BT-Drucksache 16/5201

Geplante Regelungen zum Familiennachzug und Vermutungen zu "Scheinehen", "Scheinlebenspartnerschaften", "Zweckadoptionen" und Zwangsverheiratungen

Vom 27. April 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5201
16. Wahlperiode 27. 04. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke, Karin Binder, Katja Kipping,
Jan Korte, Elke Reinke, Dr. Kirsten Tackmann, Jörn Wunderlich und der
Fraktion DIE LINKE.

Geplante Regelungen zum Familiennachzug und Vermutungen zu „Scheinehen“,
„Scheinlebenspartnerschaften“, „Zweckadoptionen“ und Zwangsverheiratungen

Die vom Kabinett am 28. März 2007 beschlossene Novelle des Zuwanderungs-
gesetzes sieht umfangreiche Verschärfungen und Beschränkungen beim Fami-
liennachzug zu Drittstaatsangehörigen und deutschen Staatsbürgern vor. Die
umzusetzende EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung (Richtlinie 2003/
86/EG) verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht, den Fami-
liennachzug zu verschärfen. Die Gesetzesänderungen stehen in keinem bzw.
nur bruchstückhaftem Zusammenhang mit der Richtlinie. Verschiedene Organi-
sationen werfen der Bundesregierung vor, die geplanten Änderungen seien teil-
weise verfassungswidrig bzw. -bedenklich bzw. stünden nicht im Einklang mit
der Richtlinie zur Familienzusammenführung (vgl. Stellungnahme Verband bi-
nationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V. vom 5. März 2007; Presse-
erklärung Pro Asyl vom 23. Februar 2007).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welcher statistischen Grundlage betreffend den Familiennachzug in-
folge von sog. Zweckehen, Zweckadoptionen und Zwangsverheiratungen
beruhen die geplanten Verschärfungen des Familiennachzugs?

2. Wie viele Visa zur Familienzusammenführung (für Ehen und Lebenspartner-
schaften den Nachzug bitte getrennt angeben) wurden in den Jahren 1997
bis heute

a) beantragt,

b) abgelehnt,

c) erteilt

und wie viele davon führten

d) zur tatsächlichen Einreise,

e) zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland
(bitte jeweils Zahlen differenziert nach Geschlecht des Antragstellers sowie
zu den 15 stärksten Herkunftsländern und mindestens fünf afrikanischen
Ländern angeben)?

Drucksache 16/5201 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Welche Gründe waren für die Ablehnungen in den Fällen der Frage 2 maß-
geblich?

In wie vielen Fällen erfolgte eine Ablehnung insbesondere wegen

a) des Verdachts einer sog. Zweckehe/Zwecklebenspartnerschaft (bitte ge-
trennt angeben),

b) ungenügenden Einkommens(-nachweisen),

c) des Verdachts einer Zwangsheirat,

d) des Verdachts einer sog. Zweckadoption

(bitte jeweils Zahlen differenziert nach Geschlecht des Antragstellers sowie
zu den 15 stärksten Herkunftsländern und mindestens fünf afrikanischen
Ländern angeben)?

4. In wie vielen Fällen wurde eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 27 bis 30,
32 und 36 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) seit 1997 jährlich erteilt bzw.
abgelehnt?

In wie vielen Fällen erfolgte eine Ablehnung insbesondere wegen

a) des Verdachts einer sog. Zweckehe/Zwecklebenspartnerschaft (bitte ge-
trennt angeben),

b) ungenügenden Einkommens(-nachweisen),

c) des Verdachts einer Zwangsverheiratung,

d) des Verdachts einer sog. Zweckadoption

(bitte jeweils Zahlen differenziert nach Geschlecht des Antragstellers sowie
zu den 15 stärksten Herkunftsländern und mindestens fünf afrikanischen
Ländern angeben)?

5. In wie vielen Fällen vermuteter sog. Zweckehen/-partnerschaften bzw.
Zwangsheiraten wurden Strafverfahren gegen die ausländischen bzw. deut-
schen Ehe- bzw. Lebenspartnerinnen und Ehe- bzw. Lebenspartner mit wel-
chen Ergebnissen seit 1997 jährlich eingeleitet?

6. Wie viele Klagen gegen versagte Visa zur Familienzusammenführung bzw.
gegen versagte Aufenthaltserlaubnisse wurden seit 1997 jährlich mit wel-
chem Ergebnis eingelegt?

