BT-Drucksache 16/495

Offenlegung der deutschen Agrarbeihilfeempfänger

Vom 27. Januar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/495
16. Wahlperiode 27. 01. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Heike Hänsel, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

Offenlegung der deutschen Agrarbeihilfeempfänger

Während der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong im vergangenen Dezember
haben sich die Mitgliedstaaten auf das Auslaufen aller Exportsubventionen im
Agrarbereich bis zum Jahr 2013 festgelegt. Dieser Schritt entsprach Forde-
rungen vieler Entwicklungsländer und der am wenigsten entwickelten Staaten,
deren Landwirtschaft unter starkem Druck durch subventionierte Agrargüter aus
den Industrieländern, insbesondere aus der EU, steht. Für die Produktions-
subventionen steht ein entsprechender Beschluss indes noch aus.

MISEREOR veröffentlichte 2005 eine Studie über die Wirkung von Milchim-
porten aus der EU und anderer entwickelter Staaten auf die Wirtschaft in Burki-
na Faso. Das mit EU-Geldern subventionierte Trockenmilchpulver wird dort zu
Dumpingpreisen angeboten, mit denen die einheimische Landwirtschaft nicht
konkurrieren kann. Obwohl es derzeit rund eine Million Milchviehhirten in Bur-
kina Faso gibt, was einem Zehntel der Gesamtbevölkerung entspricht, konsu-
mieren die Einwohner in Ouagadougou und den anderen Städten des Landes fast
ausschließlich die aus importiertem Trockenpulver gewonnene Milch.

Europäische Exportsubventionen kommen lediglich exportorientierten Betrie-
ben zugute und nutzen den kleinen und mittleren Bauernhöfen in Europa nichts.
Aber auch bei den Produktionssubventionen profitieren vor allen Dingen jene,
die schon viel haben. Oxfam veröffentlichte im November 2005 ihre Auswer-
tung der Subventionsberichte verschiedener Länder über die ausgezahlten
Agrarbeihilfen und kam zu dem Ergebnis, dass

– in Frankreich 60 Prozent der EU-Direktzahlungen an nur 15 Prozent der
Landwirtschaftsbetriebe gehen, während 70 Prozent der bäuerlichen Betriebe
nur 17 Prozent der Beihilfen erhalten;

– in Spanien die sieben meistbegünstigten Empfänger soviel erhalten wie die
12 700 kleinsten landwirtschaftlichen Betriebe zusammen;

– in Großbritannien die königliche Familie ein großer Empfänger von Agrar-
subventionen ist, ebenso wie der Zuckerkonzern Tate & Lyle;

– in Dänemark im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik insgesamt eine sie-

benstellige Summe an vier Minister der Regierung, mehrere Parlamentsabge-
ordnete und die dänische EU-Kommissarin ausgezahlt wird.

In den Niederlanden wurde öffentlich, dass das Unternehmen des Landwirt-
schaftsministers Cees Verman 150 000 Euro an Agrarsubventionen erhielt. Die
Evert Vermeer Stichting hat im September 2005 einen detaillierten Katalog über
die vierzig größten Zahlungsempfänger von Agrarsubventionen in den Nieder-
landen erstellt. Aus ihm ging hervor, dass die fünf meistbegünstigten Firmen,

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darunter Nestlé Nederland und das Industrieunternehmen Verwerkings Industrie
Vreeland, in den Jahren 1999 bis 2003 zusammen 2,39 Mrd. Euro an Agrar-
subventionen erhielten. Unter den vierzig meistbegünstigten Unternehmen be-
fanden sich der Bierbrauer Heineken und der Zigarettenhersteller Philip Morris.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welche Gesamtsumme beliefen sich die in den Jahren 1999 bis 2004 an
deutsche Unternehmen ausgezahlten Agrarbeihilfen?

2. Auf welche Summe beliefen sich dabei die Exportsubventionen?

3. Befanden sich unter den Subventionsempfängern seit 1982 Bundesminister,
deutsche EU-Kommissare oder deutsche Staatssekretäre, und wenn ja,
welche?

4. Welches sind die Namen der vierzig deutschen Unternehmen, die am meisten
Agrarbeihilfen im Gesamtzeitraum 1999 bis 2004 erhielten, und welche
Summen erhielten sie im Einzelnen?

5. Hat das BMZ seit Beginn der 90er Jahre Evaluierungen über die Auswirkun-
gen subventionierter Agrarexporte deutscher Unternehmen auf die Landwirt-
schaft in einzelnen Ländern oder Regionen der Dritten Welt erhoben?

Wenn ja, wie hoch beziffert die Bundesregierung den entstandenen Schaden
für die heimische Landwirtschaft in den betroffenen Regionen (bitte nach
Ländern und Branchen einzeln aufführen)?

6. Plant die Bundesregierung, einzelnen Beziehern von Exportsubventionen die
entstehenden Mindereinnahmen nach Auslaufen dieser Subventionen bis
2013 durch anderweitige Unterstützungszahlungen zu kompensieren, und
wenn ja, welche Kategorien der Exportsubventionen sind nach jetzigem
Planungsstand davon betroffen?

7. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen und gedenkt sie künf-
tig zu ergreifen, um die öffentliche Transparenz bezüglich der Unter-
stützungszahlungen an deutsche Unternehmen im Rahmen der europäischen
Gemeinsamen Agrarpolitik zu verbessern?

Berlin, den 25. Januar 2006

Hüseyin-Kenan Aydin
Heike Hänsel
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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