BT-Drucksache 16/5486

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/3656, 16/5449- Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes zur Bekämpfung der Computerkriminalität (... StrÄndG)

Vom 23. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5486
16. Wahlperiode 23. 05. 2007

Änderungsantrag
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic und der
Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/3656, 16/5449 –

Entwurf eines … Strafrechtänderungsgesetzes zur Bekämpfung
der Computerkriminalität (… StrÄndG)

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. In Nummer 3 wird § 202c wie folgt gefasst:

㤠202c

Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten

(1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er Pass-
worte oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a
Abs. 2) ermöglichen, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft,
einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 149 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.“

2. In Nummer 6 wird § 303b wie folgt gefasst:

㤠303b

Computersabotage

(1) Wer eine Datenverarbeitung, die für einen anderen von wesentlicher
Bedeutung ist, dadurch erheblich stört, dass er

1. eine Tat nach § 303a Abs.1 begeht oder

2. eine Datenverarbeitungsanlage oder einen Datenträger zerstört, beschä-
digt, unbrauchbar macht, beseitigt oder verändert,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Handelt es sich um eine Datenverarbeitung, die für einen fremden Be-
trieb, ein fremdes Unternehmen oder eine Behörde von wesentlicher Bedeu-
tung ist und beeinträchtigt der Täter durch die Tat die Versorgung der Bevöl-
kerung mit lebenswichtigen Gütern oder Dienstleistungen erheblich, ist die
Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

Drucksache 16/5486 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

(4) Für die Vorbereitung einer Straftat nach Absatz 1 gilt § 202c entspre-
chend.“

Berlin, den 22. Mai 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1

Durch die Neufassung des § 202c wird der Umgang mit Computerprogrammen,
die zu Straftaten nach § 202a oder § 202b geeignet sind, von der Strafdrohung
des § 202c ausgenommen. Damit macht der Entwurf von der Möglichkeit des
Artikels 6 Abs. 3 des Übereinkommens des Europarates über Computerkrimi-
nalität vom 23. November 2001 Gebrauch. Der Gesetzentwurf der Bundes-
regierung, der demgegenüber eine weitgehende Vorfeldkriminalisierung an-
strebt, lässt keine hinreichenden Kriterien erkennen, wie strafwürdige Vorberei-
tungen von Straftaten nach § 202a oder § 202b von dem sozialethisch nicht zu
missbilligenden Umgang mit Programmen, die sich zu solchen Straftaten eig-
nen, abgegrenzt werden können und gerät somit in einen Konflikt mit dem
strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot aus Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes
(GG). Insbesondere ist es entgegen der Begründung des Regierungsentwurfs in
der Regel nicht möglich, eine hinreichend bestimmte Abgrenzung durch die ob-
jektive Zweckbestimmung des Programms zu erreichen. Die meisten dieser
Programme (dual use tools) lassen sich nämlich sowohl zur Begehung der ge-
nannten Straftaten als auch zu legitimen Zwecken verwenden, so dass es letzt-
lich der Anwender ist, der den Zweck setzt. Damit sieht sich der Programmie-
rer, sofern er die Möglichkeit einer kriminellen Verwendung seines Programms
erkennt, der Gefahr der Strafverfolgung ausgesetzt, obwohl gerade die
IT- Sicherheitsbranche, Netzwerkadministratoren und Forschung auf die Her-
stellung und den Umgang mit solchen Programmen angewiesen sind.

Diese Unsicherheit für die gesamte IT-Sicherheitsbranche hat nicht nur Exis-
tenz bedrohende Auswirkungen für die in diesem Bereich tätigen klein- und
mittelständischen Unternehmen und ihre Angestellten, sie droht darüber hinaus
zu einer Senkung des Sicherheitsniveaus in der gesamten deutschen IT-Branche
zu führen, weil der Umgang von Programmen, die für Sicherheitstests unab-
dingbar sind, mit der Gefahr der Strafverfolgung verbunden ist.

