Die Förderung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit steht bei den

Beziehungen der EU zu Irak im Mittelpunkt. Die EU leistete im Jahr 2005 beträchtliche Unter-

stützung im Rahmen des Prozesses der Verfassungsgebung und der anstehenden Wahlen; neben

umfangreichen Finanzmitteln stellte die EU auch eine Reihe von Experten, die die Unabhängige

Irakische Wahlkommission bei der Vorbereitung der Wahlen im Dezember unterstützt haben. Im

Rahmen der integrierten Rechtsstaatlichkeitsmission der EU für Irak (EUJUST LEX) hat die EU

seit Juli 2005 für etwa 700 hochrangige Beamte der irakischen Polizei-, Gerichts- und Strafvoll-

zugsbehörden in EU-Mitgliedstaaten Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt, die der Verbesserung

ihrer Führungskapazitäten und ihrer Kompetenz bei strafrechtlichen Ermittlungen dienen. Auf

Ersuchen Iraks wurde die Mission um weitere 18 Monate bis Ende 2007 verlängert.

Drucksache 16/5603 – 238 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU und Irak haben im September 2005 eine Gemeinsame Erklärung zum politischen Dialog

unterzeichnet. Die EU hat diesen Dialog benutzt, um der Verwirklichung ihrer Ziele im Menschen-

rechtsbereich näher zu kommen und ihre Bedenken zu Menschenrechtsfragen in Irak vorzubringen.

Die EU hat ihre Enttäuschung darüber, dass Irak im September 2005 die Todesstrafe wieder einge-

führt hat, zum Ausdruck gebracht und seither wiederholt ihre Abschaffung gefordert. Weitere

Bedenken betrafen unter anderem die Vorschriften für die Registrierung und die Arbeit von NRO

sowie Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen durch irakische Sicherheitskräfte.

Im Juni 2006 hat der Europäische Rat das Programm der neuen Regierung Iraks begrüßt, in dem

diese sich zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und zur Förderung der nationalen Einheit und der

Aussöhnung verpflichtet, und die Bereitschaft der EU bekräftigt, Irak in diesen Bereichen zu unter-

stützen.

In Saudi-Arabien kam es im letzten Jahr zu einigen positiven Entwicklungen, doch geht der

Reformprozess weiterhin nur langsam voran. Zu den Verbesserungen im Bereich der Menschen-

rechte gehörten Wahlen in Berufsverbänden, die Einsetzung einer Regierungskommission für

Menschenrechte und die Fortsetzung eines nationalen Dialogs. Menschenrechtsangelegenheiten

rücken in Saudi-Arabien auch immer mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Im Dezember be-

grüßte die EU die Wahl von zwei Frauen in den Vorstand der Handelskammer von Djidda; es

handelte sich um die ersten Wahlen für eine öffentliche Körperschaft in Saudi-Arabien, bei denen

sich Frauen zur Wahl stellen konnten. Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien gibt jedoch nach

wie vor Anlass zu ernster Besorgnis, und die EU hat ihre entsprechenden Bedenken weiterhin bei

den saudischen Behörden angesprochen. Demarchen wurden insbesondere wegen der Anwendung

der Todesstrafe unternommen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 239 – Drucksache 16/5603

6.6. Analyse der länderspezifischen Maßnahmen

Bei einem derartigen Überblick, auch wenn er eher kurz ausfallen muss und nicht auf alles eingehen

kann, wird deutlich, dass die Tätigkeiten der EU im Bereich der Menschenrechte in ver-

schiedenen Teilen der Welt einen Recht beträchtlichen Umfang angenommen haben. Die

Regionalausschüsse erörtern regelmäßig länder- und regionenspezifische Menschenrechtsfragen.

Der Persönliche Beauftragte des Generalsekretärs/Hohen Vertreters für Menschenrechte hat

beispielsweise Regionalausschüsse besucht, und dies hat dazu beigetragen, die Umsetzung der

Prioritäten und Leitlinien der Menschenrechtspolitik der Union im regionalen Kontext

herauszustellen.

Ein weiteres Beispiel ist die Mission zur zivilen Krisenbewältigung in Aceh/Indonesien, bei der die

Menschenrechtsbeobachtung erstmals einen wichtigen Bestandteil ausmache. Es gibt noch viele

Möglichkeiten zur Verankerung eines menschenrechtspolitischen Ansatzes bei der Umsetzung der

EU-Politik.

