BT-Drucksache 16/5258

Förderung gesundheitsrelevanten Verhaltens zur Prävention von Fehl- und Mangelernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel insbesondere bei Kindern und Jugendlichen

Vom 9. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5258
16. Wahlperiode 09. 05. 2007

Antrag
der Abgeordneten Peter Bleser, Julia Klöckner, Ursula Heinen, Gitta Connemann,
Marlene Mortler, Uda Carmen Freia Heller, Franz-Josef Holzenkamp, Dr. Peter Jahr,
Dr. Hans-Heinrich Jordan, Dr. Max Lehmer, Michaela Noll, Johannes Röring, Kurt
Segner, Antje Blumenthal, Jochen Borchert, Hubert Deittert, Ingrid Fischbach,
Josef Göppel, Susanne Jaffke, Hartmut Koschyk, Sibylle Pfeiffer, Dr. Norbert
Röttgen, Norbert Schindler, Georg Schirmbeck, Bernhard Schulte-Drüggelte,
Volkmar Uwe Vogel, Wolfgang Zöller, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Volker Blumentritt, Mechthild Rawert, Waltraud Wolff
(Wolmirstedt), Dr. Gerhard Botz, Elvira Drobinski-Weiß, Gustav Herzog, Gabriele
Hiller-Ohm, Ulrich Kelber, Lothar Mark, Holger Ortel, Dr. Wilhelm Priesmeier,
Marianne Schieder, Olaf Scholz, Dr. Marlies Volkmer, Heidi Wright, Manfred
Zöllmer, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Förderung gesundheitsrelevanten Verhaltens zur Prävention von Fehl- und
Mangelernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel insbesondere bei
Kindern und Jugendlichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Ernährung und Bewegung sind wichtige Faktoren für das Wohlbefinden. Aus-
gewogene Ernährung und ausreichend Bewegung sind wesentliche Grundlagen
zur Erreichung einer hohen Lebenserwartung und einer geringen Krankheits-
anfälligkeit. Insbesondere falsche Ernährung ist immer häufiger die Ursache für
Krankheiten. Viele Menschen tragen der Verantwortung für die Bestimmung
und Empfehlung von Art, Menge und Form der Nährstoffe, die der Körper un-
ter verschiedenen Lebensbedingungen benötigt, nicht ausreichend Rechnung.
Darüber hinaus ist der richtige Umgang mit Ernährung heute vielfach proble-
matisch. Durch Veränderungen der Lebenswelt wird ein bewegungsaktiver Stil
weniger gefördert als früher. Der Grundstein für das gesundheitsbewusste Ver-
halten wird im Kindes- und Jugendalter gelegt. Hier tragen sowohl Familien als
auch die Verantwortlichen in Kinderbetreuungsangeboten und Schulen Verant-
wortung.
Fehl- und Mangelernährung sind eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene sind betroffen.
Derzeit sind laut aktueller Studien in Deutschland rund 42 Prozent der Frauen
und 58 Prozent der Männer übergewichtig. Das moderne Arbeitsleben, nicht
ausreichende Bewegung, die zum Teil unausgewogene Verpflegung in Kan-
tinen, Restaurants, Arbeitsstätten, gastronomischen Serviceeinrichtungen in

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Flugzeugen, Bahn und Raststätten machen es den Menschen nicht leichter, sich
gesund und ausgewogen zu ernähren. Viele Menschen entwickeln Übergewicht
erst im Erwachsenenalter. Die Stärkung des Bewusstseins von Erwachsenen und
damit den Eltern von Kindern für gesundheitsfördernde Ernährung muss verbes-
sert werden, denn diese nachhaltige Verbesserung von Gewohnheiten von Kin-
dern und Jugendlichen findet im Kontext der Familien statt und muss in Kinder-
tagesstätten und Schulen fortgeführt und weiterentwickelt werden.