Strafbarkeitslücken sind in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht ersicht-
lich, weil durch die anderen Tatbestände des Computerstrafrechts bereits ein
angemessener Rechtsgüterschutz verwirklicht ist. Abgesehen von den Beden-
ken, die schon grundsätzlich gegen exzessive Vorfeldkriminalisierungen beste-
hen, ist daher auch im konkreten Fall nicht ersichtlich, weshalb eine weit im
Vorfeld der eigentlichen Rechtsgutsverletzung eingreifende Strafvorschrift er-
forderlich sein sollte.

Nach dem Änderungsantrag soll daher auf eine Inkriminierung des genannten
Vorfeldbereichs gänzlich verzichtet werden.

Zu Nummer 2

Die Änderung des § 303b Abs.1 zielt darauf ab, die Neueinführung der Tat-
bestandsalternative des Eingebens oder Übermittelns von Daten in Nachteils-

zufügungsabsicht rückgängig zu machen. Die Schaffung dieser Alternative, die
an sich neutrale Handlungen wie das Eingeben und Übermitteln von Daten un-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5486

ter Strafe stellt, ist weder von dem Übereinkommen des Europarates über Com-
puterkriminalität noch durch den Rahmenbeschluss des Rates vom 24. Februar
2005 über Angriffe auf Informationssysteme gedeckt. Die europäischen Vorga-
ben setzen nämlich übereinstimmend voraus, dass die pönalisierte Handlung
unbefugt begangen werden muss, wovon bei der Eingabe oder Übermittlung
von Daten gerade nicht ausgegangen werden kann. Anlass dafür, den Straftat-
bestand auch auf neutrale Verhaltensweisen auszudehnen, war vielmehr ein Be-
schluss des OLG Frankfurt a. M. vom 22. Mai 2006 (MMR 2006, 547), nach
welchem sogenannte Online-Demonstrationen vom geltenden Strafrecht nicht
umfasst sind. Um solche Online-Demonstrationen, die die Blockade einer be-
stimmten Internetseite zur Folge haben können, zu verhindern, soll es nach dem
Entwurf der Bundesregierung daher genügen, mit Nachteilszufügungsabsicht
die betreffende Seite anzuwählen, um nach Absatz 4 gegebenenfalls zu einer
bis zu zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt zu werden. Dieser Ansatz er-
scheint aus mehreren Gründen inakzeptabel. Zum einen ist es offensichtlich,
dass sich dieses Vorgehen wertungsmäßig in eklatanten Widerspruch zu den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Strafbarkeit sogenannter Sitz-
blockaden setzt. Bei diesen nämlich macht sich nicht strafbar, wer durch seine
bloße Anwesenheit einem anderen die Möglichkeit nimmt, den Raum aufzusu-
chen oder zu passieren, an dem sich der Teilnehmer der Sitzblockade befindet.
Nichts anderes geschieht aber bei einem sogenannten virtuellen Sit-in, auch
hier wird derjenige, der eine Internetseite aufsuchen will, daran gehindert, weil
mehrere andere Personen, diese schon vor ihm anwählten.

Problematisch ist dabei auch, dass die Inkriminierung dieser neutralen Hand-
lungen letztlich dazu führt, dass allein die Absicht, die ihnen zu Grunde liegt,
strafbarkeitsbegründend wirkt, so dass letztlich eine Gesinnung bestraft wird.

Hinzu kommt, dass die Frage, inwieweit Online-Demonstrationen, die zur Be-
hinderung Dritter führen, grundrechtlich geschützt sind, bisher nicht abschlie-
ßend geklärt ist, obwohl das Ministerkomitee des Europarates bereits im Mai
2005 die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen hat, die Rahmenbedingungen für
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit im Internet zu schaffen (vgl.: MMR
2005, 863). So hat das Amtsgericht Frankfurt mit Urteil vom 1. Juli 2005
(MMR 2005, 863) entschieden, weder die Versammlungs-, noch die Meinungs-
äußerungsfreiheit schütze Online-Demonstrationen. Dieses Urteil hat das OLG
Frankfurt mit Beschluss vom 22. Mai 2006 aufgehoben, ohne zu der Anwend-
barkeit der Kommunikationsrechte Stellung nehmen zu müssen.