Diese Entwicklung zeigt einmal mehr, wie wichtig die laufenden Bemühungen sind, eine

Einbeziehung der Menschenrechte in alle Politikbereiche zu fördern und für Kohärenz und

Stimmigkeit der Politik und der Maßnahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten im Bereich der

Menschenrechte zu sorgen. Misserfolge oder Widersprüchlichkeiten in diesem Bereich würden zu

einer Abnahme der Glaubwürdigkeit unserer Politik führen.

Betrachtet man die Politik der EU auf Länderebene, so wird zudem der sehr enge Zusammenhang

zwischen der Menschenrechtsarbeit und der Förderung von Demokratie ersichtlich. Diese

beiden Themenbereiche sind inhaltlich eng verbunden, und die der Verwirklichung dieser Ziele

dienenden Arbeiten sollten nicht voneinander getrennt werden. Auch die enge Zusammenarbeit

mit der Zivilgesellschaft und mit Menschenrechtsverteidigern muss in diesem Zusammenhang

hervorgehoben werden.

Drucksache 16/5603 – 240 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. FAZIT

Dieser achte Jahresbericht zur Menschenrechtslage verdeutlicht, in welchem Maß Menschenrechte,

Demokratie und verantwortungsvolle Staatsführung nun die Außen- wie die Innenpolitik der EU

entscheidend mitbestimmen. Durch die Zunahme der Zahl der Mitgliedstaaten ist die

Notwendigkeit, internen Fällen von Menschenrechtsverletzungen in der EU nachzugehen und sie

abzustellen, noch stärker ins Bewusstsein getreten. Die EU muss unter Beweis stellen, dass sie die

Menschenrechte innerhalb ihrer Grenzen in vollem Umfang achtet und effizient auf eventuelle

Verstöße reagiert. Nur dann wird sie in internationalen Gremien größere Autorität erhalten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 241 – Drucksache 16/5603

ANLAGE I

OVERVIEW OF PROJECTS SELECTED FOR SUPPORT UNDER THE EIDHR

BETWEEN 1 JULY 2005 AND 30 JUNE 2006

I/ Projects selected through Global Calls for Proposals96

Support for the abolition of the death penalty

Organisation Project Title Country
Max. EC

contribution
The Independent Jamaica
Council for Human Rights

Advocacy for the Abolition of the Death
Penalty

Jamaica 320.000 €

International Helsinki
Federation for Human Rights

A Coordinated Civil Society Campaign to
Abolish the Death Penalty in Central
Asian States

Kazakhstan 423.694 €

Nederlandse organisatie voor
internationale ontwikkelings-
samenwerking

Awareness raising and lobbying against
the Death Penalty in the occupied
Palestinian Territory

WB Gaza 298.339 €

Collectif des Ligues et
Associations de Défense des
Droits de l'Homme au Rwanda

Campagne de plaidoyer pour l'abolition
de la peine de mort au Rwanda

Rwanda 300.000 €

Inter Press Service International
– IPS

Strengthening Awareness on the
Abolition of the Death Penalty – A Global
Media and Communications Project to
Promote Human Rights, Democracy and
Conflict Prevention

Worldwide 314.921 €

96 Final selection for the current 4 EIDHR calls will be concluded by September. It is envisaged

that approximately 135 projects will be selected.

Drucksache 16/5603 – 242 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Prevention of torture

Organisation Project Title Country
Max. EC

contributio
n

Avocats sans Frontières L'émergence du droit à un procès
équitable pour les victimes de torture au
Burundi

Burundi 920.000 €

Great Britain China Centre Cutting Torture in the People's Republic
of China: From Impunity to
Accountability

China 583.845 €

Friedrich Naumann Stiftung Eliminating Torture in India: from Public
Awareness to State Accountability

India 1.349.735 €

Italian Consortium of Solidarity Coalition Against Torture - Preventing
Torture in Israel and the Occupied
Territories

Israel 357.268 €

Associazione Italiana Donne
Per Lo Sviluppo

Innovative tools for the abandonment of
the practice of female genital mutilation /
cutting (FGM/C)

Kenya 304.936 €

Toplum ve Hukuk Arastirmalari
Vakfi / Foundation for Social
and Legal Studies

TOHAV Prevention of Torture Project Turkey 268.090 €

Helsinki Citizens' Assembly –
Turkey

Strategic Mapping of Torture in Turkey,
STRA-MAP

Turkey 205.300 €

The Omega Research
Foundation

Tracking the Supply of Torture
Instruments - Developing Controls and
Strengthening Civil Society Monitoring