Die im September 2006 vom Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichte Kin-
der- und Jugendgesundheitsstudie (KiGGS-Studie) kommt zu alarmierenden Er-
gebnissen: Von mehr als 17 600 deutschen Kindern und Jugendlichen im Alter
von 1 bis 17 Jahren, die von 2003 bis 2006 untersucht wurden, sind insgesamt
15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen übergewichtig, ein Drittel davon, d. h. 6 Pro-
zent sind als krankhaft übergewichtig, also als adipös zu bezeichnen. Deutsch-
landweit ergibt sich hieraus eine Summe von ca. 1,9 Millionen übergewichtigen
oder adipösen Kindern und Jugendlichen. Im Vergleich zu den Jahren 1985 bis
1999 stieg die Häufigkeit von Übergewicht um 50 Prozent an, Adipositas er-
reichte sogar eine Steigerung um 100 Prozent. Der stärkste Anstieg zeigte sich
im Grundschulalter. Ein übergewichtiges Kind wird mit einer Wahrscheinlich-
keit von 80 Prozent auch im Erwachsenenalter Probleme mit Übergewicht bis
hin zur Adipositas haben.

Als Ursachen für diese Entwicklung nennt die Studie vier Hauptrisikofaktoren:

● Niedriger sozialer Status

● Migrationshintergrund

● Übergewicht der Eltern

● Überproportionale Gewichtszunahme im Säuglings- und Kleinkindalter.

Übergewicht basiert auf einer nicht ausgeglichenen Bilanz von Energiezufuhr
und Energieverbrauch. Das untersuchte Bewegungsverhalten offenbart alarmie-
rende Zustände in Bezug auf Kraft und motorische Fähigkeiten der Heranwach-
senden: Körperliche Übungen, die Koordination, Balance, Beweglichkeit oder
Kraft erfordern und vor 30 Jahren in dieser Altersgruppe noch Standard waren,
können heute von vielen Kindern und Jugendlichen nicht oder nur noch unter
großen Schwierigkeiten ausgeführt werden. Die Ergebnisse der KiGGS-Studie
bestätigen die bereits in anderen, weniger umfangreichen Untersuchungen er-
mittelten Zustände und verweisen damit auf akuten Handlungsbedarf.

Die Änderungen der kindlichen Umwelt, Urbanisierung, audiovisuelle Medien,
Freizeitplanung etc. beschränken den natürlichen Bewegungsdrang bei Spiel
und Sport sowie die Bewegungszeit von Kindern und Jugendlichen erheblich.
Dies wurde auch schon im Antrag der Koalition aus CDU, CSU und SPD „Sport
und Bewegung in Deutschland umfassend fördern – Bewusstsein für gesunde
Lebensweise stärken“ aufgezeigt. In einem Alter, in dem entscheidende wachs-
tums- und reifungsbedingte Veränderungen des Muskel-, Skelett- und Nerven-
systems ihre Entwicklung prägen, ist aber ausreichend körperliche Aktivität ent-
scheidend. Untersuchungen weisen auch im Bewegungsbereich höhere Defizite
in sozialschwachen Familien auf. Hier wird deutlich, dass die Teilnahme an
sportlichen Aktivitäten auch vom Einkommen und Bildungstand der Eltern ab-
hängig ist.

Bei der Unterstützung von integrierten Maßnahmen zur Bewegungsförderung ist
auf geschlechts- und altersspezifische Angebote zu achten und insbesondere ein
Focus auf eine individuelle Förderung von Mädchen, besonders auch Migrantin-
nen zu legen.

Etwa die Hälfte der betroffenen Kinder und Jugendlichen mit besonders hohem,

krankhaftem Übergewicht (Adipositas) sind mit einem oder mehreren Risiko-

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faktoren wie beispielsweise Hyperinsulinämie und Hypercholesterinämie belas-
tet. Typische Folgeerkrankungen sind Bluthochdruck, Störungen des Stoffwech-
sels, Erkrankungen des Bewegungsapparates oder der als „Altersdiabetes“
bekannte Diabetes mellitus Typ 2. Zu den körperlichen Folgen kommen psycho-
soziale Belastungen und Einschränkungen der allgemeinen Lern- und Leis-
tungsfähigkeit hinzu.

Die gesellschaftlichen Folgen von direkten und indirekten Krankheitskosten
durch Übergewicht und Adipositas einschließlich ihrer Folge- und Begleit-
erkrankungen wurden im Jahr 1995 auf 7,75 bis 13,55 Mrd. Euro geschätzt – das
waren 3,1 bis 5,5 Prozent der Gesundheitskosten. Ohne Gegensteuerung muss
bei Fortschreiten der Entwicklung in Zukunft von einer wesentlich höheren
Summe ausgegangen werden.

