BT-Drucksache 16/5423

Die Schaffung einer Europäischen Privatgesellschaft forcieren

Vom 23. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5423
16. Wahlperiode 23. 05. 2007

Antrag
der Abgeordneten Martin Zeil, Mechthild Dyckmans, Jens Ackermann, Dr. Karl
Addicks, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Max Stadler,
Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Die Schaffung einer Europäischen Privatgesellschaft forcieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Mittelstand hat derzeit aufgrund der unterschiedlichen Firmen-Rechtsfor-
men in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union große Probleme, kosten-
günstig und unbürokratisch grenzüberschreitend tätig werden zu können. Des-
halb kann er die Vorteile des Binnenmarkts nicht voll nutzen. Gäbe es einen EU-
Firmen-Standard mit geringen Gründungskosten, könnten die Mittelständler
hohe Ausgaben für Beratung und Unternehmensführung einsparen. Zudem ent-
fiele die nicht zu unterschätzende psychologische Barriere, Tochterunternehmen
nach einem unbekannten gesellschaftsrechtlichen System eines anderen Mit-
gliedstaates zu errichten. Diese Skepsis ist, wie die Praxis zeigt, auch begründet,
weil die Verwendung einer ausländischen Rechtsform mit erheblicher Rechts-
unsicherheit verbunden ist, da die nationalen Vorschriften darauf nicht abge-
stimmt sind. Die Europäische Privatgesellschaft (EPG) könnte daher einen eu-
ropaweit einheitlichen und deshalb verlässlichen Rechtsrahmen bieten.

Auch Unternehmen, die von einem Mitgliedstaat aus ohne Gründung von Toch-
tergesellschaften im europäischen Ausland den Binnenmarkt nutzen möchten,
hätten einen psychologischen Vorteil von der Nutzung eines solchen euro-
päischen Statuts für ihr Unternehmen. Durch die Nutzung eines europäischen
Statuts könnte für europaweit tätige Unternehmen der Mangel an Informationen
über die unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zwischen Gesell-
schaften aus unterschiedlichen Ländern überwunden sowie das Vertrauen in Ge-
schäftsbeziehungen gefördert werden, weil der rechtliche Rahmen einer EPG al-
len Gesellschaften europaweit bekannt wäre.

Unter anderem aus diesen Gründen wird die Einführung einer EPG auf europä-
ischer Ebene seit vielen Jahren diskutiert. Neben der Europäischen Aktienge-
sellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) würde die Europä-

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ische Privatgesellschaft (EPG) einen weiteren wichtigen Baustein insbesondere
für KMU in Europa darstellen.

Deswegen legte 1998 bereits die Pariser Handelskammer einen Entwurf für
eine Verordnung zur Einführung einer EPG vor. Auch die Europäische Kom-
mission hat sich mit dieser Thematik bereits mehrfach auseinandergesetzt. So
kündigte sie im „Aktionsplan Gesellschaftsrecht“ im Mai 2003 eine Machbar-
keitsstudie mit dem Ziel an, die Vor- und Nachteile eines möglichen europäi-
schen Statuts für KMU, das die grenzüberschreitende Tätigkeit erleichtern soll,
zu bewerten. Im Juli 2005 wurde eine Zusammenfassung des Abschlussbe-
richts der „Machbarkeitsstudie über ein europäisches Statut für KMU“ in deut-
scher Sprache vorgelegt, die aufzeigte, dass die befragten KMU – unabhängig
von ihrer Größe oder Zugehörigkeit zu bestimmten Rechtssystemen – mehr
oder weniger auf die gleichen Hindernisse bei grenzüberschreitenden Tätigkei-
ten stoßen. Als Lösung schlug die Kommission unter anderem die Einführung
der EPG vor. Diese sollte nach Ansicht der Kommission beispielsweise für
Erstgründungen, gemeinsame Tochterunternehmen, Umwandlungen bestehen-
der Gesellschaften und Konzerntöchter gedacht sein.

Auch das Europäische Parlament hat sich bereits ausführlich mit der Einführung
einer EPG befasst. So verabschiedete es nach einer Anhörung des Rechtsaus-
schusses im Juni 2006 eine Entschließung im Februar 2007 mit der Aufforde-
rung an die EU-Kommission, bis Ende 2007 einen Legislativvorschlag zur Ein-
führung einer EPG vorzulegen. Ein Kernpunkt der Entschließung beinhaltete die
Vorgabe, dass die EPG gemeinschaftsrechtlich unter möglichst weitgehendem
Verzicht auf Verweise in nationales Recht ausgestaltet werden sollte. Das Euro-
päische Parlament schlägt folgende Gründungsalternativen vor: Gründung ex
nihilo, Gründung ausgehend von einer bereits bestehenden Gesellschaft oder in-
folge einer Verschmelzung von Gesellschaften sowie im Rahmen einer
gemeinsamen Tochtergesellschaft.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

1. während ihrer Ratspräsidentschaft und auch anschließend dafür Sorge zu tra-
gen, dass die EU-Kommission sobald wie möglich Vorschläge zur Schaffung
einer EPG vorlegt. Das Statut der EPG sollte unter anderem

a) weitgehend gemeinschaftsrechtliche Regelungen enthalten, entsprechend
auf Verweise auf nationales Recht verzichten und somit ein einheitliches
und abschließendes Statut darstellen,

b) vorwiegend auf Fragen des Gesellschaftsrechts konzentriert sein und

c) als Annex eine oder mehrere Mustersatzungen zur Erleichterung der
Gründung enthalten, die von den Gründern übernommen werden können;

2. zu prüfen, welche Auswirkungen die Schaffung eines originär europäischen
und in sich abgeschlossenen Statuts auf deutsche Unternehmen – jeweils
nach den Vorschlägen der Pariser Handelskammer von 1998, der EU-Kom-
mission in der „Machbarkeitsstudie über ein europäisches Statut für KMU“
sowie der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 1. Februar 2007
(P6_TA-PROV(2007)0023) – hätte und hierzu dem Deutschen Bundestag bis
spätestens Mai 2008 einen Bericht vorzulegen.

Berlin, den 16. Mai 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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