Worldwide 497.813 €

The International Rehabilitation
Council for Torture Victims

Mobilising available knowledge in torture
rehabilitation centres for more
professional and efficient initiatives
building on the further implementation of
the Istanbul Protocol

Worldwide 870.770 €

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 243 – Drucksache 16/5603

Rehabilitation of victims of torture

Organisation Project Title Country
Max. EC

contribution

Medica Tirana New approach to gender-specific trauma
work with female torture survivors

Albania 241.211 €

Centro de Investigación y
tratamiento del stress

Proyecto integral de rehabilitación a
afectados por la tortura y otras violaciones
a los derechos humanos en el Cono Sur de
América Latina. Contribución a la lucha
contra la impunidad y por la prevención
de la tortura.

Chile 1.035.000 €

Human Rights Foundation of
Turkey

Project concerning the treatment and
rehabilitation centres for torture survivors

Turkey 736.840 €

IFF-Refugio München Partnership for Health Care,
Rehabilitation and Support for Survivors
of Torture, Gross Human Rights
Violations and War and their Families in
Germany

Worldwide 1.500.000 €

Consiglio Italiano per i
Rifugiati

VI.TO. Hospitality and Care of Victims of
Torture

Worldwide 596.880 €

SPIRASI - The centre for care
of survivors of torture (ccst)

The Centre for the Care of Survivors of
Torture (CCST) at SPIRASI: Core costs
for rehabilitation services and institutional
strengthening

Worldwide 693.222 €

Drucksache 16/5603 – 244 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Behandlungszentrum
Folteropfer Klinikum

Multimodal Rehabilitation of Torture
Victims and their Families in Germany
and Ukraine

Worldwide 1.132.320 €

ICAR Foundation Providing rehabilitation and seeking
justice for victims of torture

Worldwide 697.509 €

The Kosovo Rehabilitation
Centre for Torture Victims

Rehabilitation of Torture Victims and
Torture Prevention

Worldwide 571.134 €

Psycho-Social Centre for
Refugees Düsseldorf e.V.-
Psychosoziales Zentrum für
Flüchtlinge Düsseldorf

Beyond PTSD – Life after Torture Worldwide 544.500 €

Terre des Hommes Italia Onlus Fortalecimiento del servicio de
Rehabilitación psicosocial de niños, niñas,
jóvenes y sus familias victimas de tortura
en Colombia ofrecido por el Centro de
Atención Psicosocial en Bogotá y las
regiones

Colombia 412.665 €

The international psycho -
Rehabilitation centre for
victims of torture, violence and
pronounced

The programme of rehabilitation of
torture victims in Georgia

Georgia 487.500 €

Treatment and Rehabilitation
Center for Victims of Torture

Strengthening of Rehabilitation Services
to Victims of Torture in the North and
South of the West Bank

WB Gaza 966.701 €

Red de Apoyo por la Justicia y
La Paz

Atención Integral a Víctimas de Tortura
en Venezuela

Venezuela 218.000 €

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 245 – Drucksache 16/5603

Combating impunity through international justice

Organisation Project Title Country
Max. EC

contribution

Avocats sans Frontières Renforcer les capacités des acteurs locaux
oeuvrant dans l'assistance juridique des
prévenus et des victimes de crimes
internationaux

DR Congo 941.280 €

OXFAM Generando condiciones políticas, jurídicas y
ciudadanas para crear/modificar los
mecanismos de exigibilidad existente la
ratificación del Estatuto de Roma en Chile

Chile 478.317 €

Parliamentarians for
Global Action

Parliamentary Campaign for the Universality
of the Rome Statute (PGA ICC Campaign)

Worldwide 900.000 €

World Federalist
Movement Institute for
Global Policy on behalf of
the NGO Coalition

NGO Coalition for the International Criminal
Court ("CICC" or "Coalition"), a project of
the World Federalist Movement-Institute for
Global Policy ("WFM-IGP").

Worldwide 1.000.000 €

Gustav-Stresemann
Institute e.V. GSI
Academy for European
Politics and Economics

Information & ratification campaign on the
ICC in Russia, Turkey and Central Asian
Countries

Worldwide 768.620 €

Comitato non c'e pace
senza giustizia
associazione

Combating impunity: a global campaign for
the universality and effectiveness of an
international criminal justice system.