Gesundheit nimmt in einem sehr hohen Maße Einfluss auf den Lebenslauf und
auf Erfolg bzw. Misserfolg von Biografien. Mangelnde Konzentrations- und
Lernfähigkeit aufgrund von Fehlernährung führt zu verminderter Leistung und
Leistungsfähigkeit, was sich negativ auf die Entwicklung der betroffenen Kin-
der und Jugendlichen auswirkt. Die Zahl der unterernährten Kinder und Jugend-
lichen in Deutschland wächst ständig und hat sich zu einem gesamtgesellschaft-
lichen Problem entwickelt. Dabei entstehen ähnliche Folgeprobleme für den
Einzelnen wie beim Übergewicht. Immer mehr Kinder gehen ohne Frühstück
aus dem Haus und haben am Tag kein warmes Essen. In vielen Familien wird
nicht mehr gekocht, Mahlzeiten werden nicht mehr gemeinsam eingenommen.
Ausgewogene Ernährung, ausreichende Bewegung und adäquate Möglichkeiten
der Stressbewältigung für Kinder und Jugendliche entscheiden mit über die
Startchancen und Chancengerechtigkeit der ersten Generation des 21. Jahrhun-
derts.

Häufig werden auch Magersucht und Bulimie in den Zusammenhang mit Man-
gelernährung gebracht. Vor dem gesellschaftlichen Hintergrund eines krankhaf-
ten Schlankheitsideals und eines Nahrungsüberangebotes, das den physiolo-
gischen Notwendigkeiten nicht entspricht, kann sich schon bei Kindern eine
bedenkliche gedankliche Fixierung auf Körpergewicht, Körperform, Essen und
Ernährung entwickeln, die aber nicht die Ursache schwerwiegender Essstörun-
gen sein muss. Anders als Übergewicht sind Magersucht, Bulimie und Binge
Eating massive und schwerwiegende psychosomatische Erkrankungen, die oft
nur mit einer langwierigen psychotherapeutischen Betreuung behandelt werden
können.

Vor dem Hintergrund der Fehl- und Mangelernährung ist der Prävention und
der Gesundheitsförderung ein hoher Stellenwert einzuräumen. Prävention fängt
bei der Eigenverantwortung an, bedarf aber auch der Unterstützung des Staates
und der gesellschaftlichen Akteure. Aufgabe der Politik ist es, Rahmenbedin-
gungen zu schaffen. Dies kann von Aufklärungsmaßnahmen über modellhafte
Maßnahmen und lokale Projekte zu Ernährung und Bewegung bis zu gesetz-
lichen Regelungen reichen. Für Kinder und Jugendliche gelingt dies am besten
mit Angeboten im direkten Lebensumfeld, in den Stadtteilen, den Schulen und
Kindertagesstätten. Das geplante Präventionsgesetz soll die Kooperation und
Koordination der Prävention sowie die Qualität der Maßnahmen der Sozialver-
sicherungsträger und -zweige übergreifend unbürokratisch verbessern. Bund
und Länder müssen ergänzend hierzu ihrer Verantwortung weiter gerecht wer-
den.

Das Vorhaben der Bundesregierung, die Arbeit zur Übergewichtsprävention im
Kindes- und Jugendalter intensiv fortzusetzen, ist als wichtiges gesundheits-
förderndes Signal zu begrüßen. Die Koalitionsfraktionen sprechen sich für eine
ressortübergreifende, umfassende Verbraucheraufklärung und Verbraucherbil-

dung aus.