Auch im Deutschen Bundestag scheinen sowohl bezüglich des Grundrechts-
schutzes virtueller Sit-ins als auch hinsichtlich deren Strafwürdigkeit diametral
entgegen gesetzte Ansichten zu herrschen. So hat der ehemalige Bundesinnen-
minister Otto Schily erwogen, Naziinternetauftritte auf die gleiche Art und
Weise zu blockieren, wie es im Falle einer Online-Demonstration erfolgen
kann.

Der Abgeordnete Jörg Tauss, Beauftragter für Neue Medien der Fraktion der
SPD, hat wiederholt zum virtuellen Protest gegen das dem Gesetzentwurf der
Bundesregierung zu Grunde liegende Cybercrime-Abkommen des Europarates
aufgefordert, das seiner Meinung nach die Befugnisse der Strafverfolger auf
Kosten von Bürgerrechten zu stark ausweitet (Quelle: http://www.heise.de/tp/
r4/artikel/7/7907/1.html).

Sierk Hamann, Richter und Experte rund ums Online-Recht aus den Reihen der
FDP, äußerte die Ansicht, dass sogar DDoS -Attacken durchaus „im Lichte der
Grundrechte“ gesehen werden müssten. Statt auf Artikel 8 stützt er sich dabei
allerdings auf Artikel 5 GG, der die allgemeine Meinungsfreiheit garantiert.
Auch im Internet gelte: „Eine Demonstration ist immer ein Bündel von Grund-

rechten.“ (Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/7/7907/1.html).

Drucksache 16/5486 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Die von der Bundesregierung geplante Einführung der neuen Tatbestands-
alternative droht die Frage nach der Strafbarkeit von Online-Demonstrationen
zu entscheiden, ohne dabei auf die auch im Internet zu berücksichtigenden
Grundrechte der Normunterworfenen angemessen Rücksicht zu nehmen.

Die weiteren Änderungen der Absätze 2 bis 4 zielen darauf ab, die Verhältnis-
mäßigkeit der Strafdrohungen zu wahren und diese nicht gänzlich aus dem
Rahmen der übrigen Sachbeschädigungsdelikte ausscheren zu lassen. Eine
Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren erscheint in diesem Bereich grundsätz-
lich unverhältnismäßig. Auch die Anknüpfungspunkte, die zu einer Indizwir-
kung für das Vorliegen eines besonders schweren Falls führen, verkennen die
Realitäten des Internets. So ist der Eintritt eines Vermögensverlustes großen
Ausmaßes von multiplen Faktoren aus der Sphäre des Verletzten abhängig, die
für den Täter weder erkennbar noch zu beeinflussen sind. Insoweit erscheint es
nicht sachgerecht in der Höhe des Vermögensverlustes ein Schuld steigerndes
Merkmal zu sehen. Auch hinsichtlich der anderen Regelbeispiele ist eine Straf-
drohung von drei Jahren als ausreichend anzusehen. Lediglich für den Fall,
dass durch die Tat die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern
oder Dienstleistungen erheblich beeinträchtigt wird, erscheint eine Erhöhung
des Strafrahmens angezeigt. Die Voraussetzung der erheblichen Beeinträchti-
gung stellt sicher, dass eine Strafbarkeit nach Absatz 2 nur bei spürbaren Ver-
sorgungseinbußen der Bevölkerung und nicht bei bloßen Beeinträchtigungen
des Angebots solcher Güter und Dienstleistungen in Betracht kommt.

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