Worldwide 611.783 €

Drucksache 16/5603 – 246 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Support for democracy, good governance and the rule of law

Organisation Project Title Country
Max. EC

contributio
n

Comitato Internazionale Per Lo
Sviluppo Dei Popolu CISP

Appui à l'éducation, à la citoyenneté et à
la restauration d'espace de dialogue
démocratique dans les régions de Kabylie,
Boumerdes et Alger

Algeria 752.700 €

Avocats Sans Frontières Appui à un meilleur accès à la justice des
populations les plus vulnérables en
Algérie.

Algeria 742.720 €

IMED Istituto per il
mediterraneo

Actions pour l'Intégrité Physique, les
Droits humains et l'Autonomie des
Femmes

Algeria 385.732 €

Search for common ground Enhancing the Capacity of Media and
Civil Society to Contribute to Sustainable
Peace in Angola

Angola 634.662 €

Terre des Hommes Italia Onlus Developing a rights-based approach for
anti-trafficking actions in South Asia

Bangladesh 948.299 €

Concern Universal Prevention of Cross-Border Trafficking of
Women and Children

Bangladesh 566.700 €

Handicap International Self Help and Advocacy for Rights and
Equal opportunities for people with
disabilities in South east Europe (Share-
See)

BiH 600.000 €

RCN Justice et Démocratie Programme d'appui à la justice au
Burundi: Pour une égale protection devant
la loi: Volet projet d'Appui à la société
civile (ASC)

Burundi 952.043 €

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 247 – Drucksache 16/5603

Forum pour le renforcement de
la société civile

Projet de renforcement du cadre de
concertation de la société civile
Burundaise

Burundi 165.836 €

Comunita Impegno Servizio
Volontariato CISV

Renforcement des capacités des
institutions et de la société civile dans la
Province de Karusi

Burundi 376.571 €

BBC World Service Trust Tuning into Human Rights: Improving the
Coverage of Human Rights and
Democratisation Issues on Chinese
Television

China 679.099 €

The Rights Practice Strengthening democratic processes in
China: public participation in decision-
making

China 315.847 €

The Centre on Housing Rights
and Evictions

Human Rights Defence and the
Consolidation of Civil Society in
Colombia: Promoting and Protecting the
Human Rights of Internally Displaced
Persons in Colombia

Colombia 355.974 €

Corporación Susma Mujer Observatorio de Los Derechos Humanos
de Las Mujeres en Colombia

Colombia 200.007 €

Comitato Internazionale Per Lo
Sviluppo Dei Popoli

Programa de Fortalecimiento de los
Sistemas de Gobierno Local, la
Democracia y el Estado de Derecho

Colombia 1.499.904 €

Istituto Sindacale di
Cooperazione allo Sviluppo
Marche

Enhancing the role of the Unions in
defence of the workers' rights as an
integral part of human rights as defined by
the ILO Fundamental Conventions

Eritrea 406.326 €

Drucksache 16/5603 – 248 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

HABEN The Human Rights Approach to Civil
Society Capacity Development in Eritrea
(HRA/CSCD-Eritrea)

Eritrea 214.784 €

Live & Learn
Environmental
Education

Imagining Tomorrow; Towards a Peace
Building Education for Children

Fiji 200.000 €

Georgian Young Lawyers'
Association

Strengthening Rule of Law in Georgia Georgia 300.000 €

Women in law and
Development in Africa /
Femmes, Droit et
Développement en Afrique
– Bureau sous rég

Bonne gouvernance et participation des
femmes dans sept pays d'Afrique de
l'Ouest

Ghana 1.019.608 €

OXFAM GB Community Networks for Democracy and
Human Rights in Guatemala

Guatemala 465.000 €

DanChurchAid Promoting Civil Society Control of
Government Security Services in
Guatemala through Increased
Accountability, Transparency, and
Responsibility

Guatemala 420.000 €

Cooperazione
Internazionale

Fortalecimiento de la capacidad de
incidencia de la sociedad civil
guatemalteca en los procesos de
representación democratica y de
protección de los derechos civiles

Guatemala 907.000 €

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 249 – Drucksache 16/5603

HIVOS - Humanistic
Institute for Cooperation
with Developing Countries

Proyecto Kiem - Tejiendo Redes
Contra la Impunidad

Guatemala 809.829 €

Associazione Volontari per
Il Servizio Internazionale

« Respekte moun, bati kay » «
Respectez tout le monde et
contribuez à la reconstruction de
l'Homme ». Projet intégré pour la
résolution des conflits familiaux
et socio-politiques

Haiti 976.000 €

Initiative de la Société
Civile

Participation de la société civile à
l'amélioration de la gouvernance
du pays

Haiti 282.151 €

National Peace Campaign Conflict Resolution and Peace-
building in Nepal: A Project
Proposal for Capacity Building.