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Die Gründung der Plattform Ernährung und Bewegung (peb) und des Deutschen
Forums Prävention und Gesundheitsförderung entspricht der von der WHO zur
Bekämpfung des Übergewichts geforderten Strategie zur Vernetzung aller ge-
sellschaftlichen Gruppen. Der Netzwerkgedanke in diesem Sektor stellt auf
Bundesebene in dieser Größenordnung ein Novum dar. Die Plattform und das
Deutsche Forum verstehen sich als ein Angebot zur partnerschaftlichen Zusam-
menarbeit für alle Organisationen und Gruppen, die in den Themenfeldern Er-
nährung, Bewegung und Gesundheit aktiv sind. Für die Bundesregierung ergibt
sich in diesem Rahmen die Chance, als Förderer ihre verbraucherpolitische Ver-
antwortung wahrzunehmen und gezielt Vorstellungen und Forderungen einzu-
bringen. Im Haushalt 2007 des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz wurden daher für peb-Projekte zusätzlich 1 Mio.
Euro bereitgestellt.

Aufgrund der Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Bewegung und Stress
sowohl auf physiologischer als auch auf der Verhaltensebene müssen diese
drei Bereiche bei der Etablierung und Förderung gesundheitsrelevanten Ver-
haltens miteinander verbunden werden. Hierzu gibt es bereits erprobte An-
sätze.

Die Erfahrung zeigt, dass erfolgreiche Maßnahmen der Präventionsarbeit einen
integrierten Ansatz aufweisen müssen. Eine Verbindung der Bereiche Ernäh-
rung und Bewegung ist hierbei unabdingbar. Zum Gelingen erfolgreicher Maß-
nahmen gehören auch die Einbeziehung der Rahmenbedingungen des Umfelds
und das Angebot von Hilfen für die Arbeit vor Ort sowie zur strukturellen Ver-
besserung. Ernährungsempfehlungen und Ernährungskonzepte müssen grund-
sätzlich in die Lebenswelt der Zielgruppen integriert und entsprechend ange-
passt werden. Sowohl im Ernährungs- als auch im Bewegungsbereich zeigt sich
ein großer Abstand zwischen dem Wissen um die Bedeutung gesundheitsrele-
vanten Verhaltens einerseits und der tatsächlichen Handlungsebene andererseits.
In Familien mit Migrationshintergrund können Beratungsangebote zudem oft
aufgrund von Sprachbarrieren nicht greifen.

Zu einem integrierten Ansatz zur Gesundheitsförderung im Kinder- und Jugend-
bereich gehört vor allem, dass diesem auf Seiten der Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren, z. B. Erzieherinnen, Erzieher und Lehrpersonal, größte Auf-
merksamkeit geschenkt wird. Ebenso ist der Ausbau von Qualifikationsmög-
lichkeiten notwendig. Vor allem konkrete Hilfestellungen, die auf die Gegeben-
heiten vor Ort Bezug nehmen, versprechen nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbst-
hilfe“ maximalen Erfolg.

Die Studie des Robert Koch-Instituts verdeutlicht, dass Prävention in jedem Fall
vor Intervention stehen muss. Vorbeugende Maßnahmen müssen frühzeitig, be-
reits in der Schwangerschaft, im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter ansetzen.
Familienorientierte Ansätze sind unverzichtbare Grundlage einer erfolgreichen
Konzeption. Da allein damit ein gesamtgesellschaftliches Vorgehen jedoch kaum
realisierbar sein wird, müssen öffentliche Betreuungseinrichtungen wie Kinder-
tagesstätten, Kindergärten, Schulen und Stätten der Jugend- und Stadtteilarbeit
als Lebenswelten für Kinder und Jugendliche begriffen werden. Mit dem Ganz-
tagsschulprogramm konnte bereits in der letzten Legislaturperiode ein wichtiger
Schritt gemacht werden. Im Bildungsbereich, der Umfeldgestaltung sowie der
Verpflegung und Bewegung sind gesundheitsfördernde und esskulturfördernde
Maßnahmen zu integrieren, um so die Grundlage für ein lebenslanges gesund-
heitsförderliches Verhalten zu schaffen. Gesundheitsfördernden Maßnahmen
in den Bildungseinrichtungen kommt dabei besondere Bedeutung zu, weil dort
jedes Kind erreicht werden kann.