7. Wie viele der Personen, die seit 1997 über den Nachzug zu Ehe- bzw.
Lebenspartnerinnen und Ehe- bzw. Lebenspartnern nach Deutschland einge-
reist sind, waren

a) unter 18 Jahre,

b) über 18 Jahre

(bitte getrennt nach Geschlecht und Jahren angeben)?

8. Welche Auswirkungen wird die geplante Neuregelung des § 27 AufenthG-E
nach Ansicht der Bundesregierung auf den Familiennachzug bzw. die Prü-
fungspraxis der Behörden haben?

a) Wird mit § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG-E die Beweispflicht der Aus-
länderbehörden für den Nachweis einer vorliegenden sog. Zweckehe
gegenüber der bisherigen Rechtslage und Entscheidungspraxis erhöht
oder verringert (bitte begründen)?

b) Werden Überprüfungspraktiken wie getrennte Vernehmungen der Ehe-
leute/Lebenspartnerinnen bzw. Lebenspartner zu den Umständen des
Kennenlernens, des Zusammenlebens usw. bzw. Befragungen von Nach-
barinnen und Nachbarn und Wohnungsbesichtigungen bei Aufenthalts-
erteilungen an binationale Ehe- bzw. Lebenspartnerinnen und Ehe- bzw.

Lebenspartner nach der Neuregelung verboten sein, solange nicht fest-
steht, dass ausschließlich eine sog. Zweckehe bzw. -partnerschaft vor-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5201

liegt, oder wird es aufgrund der neuen Rechtsgrundlage verstärkt zu sol-
chen Überprüfungspraktiken kommen (bitte begründen)?

c) Wie müssen (beispielhaft) tatsächliche Anhaltspunkte beschaffen sein,
die den Anforderungen des § 27 Abs. 1a Nr. 2 AufenthG-E an die be-
gründete Annahme einer Zwangsehe entsprechen?

d) Wie wirkt sich der Umstand, „dass eine scharfe Trennung zwischen
Zwangsverheiratungen und arrangierter Ehe nicht möglich ist“ (Be-
gründung zu § 30 AufenthG-E), auf die Prüfungsmaßstäbe nach § 27
Abs. 1a Nr. 2 AufenthG-E aus?

9. Spielt die Zugehörigkeit zum islamischen Glauben bzw. die Herkunft aus
einem islamisch geprägten Land bei der Beurteilung der Frage, ob nach
§ 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AufenthG-E ein „erkennbar geringer Integrations-
bedarf“ vorliegt bzw. ob ausländische Staatsangehörige sich ohne staat-
liche Hilfe in das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben in-
tegrieren können, eine Rolle, und wenn ja, welche?

10. Ist der pauschale Verzicht auf den Nachweis von Sprachkenntnissen im Rah-
men des Ehegattennachzugs nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG-E, d. h.
bei Staatsangehörigen bestimmter Länder wie der USA, Australiens, Kana-
das, Japanas, der Republik Korea, Neuseelands und Israels, mit dem Grund-
satz der Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit vereinbar
bzw. warum wird pauschal davon ausgegangen, dass (alle) Staatsangehöri-
gen dieser Länder sich leichter integrieren als (alle) Staatsangehörigen der
anderen Länder und deshalb der Nachweis bereits vorhandener Sprach-
kenntnisse entgegen des Regelsatzes verzichtbar sei (bitte begründen)?

11. Wie ist die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- bzw. -ver-
fassungsgerichts zum Ehegattennachzug zu Deutschen und der Zulässig-
keit seiner bei nicht gesichertem Lebensunterhalt (Sozialhilfebezug), und
mit welchen Gründen rechtfertigt die Bundesregierung gegebenenfalls ein
Abweichen von dieser Rechtsprechung?

12. Sieht die Bundesregierung die Gefahr einer deutschen Staatsangehörigkeit
mit minderen Rechten, wenn nur bestimmten Deutschen (nämlich Ein-
gebürgerten mit doppelter Staatsangehörigkeit) das Recht auf ein gemein-
sames Eheleben massiv beschränkt wird (vgl. § 28 Abs. 1 AufenthG-E
i. V. m. der entsprechenden Begründung des Gesetzentwurfs), falls die
dauerhafte Lebensunterhaltssicherung ohne öffentliche Hilfe nicht nach-
gewiesen werden kann?

Berlin, den 27. April 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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