India 299.520 €

Worldview Nepal Towards Conflict Transformation
Through A More Independent
Media And Increased Citizen
Participation

India 299.251 €

Internews Europe Community Radio: Assisting
Indonesia's new media expansion

Indonesia 638.772 €

Adallah: the legal centre for
arab minority rights in
Israel

Promoting Access to the Israeli
Legal System for Arab Citizens
of Israel

Israel 513.684 €

Bimkom – Planners for
Planning Rights

Public Outreach and Advocacy
Campaign to strengthen the rights
of minorities in the field of spatial
planning

Israel 295.799 €

The Public Committee
against
Torture in Israel

Capacity building project to
combat the legitimisation of
torture in Israel

Israel &
WB Gaza

230.287 €

Drucksache 16/5603 – 250 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Comitato di Coordinamento
delle Organizzazioni per il
Servizio Volontario

Civil society and public
administrations: working together
to protect human rights in Maputo
Province, Mozambique

Mozambique 638.144 €

Istituto Sindacale per la
Cooperazione allo Sviluppo

Supporting and networking Civil
Society Organisations and Public
Institutions for an improved
capacity to face Human Rights
issues in Mozambique

Mozambique 672.554 €

Instituto Marquês de Valle
Flôr

Civic Education and Promotion of
Human Rights

Mozambique 713.133 €

BBS World Service Trust Budget monitoring through the
Nigerian media

Nigeria 1.243.746 €

The Law Society of
England and Wales

The Nigeria Law Project Phase 2 Nigeria 1.001.456 €

Centre for Democracy &
Development

Strengthening Budget
Transparency through Public
Participation: Monitoring NEEDS
and SEEDS in Nigeria:

Nigeria 1.200.000 €

Development Initiatives
Network

Project on Gender Budget
Transparency and accountability

Nigeria 150.000 €

Konrad-Adenauer-Stiftung Strengthening civil society
through enhancing the
accountability and good
governance in the NGO sector

WB Gaza 320.000 €

The Democracy and
Workers'
Rights Center in Palestine

Promoting good governance
among Palestinian civil society
organisations

WB Gaza 217.298 €

Palestinian Centre for
Human Rights

Prisoner Rights and Democratic
Development

WB Gaza 293.225 €

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 251 – Drucksache 16/5603

The Law Society of
England and Wales

The Pakistan Bar to provide free
legal representation for children
in detention

Pakistan 574.818 €

Gruppo Volontariato Civile Conflictos Interculturales: Una
respuesta democrática y
participativa regional desde
Bolivia, Ecuador y Perú.

Peru 1.151.746 €

London School of
Economics and Political
Science

Russian human rights networks
for conscripts and the military:
Joint action for the rule of law.

Russia 1.285.500 €

RCN Justice et Démocratie Appui aux institutions judiciaires
et à la société civile, pour une
meilleure application des
principes fondamentaux de droit
rwandais.

Rwanda 960.000 €

Collectif des Ligues et
Associations de Défense des
Droits de l'Homme au
Rwanda

Projet d'appui de la société civile
au processus Gacaca au Rwanda
(P.A.P.G), Phase II.

Rwanda 599.607 €

CARE UK Rights Awareness and Action
project

Rwanda 1.372.662 €

Christian Aid /GB Leh Wi Push Pis – strengthening
democratisation and human rights
in Sierra Leone

Sierra Leone 867.093 €

Association Enfants du
Monde- droits de l'Homme

Centre pour la promotion des
droits de l'enfant

Sudan 480.000 €

Avocats Sans Frontières Renforcement du rôle de l'avocat
au Cambodge pour une justice
plus équitable

Thailand 443.833 €

Drucksache 16/5603 – 252 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Cambodian Defenders
Project

Cambodian Defender's Project
(CDP) Legal Aid and Rule of
Law Advocacy Action

Thailand 926.706 €

CARE Deutschland Promotion of Human Rights and
Legal Assistance in the Context
of Sexual Behaviour

Thailand 640.000 €

Institute for international
assistance and solidarity

Civil Rights for South East
Anatolia

Turkey 295.958 €

Counterpart Creative Center Improving access to justice for
rural population

Ukraine 445.562 €

Movimento Laici America
Latina

La participación democrática de
los jóvenes: una promesa de
futuro para los países miembros
de MERCOSUR y Chile

Uruguay 1.199.770 €

HIVOS - Humanistic
Institute For Cooperation
with Developing Countries

Capacity building of human right
defenders in Zimbabwe to
optimise their basic human rights
work in the prevailing legal and
socio-political environment.