Da die Kompetenzen für ein sinnvolles präventives Vorgehen vorrangig im Ver-

antwortungsbereich der einzelnen Bundesländer oder auch Kommunen liegen,

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sollte die Bundesregierung prüfen, in welcher Form sie den Ländern Angebote
unterbreiten und Unterstützung zukommen lassen kann, ohne dass sich die Maß-
nahmen im „Kompetenzgerangel“ verlieren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Maßnahmen zu ergreifen, die einen möglichst integrierten Ansatz mit den
Themen Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung aufweisen, sowie eine
abgestimmte Strategie zur Bekämpfung der Über-, Mangel- und Fehlernäh-
rung vorzulegen, insbesondere im Hinblick auf Kinder und Jugendliche;

2. eine ressortübergreifende, umfängliche auch monetäre Aufstellung aller der-
zeit bundesweit geförderten Projekte im Bereich der Gesundheitsförderung
insbesondere für Kinder und Jugendliche zu erarbeiten;

3. als Mitglied der Plattform Ernährung und Bewegung dort ihre Verantwortung
wahrzunehmen und gezielt Vorstellungen und Forderungen einzubringen so-
wie bei den Bundesländern auf eine Mitgliedschaft in der peb hinzuwirken;

4. die Bewilligung der Mittel zur Förderung von Projekten der peb an definierte
Schwerpunkte zu knüpfen. Förderwürdig sind insbesondere Modelle, die den
übergeordneten Netzwerkgedanken der peb-Arbeit auf lokale Ebenen über-
tragen können und eine bestmögliche Nutzung von Synergieeffekten vor Ort
berücksichtigen;

5. die Prävention in den Vordergrund der Strategie zu stellen und auch in Europa
für diesen Ansatz aktiv einzutreten. Insbesondere Eltern, Vereine, Medien,
Ärzte, Krankenkassen, Länder, Kommunen sowie Träger von Kinder-
betreuungseinrichtungen und Schulen ebenso wie Sport- und Verbraucher-
verbände, die Lebensmittelindustrie und die Werbewirtschaft in die neue
Initiative zur Verbesserung des Wissens um Ernährung und der Bewegungs-
förderung einzubeziehen;

6. die Motivation der Bevölkerung, sich mehr zu bewegen und häufiger und
regelmäßig Sport zu treiben, durch verständliche, zielgruppenorientierte
Kampagnen zu stärken und das Bewusstsein für Sport, Bewegung und
gesunde Ernährung als Instrument zur Prävention nachhaltig zu erhöhen. Im
Arbeitsalltag muss eine Balance zwischen Ernährung und Bewegung
geschaffen werden;

7. auf eine Koordinierung der fachlich kompetenten Einrichtungen außerhalb
der Ministerien, namentlich der Bundeszentrale für gesundheitliche Auf-
klärung, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V., des Forschungs-
instituts für Kinderernährung und die Bundesforschungsanstalt für Er-
nährung und Lebensmittel sowie aller ernährungs-, sportwissenschaftlichen
und medizinischen Hochschulinstitute einschließlich der peb hinzuwirken;

8. unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung da-
rauf hinzuwirken, dass in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen eine
ausreichende Infrastruktur bereitgestellt beziehungsweise die vorhandene
verbessert wird, um die Verpflegung nach den Prinzipien einer gesundheits-
fördernden, ausgewogenen kind- und umweltgerechten Ernährung zu ge-
währleisten. Zudem sollten im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten in
geeigneter Weise angemessene, auf die jeweilige Altersgruppe abgestimmte
Qualitätsstandards für die Güte und Zusammensetzung der Verpflegung an-
gestrebt werden. Zu den Rahmenbedingungen einer qualitativ hochwertigen
Schulverpflegung gehört auch, dass die Strukturierung des Schulalltags aus-
reichend Zeit für gemeinsame Mahlzeiten berücksichtigt;

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9. zu prüfen, ob und wie eine ausgewogene Ernährung von Kindern in Über-
mittagsbetreuung einschließlich der Schüler und Schülerinnen zu einem
attraktiven Preis realisiert werden kann. Zurzeit wird auf Schulverpflegung
grundsätzlich Umsatzsteuer erhoben, wohingegen die Abgabe von Speisen
und Getränken in Mensen der Studentenwerke, die einem amtlich anerkann-
ten Wohlfahrtsverband angeschlossen sind, unter den weiteren Vorausset-
zungen des § 4 Nr. 18 des Umsatzsteuergesetzes von dieser Steuer befreit
sein kann;

10. mit den Ländern zu beraten, wie im vorschulischen, schulischen und außer-
schulischen Bereich mehr körperliche Bewegung gefördert werden kann;

11. mit den Ländern zu beraten, wie schulische Aus- und Fortbildung in Ernäh-
rungsfragen sowohl in Grundschulen als auch weiterführenden Schulen ge-
staltet sein muss, beispielsweise in Form von Ernährungs- und Produkt-
kunde im Rahmen von Hauswirtschaftslehre;

12. bei den Bundesländern anzuregen, die Vernetzung und Kooperation unter
dem Blickpunkt einer nachhaltigen Gesundheitsförderung zwischen Ver-
einen, Jugendamt und Schulen zu forcieren sowie den Bundesländern vor-
zuschlagen, dass das Schulsportangebot nachhaltig verbessert wird. Dazu
gehört: die Schaffung qualitativ guter Bewegungsmöglichkeiten in den
Schulen, besonders auch in Ganztagsschulen. Der Sportunterricht sollte
durch ausgebildete Sportlehrerinnen und Sportlehrer erfolgen und einen
Mindestumfang von 3 Schulstunden pro Woche umfassen. In den Ganztags-
schulen sollte die tägliche Sportstunde mittelfristiges Ziel sein;

13. Maßnahmen zu unterstützen, die finanziell schwachen Bevölkerungsteilen
einen kostengünstigen Zugang zu wohnortnahen Sport- und Bewegungs-
angeboten ermöglichen;

14. bei der Unterstützung von Projekten zur Bewegungsförderung auf ge-
schlechts- und altersspezifische Angebote zu achten und insbesondere einen
Focus auf eine individuelle Förderung von Mädchen und hier speziell auch
Migrantinnen zu legen;

15. den Sozialraumbezug der Gesundheitsförderung auszubauen und darauf
hinzuwirken, dass geeignete Maßnahmen in den Bereichen Ernährung und
Bewegung innerhalb der schon bestehenden Programminhalte des Bund-
Länder-Programms „Soziale Stadt“ berücksichtigt werden, um bereits vor-
handene Strukturen auf Stadtteilebene zur Ansprache sozial Benachteiligter
zu nutzen. Die Ministerien sind aufgefordert hierzu im Rahmen ihrer Zu-
ständigkeiten eigene Maßnahmen zu entwickeln, die in Form von Partner-
programmen den Bereich der Gesundheitsförderung aufgreifen und an das
Bundesprogramm „Soziale Stadt“ angebunden werden können und bei allen
Entscheidungen, die das Wohn- und Bewegungsumfeld von Kindern betref-
fen, auf den Bewegungsdrang der Kinder Rücksicht zu nehmen und Sport-
und Bewegungsstätten zu fördern;

16. zur Stärkung der Mobilitätserziehung die Mobilität per Fahrrad zu fördern
sowie auf eine kontinuierliche Verbesserung und Qualitätssicherung der
Radverkehrswegeinfrastruktur hinzuwirken;

17. die Forschung im Bereich Ernährung auszubauen und wissenschaftlich fun-
dierte Empfehlungen – auch für die Schulverpflegung – zu erarbeiten und
umzusetzen. Die Vernetzung der bestehenden wissenschaftlichen Kompe-
tenzen in diesem Bereich ist hierbei besonders zu fördern;

18. Evaluationen von bereits durchgeführten Projekten zur Prävention von
Fehlernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel durchzuführen und

gute Beispiele zu erarbeiten, die insbesondere in Bezug auf Fragen der
Förderwürdigkeit einzelner Vorhaben eine hilfreiche Grundlage darstellen

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können. Förderwürdig sollten dann zukünftig vorrangig die Ansätze sein,
die konkrete praxisnahe Hilfen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
auf der Umsetzungsebene anbieten können;

19. das Phänomen der Über- und Mangelernährung und des Bewegungsman-
gels auf europäischer Ebene stärker ins Bewusstsein zu rücken und sich
verstärkt für eine koordinierte Vorgehensweise der Mitgliedstaaten der EU
einzusetzen.

Berlin, den 9. Mai 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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