Zimbabwe 852.330 €

Media Monitoring Project
Zimbabwe

50% Core funding for Media
Monitoring Project of Zimbabwe
(MMPZ

Zimbabwe 154.519 €

Institut Arabe des Droits de
l'Homme

Renforcement des capacités de la
société civile en vue d'une
participation effective aux
transformations démocratiques et
à l'élaboration et la mise en œuvre
de stratégies nationales pour la
promotion des droits de l'homme
dans le Monde arabe

Arab world 735.107 €

Euro-Mediterranean Human
Rights Network

Developing Synergies between
regional and local human rights
work, the human rights
instruments of the Barcelona
Process as well as the wider Arab
World

Arab world 1.000.000 €

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 253 – Drucksache 16/5603

Support for promoting the rights of indigenous peoples

Organisation Project Title Country
Max. EC

contribution

OXFAM UK Positive Action by Brazilian Indigenous
Peoples through International Human
Rights Instruments

Brazil 577.862 €

Forest Peoples Project Securing the Rights of Indigenous Forest
Peoples in Central Africa through
Capacity Building and Legal and Human
Rights Support at the Local, National and
International Levels.

Cameroon 455.000 €

Corporación ONG de Desarrollo
Lonko Kilapang

Formación de líderes mapuche para
conocer y ejercer sus derechos y participar
en la generación o adecuación de
instrumentos jurídicos nacionales e
internacionales

Chile 172.977 €

Paz y Tercer Mundo Fortalecimiento de capacidades e
incidencia de los Pueblos Indígenas de
Colombia para la promoción y puesta en
práctica de sus derechos y mecanismos de
protección

Colombia 413.361 €

Hilfswerk Austria Fortalecimento Organizativo y Politico de
la Comunidad Embera con Enfasis en la
Promocion y protección de sus derechos
colectivos

Colombia 484.414 €

Drucksache 16/5603 – 254 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Mugarik Gabe Observatorio indígena de politicas
publicas de desarrollo y derechos étnicos

Colombia 340.038 €

DanChurchAid Promoting Indigenous People's Rights in
Guatemala through Information and
Advocacy

Guatemala 477.287 €

Asian Indigenous and Tribal
Peoples Network

Realisation of Indigenous Peoples Rights
at National Level in Asia

India 207.066 €

Rural Community Development
Society

Advocacy for the Rights of Indigenous
People (ARIP)

India 299.996 €

Mainyoito Pastoralist Integrated
Development Organisation

Maasai Indigenous Peoples' Rights
Initiative

Kenya 260.660 €

Centro Educativo Ixtliyollotl
A.C.

Jóvenes indígenas de Puebla en pro de la
construcción de una cultura para el
ejercicio de la vida democrática y de los
derechos humanos

Mexico 150.000 €

Russian association of
indigenous peoples of the North,
Siberia and the Far East

«Center of legal resources of the
indigenous peoples of the North, Siberia
and Far East of Russian Federation»

Russia 298.048 €

Asia Indigenous Peoples Pact
Foundation

Advancing Indigenous Peoples Rights in
the Asia Region

Thailand 239.930 €

International Work Group for
Indigenous Affairs

Indigenous rights advocacy and capacity
enhancement project. A multi-
level international program to promote the
rights of indigenous peoples

Worldwide 719.464 €

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 255 – Drucksache 16/5603

Support for promoting the rights of minorities and for combating discrimination and
xenophobia

Organisation Project Title Country
Max. EC

contribution

Stichting CARE Nederland Bosnian Roma Human Rights Project BiH 262.797 €

Institut für Internazionale
Zusammenarbeit des DEU

The Folk High Schools in Samtskhe-
Javakheti – a Chance of Integration of
Minorities

Georgia 400.000 €

BBC World Service Trust Making Waves: A Community Radio
Project for Georgia

Georgia 400.000 €

Action Aid Strengthening the capacity of ethnic
minorities to advocate for their rights
and entitlements

India 400.000 €

Asamblea de Cooperacion por la
Paz

Combating Racism by implementing the
programme "I spy with my little eye" in
Israel

Israel 300.000 €

Mossawa Center, the Advocacy
Centre for the Arab Citizens of
Israel

Combating Racism and Conflict
Transformation in Israel

Israel 298.660 €

International Step by Step
Association

Minority Exclusion: Education for
Social Justice in Central Asia

Kazakhstan 333.275 €

European Roma Rights Center Promoting the rights of minorities.
Promoting Roma rights in Turkey

Turkey 360.957 €

Drucksache 16/5603 – 256 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Minority Rights Group Combating discrimination and
promoting minority rights in Turkey

Turkey 471.960 €

CCF Kinderhilfswerk Integration and Empowerment of
Minority Children and Youth in Albania
and Serbia

Worldwide 389.260 €

CARE Deutschland Youth Activists – combating racism,
xenophobia and discrimination and
promoting the rights of minorities
among young people of different ethnic
background in the towns of Leskovac,
Vranje and Vranjska Banja.

Worldwide 300.000 €

Humanitarian Law Fund Promoting minority rights in the future
through reparation for human rights
abuses in the past

Worldwide 226.945 €

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 257 – Drucksache 16/5603

Regional Human Rights Masters Programmes

Organisation Project Title Country
Max. EC

contribution

Foundation for International

Studies

Mediterranean Master's Programme in

Human Rights and Democratisation

Worldwide 1.488.705 €

University of Sarajevo CIPS –

DHR

European Regional Master's Degree in

Democracy and Human Rights in

South-East Europe (EU-SEE-MA)

BiH 1.123.253 €

Centre for Human Rights Master of Laws (LLM) Programme in

Human Rights and Democratisation in

Africa

South Africa 1.500.000 €

Universidad Andina Simón

Bolivar

Maestria Latinoamericana en Derechos

Humanos y Democracia

Colombia 387.586 €

Drucksache 16/5603 – 258 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Election Training

Organisation Project Title Country
Max. EC

contribution

Electoral Reform International

Services ERIS

Training activities linked to election

observation and EU Election Observation

Missions (NEEDS II)

Worldwide 1.799.910 €

Support for a network for conflict prevention

Organisation Project Title Country
Max. EC

contribution

International Crisis Group Conflict Prevention Partnership Worldwide 1.125.000 €

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 259 – Drucksache 16/5603

II/ Projects selected through Country Calls for Proposals

Country specific calls for EIDHR micro-projects were concluded for the following countries:

Albania, Algeria, Angola, Bolivia, Bosnia & Herzegovina, Brazil, Burundi, Cambodia, Colombia,

DR Congo, Egypt, Ethiopia, Georgia, Haiti, Indonesia, Israel, Côte d'Ivoire, Jordan, Kazakhstan,

Kyrgyzstan, Lebanon, Mexico, Morocco, Mozambique, Nepal, Nigeria, Pakistan, Peru, Russia,

Rwanda, Sudan, Syria, Tajikistan, Turkey, Ukraine, Venezuela, Vietnam, West Bank and Gaza,

Zimbabwe.

Drucksache 16/5603 – 260 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

III/ Projects selected without a call for proposals97

Organisation Project Title Country
Max. EC

contribution

United Nations Children Fund -

UNICEF

Child Welfare Reform in Azerbaijan:

capacity building and awareness raising

Azerbaijan 300.000 €

United Nations Children Fund -

UNICEF

Bangladesh - Birth Registration Bangladesh 999.000 €

Media Consulta International

Holding

Awareness-raising TV/Radio programmes

for Belarus

Belarus 1.919.865 €

United Nations Development

Programme

Promotion of a wider application of

international human rights standards in

the administration of justice in Belarus

Belarus 600.000 €

Nordisk Ministerrad Belarusian Higher Education for

Democracy and Human Rights

Belarus 2.226.006 €

Office for Democratic

Institutions and Human Rights

Democratisation and Human Rights

Initiatives in Belarus

Belarus 142.798 €

United Nations High

Commissioner for Human

Rights

Planes de Desarrollo Municipal y

Derechos Humanos

Colombia 550.000 €

United Nations Development

Programme

Support to Good Governance in Iran Iran 1.000.000 €
97 Excluding the Election Observation Missions.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 261 – Drucksache 16/5603

United Nations Development

Programme

EIDDHR - Support to the Constitutional

Process in Iraq

Iraq 5.000.000 €

International Organisation for

Migration

Iraq –Election Support Project (ESP) Iraq 2.298.150 €

United Nations Development

Programme

Promotion of Human Rights Culture in

Iraq through support to Human Rights

civil society organisations

Iraq 2.600.000 €

United Nations Children Fund -

UNICEF

Development of a Child Rights

Ombudsman

Kazakhstan 350.000 €

United Nations Development

Programme

La Defensoría del Pueblo y el seguimiento

a las recomendaciones de la Comisión de

la Verdad y la Reconciliación

Peru 832.412 €

Sierra Leone Special Court Victims Justice and Legacy Project Sierra Leone 695.244 €

United Nations Development

Programme

Support to the Khmer Rouge Tribunal

(KRT) - Cambodian budget share of KRT

operations

Thailand 995.100 €

United Nations Development

Programme

Support for the Strengthening of the Rule

of Law through Enhanced Capacity of

Stakeholders in Zimbabwe

Zimbabwe 600.000 €

United Nations Children's Fund Mainstreaming Child rights and

promoting non violence

Worldwide 997.088 €

Drucksache 16/5603 – 262 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

International Criminal Tribunal

for the Former Yugoslavia

Outreach programme for the

International Criminal Tribunal for the

former Yugoslavia (ICTY)

Worldwide 500.000 €

United Nations High

Commissioner for Human

Rights

Enhancing OHCHR capacity in

preventing and responding to human

rights violations

Worldwide 1.804.000 €

Council of Europe Promoting the democratic process Worldwide 780.000 €

United Nations High

Commissioner for Human

Rights

Strengthening National Human Rights

Institutions (OHCHR)

Worldwide 790.648 €

DOCIP Indigenous Peoples'

Centre for documentation,

research and information

Renforcement des capacités des peuples

autochtones aux Nations Unies par

l'appui logistique, informatif,

documentaire et le transfert de

connaissances

Worldwide 950.000 €

International Labour

Organisation

Promotion of indigenous and tribal

peoples' rights through implementation

of the principles of ILO Convention No.

169.

Worldwide 800.000 €

Council of Europe Equal rights and treatment for Roma Worldwide 275.000 €

________________________

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 263 – Drucksache 16/5603

Weitere Websites mit Informationen

Zahlreiche weitere Informationen zur Europäischen Union stehen im Internet über den Europa-

Server (http://www.europa.eu) zur Verfügung.

Europe Direct soll Ihnen helfen, Antworten auf Ihre Fragen zur Europäischen Union zu finden. Sie

können diesen Dienst unter folgender gebührenfreien Telefonnummer erreichen:

00 800 6 7 8 9 10 11.

Weitere Informationen über die Menschenrechtspolitik der EU finden Sie auf folgenden Websites:

http://www.consilium.europa.eu/human-rights

http://www.ec.europa.eu/comm/external_relations/human_rights/intro

http://www.europarl.europa.eu/comparl/human_rights/default_en.htm

Wie in diesem Bericht erwähnt, sind zahlreiche internationale Organisationen an der Menschen-

rechtsarbeit beteiligt. Nähere Angaben über ihre diesbezüglichen Aktivitäten finden sich auf ihren

Websites:

Vereinte Nationen; www.un.org

Internationale Arbeitsorganisation; www.ilo.org

Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte; www.unhchr.ch

Internationaler Gerichtshof; www.icc-cpi.int

Europarat; www.coe.org

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte; www.echr.coe.int/echr

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa; www.osce.org

Afrikanische Union; www.africa-union.org

Organisation Amerikanischer Staaten; www.oas.org

Drucksache 16/5603 – 264 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Zahlreiche internationale NRO stellen auf ihren jeweiligen Websites eine Fülle von Informationen

über Menschenrechtsfragen in allen Teilen der Welt zur Verfügung; hierzu gehören:

Amnesty International; www.amnesty.org

Human Rights Watch; www.hrw.org

Internationaler Bund der Ligen für die Menschenrechte (FIDH); www.fidh.org

Internationales Komitee vom Roten Kreuz; www.icrc.org

________________________

(TEXT FÜR DIE HINTERE EINBANDSEITE AUSSEN)

In dem vorliegenden achten EU-Jahresbericht zur Menschenrechtslage sind die Maßnahmen und

Strategien festgehalten, die von der EU im Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 30. Juni 2006 in

Verfolgung ihres Ziels, die allgemeine Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu

fördern, durchgeführt wurden. Der Bericht gibt keine erschöpfende Darstellung, sondern greift

Menschenrechtsfragen heraus, die Anlass zur Besorgnis gegeben haben, und beschreibt die entspre-

chenden Maßnahmen, die von der EU sowohl innerhalb der Union als auch außerhalb der Union

ergriffen wurden.

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